Profilbild von Magnolia

Magnolia

Lesejury Star
online

Magnolia ist Mitglied der Lesejury

Melde dich in der Lesejury an, um dich mit Magnolia über deine Lieblingsbücher auszutauschen.

Anmelden

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 19.04.2024

Ganz schön nervenaufreibend

Das Flüstern des Totenwaldes (Thriller)
0

Im Wald können so manche Gefahren lauern. Je undurchdringlicher und unübersichtlicher, desto eher verliert man die Orientierung.

Wie jedes Jahr treffen sie sich für einige Tage, um gemeinsam zu wandern ...

Im Wald können so manche Gefahren lauern. Je undurchdringlicher und unübersichtlicher, desto eher verliert man die Orientierung.

Wie jedes Jahr treffen sie sich für einige Tage, um gemeinsam zu wandern - diesmal soll es eine ganz besondere Gegend sein. Der Grünländer Forst ist eher abgeschieden und nicht von Wandergruppen überrannt. Genau das Richtige, ein Geheimtipp sozusagen, der Ruf des eher Mystischen eilt dem Forst voraus. Drei Frauen und drei Männer machen sich auf den Weg – einer davon ist Boris, ein Kollege der beiden Ermittler Henning und Lena.

Derweilen liegt auf Lenas Schreibtisch eine Vermisstenanzeige. Die siebenunddreißigjährige Susanne Scherer ist seit gestern Mittag abgängig. Auch wenn es noch zu früh für eine konkrete Suche ist, so machen sich Lena und Henning doch auf den Weg zu Susannes Lebensgefährten und treffen auf einen ziemlich ruppigen, sorglosen Typen, der – wie sich bald herausstellt – sich so gar nicht im Griff hat. Gewalt scheint für ihn ein probates Mittel nicht nur in der Partnerschaft zu sein.

Kurz darauf wird eine weibliche Leiche gefunden, übelst zugerichtet, der dick aufgetragene Lippenstift verwandelt ihr Gesicht in eine Clownmaske.

Schon allein der Titel von Gunnar Schwarz neuestem Thriller lässt mich mit einem mulmigen Gefühl zurück. „Das Flüstern des Totenwaldes“ ist wahrlich nichts für Zartbesaitete. Man spürt diese lauernde Gefahr, ein mehr als ungutes Gefühl macht sich breit. Die beiden Ermittler wissen, dass die Zeit drängt. Sie kennen und schätzen sich, sie arbeiten gut zusammen, ihre akribische Kleinarbeit führt sie schon zielsicher weiter, es sind aber doch viel zu viele lose Versatzstücke. Sie stoßen dabei auch auf einen zwanzig Jahre zurückliegenden, ungeklärten Fall, der – so scheint es – mit ihren jetzigen Ermittlungen zu tun haben könnte. Zu der ersten Toten kommen weitere hinzu…

Das Lesen war spannend und ganz schön nervenaufreibend von der ersten bis zur letzten Seite – ich habe diesen Thriller am Stück konsumiert, weglegen wäre keine Option gewesen. Neben Lena und Hennings Ermittlungsarbeit greift auch das Grauen in der Wandergruppe um sich, zwischendurch bekomme ich die Stimme der Täterperson schon auch mit, wenngleich ich hierfür mehrere in Verdacht habe. Denn der Autor hat einige finstere Gestalten angeboten, jedem hätte ich diese Grausamkeiten zugetraut. Was letztendlich alles zutage gefördert wird, hat mich schier atemlos bis zum bitteren Ende weiterlesen lassen. Gunnar Schwarz hat mir wiederum spannende Lesestunden beschert, ich freue mich schon auf seinen nächsten Thriller.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 18.04.2024

Grandioser Abschluss

Schneeweißchen stirbt
0

„Ich bin der Erzähler! Und ihr hört und seht heute die Märchen der Brüder Grimm, wie ihr sie noch nie erlebt habt…“

Die Grimm-Thriller-Trilogie hat mit „Schneeweißchen stirbt“ ihr Ende erreicht. Nora ...

