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Veröffentlicht am 24.08.2022

Ein gelebtes Leben – der erste Teil

Die karierten Mädchen
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Die mittlerweile 93jährige Klara hat immer noch einen sehr wachen Verstand, betont auch gelegentlich, dass sie noch nie gefallen ist. Gut zu Fuß ist sie dennoch nur bedingt, da ihr Augenlicht sie im Stich ...

Die mittlerweile 93jährige Klara hat immer noch einen sehr wachen Verstand, betont auch gelegentlich, dass sie noch nie gefallen ist. Gut zu Fuß ist sie dennoch nur bedingt, da ihr Augenlicht sie im Stich gelassen hat – sie ist blind. Und voller Erinnerungen, von denen sie nun endlich erzählen will. Mit einer Hand voll Kassetten fängt sie an, es werden immer mehr, sie hat das starke Bedürfnis, ihre Geschichte zu erzählen…

…welche mir Tessa Mittelstaedt nähergebracht hat. Die ungekürzte Hörbuchfassung von Hörbuch Hamburg dauert 11 Stunden und 27 Minuten, es waren schon kurzweilige Stunden, die mich aber zuweilen ob dem naiven Umgang mit dem Gedankengut und der Handlungsweise der Nationalsozialisten fassungslos machten.

Die junge Klara bekommt eine Anstellung in einem Kinderheim, sie ist sofort mit Leib und Seele dabei, zudem kann sie dadurch ihre Familie finanziell unterstützen. Bald wird die kleine Tolla ins Heim gebracht, vorgesehen war ursprünglich für sie nur ein kurzer Aufenthalt.

Unsere Geschichte beginnt 1929 inmitten der Weltwirtschaftskrise und zieht sich bis zur Zeit des Nationalsozialismus. Das Heim gerät in finanzielle Turbulenzen, die staatliche Bezuschussung steht auf wackligen Füßen und die Nähe zu den immer stärker werdenden neuen Machthabern ist deutlich spürbar. Das Kinderheim wird ganz nach dem Geschmack der Nationalsozialisten in ein Frauenbildungsheim umgestaltet. Und mittendrin Klara, die alles mitmacht – zum Wohle der Einrichtung?

Die Erzählung beleuchtet hauptsächlich die Zeit vor 70 Jahren, um immer wieder nahtlos im Heute zu landen. Ob dieser harte Übergang dem Hörbuch, dem Vorlesen geschuldet ist, kann ich nicht beurteilen. Diese abrupten Schnitte sind gewöhnungsbedürftig, anfangs musste ich zurückspulen, da ich dachte, Sequenzen überhört zu haben. Dem war aber nicht so. Schnell aber gewöhnte ich mich an diese Art des Vortrages, es hat dann schon gepasst. Ich wollte ja Klaras Geschichte hören, die mir die Sprecherin mit ihrer klaren, hellen Stimme gut vermittelt hat.

Alexa Henning von Lange hat erst zwanzig Jahre nach dem Tod ihrer Großmutter die 130 Tonbandkassetten gehört und aus deren Erinnerungen so einiges in „Die karierten Mädchen“ einfließen lassen. Und sie hat viel recherchiert, die Dramatik der damaligen Zeit mit den Schilderungen auf den Kassetten verwoben. So haben sich Fiktion und Wirklichkeit zu einem homogenen Ganzen vermengt. Klara Möbius ist eine Romanfigur, die so oder so ähnlich hätte agieren können.

„Die karierten Mädchen“ ist das erste von drei Büchern, die Klaras Geschichte weitererzählen. Die Figur der Klara wird als unkritisch abgetan, sie ist eher Mitläuferin, schlängelt sich durch, geht den Weg des geringsten Widerstandes, obwohl sie es auch dank ihres Umfeldes besser wissen müsste. Mit Tolla als Gegenpart ist sie die Kämpferin, die sehr wohl um die Gefährlichkeit weiß, der sie sich aussetzt, indem sie ein jüdisches Mädchen mit allen ihr zur Verfügung stehenden Mitteln beschützen will.

Es ist eine interessante Lebensgeschichte, kurzweilig erzählt mit einem langen, sehr informativen Nachwort der Autorin. Auf die beiden nächsten Teile bin ich gespannt, Klara und ihre Familie inklusive Tolla werde ich weiterverfolgen.

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Veröffentlicht am 24.08.2022

Im dänischen Exil

Svendborg 1937
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Svendborg! ruft der Schaffner durch die Nacht. Sie sind am Ziel. Wie lange sie wohl bleiben werden? Eins ist gewiss: Sommerferien werden es nicht!

Es ist allerhöchste Zeit, Deutschland zu verlassen. Die ...

Svendborg! ruft der Schaffner durch die Nacht. Sie sind am Ziel. Wie lange sie wohl bleiben werden? Eins ist gewiss: Sommerferien werden es nicht!

