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Veröffentlicht am 29.07.2022

Von den Träumern und den etwas Übernatürlichen

An den Ufern von Stellata
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Als der schwermütige Giacomo Casadio Viollca, einer Frau mit rabenschwarzer Mähne und Federn im Haar, begegnet, ist es um ihn geschehen - er verliert sein Herz an sie. Und sie bleibt bei ihm, bleibt in ...

Als der schwermütige Giacomo Casadio Viollca, einer Frau mit rabenschwarzer Mähne und Federn im Haar, begegnet, ist es um ihn geschehen - er verliert sein Herz an sie. Und sie bleibt bei ihm, bleibt in dem kleinen Dorf in der Lombardei und nun beginnt die Geschichte um die Familie Casadio.

Giacomo, der Träumer, baut Boote. Eine Arche Noah schwebt ihm vor und auch, wenn das erste bald untergeht, baut er einfach noch eins… und noch eins… und…

Über sieben Generationen hinweg erzählt Daniela Raimondi die Geschichte der Familie, auch das Geschichtliche wird im Hintergrund gut eingeflochten. Es werden Träumer mit blauen Augen und heller Haut geboren, die eher Giacomos Gemüt geerbt haben und dann sind da noch die anderen, die etwas Übernatürlichen, die mit ihrem schwarzen Haarschopf an das fahrende Volk erinnern.

Es sind schon einige sonderbare Charaktere dabei, von denen ich höre und es verfestigt sich das Bild von ganz eigentümlichen Nachkommen. „Zu viele von ihnen waren nicht glücklich, waren hinter einem unmöglichen Traum her…“ Und sie alle entsprechen nicht der Norm. Sind mystisch veranlagt und übersinnlich, von außen betrachtet ein wenig verrückt, wie von dieser Welt entrückt. Es sind Geschichten von denen, die mit den Toten sprechen oder hellsichtige Fähigkeiten haben. Nicht alle habe ich kennengelernt, so etliche blieben schemenhaft, waren wahrscheinlich nicht für diese Geschichte geeignet.

Das ungekürzte Hörbuch von Hörbuch Hamburg hat mir Simone Kabst vorgelesen. Ihre facettenreiche Stimme wird den einzelnen Figuren gerecht, sie sind gut unterscheidbar. Ihre Erzählung punktet mit starken Bildern, die vor meinem geistigen Auge sehr farbenprächtig erscheinen. So konnte ich mich zurücklehnen und ganz dem Klang ihrer Stimme lauschen.

Die Reise zu den „…Ufern von Stellata“ war eine ganz besondere. Interessante Charaktere, wundervoll vorgetragen – es war ein kurzweiliger Hörgenuss.

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Veröffentlicht am 29.07.2022

Ein dunkles Kapitel der ukrainischen Geschichte, sehr einfühlsam erzählt

Denk ich an Kiew
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Ein sehr dunkles Kapitel der ukrainischen Geschichte bringt Erin Litteken ihren Lesern näher. „Denk ich an Kiew“ zeigt ein geschundenes Volk, das ehemals zur Sowjetunion gehörte und seit 1991 ein selbständiger ...

Ein sehr dunkles Kapitel der ukrainischen Geschichte bringt Erin Litteken ihren Lesern näher. „Denk ich an Kiew“ zeigt ein geschundenes Volk, das ehemals zur Sowjetunion gehörte und seit 1991 ein selbständiger Staat ist. Ein Volk, das nicht zur Ruhe kommt - die täglichen Nachrichten berichten von der aktuellen Tragödie der Ukraine. Das Leben schreibt die schlimmsten Geschichten, keine Kreatur ist so grausam wie der Mensch.

In zwei Zeitebenen erzählt die Autorin einmal von Katja, Alina, Pawlo, Kolja und ihren Familien in den 1930er Jahren, sie leben in einem kleinen Ort nahe Kiew. Die zweite Zeitebene ist 2016 angesiedelt, in Illinois leben Bobby, Anna, Cassie, Birdie und Nick.

