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Veröffentlicht am 30.05.2023

Eine Hommage an das Provinz-Freibad

Seemann vom Siebener
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Sieben unterschiedliche Menschen gehen am letzten Sommertag der Saison, bevor sich der Wetterumschwung mit kühlen Temperaturen ankündigt, ins Freibad. Jeden beschäftigen eigene Gedanken, doch an diesem ...

Sieben unterschiedliche Menschen gehen am letzten Sommertag der Saison, bevor sich der Wetterumschwung mit kühlen Temperaturen ankündigt, ins Freibad. Jeden beschäftigen eigene Gedanken, doch an diesem Tag, an diesem Ort, diesem Moment des Schicksals kommen sie zusammen und ihre Geschichten überschneiden sich. Das klapprige Freibad aus den Siebzigerjahren wird eine eigene Welt, der ihre Leben widerspiegelt und wird ein Beginn, als ein junges Mädchen vom gesperrten Springturm, dem Siebener, den Seemann wagt.

Meine persönlichen Leseeindrücke
Das Literaturjahr 2023 scheint sich dem Element Wasser zu widmen. Selten habe ich so viele Bücher, Buchcover und Geschichten rund um die chemische Verbindung von Wasserstoff und Sauerstoff, kurz: H2O, gesehen und gelesen. Klar, geruchslos, farblos und geschmacksneutral - so simpel lassen sich die Grundeigenschaften von Wasser zusammenfassen, doch was die Literatur daraus macht, ist alles andere als banal!
Der Sommer hat zumindest in Südtirol dieses Jahr noch gar nicht begonnen und da lese ich ein Buch, das mit dem letzten Sommertag im Freibad aufhört!
Sieben Personen sind die aktiven Protagonisten des Romans, obwohl es schon einige mehr sind, die hier eine Rolle spielen. Man könnte meinen, das wären definitiv zu viele, aber es wird niemals kompliziert, denn die Geschichten sind so geschickt ineinander verknüpft, dass es mir als Leserin leicht fällt, alles schön auseinander zu halten und wieder mühelos zusammenzusetzten.
Dieser eine Tag im Provinz-Freibad, wie ihn Arno Frank beschreibt, erinnert mich an meine Kindheit, an das besondere Sommerfreibadgefühl, die Hitze, das kühle Nass, die Frittenbude, die lärmenden Kinder, die alten Damen, den Bademeister und die Kassierer, die Springtürme, von denen auch ich gesprungen bin (nur vom 1 m Brett!!).
Sieben Personen mit sieben Geschichten, an einem Ort, der trotz kleiner Erneuerungen stets der gleiche geblieben ist, geben nicht nur ein Stück Beständigkeit sondern auch einen Halt an diesem besonderen letzten Sommertag der Saison. Dies alles liest sich ganz wunderbar leicht, weil Arno Frank nicht nur feinen Humor, sondern großes Einfühlvermögen an den Tag legt.

Fazit
„Seemann vom Siebener“ ist eine Hommage an das Provinz-Freibad, das trotzig der kapitalistischen Veränderung standhält und seinen Besuchern damit ein Stück Beständigkeit bietet. Zumindest diesen letzten Sommertag der Saison, der für einige Badbegeisterte in besonderer Erinnerung bleiben wird.

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Veröffentlicht am 10.04.2023

Zwei Schwestern und eine kaputte, kranke Mutter - großes Gefühlskino in literarisch frechem & frischem Ton!

22 Bahnen
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Tildas Leben pendelt zwischen ihrem Job im Supermarkt, dem Mathematikstudium und ihrem Zuhause bei ihrer kleinen Schwester und der alkoholkranken Mutter. Wann immer es geht, geht sie ins Freibad und schwimmt ...

Tildas Leben pendelt zwischen ihrem Job im Supermarkt, dem Mathematikstudium und ihrem Zuhause bei ihrer kleinen Schwester und der alkoholkranken Mutter. Wann immer es geht, geht sie ins Freibad und schwimmt genau 22 Bahnen. Zumindest so lange bis plötzlich Viktor auftaucht, und Tildas Leben aus dem Rhythmus bringt. Nicht nur, dass sie von nun an 23 Bahnen schwimmt, nein, sie stellt sich endlich verdrängten Ereignissen aus der Vergangenheit.
Doch eines ist die Vergangenheit, viel schwerer wiegt die Frage nach der Zukunft, als Tildas Professor vorschlägt, dass sie sich an der Uni Berlin für die Promotionsstelle bewerben sollte. Da ist nicht nur Viktor in ihr Leben getreten, sondern da ist vor allem ihre kleine Schwester, die sie nicht mit der alkoholkranken Mutter allein lassen kann. Deshalb schmiedet sie einen Plan, wie sie Ida auf ein Familienleben ohne sie vorbereiten kann.
Und während Tilda noch mit dem Umzugsprojekt nach Berlin kämpft, entwickelt sich Ida zu einem unabhängigen, cleveren und kämpferischen Mädchen, das es schaffen wird, mit der kranken Mutter zurecht zu kommen.

