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Veröffentlicht am 26.02.2024

Von Familie, von Freud und Leid

Hallo, du Schöne
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„Hallo, du Schöne“ – so begrüßt Charlie seine soeben geborene Enkelin und jetzt, nach so vielen Jahren, würde er es auch voller Liebe zu ihr sagen, zu Sylvie, seiner zweitältesten Tochter. Dazwischen sind ...

„Hallo, du Schöne“ – so begrüßt Charlie seine soeben geborene Enkelin und jetzt, nach so vielen Jahren, würde er es auch voller Liebe zu ihr sagen, zu Sylvie, seiner zweitältesten Tochter. Dazwischen sind Jahre voller Liebe, aber auch voller Schicksalsschläge, voller Freude und Leid, voller Schuld, Schuldgefühlen und Sprachlosigkeit und trotz allem voll tiefer Verbundenheit.

Die vier Padavano-Töchter wachsen in einem liebevollen Elternhaus auf. Julia, die Älteste, ist ehrgeizig. Was sie sich vornimmt, gelingt. Ihre Zukunft sieht sie mit William, der diesen Familienzusammenhalt nie erfahren hat. Beide heiraten und bald schon kündigt sich Nachwuchs an. Sylvie ist eher eine Träumerin, sie liebt Bücher über alles. Wären da noch die Zwillinge Cecelia und Emeline, die sich in vielem ergänzen. Die vier Mädchen sind eine unzertrennliche Einheit, sie werden stets von ihren Eltern unterstützt, sie geben sich gegenseitig Halt und man könnte meinen, dass nichts und niemand sie trennen kann. Die Fassade beginnt zu bröckeln, als Cecelia schwanger wird.

Ann Napolitano gewährt einen tiefen Blick hinter die Kulissen. Julia und William sind ein Traumpaar, man spürt direkt ihre Liebe und doch ist es William, der sich ihr fügt. Sie verlangt viel, vielleicht zu viel, sie sieht in ihm den kommenden Professor, er jedoch ist dem Basketball verhaftet. Hier ist er integriert, hier hat er das erste Mal einen unbedingten Zusammenhalt verspürt, der ihm in seinem lieblosen Elternhaus nie zuteil wurde. Die Geschwister werden älter, das Schicksal nimmt seinen Lauf. Jede der vier Schwestern geht ihren eigenen Weg, die Familienidylle wird nicht nur von der Mutter aufgebrochen, denn sie kann es nicht verwinden, dass Cecelia nach dem gleichen Muster verfährt, sie den in ihren Augen gleichen Fehler macht, der einst ihre Lebenspläne zunichte gemacht hat. Alle vier lerne ich näher kennen und auch wenn ich Julias Entscheidungen nicht immer gut heiße, so kann ich sie durchaus verstehen und je mehr ich von William weiß, desto öfter möchte ich ihn ganz einfach in den Arm nehmen. Die so unterschiedlichen Charaktere sind voller Leben, voller Zuneigung zueinander, zuweilen aber auch geprägt von Härte und Sprachlosigkeit.

„Hallo, du Schöne“ beginnt voller Zuversicht. Aber wie das Leben so spielt, ist beileibe nicht nur alles eitel Sonnenschein, das Schicksal hält so manches Ungemach bereit. Ann Napolitano hat mich sofort abgeholt, sie hat mich direkt hineinversetzt in deren Mitte, die Padavanos, jeder einzelne, waren mir sehr nah. Es ist ein Familiendrama, das schleichend seinen Anfang nimmt, das von drei Generationen erzählt. Von Glück und Eigensinn, von Depressionen und den damit einhergehenden finsteren Tagen, von bedingungsloser Liebe und Kameradschaft und von noch so vielem mehr. Ich hätte sie gerne noch ein Stück ihres Weges begleitet, es war eine wunderbare Zeitreise, es ist ein wundervolles, ein sehr empfehlenswertes Buch.

