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Veröffentlicht am 04.12.2021

Historie - gekonnt verpackt

Gold und Ehre
6

In Amsterdam des Jahres 1650 begegnen wir Benjamin Aard, der einen Beinaheabsturz riskiert, als er zu nachtschlafender Zeit in luftiger Höhe am Stadtwall seine Studien betreibt. Stets neugierig will der ...

In Amsterdam des Jahres 1650 begegnen wir Benjamin Aard, der einen Beinaheabsturz riskiert, als er zu nachtschlafender Zeit in luftiger Höhe am Stadtwall seine Studien betreibt. Stets neugierig will der talentierte junge Architekt den Dingen auf den Grund gehen und mit dabei ist sein Freund und Cousin Theo, dessen ganze Leidenschaft der ärztlichen Kunst gilt. Sie erlauschen, dass die Stadt in Gefahr ist - Prinz Wilhelm von Oranien lässt 12000 Mann gen Amsterdam ziehen. Dieses Wissen können sie natürlich nicht für sich behalten, bei ihrem überstürzten Aufbruch vergisst Benjamin die Öl-Uhr und gerät kurz darauf in Verdacht, für den Brand der Mühle am Stadtwall verantwortlich zu sein. Michiel, sein Vater, schickt ihn daraufhin nach Hamburg. Dort begegnet ihm Lucia, die für das karge Auskommen ihrer Familie sorgen muss.

„Gold und Ehre“ von Sabine Weiß ist der Nachfolgeband von „Krone der Welt“ und gewährt neben dem geschichtlichen Hintergrund tiefe Einblicke in das damalige gutbürgerliche Leben. Nach den Befreiungskriegen spaltete sich das Land in die katholisch geprägten Spanischen Niederlande im Süden und die reformierte Republik der sieben Provinzen im Norden auf. Das Schicksal der fiktiven Personen verknüpft die Autorin mit dem Leben und Wirken der historischen Persönlichkeiten wie das des Politikers Johan de Witt, des Architekten Jacob van Campen oder Christina, der Königin von Schweden, um nur einige zu nennen.

Geschichtsunterricht, gut verpackt im Leben der so unterschiedlichen Charaktere, weckt ganz viel Neugier auf mehr. Mit Theo, dessen Lebenstraum auf Druck seines Vaters ihn über die Meere führt, begegnen wir der grausamen Wirklichkeit des Sklavenhandels und landen in der neuen Welt, in Nieuw Amsterdam, heute als New York wohlbekannt.

Während Benjamin versucht, in Hamburg Fuß zu fassen, wird der Michel gebaut - in nur 25 Jahren ist der erste Bau dieses Wahrzeichens der Stadt fertiggestellt. In seinen Hamburger Jahren reift er zum Mann, begegnet in Lucia einer Frau, die ihn mit allen Sinnen fesselt. Hier nimmt Sabine Weiß ihre Leser mit in die aus heutiger Sicht unzumutbaren gesellschaftlichen Normen und Regeln, der sich eine Frau, noch dazu alleinstehend, zu unterwerfen hatte. Auch das enge Familienkorsett, in dem Benjamins Vater Michiel ein strenges, unerbittliches Regiment führt, er von seinen Söhnen auch in späteren Jahren Gehorsam einfordert, zeichnet ein Bild der Gesellschaft des 17. Jahrhunderts.

Samuel ist eher derjenige, dessen Existenz sich speist aus dem unbedingten Willen, in der Welt der Adeligen aufgenommen zu werden, er sich mit seinem Geld die Gunst des englischen König Charles erkaufen will. Um Benjamin, Theo und Samuel rankt sich der fiktive Teil, der mit den gut recherchierten historischen Daten ein harmonisches Ganzes bildet.