Cassie zieht nach Henrys Unfalltod mit ihrer kleinen Birdie zu ihrer Großmutter, alle nennen sie Bobby, deren Tagebuch mit vielen losen Zetteln darin auftaucht. Nick, ein Bekannter, kann das in ihrer Muttersprache geschriebene Tagebuch lesen. „Ruf ihn an“ ermuntert Bobby ihre Tochter Anna, er wird es übersetzen. Bobby kann das nicht mehr, es wäre zu hart, dies alles nochmal zu durchleben. Es ist ihr aber wichtig, dass Anna Bescheid weiß.

Katja erzählt ihre Geschichte von der Ukraine in der Zeit, als die Bolschewiken alles an sich reißen, sie die Leute zwingen, sich den Kolchosen anzuschließen. Sie und Alina, ihre Schwester, hatten eine glückliche Kindheit und jetzt, als junge Frauen, verlieren sie alles. Katja bekommt von Pawlo ein Tagebuch geschenkt und er ermuntert sie, alles festzuhalten. „Das Tagebuch, das Pawlo ihr geschenkt hatte, war mittlerweile fast voll, und es enthielt alles, was sie gesehen hatte, alles, was sie verloren hatte…“

Die Hungersnot in den 1930er Jahren in der Ukrainischen Sozialistischen Sowjetrepublik war eine von höchster Stelle angeordnete. Stalins Ziel, die sowjetische Herrschaft in der Ukraine zu festigen, die Freiheit des einzelnen dagegen brachial zu unterdrücken, wurde gnadenlos vorangetrieben. Wer sich der Zwangskollektivierung entgegensetzte, wurde verhaftet. Sie hatten keine Wahl – ihr Besitz war nicht mehr der ihre, alles war Staatseigentum, jedes Getreidekorn, selbst die angefaulten Kartoffeln gehörten ihnen nicht. Bewaffnete Aktivisten waren eifrig bei der Sache, selbst enge Freude und Familienmitglieder wurden denunziert oder gleich an Ort und Stelle erschossen. Dem Holodomor fielen nach Studien geschätzt 3,9 Millionen Menschen zum Opfer, genauere Zahlen sind nicht mehr zu ermitteln.

Die beiden Zeitebenen werden abwechselnd erzählt, wobei ich im Gestern noch viel mehr verhaftet war. Der Autorin ist es gelungen, all ihre Charaktere, ihre Pein, ihren Überlebenswillen und auch ihren Mut, „Verbotenes“ zu tun, so eindringlich zu schildern, dass ich das Buch nicht weglegen konnte. Ich konnte mich gut in sie hineinfühlen, es waren viele Bilder in meinem Kopf. Das Heute, Cassies Geschichte, war teils eine Liebesgeschichte ohne Tiefgang. Die Idee, sich dem geheimnisvollen Tagebuch als Bindeglied zu bedienen, hat dagegen sehr viel Charme.

Erin Litteken hat ein erschütterndes Zeugnis eines heute fast vergessenen Genozids niedergeschrieben - ein Volk wird ganz gezielt ausgehungert.

Die Geschichte wiederholt sich, den Ukrainern ist kein Frieden vergönnt. Ein Roman, der zutiefst erschüttert, der lange nachwirkt.

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Veröffentlicht am 25.07.2022

Sehr lesenswert

Was ich nie gesagt habe
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Ach wie schön, wieder von Gretchen zu lesen. „Stay away from Gretchen – eine unmögliche Liebe“ hat mich begeistert, ihr Schicksal mich so sehr berührt. „Was ich nie gesagt habe – Gretchens Schichsalsfamilie“ ...

Ach wie schön, wieder von Gretchen zu lesen. „Stay away from Gretchen – eine unmögliche Liebe“ hat mich begeistert, ihr Schicksal mich so sehr berührt. „Was ich nie gesagt habe – Gretchens Schichsalsfamilie“ lässt mich wieder tief in Gretas Familie eintauchen.

Tom Monderath, der sich nie binden wollte, hat seine Einstellung diesbezüglich gründlich geändert, seit er mit Jenny zusammen ist. Er schwelgt im siebten Himmel, als unerwartet Henk auftaucht. Tom weiß zwar von seiner Halbschwester Marie, die in den USA lebt, aber ein weiteres Geschwisterkind, auch väterlicherseits, hat er nicht erwartet. Seinen Vater Konrad kann er nicht mehr befragen, er ist schon lange tot und so begeben sich Tom und Henk, die beiden Halbbrüder, auf Spurensuche, unterstützt von Jenny. Immer mehr Halbgeschwister tauchen auf – nahm Vater es mit der ehelichen Treue nicht so genau? Seine Mutter Greta ist Tom keine Hilfe, sie taucht immer mehr in ihre eigene Welt ab.

