Profilbild von Magnolia

Magnolia

Lesejury Star
online

Magnolia ist Mitglied der Lesejury

Melde dich in der Lesejury an, um dich mit Magnolia über deine Lieblingsbücher auszutauschen.

Anmelden

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 17.11.2023

Swinging Berlin

Lindy Girls
1

Ganz Berlin swingt, die Tanzpaläste bieten in den Goldenen Zwanzigern dem staunenden Publikum stets Aufregendes. Auch die Tanzlehrerin und Choreographin Wally hat einen großen Traum – sie will den Berlinern ...

Ganz Berlin swingt, die Tanzpaläste bieten in den Goldenen Zwanzigern dem staunenden Publikum stets Aufregendes. Auch die Tanzlehrerin und Choreographin Wally hat einen großen Traum – sie will den Berlinern die Musik und die neuen Tänze aus Amerika auf ihre Bühnen bringen. Ihre Tanzgruppe sucht sie direkt auf der Straße, sie schaltet Anzeigen, sie holt aus den tanzbegeisterten jungen Frauen alles heraus. Der Zugang zu den großen Bühnen bleibt ihnen zunächst verwehrt und doch geben sie nicht auf. Tagsüber kämpfen sie ums Überleben und die halbe Nacht üben sie für ihre Auftritte. Auch mischt Wallys on/off-Freund Toni kräftig mit. Neben den Schwierigkeiten rund die Bühnen, die ihre Sehnsuchtswelt bedeuten, spielt auch die Liebe mit hinein.

Anne Stern entführt ihre Leser in eine pulsierende Zeit. Die 1920er Jahre waren geprägt von Fülle und Vergnügungen auf der einen Seite und andererseits von Entbehrungen, von Hunger und schon bei geringsten Verfehlungen vom Verlust des Arbeitsplatzes. Daneben machen die Braunhemden die Straßen unsicher. Es ist eine Zeit der Extreme, dominiert von der allmächtigen Männerwelt.

Anne Stern bürgt für eine gut durchdachte Story und für gute Unterhaltung. Ihre „Lindy Girls“ haben mich schon alleine wegen des Tanzens sehr angesprochen, auch lese ich viel über die damalige Zeit der gesellschaftlichen Widersprüche. Größte Not und ein Leben im Überfluss bilden das ungerechte Nebeneinander, die Herkunft der Girls und die damit einhergehende Erwartungshaltung werden anschaulich beschrieben. Sie bieten einen aufschlussreichen Einblick in die Glitzerwelt dieser Jahre und auch wenn der schöne Schein durchaus viele Risse erkennen lässt, so wird das gesellschaftliche Gesamtbild deutlich sichtbar.

Vor dem politischen und gesellschaftlichen Hintergrund nimmt die Story rund um das Tanzen, um die Musik und all das Zwischenmenschliche viel Raum ein. Und ja – zwischendurch erklingen die Songs von damals, „…all we scream for ice cream…“ den Ohrwurm bring ich so schnell nicht mehr los. Und nicht nur dieser und etliche andere heute noch bekannte Songs hallen nach. Die „Lindy Girls“ haben mich gut unterhalten und mich in eine gar nicht so goldene Zeit zurückgeführt, die trotz Entbehrungen voller Hoffnungen und Leben war.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 12.11.2023

Einmal kurz das Leben umkrempeln

Eine Frau, ihr Bus und der unverschämt kluge Plan
1

Ob der Plan so klug ist, weiß man nicht. Zumindest bin ich nicht so ganz überzeugt, als Annie sich in diesen alten Bus regelrecht verliebt. Fährt er noch? Diese Frage lässt sich schnell klären, denn ihre ...

Ob der Plan so klug ist, weiß man nicht. Zumindest bin ich nicht so ganz überzeugt, als Annie sich in diesen alten Bus regelrecht verliebt. Fährt er noch? Diese Frage lässt sich schnell klären, denn ihre Schwester kennt sich mit Motoren aller Art bestens aus. Und ja – sie können sogar zu einer Probefahrt starten. Aber was tun mit so einem heruntergekommenen Ding?

Nach überstandenem Brustkrebs arbeitet Annie als Altenpflegerin. Nicht den ganzen Tag, das schafft sie noch nicht. Auch wird ihr der Haushalt zu viel, aber dafür ist ihr Ehemann da. Er kümmert sich liebevoll ums Haus, damit sie sich ausruhen kann. Der Traum von einem Dessous-Geschäft, den sie vor ihrer Krankheit zusammen mit ihrer Freundin hatte, schwirrt ihr immer noch im Hinterkopf, zumal sie kartonweise BHs und alles, was man so drunter trägt, noch einlagern hat.

