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Veröffentlicht am 07.01.2024

Über die Freundschaft und mehr…

Lichtungen
0

Er ist angekommen, um was? Sie zu besuchen? Um zu bleiben? Eintausendfünfhundert Kilometer weiter östlich war er aufgebrochen. Vor vier Wochen kam von ihr eine Karte. „Wann kommst du?“ Nur diese drei Worte. ...

Er ist angekommen, um was? Sie zu besuchen? Um zu bleiben? Eintausendfünfhundert Kilometer weiter östlich war er aufgebrochen. Vor vier Wochen kam von ihr eine Karte. „Wann kommst du?“ Nur diese drei Worte. Und nun ist er hier, in der noch ungenannten Stadt, in dem nicht genannten Land. Mit Franken zahlen sie hier anstatt mit der ihm bekannten Währung.

Iris Wolff erzählt von Lev und Kato, beginnt mit dem Ende, erzählt rückwärts. In einer sehr poetischen Sprache nimmt sie ihre Leser mit, lässt sie ein Stück weit teilhaben am Leben ihrer beiden Protagonisten. Berichtet etwa davon, wie Kato mit Tom weggeht. Sehr viel später dann reist Lev zu ihr nach Zürich. Macht in Wien Zwischenstation, besucht Ferry, seinen Großvater, der sich hier geborgen fühlt und trotzdem in einem gefühlten Dazwischen lebt: „Man ist, einmal gegangen, immer ein Gehender.“

In neun Kapiteln erfahren wir mehr. Straßenkunst – damit verdient sie ihr Geld, damit reist sie durch Europa, damit hat sie ihr Auskommen, ist frei, lässt sich treiben, ihren Land Rover nennt sie ihr Zuhause. Auch Levs Geschichte von seiner Kindheit bis hin zum Erwachsensein wird sichtbarer. Der Unfall, der ihn ans Bett fesselt, bringt Kato in sein Leben.

Von Heimatverbundenheit, vom Gehen und Ankommen erzählt Iris Wolff. Und vor allem erzählt sie von einer Freundschaft, die seit Kindertagen anhält. Lev bleibt seiner Heimat treu, ihm ist Rumänien genug. Kato jedoch zieht es in den Westen, ihre Postkarten sind ihrer beiden Verbindung, die nie abreißt.

Vom Heute bis hin zu den Erinnerungen aus Kindertagen im Kommunismus, vor dem Hintergrund der Ceaușescu-Ära hin zur Grenzöffnung ist es eine Geschichte über eine Freundschaft, die alles überdauert, die sich auch ohne Worte versteht. Es ist eine Geschichte über das Loslassen und sich immer wieder annähern, sich nie aus den Augen verlieren. Dies alles und noch viel mehr steckt in „Lichtungen“ - einem Roman, in den ich mich erst einfühlen musste, dann aber angetan war von der präzisen Sprache und der poetischen Erzählweise.

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Veröffentlicht am 06.01.2024

Mystisch, dunkel, geheimnisvoll

Die geheime Gesellschaft
1

Die sieben Phasen einer Séance werden dem Roman vorangestellt. Ich betrete Neuland und bin gespannt, ob ich dieser „geheimen Gesellschaft“ und ihrem Tun etwas abgewinnen kann. Zugegeben, es waren teilweise ...

Die sieben Phasen einer Séance werden dem Roman vorangestellt. Ich betrete Neuland und bin gespannt, ob ich dieser „geheimen Gesellschaft“ und ihrem Tun etwas abgewinnen kann. Zugegeben, es waren teilweise zähe Lesestunden, ich hab das Buch nicht nur einmal zur Seite gelegt und mir gesagt, dass auch ein Buch, eine – diese - ganz besondere Geschichte, Zeit und Mußestunden braucht. Und so habe ich nicht einfach drauflos gelesen, sondern mich ganz und gar darauf eingelassen. Die Autorin kenne und schätze ich, seit ich mit Begeisterung „Die versteckte Apotheke“ nicht nur gelesen, eher schon inhaliert habe. So bin ich voller Vorfreude an „Die geheime Gesellschaft“ geraten, auch das Cover lädt ein, sich das Buch näher zu betrachten.