Es ist allerhöchste Zeit, Deutschland zu verlassen. Die Familie Dinkelspiel flieht 1937 vor den Nationalsozialisten nach Dänemark auf die Insel Fünen. In dem kleinen Städtchen Svendborg kommen sie in dem gelben Häuschen einer Tante unter, natürlich lässt diese sich dafür gut entlohnen. Vater Oz, Mutter Malka, der kleine mongolide Friedrich und die Schwestern Meret und Ricarda versuchen, das Beste aus diesem Aufenthalt zu machen. Sie sind beileibe nicht die einzigen, die sich hier in Sicherheit bringen. So treffen sie auf allerhand bekannte Persönlichkeiten, allen voran auf die Frauen von Berthold Brecht, ihn selber treffen sie lange nicht. Ein illustrer Kreis jüdischer Emigranten hat sich hier niedergelassen.

Die 17jährige Meret erzählt von ihrer Familie, von Ricarda, die bald wieder weg will, zu ihrem Verlobten. Um mit ihm nach Palästina zu gehen. Als ob das so einfach wäre, als Jude wieder in das naziverseuchte Land zurückzugehen. „Es ist unmöglich zurückzukehren, der Satan ist an der Macht.“

Tanja Jeschkes Schreibstil ist anders, schon gewöhnungsbedürftig, ihre Sätze wortgewaltig und doch leise, sehr bildhaft und wunderschön. Im Alltag der Dinkelspiels nehmen Kultur und Literatur seit jeher einen großen Raum ein, sie kamen an mit einer großen Kiste voller Bücher. Die beiden Mädchen entdecken das Motorradfahren für sich, vor allem Meret lässt sich den dänischen Wind um die Nase wehen, während Ricarda bald mit Ruth Berlau nach Kopenhagen geht, das Theater lässt sie nicht mehr los.

Eine Familie im Exil, der Nationalsozialismus schwingt im Hintergrund mit. Viele Künstler dieser Zeit sind hier gestrandet, sie alle eint dasselbe Schicksal. Wir alle kennen die Geschichte, wissen um die Judenverfolgung, haben vielfach darüber gelesen. Trotz der ernsten Thematik ist die Stimmung nicht schwermütig, sie alle sind lebendig, sie sind authentisch und haben Pläne. Sehr sensibel, mit viel Empathie und Fingerspitzengefühl erzählt Tanja Jeschke von der jüdischen Familie Dinkelspiel im dänischen Exil. Der Epilog verrät die Jahre danach, das Schicksal eines jeden einzelnen wird in Zeitraffer weitererzählt. Eine Geschichte, die einen nicht so schnell loslässt, ein Buch, das ich nicht missen möchte.

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Veröffentlicht am 22.08.2022

(Brot) Backen leicht gemacht

Das einfachste Brot der Welt
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Brot backen war eher nicht mein Ding. Bis ich dieses wirklich geniale Buch von Axel Schmitt gefunden habe. Brotsommelier – ich wusste gar nicht, dass es sowas gibt. Auch als Fernsehbäcker ist mir der Autor ...

Brot backen war eher nicht mein Ding. Bis ich dieses wirklich geniale Buch von Axel Schmitt gefunden habe. Brotsommelier – ich wusste gar nicht, dass es sowas gibt. Auch als Fernsehbäcker ist mir der Autor kein Begriff. Aber nun habe ich ihn oder besser gesagt seine Rezepte kennen und schätzen gelernt. Natürlich nicht alle, aber meine Familie hat sich auf so etliches darin geeinigt, das immer wieder auf den Tisch soll, und jeder hat noch seine absoluten Lieblingsrezepte.

Das Buch ist übersichtlich angeordnet, man findet sich sogleich zurecht. Zunächst habe ich es durchgeblättert und bin immer mal wieder länger hängen geblieben.

Selbst die Einführung, die Theorie, ist nicht trocken. An alle Backwütigen und solche, die dies werden sollen, richtet sich Axel Schmitts Brot-Buch. Die Rohstoffe, die Zutaten, sind gut und einfach erklärt. Getreide, Mehl und Hefe genauso wie Backpulver, Wasser, Öle, Eier, Gewürze und noch viel mehr.

Der Mensch lebt nicht vom Brot allein – auch Kuchen will er haben. Zumindest so ab und an. Und den Teig für Brot und Süßes herzustellen ist gar nicht so schwer.

Einfache Rezepte für Einsteiger (und Angeber - grins) sind ebenso zu finden wie z. B. Rhabarbertartelettes mit Baiser oder Obazda-Schiffchen, beides Favoriten von uns. Auch abgefahrene Sachen wie „Evil Eye“ oder „Sexy Brot“ und noch so einiges mehr sind zu finden.

„Das einfachste Brot der Welt“ - ein unterhaltsames, informatives, gelungenes und gut nachzubackendes Brot-Backbuch.

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Veröffentlicht am 22.08.2022

So rasant wie undurchsichtig

Fake – Wer soll dir jetzt noch glauben?
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Den Albtraum schlechthin durchlebt gerade Patrick Dostert. Sein bis vor kurzem geordnetes Leben gleicht immer mehr einem nie geahnten Chaos. Fassungslos muss er mit ansehen, wie ein anderer über ihn ...