Der unverschämt kluge Plan nimmt Formen an, Annies Schwester baut den roten Bus nicht nur in einen Verkaufsbus um, sie hat auch ein Bett mitsamt einer kleinen Küche eingebaut. Ja, es kann losgehen – Annie fährt übers Land. Nicht nur Frauen sind ihre Kundschaft, wenngleich diese logischerweise in der Überzahl sind. Jede einzelne hat ihre Geschichte und fast jede ist mit ihrem Körper unzufrieden – ein hinlänglich bekanntes Phänomen. Annie findet für jeden einzelnen die richtigen Worte, sie weiß deren Vorzüge ins rechte Licht zu rücken. Nicht nur das Verkaufen, auch das Beraten ist wichtig und sie ist gut in dem, was sie tut - sie ist in ihrem Element.

Daneben erfahren wir von ihrer Familie. Von ihrem Ehemann, ihrem Sohn, von ihrem Vater und ihrer Schwester und deren Problemen. Und die gibt es zuhauf.

Auf ihren Fahrten hört sie alte Kassetten einer Expertin für Lebenshilfe aller Art. So ausgestattet kann eigentlich nichts mehr passieren, bis das eigene Leben sie einholt. Als Annie dann von einer länger zurückliegenden Sache erfährt, ist sie komplett durch den Wind. Was tun? Das Leben umkrempeln oder so weitermachen wie bisher?

Ein Feelgood-Roman – so wird das Buch beworben. Es steckt voller Leben und Zuversicht, es erzählt von neu gewonnenem Lebensmut. Es geht um Umbrüche und um Neubeginn, denn nichts bleibt ewig so, wie es einmal war. Die Krankheit und die einhergehende langwierige Genesung mit allen Höhen und Tiefen sind Thema, vordergründig sehe ich aber schon die Frau, die das Alte hinter sich lassen will. Der Bus ist Mittel zum Zweck, alles andere stellt sich so nach und nach ein, man muss nur die Zeichen sehen, denn vieles übersieht man in der Hektik des Alltags nur zu gerne. Und ja – Lebensweisheiten gibt es inklusive, wenngleich sehr klischeebehaftet. Annie lässt sich trotz so mancher Rückschläge nicht von ihrem Plan, ihr Leben umzukrempeln, abbringen. Ein netter Zwischendurch-Roman für gute Gefühle – ist ja nicht immer das Verkehrteste.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 07.11.2023

Die Saga geht weiter…

Die Zuckerbaronin
1

…und der Schmuggel mit dem Saccharin ebenso. Zumindest ist Martha fest davon überzeugt, dass sie in die Fußstapfen ihres verstorbenen Vaters, des einstigen Schmugglerkönigs des Bayerischen Waldes, treten ...

…und der Schmuggel mit dem Saccharin ebenso. Zumindest ist Martha fest davon überzeugt, dass sie in die Fußstapfen ihres verstorbenen Vaters, des einstigen Schmugglerkönigs des Bayerischen Waldes, treten muss. Nichts und niemand kann sie aufhalten, selbst von Helena, ihrer jüngsten Schwester, erwartet sie absoluten Einsatz, auch wenn dieser für sie brandgefährlich enden könnte. Mit Gwendolyn hat Martha schon lange gebrochen und nun sammelt sie Leute für eine neue Tour um sich. Derweilen hadert Gwendolyn mit ihrem Alexander, der sich nach dem Tod seines Vaters immer mehr zurückzieht.

Gespannt habe ich auf den zweiten Teil der Drei-Schwestern-Saga gewartet und mich auch gleich auf „Gwendolyns Hoffnung“ gestürzt. Die drei Schwestern könnten unterschiedlicher nicht sein und doch verbindet sie ein Band, das zwar brüchig wird, das jedoch nie reißt. Neben der mitreißenden Story gewährt das Autoren-Duo auch hier Einblicke in die Welt des Saccharins, sie gehen in die USA direkt ins Weiße Haus zu dessen Gegnern und Befürwortern. Und nicht nur dort prangern die einen die gesundheitlichen und für die Zuckerindustrie wirtschaftlichen Gefahren an, während die anderen die Vorteile dieses synthetischen Süßstoffes sehen, denn Zucker kann sich nicht jeder leisten, Saccharin dagegen schon.