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Veröffentlicht am 24.02.2024

Krankhafte Besessenheit

Mörderfinder – Stimme der Angst
1

Der Fallanalytiker Max Bischoff ermittelt in seinem nunmehr vierten Fall. Bei der Beerdigung des von ihm sehr geschätzten Professors Bormann glaubt Max seinen Augen nicht zu trauen, sieht er doch das Ebenbild ...

Der Fallanalytiker Max Bischoff ermittelt in seinem nunmehr vierten Fall. Bei der Beerdigung des von ihm sehr geschätzten Professors Bormann glaubt Max seinen Augen nicht zu trauen, sieht er doch das Ebenbild seiner einstigen großen Liebe Jenny, die seit nunmehr fünf Jahren tot ist. Nicht nur er starrt diese Frau an, auch sie scheint ihn zu kennen. Dies lässt ihm keine Ruhe und so lädt er sie zum Kaffee ein, sie stellt sich ihm als Dominique Klauber vor.

Jenny ist damals auf grausame Weise ums Leben gekommen, diese Begegnung am Friedhof reißt alte Wunden auf und ist der Anfang einer ganzen Serie von Ungereimtheiten – sein ehemaliger Kollege und alter Freund Böhmer verschwindet ebenso wie Jana, eine junge Kommissarin, die Max auch privat sehr gerne sieht. Auch sorgt er sich um Dominique, deren Freund nicht nur eifersüchtig, sondern auch sehr gewalttätig ist.

Natürlich begegne ich auch hier Marvin Wagner, den grandiosen Psychologen, dem man seine Brillanz auf den ersten Blick nicht ansieht, denn er fällt schon allein optisch aus dem Rahmen. Auch mischt Eslam Keskin mit, die Leiterin des KK11 und noch einige andere – alle sind sie mir mittlerweile wohl vertraut. Max bittet Marvin um Mithilfe, da ihm die Zeit davonläuft und er auch wegen Kriminalrätin Keskin nicht recht vorwärts kommt. Sie torpediert ihn, bremst ihn aus und meint dann lapidar, dass er als Zivilperson nichts zu melden habe. „Man könnte sagen, wir stehen am Fuße von Mount Bullshit“ fasst Marvin all die Merkwürdigkeiten und all die unbeantworteten Fragen zusammen.

Neben der Ermittlungsarbeit lese ich auch von einer vermeintlichen Täterfigur. Die kurzen Abrisse sind in kursiver Schrift dargestellt und auch wenn ich Einblick in die Gedanken dieser unbekannten Figur erhalte, rätsle ich lange um deren Identität.

Max lässt sich auf ein Spiel ein, das für ihn zunehmend bedrohlich wird. Es sieht ganz so aus, als ob er die Marionette ist, deren Fäden andere in Händen halten. Krankhafte Besessenheit und manipulative Charaktere sind am Werk, auch blitzt hier KI durch, ein Stilmittel unserer Zeit.

Arno Strobels vierter Mörderfinder-Band hat schon allein auf den ersten Blick einen Wiedererkennungswert, das Cover passt sich hervorragend den Vorgängerbänden an. Er hat hier zwar nicht sein bestes Werk vorgelegt, trotzdem ist auch dieser Thriller ein spannendes, ein kurzweiliges Lesevergnügen, das ich am Stück konsumiert habe.

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Veröffentlicht am 22.02.2024

Russlands Intelligenzija

Das Philosophenschiff
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Sein neuestes Buch führt Michael Köhlmeier nach Russland in die zwanziger Jahre des vorigen Jahrhunderts. In sogenannten Philosophenschiffen werden Russlands kluge Köpfe nach Europa deportiert. Das Regime ...

Sein neuestes Buch führt Michael Köhlmeier nach Russland in die zwanziger Jahre des vorigen Jahrhunderts. In sogenannten Philosophenschiffen werden Russlands kluge Köpfe nach Europa deportiert. Das Regime gewährt ihnen die Gnade des Exils, sie hätten auch direkt hingerichtet werden können.