Susanne Abel erzählt auf zwei Zeitebenen, die gut ineinander greifen. Alles beginnt 1933, als Konrad, der Conny genannt wird, fünf Jahre alt ist. Sein früh verstorbener Vater lässt ihn mit Mam und seinen zwei Geschwistern zurück. Die Nationalsozialisten haben das Sagen, schon den Kleinen trichtern sie ihr Gedankengut ein. Die Juden werden immer mehr geächtet, die Angst geht um. Unwertes Leben wird gnadenlos ausgemerzt, Euthanasie ist das Zauberwort.

Gretchens Lebensgeschichte wird in beiden Bänden erzählt, es sind Bruchstücke, die ineinandergreifen und so nach und nach ein gut nachvollziehbares Gesamtbild ergeben. Im ersten Band erfährt man von der jungen Greta und der kleinen Marie, von ihrer Zeit während des zweiten Weltkrieges, während der zweite Band sich eher um Konrad, Gretchens Mann und Toms Vater, dreht. Die Geschichte ist natürlich sehr viel komplexer, im Nachwort erzählt die Autorin, wie diese Story zu ihr fand.

Es gibt Dinge, die man für sich behält, tief in sich einschließt. Traumatische Erlebnisse, unsägliches Leid. Susanne Abel hat gründlich recherchiert, sie flicht die Verbrechen während der Zeit der Nationalsozialisten gekonnt ein, auch die künstliche Befruchtung mit allem, was dazu gehört, wird thematisiert.

Auch wenn ursprünglich keine Gretchen-Reihe geplant war, so hat mir dieser zweite Band Gretchens Schicksalsfamilie noch näher gebracht. Eine großartige Geschichte ist auserzählt, ich war bewegt und begeistert von der so berührenden und warmherzigen Erzählweise Susanne Abels. Und das wieder so gelungene Cover passt hervorragend zu Band 1. Von mir gibt es eine uneingeschränkte Leseempfehlung!

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Veröffentlicht am 23.07.2022

Magisch, spannend, tödlich

Die versteckte Apotheke
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Wer kennt sie nicht, die Pflanzen, welche in der richtigen Dosierung verabreicht tödlich sind. Der Blaue Eisenhut sei erwähnt, den man tunlichst aus dem Garten verbannen sollte, sobald kleine Kinder herumlaufen. ...

Wer kennt sie nicht, die Pflanzen, welche in der richtigen Dosierung verabreicht tödlich sind. Der Blaue Eisenhut sei erwähnt, den man tunlichst aus dem Garten verbannen sollte, sobald kleine Kinder herumlaufen. Alle Teile dieser so schön blühenden Pflanze sind giftig. Toxikologen waren erst Mitte des 19. Jahrhunderts in der Lage, Gift im Körper nachzuweisen.

„Die versteckte Apotheke“ und Nella, ihre Inhaberin, existierten vor etwa 200 Jahren in London. Es war eine gut getarnte Geheimadresse, die all jene wussten, die einen unliebsamen, ja gewalttätigen Ehemann nicht mehr ertragen konnten. Frauen hatten keinerlei Rechte, waren dem Manne auf Gedeih und Verderb ausgeliefert und so manch einer trieb es so weit, dass sein Weib sich nicht mehr anders zu helfen wusste, als ihn mithilfe eines von Nella gemischten Elixiers vom Leben in den Tod zu befördern. Von ihrer Mutter übernahm Nella die Apotheke. Manchmal las sie ihre Einträge, fein säuberlich vermerkt mit Namen, Datum und der verabreichten Arznei. Auch auf ihren Seiten notierte Nella harmlose und teuflische Substanzen, dahinter verbargen sich zuweilen dunkle Geheimnisse. Ein Zufluchtsort für Frauen war ihre Apotheke, kein Mann – bis auf einen – hat sich je hierher verirrt.