Die Story rankt sich um zwei Frauen - Vaudeline D’Allaire und Lenna Wickes. Erstere ist eine bekannte Spiritualistin und Wahrsagerin, die dann aufgesucht wird, wenn die Hinterbliebenen von Mordopfern deren Mörder finden wollen. Und hier kommt die junge Lenna dazu, deren Schwester Evie ermordet wurde. Nachdem sie ihre Skepsis überwunden hat, findet sie durchaus Gefallen rund um Vaudelines Séancen. Lenna taucht ein in diese Materie, sie wird Vaudelines Gehilfin. Zusammen dringen sie in die in London agierende, ausschließlich Männern vorbehaltene Geheimgesellschaft der Séance Society ein, ein nicht ganz ungefährliches Unterfangen. Wir schreiben das Jahr 1873, als Vaudeline von Paris nach London gerufen wird. Lenna reist mit. Nicht zuletzt auch deswegen, um hier den Mörder ihrer Schwester zu finden.

Die beiden Frauen sind so wagemutig wie unkonventionell, sie sind ihrer Zeit weit voraus. Viel Mystisches, viel Unerklärliches steht im Raum. Erzählt wird aus Lennas Perspektive, des Weiteren kommt Mr. Morley, seines Zeichens stellvertretender Vorsitzender der Séance Society, zu Wort. Nicht nur Evies Mörder soll gefunden werden, auch die Todesumstände des Gründers der Séance Society, Mr. Volckman, sollen ans Tageslicht. Ist es Zufall, dass beide Opfer in derselben Nacht ermordet wurden?

Es herrscht durchweg eine düstere Atmosphäre, durchaus passend in einer Welt des Okkulten. Immer ein wenig geheimnisumwittert, nicht ganz greifbar. Die beiden Erzählperspektiven wechseln schnell - von Lenna zu Mr. Morley, der im Gegensatz zu ihr in der Ich-Perspektive bleibt.

Die Aufklärung um die Morde schreitet voran, wenngleich ich mir so manches komprimierter gewünscht hätte. Die Story fordert die ganze Aufmerksamkeit. Gut, anfangs fand ich sie zu ausschweifend, später dann gewinnt sie mehr an Tempo. Vaudeline und Lenna, die beiden Hauptfiguren, haben mir gut gefallen. Zwei außergewöhnliche Charaktere – klug und durchaus gewitzt, wagemutig und unerschrocken, schreiten sie voran. Die beiden so unterschiedlichen Frauen sind gut gezeichnet, auch Mr. Morley konnte ich seinen Wesenszügen entsprechend gut zuordnen.

Mein Ausflug in das Übersinnliche, dazu die Mördersuche und zwei Frauen, die sich in eine von Männern dominierten Welt vorwagen, waren eine neue Erfahrung. Der zähe Einstieg ins Buch ist schon herausfordernd, das Dranbleiben hat sich letztendlich dann doch gelohnt, wenngleich sich „Die geheime Gesellschaft“ nicht mit dem Vorgängerbuch der Autorin messen kann.

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Veröffentlicht am 04.01.2024

Spannend, fesselnd, undurchsichtig

Waiseninsel
7

„Waiseninsel“ ist der nunmehr vierte Band der Jessica-Niemi-Reihe. Er steht seinen Vorgängern in nichts nach, auch wenn ich das Täterprofil ein wenig bekritteln möchte.

Jessica Niemi nimmt gezwungenermaßen ...

„Waiseninsel“ ist der nunmehr vierte Band der Jessica-Niemi-Reihe. Er steht seinen Vorgängern in nichts nach, auch wenn ich das Täterprofil ein wenig bekritteln möchte.

Jessica Niemi nimmt gezwungenermaßen eine Auszeit, die sie in gewisser Weise selbst verschuldet hat. Sie ist unschön ausgerastet, auch leidet sie an immer wiederkehrenden Halluzinationen, ein ererbtes Leiden, das im Polizeidienst nichts zu suchen haben sollte. Sie landet auf der zwischen Finnland und Schweden gelegenen Åland-Insel Smörregard und auch dort kann sie, die Kommissarin, nicht anders, als sich einzumischen. Eine Gruppe älterer Menschen, die sich die Zugvögel nennen, wohnt in dem Gasthaus, in dem auch Jessie ihren „Urlaub“ verbringt. Als eines Tages eine Frau dieser Zugvögel tot aufgefunden wird, gräbt sie tiefer. Sie lässt sich die Geschichte von dem Mädchen im blauen Mantel erzählen, entdeckt das mittlerweile halb verfallene Waisenhaus, erfährt von weiteren Toten, deren Geschichte der jetzigen ähnelt. Und auch wenn diese Todesfälle schon lange zurückliegen, so scheint doch alles irgendwie zusammenzuhängen.