Gut gefällt mir auch neben dem stilvollen Cover der Stadtplan von Hamburg um 1650 sowie das Verzeichnis der wichtigsten Personen, was für mich anfangs immer enorm nützlich ist. Später dann kenne ich sie alle, kann sie und ihre Charaktereigenschaften gut einschätzen. Und im Glossar werden viele Begriffe nochmal dargestellt, einiges erklärt sich von selbst, aber bei weitem nicht alles.

Amsterdam erleben wir hier in seiner Blütezeit, während Hamburg eher provinziell war - ein spannendes Stück Zeitgeschichte, anhand der fiktiven Personen anschaulich dargestellt und geschickt verwoben mit dem historischen Hintergrund.

Schon „Krone der Welt“ hat mich ganz tief hineingezogen in die damalige Zeit. In „Gold und Ehre“ begegnete ich der Architektenfamilie Aard wieder, Sabine Weiß hat eine Generation übersprungen, die historischen Fakten mit ihren erdachten Figuren mit dem Alltagsleben anno dazumal vermengt und einen unterhaltsamen Roman aufgelegt, der in allen Belangen überzeugt.

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  • Geschichte
Veröffentlicht am 30.11.2021

Ein Schneedrama der tödlichen Art

Das Chalet
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Erin und Danny, die Gastgeber im Chalet, warten auf ihre illustren Gäste. Neun Personen sind gemeldet, die Firmengründer eines IT-Unternehmens und ihre Mitarbeiter wollen einige Tage hier oben in diesem ...

Erin und Danny, die Gastgeber im Chalet, warten auf ihre illustren Gäste. Neun Personen sind gemeldet, die Firmengründer eines IT-Unternehmens und ihre Mitarbeiter wollen einige Tage hier oben in diesem luxuriösen Chalet verbringen. Arbeiten und Skifahren, sich verwöhnen lassen inmitten der herrlichen Landschaft, das ist ihr Plan. Gleich mal ist die Verwirrung groß, es ist eine Person mehr zugegen, sie haben Liz vergessen! Natürlich wird dieses Problem gelöst, der Spaß kann beginnen.

Anfangs zieht sich alles in die Länge. Jeder wird charakterisiert, zunächst auf die hippe, junge Art. Genau so wie Snoop, das stylische Start-up sich darstellt. Ich beschließe, dieses Vorgeplänkel zugunsten der Story, die sich dann langsam entwickelt, zu ignorieren. Wenn man erst mal ein Gespür für sie alle entwickelt hat, sie einigermaßen einschätzen kann, nimmt diese Geschichte Fahrt auf.

Aus der Sicht von Erin und Liz erfährt der Leser so einiges. Zwei Normalos inmitten der verwöhnten Meute, so hat es den Anschein. Sie sind alle abgehoben, wähnen sich in anderen Sphären. Geben sich arrogant, sind snobistisch, anmaßend und blasiert, sind die Überflieger schlechthin. Doch so nach und nach wird so manches Geheimnis gelüftet, eine unheilvolle Atmosphäre macht sich breit, nachdem eine Lawine sie alle von der Außenwelt abgeschnitten hat. Es werden die Dämonen sichtbar, erst wird eine Person vermisst, dann gibt es Tote.

"Das Chalet" beginnt zäh, steigert sich aber dann gewaltig. Ist man erst angekommen, kann man sich dem nicht mehr entziehen. Ruth Ware greift sich ihre Leser regelrecht, man entkommt ihr nicht. Nur schade um den so langatmigen Anfang. Einige Passagen waren dann doch schnell durchschaubar, anderes dagegen so gar nicht greifbar. Ein Thriller inmitten eines Schneedramas, der spannend und mysteriös daherkommt. Keinem ist zu trauen, jeder wird kritisch beäugt, das Misstrauen ist mit Händen greifbar.

Fesselnd und furchteinflößend bis zum Schluss, genial inszeniert. Hat man sich erst eingelesen, die Akteure kennengelernt, gibt es kein Halten mehr. „Das Chalet“ will gelesen werden. Unbedingt.

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Veröffentlicht am 30.11.2021

Poetisch und doch sperrig

Greta und Jannis
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Die Winter und die Sommer nach der Apfelernte, auch Frühling und Herbst danach oder vor acht Jahren – davon schreibt Sarah Kuratle, von „Greta und Jannis“ und von den anderen. Ins allerletzte Dorf zieht ...

Die Winter und die Sommer nach der Apfelernte, auch Frühling und Herbst danach oder vor acht Jahren – davon schreibt Sarah Kuratle, von „Greta und Jannis“ und von den anderen. Ins allerletzte Dorf zieht Greta, nachdem ein lange gehütetes Familiengeheimnis sie daran hindert, mit Jannis zusammenzusein.

Der rote Hartriegel, die Früchte davon, passen in ihr Leben, zu dem abgelegenen Hof, der den vielen Kindern und auch Greta Heimat geworden ist. Zweige dieses widerstandsfähigen Strauches schmückt das zarte Cover.

Man muss in der richtigen Stimmung sein für das Buch. Ein sehr poetischer Schreibstil, manchmal sehr holprig, geradezu sperrig und zäh, uneinnehmbar. Wie wenn man vor verschlossenen Türen steht, einen unüberwindbaren Fels, ja einen Berg erklimmen muss.

Ich habe angefangen und dann dachte ich nein, das geht nicht, es weggelegt und wieder zur Hand genommen. Sehr viel drüber nachgedacht, den Klappentext gelesen und dem Ganzen nochmal eine Chance gegeben. Sich einlesen und sich einlassen auf diese ganz eigene Art sollte man und erst dann kann man, konnte ich das Buch genießen. Ich brauchte dafür Mußestunden, musste mich wegbeamen und in die Welt von Greta und Jannis eintauchen, zu ihnen hinübergehen.

Man mag das Buch oder man mag es nicht, es gibt nichts dazwischen. Es sind schon sperrige Sätze, die einen nachdenken lassen, die einen fordern. Die Charaktere leben in ihrer eigenen Welt, so richtig konnte ich zu ihnen nicht vordringen, ich war eher Beobachter denn mittendrin.

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Veröffentlicht am 28.11.2021

Enttäuschend

Die Schönheit des Himmels
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Ein persönliches Buch – so wird es beworben. Und genau das sollte es bleiben. Persönlich, nicht für die Öffentlichkeit bestimmt. Was, so frage ich mich, will die Autorin ihren Lesern sagen?

„Es gibt ...

Ein persönliches Buch – so wird es beworben. Und genau das sollte es bleiben. Persönlich, nicht für die Öffentlichkeit bestimmt. Was, so frage ich mich, will die Autorin ihren Lesern sagen?

„Es gibt nichts Schöneres, als sie „meine Mutter“ zu nennen. Niemand außer mir darf das.“ In diesem schmalen Buch erzählt sie nicht die Geschichte ihrer berühmten Mutter, sie dient lediglich als Aufhänger, als Rechtfertigung für ihre Worte, die sie, die Tochter von Romy Schneider, an ihre zweieinhalbjährige Tochter richtet.

Im Radio habe ich eine Buchbesprechung gehört, Sarah Biasini hat ihre „Schönheit des Himmels“ auf allen Kanälen beworben. Dieses Buch muss ich lesen, unbedingt. Und nun - endlich mein! Gespannt schlage ich es auf und lese eine emotionslose Aneinanderreihung aller Ereignisse, die für sie wichtig waren. Die sie mit der Entstehungsgeschichte ihrer Tochter verbindet.

Erinnerungsfetzen, unausgegoren, schnell aufs Papier geworfen. Man muss nicht jeden Gedanken in einem Buch verewigt sehen, um dieses dann schnell auf den Markt zu werfen. Für mich eines der schlechtesten Bücher überhaupt. Ich mag Sarah Biasini, ihre zurückgenommene Art. Aber ihr Buch mag ich nicht, so leid es mir tut.

Das Cover ist wundervoll, hier stimmt einfach alles. Auch der Klappentext lädt ein, ein klein wenig in ihre Seele zu schauen. Nur so viel, wie sie ihren Lesern verraten will, alles andere bleibt diskret im Verborgenen.

„Romy Schneiders Tochter erzählt: poetische und intime Einblicke in ihr Leben abseits der Öffentlichkeit.“ Und genau da sollten diese weder poetischen noch intimen Einblicke bleiben – abseits der Öffentlichkeit.

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Veröffentlicht am 25.11.2021

Kleine und große Geheimnisse - ein spannendes Hörbuch

Rue de Paradis
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In der Rue de Paradis lässt es sich wohnen, es ist ein idyllisches Plätzchen auf der Halbinsel Cap Ferret. Bei einer Sturmflut werden nicht nur Häuser zerstört, auch eine Frau kommt inmitten der Wassermassen ...

In der Rue de Paradis lässt es sich wohnen, es ist ein idyllisches Plätzchen auf der Halbinsel Cap Ferret. Bei einer Sturmflut werden nicht nur Häuser zerstört, auch eine Frau kommt inmitten der Wassermassen um. Es stellt sich heraus, dass die Rue de Paradis nie hätte bebaut werden dürfen. Zu nah am Bassin, lediglich das Haus des Bürgermeisters hoch oben liegt außerhalb der Gefahrenzone. Umgesiedelt müssen sie werden – es regt sich Widerstand. Als es sechs Monate später erneut zu einer noch verheerenderen Flut kommt, wird der Bürgermeister tot aufgefunden. Luc Verlain wird hinzugezogen, ein für ihn denkbar ungünstiger Zeitpunkt, seine Tochter kann jeden Moment zur Welt kommen.

Die Art, wie Alexander Oetker seine Leser an den Fall heranführt, gefällt mir ausgesprochen gut. So hat man die Örtlichkeiten und die Akteure direkt vor Augen, möchte nur zu gerne die Köstlichkeiten der Gegend genießen. Luc ist mir mittlerweile sehr vertraut, ich folge ihm und Anouk, seiner Lebensgefährtin, schon ab Band 1 und werde ihm weiterhin treu bleiben.

Lucs unaufdringliche und immer durchdachte Handlungsweise mag ich sehr gerne. Er kennt diesen Menschenschlag, kann mit ihnen umgehen. Hier findet man keine reißerischen Szenen, aber doch genug Lügen und Geheimnisse, Hinterhältigkeit und Bosheit. Sie geben sich rechtschaffen, als ob sie kein Wässerchen trüben könnten. Und doch hat jeder hat seine dunklen Seiten, die dank Lucs Spürsinn ans Licht kommen.

Ein spannender fünfter Band um Luc Verlain. Alles beginnt gemächlich, steigert sich, wirft viele Fragen auf und endet ganz unverhofft. Wiederum ein spannender Kriminalfall, der auch gelesen werden kann, ohne die Vorgängerbände zu kennen. Aber warum sollte man sich um den Lesegenuss bringen? Diesen fünften Fall habe ich mir als Hörerlebnis gegönnt, ich kann es sehr empfehlen.

Das ungekürzte Audible Hörbuch ist 7 ½ Stunden Hörgenuss vom Feinsten. Dazu trägt natürlich auch Frank Arnold mit seiner ausdrucksstarken, so wandelbaren Stimme bei. Der perfekte Sprecher, dem ich jede Rolle abnehme, er zieht seine Hörer ganz tief in diesen Kriminalfall. Das Kopfkino ist eingeschaltet, die weiße Gischt weit draußen, die enormen Regenmengen, die Sturmflut trifft auf die Westküste und in meine Vorstellung. Ich bin inmitten der Bewohner, kann ihre Verzweiflung direkt spüren. Kurzum - eine perfekte Lesung.

Wie gesagt - sehr gerne empfehle ich Luc Verlains fünften Fall an der „Rue de Paradis“ weiter.

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