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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 26.01.2024

Lesenswerter historischer Roman mit gesellschaftskritischen Ansätzen

Die Hexen von Cleftwater
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“Die Hexen von Cleftwater” spielt in einem kleinem Dorf in England zur Zeit der Hexenverfolgungen des 17. Jahrhundert.

Meyers Protagonistin Martha ist stumm und arbeitet seit vielen Jahren als kräuterkundige ...

“Die Hexen von Cleftwater” spielt in einem kleinem Dorf in England zur Zeit der Hexenverfolgungen des 17. Jahrhundert.

Meyers Protagonistin Martha ist stumm und arbeitet seit vielen Jahren als kräuterkundige Hebamme. In dem Haushalt, dem sie angehört, wird gleich zu Beginn des Romans eine junge Dienstmagd festgenommen und als Hexe angeklagt.
Immer mehr Frauen werden in dem kleinen Ort Cleftwater der Hexerei verdächtigt, denn der Hexenjäger ist vor Ort und vermutet einen Hexenzirkel.
Ich finde, auch wenn Meyer in erster Linie einen historischen Roman, der der Unterhaltung dienen soll, geschrieben hat, dass sie einige der gesellschaftlichen Wirkmechanismen der Hexenverfolgung deutlich herausarbeitet.
Die Verdächtigungen werden nicht wahllos ausgesprochen, sondern sie treffen vor allem Frauen, die am Rand stehen, ausgegrenzt sind, sich den Wünschen der Männer nicht in jeder Hinsicht fügen wollen.

Auch gefühlte Ungerechtigkeiten und Neid äußern sich diesen Anschuldigungen. Den Verdacht eine Hexe zu sein zu widerlegen ist quasi unmöglich und Folter und psychologischer Druck führen schnell zu vermeintlichen Geständnissen.

Auch Martha gerät bald unter Verdacht, was sie in einen Zwiespalt ihres Gewissens stürzt, denn was keiner weiß: Martha besitzt einen Aztmann, ein kleines Wachsfigürchen, dem magischen Kräfte zugesprochen werden….

Der Aztmann zieht sich wie ein roter Faden durch den Roman und Meyer nutzt das symbolträchtige Püppchen als Projektion für die Zweischneidigkeit des Glaubens und die Ambivalenz von Gut und Böse in uns Menschen.

Die in Meyers Roman enthaltene Geschichte ist zwar definitiv fiktiv und aus Gründen der Unterhaltung verdichtet und dramatisiert, basiert aber auf realen historischen Ereignissen und ist wie der Meyers Danksagung zu entnehmen ist, detailliert recherchiert.

Für mich war die „Die Hexen von Cleftwater“ ein emotional sehr mitreißender historischer Roman, dessen Andeutungen von feministischer Gesellschaftskritik für mich gerne noch deutlicher hätten ausfallen können. Die handlungsreicheren Szenen wirkten minimal zu wenig auserzählt und zu schnell geschnitten.

Diese kleineren Kritikpunkt minderten aber die erzählerische Sogwirkung nur minimal und ich möchte dir diesen äußerst fesselnden, historischen Pageturner gerne weiterempfehlen!

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Veröffentlicht am 26.01.2024

Ein wunderbares und vielversprechendes Debüt!

Wir sitzen im Dickicht und weinen
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„Kann es zwischen Eltern und Kindern so etwas wie Gerechtigkeit geben?“

Ich glaube, du und ich kennen die Antwort darauf. Beziehungen zwischen engen Blutsverwandten funktionieren selten nach den Gesetzten ...

„Kann es zwischen Eltern und Kindern so etwas wie Gerechtigkeit geben?“

Ich glaube, du und ich kennen die Antwort darauf. Beziehungen zwischen engen Blutsverwandten funktionieren selten nach den Gesetzten der Gerechtigkeit.

Felicitas Prokopetz taucht mit ihrem Roman tief in die komplexen Schichten der zwischenmenschlichen Beziehungen zwischen Eltern und Kindern ein. Ihre Protagonistin Valerie, die sie in der Ich-Perspektive erzählen lässt, steckt mitten im schwierigen Abnabelungsprozess von ihrem doch sehr behüteten Sohn. Zusätzlich wird ihre Mutter, zu der sie ein schwieriges und belastetes Verhältnis hat sehr krank und braucht sie emotional an ihrer Seite.

Aber warum ist diese Beziehungen zur Mutter, so schwierig, so aufgeladen, so voller nicht ausgesprochenem Schmerz und gleichzeitig so wichtig?

Prokepetz geht zurück zu den Großmüttern von Valerie und wirft einen Blick auf deren Kämpfen und Lebensumstände. Sie mussten sich in einem engen System aus patriarchalen Rollenzuschreibungen und wirtschaftlicher Abhängigkeit behaupten und darum kämpfen, sich nicht darin zu verlieren. In dem generationenübergreifenden Portärt wird deutlich, wie sich der Blick auf Erziehung, Emanzipation und Ehe ändern und für Konflikte zwischen den Generationen sorgen kann.