„Ich bin der Erzähler! Und ihr hört und seht heute die Märchen der Brüder Grimm, wie ihr sie noch nie erlebt habt…“

Die Grimm-Thriller-Trilogie hat mit „Schneeweißchen stirbt“ ihr Ende erreicht. Nora Rothmann, die Sonderermittlerin des LKA Berlin, war von Anfang an dabei. Auch dieser dritte Band bietet wie die beiden Vorgängerbände eine in sich abgeschlossene Geschichte. Das große Ganze, die Story an sich, zieht sich jedoch über alle drei Bände. Denn erst am Ende wird klar, wie alles zusammenhängt, was es mit diesen ominösen Grimm-Akten auf sich hat. Es sei also dringend angeraten, mit „Rotkäppchen lügt“ zu beginnen und sich über „Vöglein schweigt“ hin zu diesem finalen Abschlussband durchzulesen. Jedes dieser Bücher hat ein Märchen im Hintergrund, das aufs Grausamste neu interpretiert und erbarmungslos durchgezogen wird.

„Eins muss man dem Täter lassen… Er ist auf eine grausame Art ziemlich einfallsreich.“

Grimms „Schneeweißchen und Rosenrot“ blitzt hier immer wieder durch, neben Nora hat auch ihre Freundin aus Kindertagen ihren Auftritt. Ab Band eins ist Nora auf der Suche nach demjenigen, der ihre Familie ausgelöscht hat und nicht nur das, es geschehen weitere Morde, die Opfer werden aufs Brutalste misshandelt und schließlich getötet. Man braucht schon starke Nerven, um all dies auszuhalten. Warum Schneeweißchen sterben muss, wird dem zu Ende klar. Die Offenbarung dessen, was es denn mit all diesen Barbareien auf sich hat, hat mich kalt erwischt. Nie und nimmer hätte ich diesen grandios erdachten Schluss erwartet.

Und nicht nur der Schluss ist grandios, die Grimm-Trilogie ist durchweg spannend. Ein kurzweiliges, gruseliges und absolut fesselndes Lesehighlight. Genau richtig für jeden Thriller-Fan.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 17.04.2024

Buon appetito

Die Spaghetti-vongole-Tagebücher
0

Alles ist eingekauft, der Tisch festlich gedeckt und wo sind sie alle? In der Küche natürlich, wo sonst. Das Geburtstagskind steht am Herd, die Gäste drumherum. Sie genießen das Essen, plaudern, sind gut ...

Alles ist eingekauft, der Tisch festlich gedeckt und wo sind sie alle? In der Küche natürlich, wo sonst. Das Geburtstagskind steht am Herd, die Gäste drumherum. Sie genießen das Essen, plaudern, sind gut gelaunt – Familie eben. Aber von Anfang an.

Zunächst fällt das so einladend gestaltete Cover ins Auge, das Hineinblättern in diese 200 Seiten voller Anekdoten und Köstlichkeiten steht diesem ersten Eindruck ins nichts nach. Gegliedert ist das Buch in drei Teile, wobei die Vorbereitungen (logischerweise) den größten Anteil haben. So etliche Seiten im Inneren des Buches sind in kräftigem Orange gehalten. Diese bergen so einiges, etwa kleine Geschichten am Wegesrand, auch wird so manche Aussage des soeben gelesenen Textes extra nochmal hervorgehoben. Dies sind charmante, auflockernde Eyecatcher.

Nachdem Maiwald seine Leser begrüßt hat, sind wir schon mittendrin in den Vorbereitungen. Teil I zeigt im zweiseitigen Vorblatt seine Reiseroute von Conegliano mit etlichen Zwischenstationen bis nach Grado. Ein edler Prosecco sollte es schon sein, diesen gibt es etwa 40 km von Venedig entfernt, in Conegliano beim Winzer Roccat. Die Beschreibung dieses mit dem Qualitätssiegel DOCG ausgestatteten Tropfens liest sich schon mal so, als ob man diesen erstklassigen Prosecco unbedingt und sofort genießen möchte. Der Autor jedenfalls hat drei Kisten davon im Auto. Weiter geht es nach Venedig, hier treffen wir auf Walter und den wahren Bellini, auf Gewürze am Wegesrand und auf noch so einiges mehr.

Ich lese von Bekanntem und Unbekanntem. Als Italien-Fan schlechthin schwelge ich in Erinnerungen, lese von all den Köstlichkeiten, mache mir gedanklich Notizen und habe so manchen Duft direkt in der Nase. Die perfekten Spaghetti vongole stehen bei mir demnächst auf dem Speiseplan und nicht nur dieses Gericht ist gut nachzukochen. Von den Cicchetti etwa, diesen kleinen, auf einer Scheibe Brot angerichteten Köstlichkeiten, die für jeden Geschmack etwas bereit halten, muss ich demnächst unbedingt probieren.

