Mörderisch guter Thriller
Der Nachtschattenmann: Thriller„Ich wolle, dass ihr die Tote mit eigenen Augen am Fundort seht.“ In einem für diese Jahreszeit viel zu dünnen Kleid liegt sie auf den eisigen Betonstufen vor der Tanzschule. Die Arme nach oben, ihr rechtes ...
„Ich wolle, dass ihr die Tote mit eigenen Augen am Fundort seht.“ In einem für diese Jahreszeit viel zu dünnen Kleid liegt sie auf den eisigen Betonstufen vor der Tanzschule. Die Arme nach oben, ihr rechtes Bein angewinkelt, ihre rechte Hand umklammert einen Ballettschuh in Kindergröße. Wie hindrapiert liegt sie da, ein sorgfältig inszeniertes Bild. Es sieht aus, als ob sie tanzen würde - eine junge, schlanke Frau, deren Gesicht unter einem schwarzen Müllbeutel verborgen ist. Kriminalkommissar Florian Kessler bittet die Rechtsmedizinerin Julia Schwarz, sich an Ort und Stelle einen ersten Eindruck zu verschaffen. Die Stufen sind nicht der Tatort, sie wurde hier lediglich abgelegt, so viel steht schon mal fest.
Schon der Prolog hat es in sich. Eine junge Frau wacht auf, sie spürt den Fahrtwind, wie berauscht genießt sie die Geschwindigkeit und da – starren sie zwei dunkle Augen an. Nicht ausweichen! Mehrere kosmetische Operationen hat sie nach ihrem Unfall schon hinter sich. Sie erinnert sich, schaut in den Spiegel und ist geschockt…
Die raffiniert konstruierte Story hat es in sich, der Toten vor der Tanzschule folgen weitere. Alle sind sie jung, alle sehr attraktiv – sind es diese Kriterien, nach denen der noch Unbekannte seine Opfer auswählt? Wie es den Anschein hat, dürfte dies noch nicht alles sein. Johanna etwa, der wir ziemlich nahe kommen, erkennt sich in ihrem Spiegelbild nicht wieder. Tanzen muss sie mit ihrem Peiniger, auch verlangt er absoluten Gehorsam und noch so einiges mehr von ihr.
Catherine Shepherd ist eine Meisterin des Verwirrspiels. Sie erzählt hauptsächlich aus Julias Sicht und lässt zwischendurch den Täter zu Wort kommen. Sie gibt eine ganze Menge preis und doch bin ich ahnungslos, mache so einige sehr verdächtige Gestalten aus, verwerfe sie als Täter wieder, denn keiner scheint so wirklich ins Bild zu passen. Dabei erzeugt sie eine Spannung, die kaum auszuhalten ist. Kapitel um Kapitel hat es mich weitergetrieben, an ein Aufhören war nicht zu denken. Gut, ich weiß, dass ihre Bücher mich allesamt dermaßen gefangen nehmen, was ihrer durchdachten Story und ihrem so einnehmenden, so mitreißendem Schreibstil geschuldet ist. Ich bin ratlos, ich bange um Johanna, um Amelie und wie sie alle heißen und bin zum Schluss dann doch so verblüfft ob der Auflösung, die – im Nachhinein betrachtet – durchaus logisch ist.
Ein wiederum perfekt inszenierter Thriller aus der Feder von Catherine Shepherd ist ausgelesen. „Der Nachtschattenmann“ war fesselnd, er war dramatisch, er hat mir in so mancher Szene schier den Atem geraubt. Der neunte Julia Schwarz-Thriller war spannend ab der ersten bis zur buchstäblich letzten Seite und nun warte ich voller Vorfreude auf ihren nächsten Fall, auch wenn es noch ein Weilchen dauern mag.