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Madamebiscuit15

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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 06.11.2024

Gelungen und kurzweilig

Pi mal Daumen
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Das Lieblingsbuch der unabhängigen Buchhandlungen hat mir mein letztes Wochenende verschönert. Zuerst war ich etwas skeptisch, ob es wirklich das richtige Buch für mich ist. Aber bereits ab der ersten ...

Das Lieblingsbuch der unabhängigen Buchhandlungen hat mir mein letztes Wochenende verschönert. Zuerst war ich etwas skeptisch, ob es wirklich das richtige Buch für mich ist. Aber bereits ab der ersten Seite zuckten meine Mundwinkel immer wieder nach oben und ich wurde köstlich unterhalten.
Gerade weil Oscar, der 16jährige Überflieger, emotional und sozial leider durchaus Nachholbedarf hat, bringt er die Dinge unverstellt auf den Punkt. Seine Aussagen ließen mich immer wieder auflachen, auch, wenn ich öfter froh war, nicht sein Gegenüber sein zu müssen. Durch den Einblick in seine Gedanken werden seine Handlungen und Aussagen aber nachvollziehbar und er ist mir ans Herz gewachsen.
Genauso wie seine Kommilitonin Moni, die mit Anfang 50 und ihrem äußeren Erscheinungsbild, ebenso aus der Masse der Studierenden heraussticht, wie Oscar.
Diese beiden haben sich zwar nicht gesucht, aber definitiv gefunden und bilden ein wunderbar schräges und sympathisches Duo.
Monis Privatleben und ihre Familienbiografie sind an Thementiefe durchaus nicht ohne, kümmert sie sich doch permanent um ihre drei Enkelkinder, während sie nebenbei mit mindestens drei Jobs jongliert. Finanzielle Schwierigkeiten, Zeitnot und stereotype Erwartungshaltungen, bezüglich ihrer möglichen intellektuellen Voraussetzung, sind nur ein kleiner Ausschnitt davon.
Doch Alina Bronsky hat einen so locker-witzigen Schreibstil, dass hier keine Schwere aufkommt. Sie veranschaulicht immer wieder die Unkenntnis und Irritation von Oscar, der aus einem gut situierten Haushalt kommt und gleichzeitig zeigt, wie unrealistisch sein Weltbild doch ist. Moni dagegen ist ein unheimlich starker Charakter, mit funktionierenden Strategien und einem übergroßen Herz für alle um sie herum.

Mir bleibt abschließend nur zu sagen, lest es am besten selbst, wenn Ihr Lust auf gute und kurzweilige Unterhaltung habt. Dieser Roman macht einfach gute Laune.

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Veröffentlicht am 26.10.2024

Gelungene Geschichte über was im Leben zählt

9 Grad
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Josies Leben gerät aus den Fugen. Seit der Schulzeit sind Rena und sie beste Freundinnen. Doch als Rena plötzlich gesundheitliche Schwierigkeiten bekommt, hinterfragt diese ihr Leben und rüttelt damit ...

Josies Leben gerät aus den Fugen. Seit der Schulzeit sind Rena und sie beste Freundinnen. Doch als Rena plötzlich gesundheitliche Schwierigkeiten bekommt, hinterfragt diese ihr Leben und rüttelt damit auch an Josies Überzeugungen. Noch mehr Chaos und Unsicherheit verursacht das Kennenlernen von Lee, ihrem neuen Freund. Denn bereits beim ersten Date erzählt er ihr von seiner Depression. Halt und ein ganz neues Hochgefühl erlebt sie dagegen beim Eisbaden im 9 Grad kalten Fluss.

An dieses Buch bin ich mit einer gewissen Unsicherheit herangegangen. Das Cover zog mich tatsächlich an, inhaltlich war ich mir dagegen nicht sicher, ob es mich überzeugen können würde. Und was soll ich sagen, es hat sich gelohnt.

Elli Kolb hat eine ganz eigene Stimmung und Atmosphäre in ihrem Roman geschaffen, der ich mich kaum entziehen konnte. Immer wieder habe ich gemerkt, wie ich beim Lesen ruhiger geworden bin, es mich entschleunigt hat Josies Gedanken zu folgen. Dabei ist es inhaltlich keine leichte Kost. Neben dem Thema Depression und was es bedeuten kann mit einer betroffenen Person eine Beziehung einzugehen, kämpft die Hauptfigur vor allem mit ihrem eigenen Körperbild, ihrer Körperwahrnehmung. Die Autorin verdeutlicht hier anschaulich, was das „Norm-Schön-sein“ mit uns macht und wie tief verankert diese Vorstellung des Optimalen in uns ist.
Ihr Schreibstil ist bildhaft und beschreibend. Sie trifft, für mich, mühelos den Ton junger Erwachsener und immer wieder ist es mir passiert, dass ich festgestellt habe, dass sie genau meine Gedanken dazu in die richtigen Worte gepackt hat.