Neben dem Kulinarischen sind es auch die witzig-spritzigen Geschichten und Geschichtchen etwa über die Lieblingsnudeln berühmter Italienerinnen und Italiener. Interessant finde ich auch die Wegesrand-Notiz über die Vongole. Es gäbe noch so vieles mehr zu berichten, hier aber ist es weitaus schöner, sich selber in diese „Spaghetti-vongole-Tagebücher“ einzulesen. Es ist eine abwechslungsreiche und sehr anregende Feinschmeckerreise durch ein auch landschaftlich wunderschönes Italien, an deren Ende eine Familienfeier steht. „Ein Mann, ein Plan, eine Reise, ein gemeinsames Essen – eine famiglia.“ Buon appetito.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 15.04.2024

Eindrucksvoll erzählt

Der Wind kennt meinen Namen
0

Die Nachrichten und die herzzerreißenden Bilder von Flüchtlingskindern, die in den USA von ihren Eltern getrennt werden, sind noch sehr präsent. Dieser Thematik hat sich Isabel Allende in ihrem neuesten ...

Die Nachrichten und die herzzerreißenden Bilder von Flüchtlingskindern, die in den USA von ihren Eltern getrennt werden, sind noch sehr präsent. Dieser Thematik hat sich Isabel Allende in ihrem neuesten Roman „Der Wind kennt meinen Namen“ angenommen. Stellvertretend für die vielen Einzelschicksale erzählt sie von der siebenjährigen Anita Díaz, die mit ihrer Mutter von El Salvador in die USA flieht. An der Grenze wird sie von ihrer Mutter getrennt und in ein Lager gesteckt. Alles, was ihr bleibt, sind eine Stoffpuppe und ihre ganz eigene Fantasiewelt Azabahar - ein sehr weit entfernter Stern, ihr Zufluchtsort.

Isabel Allende prangert die Grenzpolitik der USA an, sogar Babys werden den Müttern entrissen, eine spätere Familienzusammenführung scheitert oftmals. Zurück bleiben traumatisierte Kinder und verzweifelte Eltern. Aber nicht nur hier, an allen Ecken und Enden drängt sich vermehrt der Eindruck auf, dass die Welt mehr und mehr aus den Fugen gerät. Die Nazizeit ist ein weiteres Beispiel, wie eiskalt mit denen umgesprungen wird, die auf Hilfe hoffen, die lediglich leben wollen.

Der Roman beginnt in Wien im Jahre 1938. Die Zeit ist eine ganz andere und doch ist es auch hier ein Kind - der sechsjährige Jude Samuel Adler – dessen Schicksal durch die Nationalsozialisten eine traurige Wendung nimmt. Sein Vater verschwindet spurlos nach der Pogromnacht, seine Mutter schickt ihn mit einem Kindertransport nach England. Er wird durch etliche Familien gereicht und landet in einem Heim. Halt geben ihm schließlich das Ehepaar Evans und seine Musik. Nach Kriegsende, als Zwölfjähriger, hofft er auf ein Wiedersehen mit seinen jüdischen Eltern.

Und dann gibt es in all dem Elend auch die anderen, diejenigen, die ganz uneigennützig helfen. Die Sozialarbeiterin Selena ist eine davon und sie findet in einem Anwalt Unterstützung für ihr Projekt „Magnolia“. Sie setzen sich dafür ein, dass Anita in den USA bleiben kann und machen sich auf die Suche nach ihrer Mutter.

Anhand der Kinderschicksale bekommt man einen Einblick in die verzweifelten Familien. Immer wieder verschwinden Menschen, die Kriminalität in Mexiko etwa wird durch gewalttätige Banden verschärft, nicht nur die Berichte um das Massaker von El Mozote gingen um die Welt.

