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Marakkaram

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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 29.10.2019

Erinnerungen... Brief an eine vietnamesische Mutter

Auf Erden sind wir kurz grandios
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* Ma. Du hast mir einmal gesagt, dass Erinnerung eine Entscheidung ist. Aber wenn du Gott wärst, wüsstest du, es ist eine Flut.

Ein Sohn schreibt einen Brief an seine Mutter, die ihn nie lesen wird, ...

* Ma. Du hast mir einmal gesagt, dass Erinnerung eine Entscheidung ist. Aber wenn du Gott wärst, wüsstest du, es ist eine Flut.

Ein Sohn schreibt einen Brief an seine Mutter, die ihn nie lesen wird, weil sie nicht lesen kann.

In kurzen Kapiteln erzählt er von seiner Kindheit und Jugend, seiner schizophrenen und durch den Krieg gezeichneten Großmutter Lan, den Misshandlungen seiner Mutter, ihrer Sprachlosigkeit im Heimatfernen Amerika, seiner ersten großen Liebe Trevor, den Drogen....

Dabei geht er nicht chronologisch vor, springt sowohl in Zeiten als auch Orten hin und her und auch manchmal in Personen, wenn es um die Großeltern geht. Das ist ungewöhnlich und vielleicht auch nicht immer lesefreundlich, man sollte sich aber dadurch auf keinen Fall abschrecken lassen.

Ocean Vuong hat eine sehr klare, distanzierte, manchmal leicht melancholische und poetische Sprache, mit der er seine vietnamesische Familiengeschichte erzählt. Grade diese Distanziertheit bewirkt, dass die Sätze oftmals auf den Punkt treffen und nachwirken.
Ich weiß nicht, ob du glücklich bist, Ma. Ich habe dich nie gefragt.*

Ja, manchmal hat er mich für einen kurzen Augenblick verloren, wenn ich gerne mehr über Vietnam erfahren hätte und mich plötzlich wieder in einer amerikanischen Scheune mit seiner großen Liebe befand. Aber auch in diesen Momenten hat er mich umgehend wieder gefesselt.

Vuong schreibt schonungslos offen über eine Mutter-Sohn-Beziehung. Knallhart und doch spürt man so viel Liebe und Zärtlichkeit in jeder Zeile. Es ist keine Abrechnung, keine Anklage, sondern eine Reflextion, eine Aufarbeitung.

Veröffentlicht am 28.10.2019

wenig Fakten - wenig praxisorientiert

Ernte mich im Winter
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Ich habe mich total auf das Buch gefreut, da mein Balkon im Sommer überquillt, aber im Winter ziemlich brachliegt und ich mich selbst schonmal gefragt habe, in wie weit man nicht noch ausgewähltes Gemüse ...

Ich habe mich total auf das Buch gefreut, da mein Balkon im Sommer überquillt, aber im Winter ziemlich brachliegt und ich mich selbst schonmal gefragt habe, in wie weit man nicht noch ausgewähltes Gemüse in geschützt stehenden Kästen anpflanzen könnte.

Empfehlen kann ich Wolfgang Palme´s Ratgeber da leider nicht.

Das liegt nicht nur an seinem Kalauer-artigen Humor. Er erzählt einfach hautpsächlich über sein Projekt, die City Farm in Österreich. Es gibt viel Chakka-Chakka, einen ausschweifenden Schreibstil und endlose Wiederholungen, ohne je auf den Punkt zu kommen.

Ich finde das Buch wenig praxisorientiert und es überzeugt leider noch weniger als Arbeitshandbuch. Es fehlt die Struktur. Es gibt ein Kapitel, in dem Wintersorten vorgestellt werden, was mir noch am besten gefallen hat, aber auch hier alles recht unstrukturiert. In einem Kästchen werden ein paar Infos zusammengestellt, aber darunter geht es dann mit weiteren Infos einfach in Textform weiter.