Es ist der hundertste Geburtstag von Frau Professor Anouk Perleman-Jacob, zu dem der Schriftsteller auf ihren ausdrücklichen Wunsch hin eingeladen wird. Am nächsten Tag um drei am Nachmittag erwarte sie ihn in ihrem Haus in Hietzing, das sagt sie ihm nach dem Dessert. „Ich habe mich über Sie erkundigt. Sie haben einen guten Ruf als Schriftsteller, aber auch einen etwas windigen…“ Und genau deshalb habe sie ihn ausgesucht. Es gefalle ihr, dass er Dinge erfindet und diese dann als wahr hinstelle, er seine Leser damit hinters Licht führe.

Und Anouk beginnt zu erzählen, sie geht ins Jahr 1922 zurück, da war sie vierzehn Jahre alt. Sie berichtet von ihrer neuen Wohnung in Sankt Petersburg, aus der alten wurden sie ausquartiert. Es war Bürgerkrieg, ein Krieg der Armen und Ungebildeten. Ihre Eltern gehörten zur Intelligenzija und gehörten zu denen, die auf das letzte Philosophenschiff verbracht wurden. Sie hatten sich an genaue Vorgaben zu halten, an die Liste dessen, was sie mitnehmen durften und selbst dann konnten sie sich nicht sicher sein, ob sie nicht doch an die Wand gestellt und einfach erschossen würden. Zwölf Passagiere waren es, die es auf diesen Dampfer geschafft hatten. Dieses Häufchen wurde auf diesem riesigen Schiff in der dritten Klasse untergebracht. Sie waren schweigsam, jeder in sich gekehrt, keiner wusste den Grund ihrer Reise, keiner kannte das Ziel.

Von diesen Philosophenschiffen, die missliebige Intellektuelle außer Landes brachten, hatte ich vorher noch nie gehört. Es hat mehrere dieser Schiffe gegeben, „unseres“ ist frei erfunden, auch Anouks Geschichte ist fiktiv und doch erzählt Michael Köhlmeier von den Verhältnissen in der damaligen Sowjetunion. Er hat seinen ganz eigenen Stil, Geschichte in Geschichten lebendig werden zu lassen. Seine hundertjährige Protagonistin ist zwar schon alt, im Kopf jedoch ist sie klar, auch wenn sie sich zuweilen verschmitzt und ein wenig erschöpft gibt. Sie erzählt nicht chronologisch und doch kommt sie gut vorwärts. So erfahre ich nicht nur von dieser Fahrt ins Ungewisse, auch wird mir das Russland dieser Jahre anschaulich und gut lesbar nähergebracht. Der Autor geht so weit, dass er Lenin auf diesem Schiff erscheinen lässt. Hier ist er nicht der machtbesessene Revolutionär, nein. Köhlmeier lässt ihn als kranken Mann im Rollstuhl auftreten. Dieses Bild eines gebrechlichen Lenin gefällt mir sehr gut, auch wenn mich so manche Episode ein wenig ratlos zurücklässt. Er flicht etwa eine Story um die RAF mit ein, die später dann im Sande verläuft. Solcher Nebenschauplätze hätte es in meinen Augen nicht unbedingt bedurft, Lenin und der Bolschewismus hätten vollauf genügt.

„Das Philosophenschiff“ bietet einen Einblick in die russische Geschichte um 1922. Gründlich recherchiert, wie es sich für einen wie Köhlmeier gehört. Dabei lässt er seine Protagonistin zurückblicken und vermengt ihre fiktiven Erinnerungen mit dem Historischen und es bleibt nicht aus, Parallelen zu heute zu ziehen. Das Buch regt zum Nachdenken an, ich habe es nach anfänglicher Skepsis dann doch gerne gelesen.

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Veröffentlicht am 21.02.2024

Griechische Mythologie – spannend aufbereitet

Elyssa, Königin von Karthago
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Vergil hat zehn Jahre an Aeneis gearbeitet, einem Epos, das den troyanischen Helden Aeneas direkt nach Karthago führt und dort auf Elyssa trifft. Die beiden verlieben sich, die Götter lenken ihre Entscheidungen. ...