Schon der Prolog ist so spannend wie undurchsichtig und das ganze Buch über frage ich mich, wie ich dies alles deuten soll. „Der Saum des blauen Mantels flattert im Wind…“ Schon hier begegne ich diesem mysteriösen Wesen und ich werde ihm noch öfter begegnen.

Max Seeck wechselt vom Heute ins Gestern, in das Kinderheim ins Jahr 1946. Und natürlich frage ich mich, was diese Vorkommnisse von damals mit den heutigen, durchaus seltsamen Begebenheiten zu tun haben. Als Åke, der Juniorchef des Gasthauses, Jessica mehr vom Waisenhaus, von der kleinen Maija und den anderen Kindern, erzählt, habe ich zwar mehr an Infos, bin aber trotzdem verwirrter denn je. Auch ermittelt ein Kommissar in der Sache der jetzigen Toten – auch er ein durchaus irritierender Charakter. Überhaupt kommt mir jede einzelne Person suspekt vor. Ein selbstredend gelungener Schachzug des Autors. Er versteht es bestens, die Orientierungslosigkeit hoch zu halten. Während des Lesens hatte ich so einige verdächtige Gestalten ausgemacht, jeder hatte genug mörderisches Potenzial. Meinte ich zumindest, denn bei jedem gab es ein oder mehrere Details, die dann doch nicht gepasst haben. Nicht passen konnten.

Im Endeffekt war ich ob der Täterperson überrascht, auch weil ich das zeitliche Prozedere nicht so ganz zuordnen kann und mag. Zudem ist eine halluzinierende Kommissarin eher irreal denn Wirklichkeit und doch möchte ich von Niemi noch mehr lesen, sie ist eine interessante, vielschichtige Persönlichkeit. Abgesehen davon hat mich der Thriller auf ganzer Linie gefesselt hat – von der ersten bis zur letzten Seite. Max Seeck weiß seine Leser zu fesseln und in die Irre zu führen, er garantiert für beste Unterhaltung.

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Veröffentlicht am 04.01.2024

Vom Lebensende – traurig und doch wunderschön erzählt

Das späte Leben
1

Bernhard Schlink hat mich wiederum voll überzeugt. Seine Texte, seine Bücher sind allesamt lesens- (bzw. wie hier in meinem Fall) hörenswert. „Das späte Leben“ erzählt von Martin, von seiner sehr viel ...

Bernhard Schlink hat mich wiederum voll überzeugt. Seine Texte, seine Bücher sind allesamt lesens- (bzw. wie hier in meinem Fall) hörenswert. „Das späte Leben“ erzählt von Martin, von seiner sehr viel jüngeren Ehefrau Ulla und von seinem sechsjährigen Sohn David. Und von der Krebs-Diagnose, die den nunmehr 76jährigen Martin an das Lebensende nicht nur erinnert, die ihn auch zwingt, sich seinem bevorstehenden Tod zu stellen. Wie damit umgehen?

Martin lässt sein Leben Revue passieren, er redet mit Ulla und auch wenn David noch zu jung ist, um die ganze Tragweite des bevorstehenden Todes seines Vaters zu verstehen, so findet Martin doch einen sensiblen Umgang mit dieser Thematik. Er will alles richtig machen, auch will er, dass sich David an ihn erinnert, vielleicht eines Tages den Brief findet, der im Schreibtisch auf ihn wartet. Und auch, wenn Ulla ihm den Rat gibt, ein Video zu drehen, so fühlt sich dieser Weg für Martin nicht richtig an. Aber nicht alles, was er meint, seinem Sohn zu hinterlassen, findet Ullas Zustimmung. Und Ulla – sie wird weiterleben, sie ist eine junge Frau…

Jedes Leben endet mit dem Tod – wir wissen es alle und doch verdrängen wir es. Es ist zu schwer, zu endgültig, als dass es zu viel Raum einnehmen sollte. Irgendwann jedoch kann man dem Thema nicht mehr ausweichen und es ist gut, wenn man sich dem stellen kann, wenn noch Zeit bleibt, Dinge, die einem wichtig sind, zu regeln.