Was mir total gefehlt hat - und das erwarte ich einfach von einem Sachbuch - sind klare Fakten. Wenn, dann hieß es nur mal ganz lapidar nebenbei, dass der Nitrat-Gehalt der Pflanze im Winter höher ist, sich das aber durch Vitamin C wieder ausgleicht. Ob der Vitamin C Gehalt evtl. im Winter niedriger sein kann, erfährt man nicht. Auch solche Aussagen wie, der Boden braucht keine Erholung, er liebt Remmi-Demmi, sind mir einfach zu unprofessionell.

Mag sein, dass der Autor eine Menge Fachwissen hat, das will ich ihm gar nicht absprechen, aber vermitteln kann er es nicht. Manchmal fehlte mir sogar der Versuch. Er gleitet immer wieder in sein Projekt ab und wagt sogar den erhobenen Zeigefinger in Sachen ökologischer Fußabdruck, beim winterlichen Gemüseeinkauf im Supermarkt.

Es tut mir leid, aber das war mir ein bisschen zu viel Höhenflüge und zu wenig erdiges Praxiswissen.

Veröffentlicht am 25.10.2019

Obsession, Leidenschaft und Selbstbestimmung

Die Zeit des Lichts
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* "Das Licht ist unser Werkzeug", sagte er. "Der Film ist nur die Oberfläche, um das Licht einzufangen und zu fixieren, aber bevor er nicht entwickelt ist, wird jedes zusätzliche Licht zum Feind." *

Geboren ...

* "Das Licht ist unser Werkzeug", sagte er. "Der Film ist nur die Oberfläche, um das Licht einzufangen und zu fixieren, aber bevor er nicht entwickelt ist, wird jedes zusätzliche Licht zum Feind." *

Geboren 1907 und als Muse ihres Vater, eines Fotografen, aufgewachsen, arbeitet Lee schon früh als Model in Paris. Doch schon bald zieht es sie mehr zur Fotografie und als sie auf einer Party die Bekanntschaft von Man Ray macht, sieht sie ihre Chance gekommen. Erst erkämpft sie sich den Platz als seine Assistentin, später wird sie seine Geliebte. Hier treffen zwei Künstlerseelen aufeinander. Es ist eine obsessive, oftmals eher destruktive Beziehung. Lee ist sexuell unabhängig, intelligent und kreativ, ganz anders als Man`s sonstige Frauen.

Ein beeindruckendes Debut von Whithey Scharer.

In einer sehr klaren, manchmal fast schon distanzierten und dennoch umso bildhafteren Sprache, lässt sie Lee Miller - inzwischen mit ein paar Kilo mehr auf den Hüften und eher leidenschaftliche Köchin und Alkoholikerin, als Journalistin - auf ihr Leben zurückblicken. Ihr Leben mit dem Fotografen Man Ray, die Beziehung zu ihrem Vater und immer wieder in kurzen Kapiteln, Szenen aus ihrer Zeit als Kriegsreporterin.

Mir war weder Lee Miller noch Man Ray ein Begriff, noch bin ich Hobbyfotografin, doch die Autorin schreibt so detailliert und mit einer Leidenschaft, dass mich die Geschichte total gepackt hat. Eine Frau und großartige Künstlerin, die sich ihren Weg in der Männerwelt hart erkämpft und letztendlich an dem Grauen von Dachau und Buchenwald zerbrach.

Whithey Scharer konzentriert sich allerdings vorrangig auf die Zeit mit Man Ray, die Kriegsgreuel hingegen sind sehr akzentuiert und die Kapitel umfassen nur jeweils 1,5 Seiten. Dennoch wird die Gefühlswelt von Lee Miller in jeder Situation sehr deutlich.