Den Albtraum schlechthin durchlebt gerade Patrick Dostert. Sein bis vor kurzem geordnetes Leben gleicht immer mehr einem nie geahnten Chaos. Fassungslos muss er mit ansehen, wie ein anderer über ihn bestimmt. Eine Frau ist verschwunden, er soll sie misshandelt haben. Bald taucht ein Video auf, er ist für jeden erkennbar in einer für ihn entlarvender Situation zu sehen. Keiner glaubt ihm. Was wird ihm hier untergeschoben?

Der neue Arno Strobel – endlich ist FAKE da. Schon das zweideutige Cover lässt meinen Blutdruck in die Höhe schnellen. FAKT oder FAKE? Sofort bin ich ins Buch vertieft, leide mit Patrick und habe bald im Hinterkopf, wer es denn auf ihn abgesehen haben könnte - während des Lesens schleicht sich immer wieder dieser eine Gedanke ein. Ich bin aber auf Patricks Seite. Natürlich!

Jeder kennt sie, diese vermeintlichen „Nachrichten“, diese Fakes. Sie sind allgegenwärtig, man braucht nur einen Blick ins weltweite Netz zu werfen. Es wird manipuliert, was das Zeug hält und nicht immer hat man den Durchblick, die Grenze zwischen Fakten und Fake-News verschwimmt zusehends. Wir alle kennen zig Beispiele, sind anfällig dafür oder auch nicht. Strobel hat diese Thematik in diesem rasant wie undurchsichtigen Psychothriller verarbeitet, er lässt seinen Lesern keine Minute des Aufatmens. Denn nichts ist so, wie es den Anschein hat.

Eine ganz besondere Form des Erzählens hat der Autor gewählt. Er lässt Patrick seine Geschichte niederschreiben, von diesem für ihn unsäglichen Geschehen in der dritten Person berichten. Es wird ein Roman, ein Psychothriller, in das er ohne sein Zutun hineingeraten ist. Alles beginnt am Donnerstag, den 13. Mai…

Zwischendurch lese ich vom Ist-Zustand, von Patricks Gedanken und Gefühlen. Es sind immer nur ein paar Seiten, das Schriftbild ändert sich hier.

Patrick und sein Umfeld kenne ich mittlerweile sehr gut, er berichtet chronologisch. Alles spricht gegen ihn und doch agiert er zuweilen naiv, tappt blauäugig trotz seiner ausweglosen Situation in jede Falle. Warum? Ist er wirklich so töricht oder sollte sein Verhalten von etwas ablenken? Der Autor versteht es, Zweifel zu streuen. Wer ihn kennt, seine Bücher gelesen hat, weiß um den Sog, den er in jedem seiner Thriller erzeugt und das ist auch hier nicht anders – ich konnte FAKE nicht weglegen, musste unbedingt weiterlesen. Es geschehen unbegreifliche Dinge.

„Fakt (und nicht Fake) ist mittlerweile: Alles kann gefälscht werden.“ Im Nachwort spricht Strobel Deepfakes an, diese manipulierten Bilder, Audio- oder auch Videoaufnahmen, die mit Hilfe von KI erzeugt werden können. Ein brandaktuelles Thema, perfekt aufbereitet, spannend und mitreißend erzählt. Ein Horrorszenario, das unbedingt gelesen werden muss! An FAKE kommt kein Thrillerfan vorbei.

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Veröffentlicht am 20.08.2022

Politthriller

Die Cellistin
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Gabriel Allon, der 21. Für mich jedoch ist es der erste Band der Reihe um diese Figur.

Eine rasante Jagd durch Europa geht weiter, für mich hat sie gerade erst begonnen. Ein Agententhriller, so wie man ...

Gabriel Allon, der 21. Für mich jedoch ist es der erste Band der Reihe um diese Figur.

Eine rasante Jagd durch Europa geht weiter, für mich hat sie gerade erst begonnen. Ein Agententhriller, so wie man es sich ihn vorstellt. Und immer wieder holt die Wirklichkeit, das aktuelle Zeitgeschehen mit all ihren bekannten Aggressoren, die fiktive Geschichte ein. Ich hatte beim Lesen so manches Déjá vu. Rasant geht es zu, die „Cellistin“ ist ein sehr politisches Buch, die so blitzgescheite wie musikbegabte Bankerin ist allgegenwärtig, die neutrale Schweiz ist ein Eldorado für Geldwäscher. Auch der israelische Geheimdienst mischt mit, der britische ebenso, das Nervengas Nowitschok wird nicht nur hier gebraucht, es ist ein aus den Medien allseits bekanntes Mittel, unliebsame Gestalten auszuschalten.

Ja, es war eine spannende Jagd mit allem, was dazugehört. Die zu allem bereiten, machtbesessenen Männer sind gut gezeichnet, sie haben einen hohen Wiedererkennungswert. Zwischendurch hatte ich aber schon das Bedürfnis, das Buch zur Seite zu legen und durchzuatmen. Der Geschichte konnte ich problemlos folgen, auch und gerade durch die Aktualität und doch war es ein sich in weiten Teilen wiederholender Thriller, der voll auf Action setzt.

Ein sehr gut nachgezeichneter, erschreckend aktueller Politthriller, dessen Figuren allesamt erkennbar sind. Etwas zu actionreich in Szene gesetzt.

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