Meine persönlichen Leseeindrücke
Es gibt Roman, die mich während des Lesens beruhigen, fesseln und abtauchen lassen in eine Fiktion, die für wenige Stunden meinen Tag ausfüllt. In diesen glücklichen Fällen fühle ich die Erzählstimme und lasse mich von ihr leiten und verleiten. So wie hier. Die Geschichte hat mich mit sich genommen, in einem ruhigen, unaufgeregten Erzählfluss durch diesen kurzen, aber intensiven Roman geführt. Auch die Handlung an sich überzeugt voll und ganz, geht beim Lesen unter die Haut und vermag es zu berühren. Aber am meisten überzeugt haben mich die Charaktere dieses Romans: Manche Charaktere wirken geschrieben, erschaffen, andere wiederum sind wie direkt aus dem Leben gegriffen. Dieses Gefühl hatte ich auf Anhieb bei Tilda. Aber auch ihre kleine Schwester ist hervorragend getroffen, die alkoholkranke Mutter ist erschütternd realistisch gezeichnet, und mit Viktor ist der Autorin ein faszinierender Charakter gelungen.

Fazit
Mit „22 Bahnen“ gelingt Caroline Wahl ein überzeugendes Debüt. Obwohl nur ein schmales Büchlein, das schnell gelesen ist, überzeugt es und erzählt von zwei Schwestern und einer kaputten, kranken Mutter - großes Gefühlskino in literarisch frechem & frischem Ton!

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Veröffentlicht am 04.06.2022

schön geschrieben, ein bisschen Herz-Schmerz mit einer guten Portion Humor

Ein unendlich kurzer Sommer
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Lale ist auf der Flucht – wovor bleibt lange unklar, und Christophe auf der Suche – wonach wird sehr schnell klar. Beide stehen an Scheidewegen im Leben und treffen sich auf einem Campingplatz in der Provinz. ...

Lale ist auf der Flucht – wovor bleibt lange unklar, und Christophe auf der Suche – wonach wird sehr schnell klar. Beide stehen an Scheidewegen im Leben und treffen sich auf einem Campingplatz in der Provinz. Gustav ist der Eigentümer und ein etwas kauziger, verschlossener Eigenbrötler, hinter dem aber viel mehr steckt als nur der Platzwart. Nebenan wohnt Flo, der Kaninchen züchtet und gerade versucht sich abzunabeln von mütterlicher Fürsorge und seinen Weg trotz einer körperlichen Beeinträchtigung alleine zu meistern. Als dann noch James eintrifft und Spiritualität und Marihuana mitbringt, ein frühzeitliches Grab einer Hexe auf dem Campingplatz Archäologen und Hippies anlockt, ist ein Szenario komplett. Quelle AenHen – Lovelybooks

Er lehnt den Kopf gegen die Hauswand und schloss die Augen. Ein letzter Sommer, dachte er, ein allerletzter Sommer.


Meine persönlichen Leseeindrücke
Ich tu mich manchmal schwer die richtigen Worte zu finden. Dieses Buch ist für mich eine angenehm leichte Lektüre - ich setze also diesen Wert nur für mich so fest und muss ihn in Relation zu meinen anderen Büchern, die ich lese, festhalten. Damit will ich aber überhaupt nicht ausdrücken, dass leicht "negativ" behaftet ist. Ganz im Gegenteil! Ich mag dieses Buch sehr und ich fühle mich beim Lesen wirklich leicht. Das ist ein tolles Gefühl.
Das Buch liest sich gut, diese Mischung aus traurigen Momenten und Schicksalen und dann wieder Situationen, die mich einfach zum Lachen bringen, das ist eine gelungene Mischung, die auch den Reiz des Buches ausmachen. Ich mag die schöne Erzählsprache der jungen Autorin, die mir hier ein Buch schenkt, das mich entspannt und ein bisschen entführt.


Fazit
„Ein unendlich kurzer Sommer“ von Kristina Pfister ist ein gelungener Roman über ein Zusammentreffen von verschiedenen Menschen, die einen Sommer zusammen verbringen. Er ist schön geschrieben und nicht kitschig; ein bisschen Herz-Schmerz mit einer guten Portion Humor!

"Seine Mutter hatte hier einen romantischen Sommer verlebt, aber achtunddreißig Jahren waren eine lange Zeit, und niemand konnte ihn zwingen, es hier ebenso schön zu finden wie sei."

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Veröffentlicht am 22.02.2022

Eine gelungene Neuinterpretation der Tell - Saga

Tell
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Bücher des Diogenes Verlages erkennt man sofort an den Buchcovern, und diese lassen oft auch auf den Inhalt des Buches schließen. Der Apfel, zusammen mit dem Buchtitel „Tell“, lässt eindeutig erkennen, ...