Dieser Roman ist jedoch keine Biografie, sondern gehört eher in den Bereich historische Fiktion. Die Autorin fängt das Gefühl der Boheme der 30-iger gekonnt ein und verwendet bekannte Fakten in ihrer Geschichte. Wer sich im Anschluss näher mit Lee Miller und Man Ray beschäftigen möchte, der findet eine Reihe guter Buchtipps im Anhang.

Fazit: Ein fesselnder Roman der Lee Miller als schöne, talentierte, willensstarke aber auch zerbrechliche Frau zeigt. Ein beeindruckendes Debut.

Veröffentlicht am 21.10.2019

Familiärer Weihnachtszauber

Stille Nacht, flauschige Nacht
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* "Ich freu mich schon. Und danke, dass du bereit bist einzuspringen. Patrick kann gar nichts Besseres passieren. Ich bin mir sicher, dass du sein Büro im Handumdrehen im Griff haben wirst." *

Na, ob ...

* "Ich freu mich schon. Und danke, dass du bereit bist einzuspringen. Patrick kann gar nichts Besseres passieren. Ich bin mir sicher, dass du sein Büro im Handumdrehen im Griff haben wirst." *

Na, ob Patrick das auch so sieht? Dem alleinerziehenden Vater bleibt allerdings wohl keine andere Wahl, denn er hat nicht nur einen guten Schreiner, sondern grad auch noch seine Assistentin verloren, während sein Bauunternehmen ohne Ende boomt. Zudem ist er ganz überraschend Papa von 6-jährigen Zwillingen geworden, muss einen Hund erziehen und hat einen Sorgerechtsstreit im Nacken, denn die Schwiegereltern wollen ihm die Kinder wegnehmen. Da hilft wohl nur: Zähne zusammenbeißen und diesen Kontrollfreak Angelique übergangsweise einzustellen. Obwohl sie im letzten Jahr schon arg aneinandergeraten sind, als sie bei einem Besuch meinte sein WLAN-Passwort sicherer machen zu müssen - ohne ihn zu fragen, versteht sich.

Für mich begann Weihnachten dieses Jahr schon Ende September und dagegen war ich völlig machtlos, denn Petra Schier zaubert mit ihrem Roman so eine tolle Atmosphäre, der kann man sich gar nicht entziehen.

"Stille Nacht, flauschige Nacht" ist eine herrlich romantische Geschichte, mit ganz viel Winter-Weihnachtsflair, authentischen Charakteren, Tiefe und einem tollen Humor.

Und für die perfekte weihnachtliche Mischung gibt es ein Wiedersehen mit Santa, seiner Frau und den Elfen, die sich hier und da ein bisschen einmischen. Ganz dezent natürlich. Wer die Autorin bereits kennt, weiß, dass es ihr winterliches Markenzeichen ist und keine Angst, es ist toll und passend eingesetzt - fast schon zu wenig. Genauso wie die niedlichen Gedanken von Mischlingshund Oskar, wenn er mal wieder lautlos die Bude umdekoriert hat.

Die Sternbachs sind eine großartige, quirlige und liebevolle Familie und auch Patrick und die Kids haben eine schöne Art miteinander umzugehen, wenn auch nicht immer ganz konfliktfrei, wie man sich vorstellen kann. Ja, Petra Schier hat einfach ein Händchen für authentische Charaktere, deren Gedankengänge und Handlungen man nachvollziehen kann. Sie haben Ecken und Macken, Ängste und Träume und sind vor allen Dingen unheimlich sympathisch und charmant. Und auch die Romantik kommt nicht zu kurz.

Fazit: Ein weihnachtlich, romantischer Wohlfühlroman, der auf ganzer Linie überzeugt und schon jetzt mein X-mas Highlight ist. Ich wünschte Petra Schier würde jedes Jahr mindestens 2 Weihnachtsromane schreiben....

Veröffentlicht am 21.10.2019

Johanna und die wilden Weiber (4,5 *)

Liebe ist die beste Köchin
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* Wie die Orgelpfeifen saßen sie nebeneinander: Germana - die Herrische, Elisabeth - die Bigotte, Francis - die Fertige, Theresia - die Enttäuschte, Antonia - die Tapfere. Sie waren so unterschiedlich ...