Familie kann verletzend sein, tröstend, eine Heimat oder ein Trauma. Auf jeden Fall aber immer prägend.
Ich mochte den ersten Roman von Prokopetz sehr, er ist leicht im Stil, aber nicht trivial im Inhalt.
Ein wunderbares und vielversprechendes Debüt!

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Veröffentlicht am 20.12.2023

Modern und tiefgründig!

Chrysalis
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Eine Chrysalis ist ein, sich in der Metarmophose befindendes Insekt.

Eine Puppe.

Was für ein toller und passender Titel für diesen wahnsinnig faszinierenden Debütroman von Anna Metcalfe!

Mit einer ganz ...

Eine Chrysalis ist ein, sich in der Metarmophose befindendes Insekt.

Eine Puppe.

Was für ein toller und passender Titel für diesen wahnsinnig faszinierenden Debütroman von Anna Metcalfe!

Mit einer ganz besonderen Konstruktion: Metcalfe beschreibt ihre eigentliche Protagonistin von außen aus der Perspektive von drei verschiedenen Ich-Erzählerinnen. So sehe ich diese junge Frau nur durch die Augen der anderen drei. Ich weiß nie, was wirklich in ihr vorgeht, was ihre Motivation ist.
Diese Erzählform greift das inhaltliche Thema, dieses von außen bewertet und beobachtet werden, bereits stilistisch auf.

Ich schließe aus den Erzählungen von

Elliot - die Freundschaft plus aus dem Fitnessclub
Bella - ihre Mutter, die sie alleine großgezogen hat
Susie - die sich für ihre beste Freundin hält

dass sie eine junge, attraktive Frau ist, die sich aus einer toxischen Beziehung befreit hat und die sich jetzt die Kontrolle über ihren Körper und ihr Leben wiederholen möchte.
Sie beginnt erst ihren Körper zu verändern. Er soll stark, fast überirdisch perfekt und mächtig werden, wie eine unantastbare Skulptur.

„Ihr Körper faszinierte mich. Er war übermenschlich, überentwickelt, muskulös und fest. Ihre glatte Haut war straff und scheinbar dicker als die anderer Menschen.“

Dann kappt sie ihre zwischenmenschlichen Beziehungen nach und nach, denn Gefühle machen angreifbar und verletzlich.
Ihr Transformation vermarktet sie zunehmend erfolgreich in Social Media.

Inhaltlich wagt sich Metcalfe an viele, feministische und gesellschaftliche Themen, ohne dass sie die Wertung vorgibt. Durch den Aufbau des Romans bleiben die Ereignisse und der Blick immer subjektiv bei dem/der jeweiligen Erzähler
in. Das lässt mir viel Luft für eigenen Interpratationen und Metcalfe lässt mir viel Spielraum um zwischen den Zeilen zu lesen.

Die Erzähler*innen fungieren teilweise als Gegensatz zur Protagonistin, was besonders durch den Helferkomplex von Susie deutlich wird.
Die Protagostin nimmt sich konsequent was sie will ohne Rücksicht auf Konventionen, aber auch ohne Rücksicht auf die Gefühle anderer.

Literarisch bewegt sich Metcalfe auf sehr hohem Niveau, ihre Prosa ist auf den Punkt, fesselnd und wirkmächtig.

„Das Ende war immer gleich: Das Mädchen wurde vernichtet und in anderer Gestalt wiedergeboren.“

Absolut zeitgemäß, interessant und ungewöhnlich!

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Veröffentlicht am 05.12.2023

Solider Krimithriller mit Überraschungsmomenten

Der flüsternde Abgrund
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🔴 Mit Spannungsliteratur aus Australien habe ich bis jetzt sehr gute Erfahrung gemacht. „Der flüsternde Abgrund“ reiht sich hier nahtlos ein, denn der preisgekrönte Debütroman von Lando war für mich ein ...

🔴 Mit Spannungsliteratur aus Australien habe ich bis jetzt sehr gute Erfahrung gemacht. „Der flüsternde Abgrund“ reiht sich hier nahtlos ein, denn der preisgekrönte Debütroman von Lando war für mich ein unterhaltsamer, solider Thriller. Es gab sogar für mich als routinierte Leserin, anders als in meinem letzten Thriller „Himmelfahrt“ das eine oder andere Überraschungsmoment, was mich natürlich gefreut hat.

Es handelt sich hier übrigens um einen klassischen Krimithriller, der, ebenfalls anders als „Himmelfahrt“, komplett ohne übernatürliche Elemente auskommt.

🔴 Ich kehre mit Landos Protagonisten Callum Haffenden in sein australisches Heimatprovinzkaff zurück, wo er vor 30 Jahren als Jugendlicher durch einen Unfall ein Bein verloren hat. Unnötig zu erwähnen, dass der Beinverlust Teil einer verzwickten Geschichte ist, die sich im Laufe des Romans allmählich aufklären wird.
Die Kleinstadt Granite Creek liegt am Rande des australischen Regenwalds und im nahegelegenen zerklüfteten Felsenmeer sind im Laufe der Jahrzehnte immer wieder schlimme Unfälle geschehen und Menschen verschwunden.
Callum kehrt an diesen Ort seines Aufwachsens zurück, weil er in der Zeitung gelesen hat, das der junge Familienvater Lachie, der Sohn einer Jugendliebe, vermisst wird und angeblich im Felsenmeer verschwunden ist.
Mit Lachie hat Callum eine ganz besondere Verbindung, von der aber außer ihm niemand etwas weiß und so beteiligt er sich an der Suche.