Was das Eisbaden betrifft, habe ich mit großem Interesse gelesen, welche Auswirkungen das auf unseren Körper hat bzw. haben kann. Allerdings bin ich mir nicht sicher, ob ich mich dazu jemals überwinden können werde.

Gerne empfehle ich Euch dieses bewegende Debüt mit sympathischen Charakteren und einer gelungenen Tiefe in der Handlung.

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Veröffentlicht am 07.10.2024

Ehrliche und gelungene Gedanken zweier Brüder

Intermezzo
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"Ehrlich gesagt, wir mögen uns nicht besonders. Seit seiner Pubertät. Er hasst mich, weil er mich für ein arrogantes Arschloch hält, und ich verachte ihn, weil ich finde, er ist ein beschissener Loser." ...

"Ehrlich gesagt, wir mögen uns nicht besonders. Seit seiner Pubertät. Er hasst mich, weil er mich für ein arrogantes Arschloch hält, und ich verachte ihn, weil ich finde, er ist ein beschissener Loser." S.347

Damit ist schon sehr viel gesagt, über die Brüder Peter und Ivan, die durch die Beerdigung ihres Vaters wieder aufeinander treffen. Warum ihr Verhältnis allerdings so ist, erfahre ich erst später, über viele Seiten hinweg.
Sally Rooney wechselt von Kapitel zu Kapitel die Erzählperspektive zwischen den beiden Brüdern und insofern offenbart sich ihr Beziehung zu einander auch von beiden Seiten. Dieser Schachzug gefiel mir gut, vorallem weil sie gelungen veranschaulicht, wie unterschiedlich die Brüder sind und wie es zu ihrem Zerwürfnis kam. Beide empfand ich dabei als äußerst menschliche Charaktere. Sie machen Fehler, verletzen und werden verletzt. Nicht nur gegenseitig, sondern auch durch ihre Familie und das Leben, das uns nun einmal begegnet.
Auch einzelne Frauen und die Beziehung zu ihnen spielen für beide eine wichtige Rolle. Dabei veranschaulicht Rooney gekonnt herrschende Klischees und wie sehr sie uns prägen.
Durch die Unterschiedlichkeit im Wesen, gehen Peter und Ivan auch völlig konträr mit diesen Erwartungen um.
Die Autorin erzählt hier eine sehr ehrliche und authentische Geschichte über das Menschsein, sie legt gekonnt Empfindungen offen und schreibt in wunderbaren Worten über das Verliebtsein. Gerade Ivan und Margaret als Paar haben mich sehr berührt. Zu leicht sind ihre Gedanken nachzuvollziehen und zu sehr habe ich mir gewünscht, dass sie ihre Liebe leben können.
Aber auch Peters Gedanken und Verhalten sind für mich plausibel und seine amourösen Verstrickungen haben mich nachdenklich gemacht.

Für mich ist Sally Rooney hier ein lesenswerter und glaubwürdiger Roman über Menschen und Beziehungen unserer Zeit gelungen. Ihr Schreiben wirkt reifer und weniger wütend, als in ihren letzten Romanen. Ihr Stil ist treffsicher und durchaus anspruchsvoll, für mich ein Lesevergügen.
Insofern lege ich Euch diesen Roman gerne ans Herz.

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Veröffentlicht am 29.09.2024

Berührend Geschichte, die betroffen macht

Wünschen
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„Ich glaube halt, Liebesgeschichten wie unsere haben grundsätzlich nicht die Tendenz zu Happy Ends“ S. 271

Allein dieser Satz geht einem bereits nahe. Wie furchtbar ist es wohl in eine Beziehung zu starten ...

„Ich glaube halt, Liebesgeschichten wie unsere haben grundsätzlich nicht die Tendenz zu Happy Ends“ S. 271

Allein dieser Satz geht einem bereits nahe. Wie furchtbar ist es wohl in eine Beziehung zu starten und gleichzeitig diese Überzeugung im Hinterkopf zu haben?!