* Wie die Orgelpfeifen saßen sie nebeneinander: Germana - die Herrische, Elisabeth - die Bigotte, Francis - die Fertige, Theresia - die Enttäuschte, Antonia - die Tapfere. Sie waren so unterschiedlich und sich doch so ähnlich. Eigenwillige Frauen mit majestätischen Profilen und Augen wie Kohlestücken. *
Und dann gibt es da noch Johanna, Antonias Tochter und Köchin im alten Gasthaus Lamm. Johanna ist die Ruhige, introvertierte und hat es nicht immer leicht mit ihren Tanten. Vor allem Germana hat eine sehr toughe, laute und extrovertierte Art, gegen die man kaum ankommt. Aber das ist nicht das einzige Problem. Am traditionsreichen Gasthaus nagt der Zahn der Zeit, Männertechnisch liegt auf den Lehner-Frauen ein Fluch und es wird immer schwieriger, die an Demenz erkrankte Antonia im Auge zu behalten. Ist Jo überhaupt glücklich? Doch dann tritt der rätselhafte Jerome in ihr Leben und ihr Herz steht Kopf... und ihr Kopf dem Herzen im Weg...
Die Geschichte der Lehner Frauen ist ein lockerer, spritziger und manchmal leicht überdrehter Familienroman, den man in einem Rutsch verschlingt..
Die Autorin hat einen großartigen Humor, der mich fast durchgehend schmunzeln ließ. Aber nicht nur das, ihr ganzer Schreibstil ist einfach mitreißend, rasant und steckt voller Bilder, wie "Ich nahm einen Schluck und in meinem Magen explodierte ein Öltanker. Das hellgrelle Flammenmeer fuhr durch meine Speiseröhre wie bei dem LKW-Brand im Straßentunnel zwischen Moos und Großdorf im Mai 1996" oder "Wie eine Glaswand fiel der kalte Regen vom Himmel und zerbarst in Scherben und Splitter, als er aufschlug." Das war schon beeindruckend und wurde auch nie zu viel. Man kann fast sagen, der Roman lebt von dieser Sprache und seinem Humor.
Was für mich das ein ums andere Mal ein wenig holperte, war die 38 jährige Johanna. Durch ihre introvertierte Art, kam sie mir oftmals zu kindlich rüber. Dafür war Germana die Unterhaltsame mit ihren Macken und der Art Sprichwörter durcheinander zu bringen. Und am meisten berührt haben mich die Szenen mit Antonia. Das Thema Demenz fließt geschickt in die Geschichte ein und sie hat mich mit ihrer Art und Hilflosigkeit tief ins Herz getroffen. Schon von den Beschreibungen her, hatte man die Schwestern ganz klar (klarer als Johanna) vor Augen und ihre Charakter passten hundertprozentig dazu.
Auch die kleine Liebesgeschichte hat mir gefallen, allerdings dient sie für mich eher dazu Johannas Entwicklung aufzuzeigen, die ganz langsam vonstatten geht.
Es war alles so logisch und dann hat mich die Autorin mit ihrem großartigen, unvorhersehbaren Twist am Ende noch einmal eiskalt erwischt. Das mag vielleicht nicht jedem gefallen, aber da es nur den Epilog betrifft, sollte man ihn bei Anflügen von "Was???" einfach ungelesen lassen. Ich fand`s jedenfalls klasse, es hat die Geschichte runder als rund gemacht.
Fazit: Wer locker-leichte Romane mit außergewöhnlichen Charakteren, Dorfcharme und sehr bildhaften Beschreibungen mag, ist hier genau richtig. "Liebe ist die beste Köchin" ist kurzweilige Unterhaltung pur! 4,5 Sterne!