Vergil hat zehn Jahre an Aeneis gearbeitet, einem Epos, das den troyanischen Helden Aeneas direkt nach Karthago führt und dort auf Elyssa trifft. Die beiden verlieben sich, die Götter lenken ihre Entscheidungen.

Irene Vallejo hat sich dieser Mythologie angenommen, sie erzählt von Aeneas Ankunft, von Eros, der sie zusammenbringt und auch von den Intrigen gegen ihre Verbindung. Neben den beiden Liebenden erzählen Anna, Eros und Vergil. Eingebettet in die bekannte Mythologie entspinnt sich diese schicksalhafte Geschichte, jeder erzählt aus seiner ganz persönlichen Sicht, Anna etwa freundet sich mit Aeneas Sohn Julus an.

All dies beginnt mit Elyssas Flucht vor ihrem Bruder, dem wahnsinnigen König, der ihren Gatten töten ließ. Sie geht in einer Bucht an Land, es ist dieselbe Bucht, vor der später dann Aeneas Schiffbruch erleidet. Iarbas, der dort ortsansässige König, verspricht ihr bei ihrer Ankunft so viel Land, wie sie mit einer Ochsenhaut umspannen kann. Elyssa ist gewitzt genug, diese Tierhaut in dünne Streifen zu schneiden, um damit das spätere Karthago zu markieren. So Karthagos Gründungsmythos.

Die griechische Mythologie ist mir zwar nicht fremd, sie gehört aber nicht unbedingt zu meiner bevorzugten Lektüre und doch hat die Autorin es geschafft, mich ihm Rahmen dieser bekannten Geschichte mit ihrer einnehmenden Erzählweise zu fesseln. Die Idee, sie alle davon berichten zu lassen, gefällt mir gut. Auch bindet sie Vergil geschickt mit ein und selbst Eros hat seine durchaus amüsanten Auftritte. „Elyssa, Königin von Karthago“ – ein unterhaltsamer Lesegenuss.

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Veröffentlicht am 20.02.2024

Vom ganz normalen Erwachsenwerden

Klarkommen
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Ein Hörbuch, so zum Zwischendurchhören. So würde ich „Klarkommen“ kurz beschreiben wollen. Auf dem Weg hin zum Erwachsensein begleite ich Mounia, Leon und die Erzählstimme – die An- und Einsichten dieser ...

Ein Hörbuch, so zum Zwischendurchhören. So würde ich „Klarkommen“ kurz beschreiben wollen. Auf dem Weg hin zum Erwachsensein begleite ich Mounia, Leon und die Erzählstimme – die An- und Einsichten dieser drei jungen Frauen gibt Jodie Ahlborn in diesem ungekürzten Hörbuch über 3 ½ Stunden gut erkennbar wieder. Sie liest gut, das ja. Was mir allerdings so gar nicht behagt hat, ist diese Gendersprache, die ausgesprochen ziemlich affektiert daherkommt. Der Freund oder die Freundin sind in der Mehrzahl ganz einfach die Freunde und sonst gar nichts. Dieses Gendern mag gelesen gerade noch so angehen, ständig und oft und nicht nur als „Freund… stolper… innen“ ist dies gehört regelrecht unangenehm und vermiest die Story.

Wie der Titel schon sagt, geht es hier um das „Klarkommen“, um ein aus Teenie-Sicht schweres Schicksal. Endlich sind sie in der Großstadt und erleben ihr Dasein völlig neu, auch wenn der schöne Schein schnell bröckelt. Sie studieren, erleben den Alltag, haben Probleme und Problemchen wie jeder sie nun mal hat. Ich denke, hierin erkennt sich jeder junge Mensch mehr oder weniger, der Erzählstil ist kurzweilig, das Buch unterhält ganz gut. Es geht Freundschaften, das Miteinander, Neues zulassen, Altes loslassen und um die Angst, etwas zu verpassen - es ist eine ganze Palette voller Partys, Schule und noch so einiges mehr. Ein Buch, das schnell gelesen, schnell gehört ist, das die Höhen und Tiefen hin zum Erwachsenwerden facettenreich beschreibt.

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