Im Wechsel, auf zwei Zeitebenen, wird der Roman erzählt. Die Gegenwart verkörpert Caroline, eine junge Historikerin. Sie findet im Schlamm der Themse ein geheimnisvolles blaues Fläschchen, ein im Glas eingravierter kleiner Bär bringt sie auf Nellas Spuren. Nella und Caroline, zwei so unterschiedliche Frauen - und doch haben sie Gemeinsamkeiten. Sie sind ehrgeizig, habe ihre Ziele und Prinzipien, auch wenn es nicht immer danach aussieht.

Mit Nella war ich sofort vertraut, auch die so junge Eliza hat mich tief berührt. Der alte Apothekerschwur "niemals Gift zu verabreichen..." gilt hier nur bedingt und doch habe mitgefühlt, habe jede Zeile ausgekostet. Bei Caroline dauerte es, sie war eher meine Nummer drei. Ihre Nachforschungen waren teilweise schon grenzwertig, um nicht zu sagen etwas weit hergeholt.

Der Perspektivwechsel war sehr geschickt gemacht. Immer dann, wenn man mitfiebert, ob denn diese eine Sache gut ausgehen wird, sie sich durchschlängeln können, nicht entdeckt werden, wird vor- oder zurückgespult.

Nella und Eliza waren meine sympathischen Helden, gefolgt von Caroline. Auch wenn ich von etwas "giftigeren" Charakteren umgeben, es moralisch nicht wirklich korrekt war, so habe ich diese "versteckte Apotheke" doch sehr genossen.

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Veröffentlicht am 20.07.2022

Rasanter Thriller

Als das Böse kam
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Einmal im Monat, wenn der Vollmond hoch über den Wäldern steht, rudert Vater hinüber in das Dorf der Wächter auf die andere Seite des Sees, um Einkäufe zu erledigen. Die gefährlichsten Finstermänner Südlands ...

Einmal im Monat, wenn der Vollmond hoch über den Wäldern steht, rudert Vater hinüber in das Dorf der Wächter auf die andere Seite des Sees, um Einkäufe zu erledigen. Die gefährlichsten Finstermänner Südlands wurden durch Vaters Zeugenaussage verhaftet und nun verstecken sie sich in der Blockhütte inmitten des Sees – Vater, Mutter, die 16jährige Juno und ihr kleiner Bruder, der 12jährige Boy. Die Wächter aus Nordland behüten sie, warnen sie bei Gefahr. Wenn die Sirene ertönt, müssen sie schleunigst in ihren Schutzraum unter der Erde.

Aus Junos Sicht wird dieser Thriller erzählt. Seit sie denken kann, lebt sie isoliert, hat keinerlei Möglichkeit, mit der Außenwelt zu kommunizieren. Die Insel zu verlassen ist unmöglich, Vater würde sie hart bestrafen und Boy gleich mit. Sie scheinen wie aus der Welt gefallen.

Ivar Leon Mengers Thriller-Debüt hat es in sich. Nachdem ich mich einigermaßen zurechtgefunden, die ersten Kapitel gelesen habe, dachte ich schon: Nett zu lesen, die Familie im Zeugenschutzprogramm, sollte das alles gewesen sein? Da gäbe es doch andere Möglichkeiten, als sich zeitlebens auf einer überschaubaren Insel abzuschotten. Was gibt die Story noch her? Und dann dreht sich alles, es kommen Dinge ans Licht, der geheimnisvolle Luca ist plötzlich da – gehört er wirklich zu den Guten? Ich habe so meine Zweifel. Die sieben Gebote, die sie alle verinnerlicht haben, müssen unbedingt einhalten werden – oder etwa nicht? Erschütterndes wird zutage gefördert, es wird zunehmend böse… bitterböse.

Eine ungewöhnliche Ausgangslage, es beginnt vielversprechend. Der Alltag der vier Inselbewohner war zunächst etwas langatmig, um dann an Tempo zu gewinnen. Auch wenn immer mehr offenbart wird, man hinter die Kulissen blickt, so war ich mir bis zuletzt bei einer Person nicht sicher, auf welcher Seite sie wirklich steht.

„Das Böse ist näher als du glaubst“ – wie wahr, auch wenn die Wahrheit hier eher nicht an vorderster Stelle steht. Ein rasanter Thriller, den ich im Ganzen verschlungen habe.

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