Bücher des Diogenes Verlages erkennt man sofort an den Buchcovern, und diese lassen oft auch auf den Inhalt des Buches schließen. Der Apfel, zusammen mit dem Buchtitel „Tell“, lässt eindeutig erkennen, um was es sich hier handelt. Von der Tell-Saga kenne ich nur die berühmte Szene mit dem Apfelschuss und ich freue mich jetzt die Gelegenheit zu bekommen, die gesamte Geschichte zu erfahren.

Meine persönlichen Leseeindrücke
Insgesamt empfinde ich die Nacherzählung der Tell-Saga gelungen. Schmidt präsentiert Tell und seine Familie, die Habsburger Schreckensherrschaft, das harte Leben der Bergbauern. Er skizziert Wilhelm Tell als kleinen Mann mit langem Bart und zerzaustem, verfilztem Haar und mit Händen, die von harter Arbeit zeugen. Ich lerne einen Mann kennen, der furchtlos ist, und das bedeutet meist, dass er die Hölle auf Erden schon erlebt hat. Tell ist von seinem Naturell her ein Jäger, der sich in den Bergen bewegt wie eine Gämse und mit den Menschen nicht so zurechtkommt. Das Bauerndasein ist eine Last für ihn, aber es ist nicht das Einzige, woran er schwer zu tragen hat.

Fazit
Das Buch liest sich schnell und gut, mit sehr vielen kurzen Abschnitten. Dass die Tell-Saga durch die schnell aufeinanderfolgenden Sequenzen von unterschiedlichen Romanfiguren erzählt wird, finde ich passend zum Stil des Buches. Leider führte das dazu, dass ich mich während des Lesens oft als Getriebene fühlte. Persönlich hätte ich daher eine andere Form bevorzugt, die die Geschehnisse dieses kurzen Zeitraumes in einem ruhigeren, aber dennoch nicht weniger eindringlichen Stil, erzählt.

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Veröffentlicht am 20.08.2021

Ein Hof im Wandel der Zeit

Wildtriebe
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Lisbeth muss von ihren Eltern den Betches-Hof übernehmen, nachdem die älteren Brüder im Krieg gefallen sind. Sie tut es aus Pflichtbewusstsein und findet in Karl den richtigen Mann an ihrer Seite.
Da ...

Lisbeth muss von ihren Eltern den Betches-Hof übernehmen, nachdem die älteren Brüder im Krieg gefallen sind. Sie tut es aus Pflichtbewusstsein und findet in Karl den richtigen Mann an ihrer Seite.
Da sie auch nach mehreren Ehejahren nicht schwanger wird, nehmen sie und Karl einen namenlosen Säugling an Kindesstatt an. Konrad, so nennen sie den Jungen, wächst in der Hoftradition auf. Als er Marlies seinen Eltern vorstellt, kommt eine neue Frau ins Haus. Ihre Vorstellungen von einem Leben und der Tagesablauf am Betches-Hof prallen aufeinander. Marlies‘ Wunsch nach Selbstverwirklichung bringt Unruhe und am Ende wird sie zwar viel durchgesetzt, aber das wahre Glück nicht gefunden haben.

Meine persönlichen Leseeindrücke
In einem rasanten Tempo erzählt Ute Mank eine Familiengeschichte, die ich z. T. auch kenne und lässt 70 Jahre dahinrauschen.
Das Buch stilisiert an 3 Frauen die Lebensweisen der verschiedenen Generationen. Lisbeth musste den Hof übernehmen, die Tradition weiterführen und an ihren Sohn weitergeben. Marlies ist dazugekommen. Sie hat den schwierigsten Part und kommt mit allem nicht so zurecht. Sie will anders leben, eigene Entscheidungen treffen, machen, was Frauen bis jetzt nicht gemacht haben. Sie passt nicht und wirkt wie ein Störfaktor. Das ist nicht böse gemeint, sie ist ja nicht absichtlich so. Marlies sucht nach etwas und weiß wohl nicht, dass man etwas nur finden kann, wenn es schon in einem ist.
Joanna steht für die Zukunft, die kommende Generation. Sie gehört auf den Bethches-Hof, da ist sie zuhause und nirgendwo anders möchte sie sein. Darin ist sie wie ihre Großmutter und unterscheidet sich von ihrer Mutter.

Fazit
„Wildtriebe“ ist ein Buch für Frauen. Im Roman erzählt Ute Mank von drei Frauenfiguren, die den Wandel der Zeit in einem Zeitfenster von knapp 70 Jahren er- und durchleben. Es ist ein Buch über Familie, Tradition, Liebe und Fürsorge zwischen den Generationen. Der Hof wird der Fels in der Brandung, er wird bleiben und für die kommenden Generationen ein Zuhause sein.

P.S. Das Cover ist mit das schönste, was ich in letzter Zeit gesehen habe.

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