Allerdings ist es nicht die Aussage von Obiefuna, dem jungen Protagonisten dieses Romans, denn er ist ganz anders.
Ich lerne ihn als unschuldigen, teilweise kindlich-naiven Jungen kennen, der mir sofort ans Herz wächst.
Als sein Vater einen anderen Teenager als Mitarbeiter für seinen Laden mit nach Hause bringt, ist keinem klar, was für eine schicksalhafte Begegnung das darstellt.
Denn die Familie lebt in den 2010er Jahren in Nigeria und amouröse Gefühle unter Gleichgeschlechtlichen sind untersagt und werden gesellschaftlich geächtet.
Insofern bleibt seinem Vater keine Wahl und er steckt ihn ein autoritäres Jungeninternat.

Hier wird Obiefuna erwachsen, lernt durch brutale Erfahrungen das „Prinzip des Stärkeren“ kennen und vor allem seine sexuelle Orientierung zu verstecken.
Der Autor veranschaulicht in seinem Werk diese Machtstrukturen in zwischenmenschlichen Beziehungen und Gesellschaften, ohne dabei zu explizit ins Detail gehen zu müssen. Die Beklemmung und Unterdrückung wird auch so spürbar.
Gleichzeitig schreibt er sehr zart und empfindsam über Emotionen zwischen den Charakteren und macht so ein Mitfühlen mühelos möglich.

Eine große Rolle in Obiefunas Leben spielt seine Mutter, der Chukwuebuka Ibeh den zweiten Handlungsstrang widmet. Auch sie veranschaulicht durch ihr Verhalten gesellschaftliche Normen des Landes und zeigt, wie schwer es ist sich dagegen aufzulehnen.

Für mich war es eine sehr berührende Lektüre, die mich bezüglich der herrschenden Realität in Nigeria betroffen zurückgelassen hat. Die Figure Obiefuna kam mir dabei sehr nahe und ich bewundere sie für ihre Kraft und ihre unverwüstliche Stärke.

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Veröffentlicht am 25.09.2024

packend erzählt, wirft aktuelle Fragen auf

Der Geruch des Paradieses
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Es geht um Peri, in ihren 30gern, wohnhaft in Istanbul und auf dem Weg zu einer Dinnerparty der High Society, als sie überfallen wird. Dabei fällt ihr ein Foto aus Studienzeiten in Oxford in die Hände ...

Es geht um Peri, in ihren 30gern, wohnhaft in Istanbul und auf dem Weg zu einer Dinnerparty der High Society, als sie überfallen wird. Dabei fällt ihr ein Foto aus Studienzeiten in Oxford in die Hände und weckt Erinnerungen.
Der Roman spielt somit auf zwei Zeitebenen, zum einen 2016 bei der Party und zum anderen in Peris Erinnerung an ihre Kindheit und besonders an ihre Zeit in England. Was der Autorin dabei meisterhaft gelingt ist die Vielzahl an gewichtigen Themen, die sie hier mühelos mit der Handlung verwebt. Peris gesamte Biographie, bis hin zur aktuellen Abendveranstaltung, veranschaulicht greifbar, was es heißt im kulturellen Kontext der Türkei aufzuwachsen und zu leben. Wie sehr die Frage des Glaubens oder der Säkularität ganze Familien prägt und entzweit. Wie (möglicherweise) die Ansicht der türkischen Oberschicht zur EU und der Demokratie aussieht.
„Demokratie ist reiner Luxus, wie Beluga-Kaviar, und genau das ist das Problem […] Einen solchen Luxus kann sich der Nahe Osten nämlich nicht leisten.“ S. 206/207
Auch wenn die Geschichte bereits vor acht Jahren veröffentlicht wurde, bin ich immer wieder über die Aktualität der Aussagen gestolpert. Und was mich noch mehr zum Nachdenken gebracht hat, war die universelle Gültigkeit, die dahintersteckt.
„Was Sie da von sich geben, klingt nach reiner Paranoia […] Europäer, Westler, Russen, Araber … Wenn Sie diese Leute kennen würden – nicht als Kategorie, sondern individuell -, würden Sie sehen, dass wir alle einen Körper und eine Seele besitzen und mehr oder weniger gleich sind.“ S. 409
Auch Peris Auseinandersetzung mit Glaubensfragen, ihre Zweifel und der Besuch eines ungewöhnlichen Seminares zum Thema „Gott“, empfand ich als einen sehr bereichernden Teil des Romans. Es geht Elif Shafak hier nicht darum zu belehren, sondern sie schafft es diesen Fragen Raum zu geben und sie aus ganz unterschiedlichen Perspektiven zu beleuchten.
Abgerundet wird dieses Werk von ihr einmal mehr durch ihren wunderbaren literarischen Schreibstil, den ich einfach zu gerne lese.
Von mir eine große Leseempfehlung.

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