Im Jahr 1911 ist bei uns das Saccharin nach wie vor verboten, die Schmuggler sind auf den alten Pfaden mit immer neuen, raffinierteren Methoden unterwegs, vorbei am Zoll. Neben dem Schmuggel, für den hauptsächlich Martha brennt, hat es keine der Schinder-Schwestern leicht. Während Alexander die Vergangenheit einholt, arbeitet sich Gwendolyn in die Belange der Zuckerfabrik ein. Die Spur des Saccharin führt von der Schweiz bis nach Washington, von Leipzig über Aichach bis nach Deggendorf und hinein in den Bayerischen Wald.

Die Schinder-Familie droht durch Sturheit und Unnachgiebigkeit zu zerbrechen, die mittlerweile vertrauten Charaktere mit ihren Ecken und Kanten sind authentisch, charismatisch, vorbohrt – sie sind allesamt glaubhaft beschrieben. Ein Eifersuchtsdrama kam mir zu überspitzt, zu sehr überzeichnet vor, auch hätte ich den Abstecher ins Weiße Haus nicht unbedingt gebracht. Ansonsten war das ganze Drumherum um die Familien der drei Schwestern unterhaltsam dargeboten.

„Gwendolyns Hoffnung“, der zweite Teil der Familiensaga, er kommt nicht ganz an „Marthas Geheimnis“, den exzellenten ersten Teil, heran. Die Geschichte um die Macht des Verzeihens und den unbedingten Familienzusammenhalt war dennoch ein kurzweiliges Lesevergnügen, das ich gerne weiterempfehle. Der erste Teil dieser Saga sollte vorab gelesen werden.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 07.11.2023

Von den Anfängen des Kinos und mehr

Träume aus Licht
1

„Träume aus Licht“ erzählt auf drei Zeitebenen von den Anfängen des Kinos und von einer Liebe und einem Geheimnis, das erst viele Jahrzehnte später ans Licht kommt.

Die junge Eva denkt sich die schönsten ...

„Träume aus Licht“ erzählt auf drei Zeitebenen von den Anfängen des Kinos und von einer Liebe und einem Geheimnis, das erst viele Jahrzehnte später ans Licht kommt.

Die junge Eva denkt sich die schönsten Geschichten aus. Drehbuchautorin möchte sie sein und als sie ihren Bürojob verliert, ermuntert sie ihre Schwester, ihre Piratengeschichte den Filmleuten anzutragen. Sie begegnet dem bekannten Regisseur Lichtenfeld, der sie fördert. Ihre phantastischen Abenteuer, auf Zelluloid gebannt – davon hat Eva schon immer geträumt. Wir sind im Berlin der 1920er Jahre, die Stummfilm-Ära neigt sich dem Ende zu.

Oma Margarete muss ausgerechnet an ihrem Geburtstag ins Krankenhaus. Silke bleibt bei ihr und ihre Halbschwester Ariane fährt nochmal zurück, um Omas Sachen zu holen. Dabei fördert sie alte Filmrollen zutage, die sie noch nie gesehen hat. Warum hat Oma sie versteckt? Sie hofft, dass diese Filme mehr über ihre viel zu früh verstorbene Mutter Vera verraten und wendet sich an einen Bekannten, der Zugang zu dem erforderlichen Equipment hat, denn im Jahre 2000 verfügen die Kinos nicht mehr über die damaligen Vorführgeräte.

Zwischen den beiden Erzählsträngen um Eva und Ariane wird Veras Geschichte erzählt. Ist dies das zunächst rätselhafte Band, das alles verbindet?

Der Roman verspricht, in die Welt des Kinos einzutauchen - in die bis Ende der 1920er Jahre gehende Stummfilm-Ära. Eva als Ideengeberin und talentierte Drehbuchschreiberin ist mittendrin in den Studios und bei Dreharbeiten bis hin zu den nationalsozialistischen Zeiten. Vor dieser Kino-Kulisse ist das Zwischenmenschliche tonangebend sowohl in den 1920er Jahren als auch später dann in Wiesbaden mit Ariane. Und immer wieder sind diese ominösen Filmrollen Thema. Was hat Margarete damit zu tun? Hat sie damit zu tun? Und warum schweigt sie, wenn die Sprache auf ihre Tochter Vera kommt? Die spannende Story gibt lange nichts preis, erst spät verbinden sich die losen Fäden. Und auch wenn die Zusammenhänge lange nicht sichtbar werden, so sind diese Vernetzungen im Nachhinein gut
nachvollziehbar. Auch sind die einzelnen Charaktere gut herausgearbeitet. Ein Fiesling, der sprichwörtliche Wolf im Schafspelz, hat es mir besonders angetan. Über ihn habe ich mich echauffiert, habe ihn zunächst geschätzt, ihn dann verdammt, ihn aufs Schärfste verurteilt. Ich habe nicht nur ihn als sehr authentisch empfunden – genau so, wie es sein soll.