Einmal mehr bin ich von Isabel Allende und ihren so eindringlich erzählten Geschichten, die stets auf wahren Begebenheiten beruhen, überwältigt. Flucht und die damit einhergehende Hoffnungslosigkeit, verbunden mit einem lebenslangen Trauma, ist Thema. Und doch gibt es ein Leben danach, geprägt von Hoffnung, Freundschaft und Liebe. Die Charaktere hier sind allesamt überzeugend und lebensnah gezeichnet, wobei mir die kleine Anita, gefolgt vom jungen Samuel, besonders nahe waren. Aber nicht nur sie, auch Selena mit ihrer uneigennützigen Hilfsbereitschaft gibt Anlass, den Glauben an das Gute nicht zu verlieren. Allendes Erzählton ist stets leise und kommt doch gewaltig daher, ihr neuestes Werk bleibt im Gedächtnis, die Thematik um die Flüchtlingspolitik ist leider zu präsent. „Der Wind kennt meinen Namen“ ist ein Buch, das gelesen werden will, gelesen werden soll.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 13.04.2024

Friedrich Fröbel und die frühkindliche Förderung

Die Zeit der Kinder
0

Der Kindergarten ist heute eine Selbstverständlichkeit, die frühkindliche Förderung gilt als Grundstein eines frei denkenden, selbständigen und verantwortungsvollen Menschen. Der Begriff „Kindergarten“ ...

Der Kindergarten ist heute eine Selbstverständlichkeit, die frühkindliche Förderung gilt als Grundstein eines frei denkenden, selbständigen und verantwortungsvollen Menschen. Der Begriff „Kindergarten“ ist in vielen Ländern nicht in die Landessprache übersetzt, er ist unverändert übernommen worden.

„Die Zeit der Kinder“ widmet sich der Fröbelpädagogik mit dem Ziel, jedem Kind eine allumfassende Bildung zu gewährleisten und es optimal in seiner Entwicklung zu fördern. Fröbels Anfänge, seine Spielgaben - wie er die von ihm entwickelten und aus verschiedenen Materialien hergestellten Kugeln, Walzen, Würfel und noch so einiges mehr genannt hat - waren zum spielerischen Lernen ideal. Damit konnten die Kinder ihrer Fantasie und ihrem Schöpfungsgeist freien Lauf lassen. Kinder sollten spielerisch ihre Welt begreifen und diese für sich entdecken. Ein ganzheitlicher Ansatz, der alles um sich herum beinhaltet. Dieser Gedanke des Kindergartens unterscheidet sich in Gänze von den damals üblichen Bewahranstalten, die Kinder bei der geringsten Verfehlung aufs Schärfste bestraften. Im 19. Jahrhundert war man überzeugt, dass man von Kindern nichts hören und nichts sehen sollte.

Es sind mehrere Erzählstränge, einer davon handelt von Luise Levin, die im Hause ihres Schwagers mit ansehen muss, wie ihre Neffen geschlagen werden. Als sie von Friedrich Fröbel und seinen freien Erziehungsmethoden erfährt, bewirbt sie sich als Haushälterin. Auch Mariekes Weg verfolge ich gespannt, sie ist im Hamburger Gängeviertel zuhause und verdingt sich in einer von Ordensschwestern geführten Bewahranstalt. Hier herrscht das Prinzip von Zucht und Ordnung, die hier verwahrten Kinder haben nicht aufzumucken, die Peitsche gehört zum Alltag. Zwischendurch erfahre ich vom kleinen Friedrich, der seinem gestrengen Vater und der Stiefmutter, die ihn schon mal einen Teufelsbraten nennt, alles recht machen will und doch eher gehasst denn gemocht wird. Er ist es, der später dann das pädagogische Konzept des Kindergartens entwickelt.

Lena Riess hat sich dieser Thematik angenommen, sie hat die damalige Zeit um die Kindererziehung gut umrissen, sie hat die Denkweise anno dazumal anschaulich dargeboten. Den überwiegend historischen hat sie einige fiktive Personen dazugesellt, wie etwa Mareike. Durch sie habe ich einen tiefen Einblick in diese damals durchaus üblichen Bewahranstalten erhalten, deren Kinderbild und die daraus resultierende Züchtigung aus heutiger Sicht regelrecht grausam und so gar nicht nachvollziehbar scheint. Friedrich Fröbel war einer der Vorreiter der modernen Kinderförderung und mit ihm auch Luise. Sie hatten immer wieder mit Widerständen bis hin zum Verbot zu kämpfen und auch wenn ihr Engagement manches Mal aussichtslos schien, so war jeder Strohhalm, an den sie sich klammern konnten, mitunter hilfreich. Auf unterhaltsame Weise hat die Autorin historisch belegte Fakten mit Fiktivem angereichert. Man spürt ihren unermüdlichen Einsatz für ihre Sache, es ist ein eindrucksvolles, gut lesbares und sehr informatives Bild rund um die Entstehung des Kindergartens entstanden.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere