Platzhalter für Profilbild

Madamebiscuit15

Lesejury Profi
offline

Madamebiscuit15 ist Mitglied der Lesejury

Melde dich in der Lesejury an, um dich mit Madamebiscuit15 über deine Lieblingsbücher auszutauschen.

Anmelden

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 13.07.2024

Spezielles Buch mit Einblick in psychische Störungen

Welches Königreich
0

Ein kurzer Roman, den ich nur schwer fassen konnte.
Es geht um die namenlose Ich-Erzählerin, die mit fünf anderen Jugendlichen in einer betreuten Wohngruppe lebt. Sie nimmt uns mit in ihren Alltag, erzählt ...

Ein kurzer Roman, den ich nur schwer fassen konnte.
Es geht um die namenlose Ich-Erzählerin, die mit fünf anderen Jugendlichen in einer betreuten Wohngruppe lebt. Sie nimmt uns mit in ihren Alltag, erzählt von Schlaflosigkeit, gemeinsamen Kochen, geteilten Zigaretten oder auch ihrem Morgenritual.
 
„Ich schalte den Wasserkocher ein und gebe in eine (Tasse) […] Nescafé. In die andere roten Fruchtjoghurt, nicht weil ich Hunger hätte, sondern weil unsere täglichen Rituale die beste Illusion eines Neuanfangs, eines neu beginnenden Zyklus sind.“ S.65
 
Dabei bekommen wir einen Einblick in das Leben mit einer psychischen Störung. Wie schwer es ist einen Alltag leben zu wollen bzw. zu müssen. Wie groß allein die Herausforderung ist nur eine einzige Entscheidung treffen zu müssen. Welche Bedeutung ein eigenes Zimmer für die Betroffenen hat, gepaart mit dem Wissen, dass die Betreuer*innen trotzdem jederzeit eindringen können.
 
Geschrieben ist der Roman in extrem kurzen Kapiteln, bis hin zu einzelnen Sätzen. Die Einblicke und Ausschnitte wirken aus dem Zusammenhang gerissen, wie Facetten, was ein konzentriertes Lesen erfordert und einen Lesefluss erschwert. Die Erzählerin bleibt mir zusätzlich fern, immer wieder muss ich Passagen ein zweites Mal lesen, um sicher zu sein, dass ich den Inhalt richtig in Zusammenhang bringe. Dabei ist die Sprache nicht emotionslos, ganz im Gegenteil. Immer wieder treffen mich Sätze unvorbereitet in ihren Aussagen und ihrer Macht.
 
„Man bezeichnet die Eindämmung des Gefühlsspektrums als Behandlung.“ S.84
 
Für mich bildet die distanzierte Protagonistin und das nur partielle Bei-Ihr-Sein des Textes aber auch ein gelungenes Stilmittel, um die Lebensrealität der Betroffenen zu veranschaulichen.
 
Es ist ein spezielles Buch und war - für mich - eine besondere Leseerfahrung.
 
Wer Lust auf etwas abseits von Mainstreamthemen und -Büchern sucht und sich mit dem Bereich der psychischen Störungen auseinandersetzen möchte, dem kann ich es empfehlen. Am besten aber als Buddyread, da es einiges an Gesprächsthemen mit sich bringt.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 13.07.2024

Gelungener zweiter Teil

Und Großvater atmete mit den Wellen
0

Dies ist der zweite Roman von Trude Teige, indem sie nun Juni die Geschichte ihres Großvaters Konrad erzählen lässt. Dieser Teil kann unabhängig vom ersten gelesen werden, indem es um Junis Großmutter ...

Dies ist der zweite Roman von Trude Teige, indem sie nun Juni die Geschichte ihres Großvaters Konrad erzählen lässt. Dieser Teil kann unabhängig vom ersten gelesen werden, indem es um Junis Großmutter geht.
 
Die Handlung spielt maßgeblich auf Java während des zweiten Weltkrieges und lässt uns Lesende anhand von Konrad, seines Bruders Sverre und der Krankenschwester Sigrid teilhaben an dieser schrecklichen Zeit.
Gleich zu Beginn werden die Brüder auf hoher See durch den Angriff der Japaner getrennt, landen aber über Umwege beide auf der Insel. Konrad lernt dort im Krankenhaus Sigrid kennen und sie verlieben sich ineinander.
Als die Japaner auch auf Java an die Macht kommen, werden mit der Zeit alle Europäer in Lagern interniert.
 