Die „Träume aus Licht“ haben mich gut unterhalten, vom Kino selber hätte ich mir etwas mehr erhofft, der Entwicklungsprozess rund um die Stummfilme war aber schon vorhanden, übertönt von all den menschlichen Dramen. Lediglich das Ende war mir zu klischeehaft, fast schon unwirklich. Alles in allem jedoch ist Isabel Roderick ein kurzweiliger, ja spannender Roman gelungen, den ich gerne weiterempfehle.

  • Einzelne Kategorien
  • Handlung
  • Erzählstil
  • Charaktere
  • Cover
  • Atmosphäre
Veröffentlicht am 05.11.2023

Ein Klassiker in edlem Design und düster-schaurigen Illustrationen

Biblioteca Obscura: Frankenstein
1

Frankenstein erschafft ein Monster. Unabsichtlich. Aber ungeschehen kann er es nicht machen. Die Geschichte, die einst Mary Shelley im zarten Alter von neunzehn Jahren ersann, ist bekannt. Sollte dies ...

Frankenstein erschafft ein Monster. Unabsichtlich. Aber ungeschehen kann er es nicht machen. Die Geschichte, die einst Mary Shelley im zarten Alter von neunzehn Jahren ersann, ist bekannt. Sollte dies nicht so sein, so ist dieses Buch, diese Schmuckausgabe – illustriert von Marcin Minor – ein guter Grund, dieses Werk kennenzulernen und für diejenigen, die „Frankenstein“ kennen, werden schon alleine die Illustrationen ein Anreiz sein, es neu zu entdecken.

Frei nach Goethe und seinem Zauberlehrling konnte Frankenstein „den Dämon, den er erschuf“ nicht mehr loswerden. Er war nicht mehr in der Lage, diesem von ihm erschaffenen Wesen Herr zu werden.

Vor langer Zeit habe ich Mary Shelleys Werk gelesen und nun war der richtige Zeitpunkt, es wiederzutun. „Was darf der Mensch“ fragt Dr. Sandra Miehling, die für die Neubearbeitung zeichnet und Marcin Minor erzählt im Nachwort, wie er den Roman in Vorbereitung zu seinen Illustrationen empfunden hat.

„BIBLIOTECA OBSCURA vereint die schönsten Schauergeschichten in eleganten, bibliophilen Schmuckausgaben voller düsterer Versuchung, Horror und Mystik.“ Schon der erste Blick auf das Buch begeistert mich. Das Zusammenspiel von Haptik und Optik ist bestens gelungen und dann das erste Hineinblättern - es nimmt mich vollends gefangen. Das edle Design, dazu die düsteren, teils gespenstisch anmutenden Illustrationen in Grau, Schwarz und Weiß oder in Rot gehalten bilden ein harmonisches Ganzes. Das Lesen und dazu Marcin Minors Bebilderungen sind ein Hochgenuss – hätte sich da nicht ein Fehler eingeschlichen, der in einer Schmuckausgabe einfach nicht sein darf.

Ich hatte die Seite 224 gelesen und folglich wäre als Nächstes die Seite 225 dran. Aber nicht da! Mitten im Satz ist die Story aus dem Zusammenhang gerissen, denn was ich hier lese, ist der Anfang von Seite 241. Nach anfänglicher Verwirrung sehe ich, dass die Seiten falsch gebunden sind. Normalerweise habe ich beim Lesen die Seitenzahl nicht präsent, es ist schlichtweg nicht erforderlich und dem Lesefluss auch abträglich. Aber nun, da ich mir den Anschluss nach den vorgeschobenen acht beidseitig bedruckten Blättern suchen musste und den letztendlich auch gefunden habe, gilt nach dem Umblättern mein erster Blick der Seitenzahl. Gut, Frankensteins Geschichte konnte ich weiterlesen, ärgerlich war es trotzdem.

Die Schmuckausgabe von „Frankenstein“ wäre auch das perfekte Geschenk für jeden, der Bücher schätzt, der in ihnen mehr als Lesestoff sieht. Nicht so schön wäre es, wenn der Beschenkte meint, es mit einem Mängelexemplar zu tun zu haben, sollte dieser eines dieser fehlerhaften Exemplare in Händen halten. Trotzdem ist dieses exquisit gestaltete Buch ein Blickfang, es ziert mein Bücherregal und – wäre da nicht dieser unerfreuliche Fehler beim Binden des Buches passiert – wären es zweifelsfrei 5 euphorische Sterne gewesen. Und doch hat es mir diese exzellente Schmuckausgabe angetan, ich liebäugle mit einem weiteren Band von Biblioteca Obscura.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere