Erinnerungen... Brief an eine vietnamesische Mutter
Auf Erden sind wir kurz grandios* Ma. Du hast mir einmal gesagt, dass Erinnerung eine Entscheidung ist. Aber wenn du Gott wärst, wüsstest du, es ist eine Flut.
Ein Sohn schreibt einen Brief an seine Mutter, die ihn nie lesen wird, ...
* Ma. Du hast mir einmal gesagt, dass Erinnerung eine Entscheidung ist. Aber wenn du Gott wärst, wüsstest du, es ist eine Flut.
Ein Sohn schreibt einen Brief an seine Mutter, die ihn nie lesen wird, weil sie nicht lesen kann.
In kurzen Kapiteln erzählt er von seiner Kindheit und Jugend, seiner schizophrenen und durch den Krieg gezeichneten Großmutter Lan, den Misshandlungen seiner Mutter, ihrer Sprachlosigkeit im Heimatfernen Amerika, seiner ersten großen Liebe Trevor, den Drogen....
Dabei geht er nicht chronologisch vor, springt sowohl in Zeiten als auch Orten hin und her und auch manchmal in Personen, wenn es um die Großeltern geht. Das ist ungewöhnlich und vielleicht auch nicht immer lesefreundlich, man sollte sich aber dadurch auf keinen Fall abschrecken lassen.
Ocean Vuong hat eine sehr klare, distanzierte, manchmal leicht melancholische und poetische Sprache, mit der er seine vietnamesische Familiengeschichte erzählt. Grade diese Distanziertheit bewirkt, dass die Sätze oftmals auf den Punkt treffen und nachwirken. Ich weiß nicht, ob du glücklich bist, Ma. Ich habe dich nie gefragt.*
Ja, manchmal hat er mich für einen kurzen Augenblick verloren, wenn ich gerne mehr über Vietnam erfahren hätte und mich plötzlich wieder in einer amerikanischen Scheune mit seiner großen Liebe befand. Aber auch in diesen Momenten hat er mich umgehend wieder gefesselt.
Vuong schreibt schonungslos offen über eine Mutter-Sohn-Beziehung. Knallhart und doch spürt man so viel Liebe und Zärtlichkeit in jeder Zeile. Es ist keine Abrechnung, keine Anklage, sondern eine Reflextion, eine Aufarbeitung.