Die Autorin erzählt diese Geschichte anhand von drei Handlungssträngen, die jeweils einer der Hauptfiguren folgen.
Wieder einmal ist es die Brutalität und Grausamkeit der herrschenden Menschengruppe, die mich immer wieder schlucken oder innehalten lässt. Trude Teige zeigt mehr als nur einmal auf, wie unmenschlich die Gefangenen behandelt wurden und was sich – in diesem Fall – die Japaner haben einfallen lassen, um die Insassen zu quälen.
Gleichzeitig gibt es auch Momente der Hoffnung und der Menschlichkeit.
Die Geschichte erzählt von Personen, die Unsägliches ertragen mussten und oft über sich hinausgewachsen sind. Denen andere ihr Leben verdankten und die leider zu oft nicht das gleiche Glück hatten.
 
Der Schreibstil hat mir bereits im ersten Roman gut gefallen und ließ mich auch hier wieder mühelos durch die Handlung gleiten.
Allerdings konnte mich dieses Mal die Geschichte der Protagonist*innen nicht komplett packen. Woran es genau lag, kann ich selbst nicht greifen.
Wichtig finde ich am Ende den Hinweis der Autorin, dass es zwar eine fiktive Geschichte ist, sie allerdings auf Erzählungen von Betroffenen beruht.
 
Von mir gibt es eine Leseempfehlung an alle, die gerne Romane mit dem thematischen Bezug zum zweiten Weltkrieg lesen.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 27.06.2024

Ein ehrlicher Blick auf das Mutter sein

Mütter, die gehen
0

„Was für eine Mutter verlässt ihr Kind? Bestimmt nur eine der allerschlimmsten Sorte.“ S. 11
 
Ein Satz, der mich gleich auf der ersten Seite dieses Buchs anspringt und mich erst einmal innehalten lässt. ...

„Was für eine Mutter verlässt ihr Kind? Bestimmt nur eine der allerschlimmsten Sorte.“ S. 11
 
Ein Satz, der mich gleich auf der ersten Seite dieses Buchs anspringt und mich erst einmal innehalten lässt. Zu einfach ist es jetzt zu nicken und mit völliger Inbrunst zuzustimmen. Denn eine „gute Mutter“ würde niemals ihr Kind verlassen. Oder?
 
Diese Gedanken kann auch Begona Gomez Urzaiz nicht völlig von sich weisen und hat deshalb eine Akte angelegt über „Mütter, die gehen“. Dabei schreibt sie über reale und fiktionale Frauen, die ihre Kinder verlassen haben und versucht das Warum zu ergründen.
Es geht ihr dabei nicht um eine gesellschaftlich internalisierte Schuldzuweisung, die dieser Akt zwangsläufig, dank unserer Sozialisation, hervorruft. Sondern ganz im Gegenteil, sie hält sich selbst und uns Lesenden den Spiegel vor und veranschaulicht, wie schnell wir in exakt diese Falle tappen.
Ist es tatsächlich moralisch weniger verwerflich, wenn ein Vater keinen Kontakt zu seinen Kindern will, als wenn eine Mutter ihre Kinder bei ihrem (Ex-) Mann lässt?
 
Nicht alle, der beschriebenen Mütter, waren mir sympathisch. Doch bei einigen habe ich mit großem Interesse und Mitgefühl gelesen, was sie zu diesem Schritt bewegt hat.
In vielen geschilderten Situationen lässt die Autorin auch ihre eigene Sicht darauf einfließen und erzählt, wie sie ihren Alltag als Mutter diesbezüglich wahrnimmt. Diese Einblicke und ihr moderner, angenehmer Ton, machen das Buch zu einer leicht zu lesenden Lektüre, auch wenn das Thema es stellenweise nicht ist.
Denn auch ein Kind nicht zu verlassen, beziehungsweise in einer Familie zu leben, heißt nicht, dass Mütter sich nicht schuldig fühlen.
 
„Mutter sein bedeutet letztlich, eine Sammlung verschiedener Versionen von Schuld anzuhäufen, die sich ohne Rücksicht auf Widersprüche überlagern.“ S.18
 
Diesen ungeschönten und ehrlichen Blick auf das Mutter sein finde ich mehr als gelungen und notwendig in unserer heutigen Zeit.
 