Bernhard Schlink geht in seinem neuesten Werk „Das späte Leben“ mit dem bevorstehenden Tod seines Protagonisten sehr sensibel um. Trotz der Schwere rund um das Lebensende ist es ein tröstliches Buch, einfühlsam und sehr intensiv erzählt. Und hier kommt Ulrich Noethen, der perfekte Vorleser, ins Spiel. Für das Hörbuch hätte man keinen besseren Interpreten finden können. Er hat den genau richtigen Ton getroffen, fein nuanciert gibt er Martins Gedanken wieder. Der würdevolle Abschied von seinen Lieben scheint ihm zu gelingen. Ein großartiges (Hör)Buch, das traurig stimmt und doch so voller Leben ist.

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Veröffentlicht am 04.01.2024

Brutale Morde, zu viel Privates

Agonie (Milosevic und Frey ermitteln 2)
1

Ihr eigener Kanal „Miras Mission“ ist so erfolgreich, dass sie die Festanstellung in einer Marketing-Agentur mit grünem Background vor nunmehr drei Jahren gekündigt hat. Mira Mönchshagen hat sich als Influencerin ...

Ihr eigener Kanal „Miras Mission“ ist so erfolgreich, dass sie die Festanstellung in einer Marketing-Agentur mit grünem Background vor nunmehr drei Jahren gekündigt hat. Mira Mönchshagen hat sich als Influencerin selbständig gemacht und wie es den Anschein hat, ist diese Quelle äußerst lukrativ, lebt sie doch in einem Loft in der Hafencity. Besser gesagt: Sie lebte dort, denn ihre engste Mitarbeiterin findet sie. Grausam zugerichtet. Abgeschlachtet wie Vieh.

Die Mordermittler Jagoda Milosevic und Vincent Frey – Milo und Vince - werden an den Tatort gerufen und selbst für sie, die brutal zugerichtete Opfer gewohnt sind, ist dieser Anblick nur schwer auszuhalten.

Nach „Stigma“ ist „Agonie“ das zweite Buch der beiden Autorinnen, die sich Lea Adam nennen. Wer „Stigma“ gelesen hat, wird sich noch erinnern, dass Vince schwer angeschlagen war und nun bis zu seiner vollständigen Genesung im Rollstuhl sitzt. Was ihn aber nicht daran hindert, seiner Arbeit nachzugehen. Er geht bis an seine Belastungsgrenze und darüber hinweg, er lässt sich auch gefühlsmäßig immer tiefer hier hineinziehen.

Der Thriller ist ein Konglomerat aus der Ermittlungsarbeit und dem Privaten. Wobei letzeres ziemlich viel Platz einnimmt, es für meinen Geschmack zu breitgetreten wird, zu seitenfüllend ausfällt. Es ist durchaus okay, dass auch der familiäre Hintergrund und das Außerdienstliche überhaupt in die Story mit hineinfließen. Zumal sich Vince und Milo nicht nur beruflich ergänzen, sie haben einen ähnlichen Humor und verstehen sich auch ohne Worte. Kurz gesagt: Sie sind das perfekte Ermittlerduo. Die zu privaten Momente haben die Täterfindung zuweilen langatmig und zäh werden lassen, sie drängen die Thriller-Elemente arg in den Hintergrund.

Nichtsdestotrotz ist der Fingerzeig auf die Massentierhaltung mit der damit einhergehenden Tierquälerei angekommen. Der Verbraucher will billig, will viel Fleisch, ein (irreführendes) Label für den schonenden Umgang mit den Tieren reicht meist aus, um das Gewissen zu beruhigen. Dabei dürfte schon klar sein, dass eine nachhaltige, artgerechte Tierhaltung und auch die Schlachtung einen Mehraufwand in jeglicher Hinsicht bedeuten. Der Einblick in die Schlachthöfe zeigt nur zu deutlich, wie es hinter den Kulissen aussieht.

Neben der Ermittlungsarbeit und dem Privatleben der beiden Protagonisten schleichen sich die Gedanken einer zunächst unbekannten Person - gut abgegrenzt, in kursivem Schriftbild - dazwischen. Bald wird klar, wer hier seine Geschichte und seine Unzufriedenheit vorbringt und wie sich diese Nebenstory alsbald mit allem verbinden wird.

Der Showdown hat es dann nochmal in sich. Auch wenn so einiges bekannt ist, so bleibt die Spannung und die Hoffnung, dass es für so manchen doch noch einigermaßen glimpflich enden wird, bis zuletzt erhalten. Dieses Ende hat mich dann nochmal gepushed, ich konnte gar nicht schnell genug lesen, um zu wissen, ob bzw. wer diese „Agnonie“ überleben wird.

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