🔴 Lando streut immer wieder kleine Rückblicke aus Callums Vergangenheit ein und dröselt so langsam das Beziehungsgeflecht der Figuren auseinander. Ich lerne die Bewohner*innen von Granite Creek kennen und gehe mit Callum auf die Spurensuche, um herauszufinden was mit Lachie passiert ist und gleichzeitig einigen Rätsel der Vergangenheit auf den Grund zu gehen.

🔴 Natürlich verwendete Lando klassische Elemente des Genres wie den Gedächtnisverlust von Callum, der verwirrte Alte, der etwas zu wissen scheint, Drogen (okay, es ist Marihuana) im Kleinstadtmillieu, das gehört wohl zum Kanon.
Auch gibt es an manchen Stellen für meinen Geschmack ein bißchen zu viele Zufälle und zu viele Kongruenzen.

🔴 Der sympathische Mr. Nice Guy Callum Haffenden macht hier einiges an Boden wieder gut, dazu der clever konstruierte und glaubwürdige Plot.
Auch der Schreibstil, von dem ich bei einem Thriller keine literarischen Preziosen erwarte, ist flüssig und macht mein Leseerlebnis ingesamt zu einer runden und unterhaltsamen Sache.

Für mich ein Thriller, den ich auf meiner persönlichen Skala im oberen Mittelfeld einordne und den ich, als Abwechslung zu meiner manchmal thematisch wie stilistisch sehr herausfordernder Lektüre gerne gelesen habe!

Wenn du gerne Thriller oder Krimis liest, lohnt sich für dich vielleicht ein zweiter Blick auf „Der flüsternde Abgrund“.

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Veröffentlicht am 26.11.2023

Für mich zu vorhersehbar und konventionell

Himmelfahrt
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»Sie müssen Himmelfahrt von Nicholas Binge lesen. Grusel der alten Schule. Ein wunderbarer Roman. Fünf-Sterne-Horror.« Stephen King

In der Kurzbeschreibung stand außerdem „innovativer Wissenschaftsthriller ...

»Sie müssen Himmelfahrt von Nicholas Binge lesen. Grusel der alten Schule. Ein wunderbarer Roman. Fünf-Sterne-Horror.« Stephen King

In der Kurzbeschreibung stand außerdem „innovativer Wissenschaftsthriller - zwischenmenschlich berührend“.

I mean, wer will das dann nicht lesen? Ich wollte selbstverständlich.
Allerdings muss ich sagen, meine hohen Erwartungen wurden enttäuscht. „Himmelfahrt“ war in meinen Augen bestenfalls konventionelle, nette Thrillerkost. Die versprochenen wissenschaftlichen und philosophischen Exkursionen empfand ich als oberflächlich und aufgesetzt.

Nun gut, Thriller sind nicht das Genre meiner größten Expertise, ich habe aber auch schon in diesem Genre für mich herausragende Romane gefunden, die mich sowohl unterhalten, intellektuell stimuliert, als auch berührt haben.

„Himmelfahrt“ folgt dem gängigen Drehbuch des Genres.
Ein lange verschollener Bruder wird nach 20 Jahren in einer stereotyp dargestellten Irrenanstalt wieder gefunden und in seinem Besitz einen Stapel Briefe.

„Niemand darf es lesen!“

Das sind die letzten Worten, bevor er sich anzündet.

Unnötig zu erwähnen, dass die Briefe dann natürlich die aufregende Geschichte des Bruder enthalten, die wir sehr wohl lesen.

Was folgt ist eine hollywoodreife Abenteuererzählung mit wissenschaftlich verbrämter Sci-Fi Ausrichtung, bei der die Figuren nach Rangordnung ihrer Wichtigkeit ausgelöscht werden. Das zwischenmenschliche Element wird mit einer Liebesgeschichte und einem tragischen Unfall in der Vergangenheit bedient.
Die absolute Vorhersehbarkeit des Plots finde ich schon ein bißchen ärgerlich, auch wenn ich sagen muss, dass Binge ein guter Erzähler ist.
Trotz des vorhersehbaren Plots fällt es mir vor allem anfangs leicht am Ball zu bleiben. Je näher jedoch der unausweichliche Gipfel der Handlung und des Berges rückt, desto mehr fällt bei mir die Spannungskurve ab, der erwartbare Showdown interessiert mich dann kaum noch.

Kurz: Für Thrillerleser:innen eine ansprechendes, aber konventionell erzähltes Abenteuer, das bei einer Verfilmung sicher Publikum ins Kino locken könnte. Bei mir überwog die Langeweile auf Grund der vorhersehbaren Handlung, Ärger über stereotype Darstellungen und mangelnder Tiefgang.

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