Am Ende lässt Begona Gomez Urzaiz in kurzen Absätzen reale Mütter zu Wort kommen, die ihre Kinder aus Geldnot verlassen haben. Diese Geschichten gingen mir sehr nahe und veranschaulichen den Fakt, dass nur die wenigsten Mütter ihre Kinder freiwillig verlassen.
 
Es ist ein lesenswertes Buch, das einigen Stoff zum Nachdenken bietet und an klassischen Rollenerwartungen rüttelt.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 20.06.2024

Wichtiges Thema und keine Kommunikation dazu

Elternhaus
0

Es geht um Sanne, Petra und Gitti, drei Schwestern, die sich über die Jahre sehr fremdgeworden sind und nun das Elternhaus ausräumen. Währenddessen und auch danach begleiten wir Lesenden die drei Frauen ...

Es geht um Sanne, Petra und Gitti, drei Schwestern, die sich über die Jahre sehr fremdgeworden sind und nun das Elternhaus ausräumen. Währenddessen und auch danach begleiten wir Lesenden die drei Frauen und erfahren anhand ihrer Erinnerungen und durch Einblicke in ihren aktuellen Alltag, wie sie zueinanderstehen.

Ein Roman, der für mich mit viel Nostalgie aufwartet. In ganz vielen Beschreibungen und Situationen wurde ich an meine eigene Kindheit erinnert und musste schmunzeln. Denn so individuell, wie wir immer glauben, war sie dann wohl doch nicht. Geteilte Kinderzimmer, Geschwisterrivalität und Erziehungsmethoden, um nur einige zu nennen.

Die drei Schwestern entwickeln sich alle komplett unterschiedlich und stehen somit auch an völlig verschiedenen Punkten in ihrem Leben, als der Umzug der Eltern sie wieder räumlich zueinander führt.
Allerdings sprechen gerade Sanne und Petra nicht miteinander. Ihr vermeintliches Wissen über die jeweils andere resultiert aus den Wahrnehmungen der Vergangenheit und auch diese Annahmen sind häufig nicht korrekt. Diese Entfremdung der Schwestern las ich mit einem gewissen Kopfschütteln, da es nur zu Verstimmung und Missverständnissen führen konnte. Auch, dass alle drei quasi nichts voneinander wissen, befremdetet mich.
Der häufige Alkoholkonsum innerhalb der Geschichte war für mich negativ auffallend, auch wenn mir bewusst ist, dass es leider durchaus in vielen Familien der Wahrheit entspricht.
Sanne war mir leider überhaupt nicht sympathisch, insofern konnte ich auch wenig Mitleid für ihre momentane Situation empfinden. Da waren mir Petra und Gitti doch um einiges näher.

Alles in allem war es für mich kein wirklich schlechtes Buch. Aber eins, das hinter meinen Erwartungen zurückblieb und somit kein „must-read“.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 20.06.2024

Berührende Geschichte über zwei Außenseiter

Nordstadt
0

Schon länger wollte ich dieses Snackbuch lesen und im Urlaub war der richtige Moment. Ab der ersten Seite bin ich in die Geschichte von Nene und Boris eingetaucht. Zwei Außenseiter und gleichzeitig so ...

Schon länger wollte ich dieses Snackbuch lesen und im Urlaub war der richtige Moment. Ab der ersten Seite bin ich in die Geschichte von Nene und Boris eingetaucht. Zwei Außenseiter und gleichzeitig so unglaublich liebenswerte Personen. Sie sind nicht glatt und gesellschaftskonform, dafür umso authentischer. Beiden hat das Leben bereits übel mitgespielt und insofern ist es nicht einfach mit der Liebe und einer Beziehung. Aber sie schaffen es auf eine unheimlich anrührende Art sich gegenseitig Halt zu geben, die mich völlig für sie eingenommen hat.

Annika Büsing erzählt hier in ehrlichen und deutlichen Worten von Menschen, die Diskriminierung und körperlicher Gewalt ausgesetzt sind und am Rande unserer Wohlstandsgesellschaft leben. Dabei wirken ihre Personen nicht verbittert, sondern blicken abgeklärt oder wütend auf ihre Situation. Gleichzeitig gibt es immer wieder gelungene humorvolle Szenen und vor allem ganz viel Wärme füreinander.

Den Rahmen, den die Autorin mit dem Beginn und dem Schluss der Geschichte schafft, hat mir richtig gut gefallen.

Insofern gibt es eine klare Leseempfehlung an alle, die Annika Büsings Debüt noch nicht kennen.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere