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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 24.05.2018

Grenzerfahrung - wie weit würdest du gehen?

Herz auf Eis
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Ludovic ist der Inbegriff der Generation Y: Einzelkind, Eltern in leitender Position, Einfamilienhaus im Vorort von Paris. Es hat ihm an nichts gefehlt.

Ludovic ist schnell gelangweilt, immer auf der ...

Ludovic ist der Inbegriff der Generation Y: Einzelkind, Eltern in leitender Position, Einfamilienhaus im Vorort von Paris. Es hat ihm an nichts gefehlt.

Ludovic ist schnell gelangweilt, immer auf der Suche nach dem nächsten Kick, zieht er Louise, die etwas zurückhaltender ist, mit. Und so brechen die beiden nicht nur für ein Jahr aus, um die Welt zu erkunden, sie stranden auch aus reinem Leichtsinn auf einer unbewohnten Naturschutz-Insel. Eine Grenzerfahrung, denn aus dem Abenteuer wird ein Kampf ums pure Überleben.

Und hier legt die Autorin ihren Schwerpunkt und den Finger in die Wunde. Wie verhält sich ein Paar, das gegen Hunger, Kälte und Tod kämpft? Wie ändert sich die Rollenverteilung und die Charakterstärken mit der Zeit und wo bleibt bei all dem die Menschlichkeit und Liebe? Entscheidungen müssen getroffen werden, man ist sich nicht immer, um nicht zu sagen, selten einig. Und doch muss man zusammenhalten, um zu überlegen oder geht man ein Wagnis ein, dass der andere nicht zu tragen bereit ist....

Dieser Roman geht unter die Haut, denn man kommt nicht umhin, sich immer wieder selbst zu hinterfragen. Wie hätte ich gehandelt? Eine Antwort darauf habe ich nicht gefunden. Dennoch waren diese Überlegungen bei jedem Schritt präsent. Und das macht dieses Buch aus.

Sympathisch war mir in diesem Kammerspiel keiner der beiden Charaktere. Auch der Schreibstil ist sehr klar, knapp und distanziert, dabei aber unheimlich detailliert und sehr realistisch dargestellt. Es gibt keine Romantik oder gar Heldentum. Es geht um Würde, Menschlichkeit, Schuldgefühle, innere Zerissenheit, Zweifel und Liebe. Und diese Eindringlichkeit hat mich tief berührt und lange zum Nachdenken gebracht.

Ein Buch, das man nicht so schnell vergisst.

Veröffentlicht am 22.05.2018

Ein unkonventionelles (Surfer) Leben

Barbarentage
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Mir kam nicht einmal der flüchtige Gedanke, dass ich eine Wahl hätte, was das Surfen anging. Der Zauber, der mich befallen hatte, würde mich führen wohin er wollte.

Geboren Anfang der 50-iger Jahre, ...

Mir kam nicht einmal der flüchtige Gedanke, dass ich eine Wahl hätte, was das Surfen anging. Der Zauber, der mich befallen hatte, würde mich führen wohin er wollte.

Geboren Anfang der 50-iger Jahre, verfällt der junge William Finnegan schon recht früh dem Surfen, was während seiner Jugend auf Hawaii, Ende der 60-iger Jahre seine Bestimmung findet. Denn als "Haole" auf einer öffentlichen Schule, scheint es fast unmöglich Kontakte zu knüpfen. Erst über "Cliffs" einem Surfspot, verschafft er sich Respekt, Anerkennung und vor allem Akzeptanz. Der Grundstein für eine lebenslange Leidenschaft zur Welle ist gelegt....

~ ~ ~ *

"Barbarentage" ist nicht nur eine Hommage an das Surfen sondern auch an das Leben.

Muss man Surfer sein, um an dieser Autobiographie seinen Spass zu haben? Nein, aber eine gewisse Affinität zum Surfen, dem Meer und der Lebenseinstellung hilft sicherlich, denn es geht oft seitenlang um Longboards, Shortboards, Turns, Barrels, glasse, rechtsbrechend, Finne, Weisswasser... Selbst mich, die das Meer liebt, hat es grad am Anfang, fast schon ein wenig überrollt.

Dabei ist es trotz allem gut lesbar, auch für den Halblaien. Ich würde sogar sagen, es holt auch den Laien (der sich darauf einlässt) gut ab und im Anhang befindet sich zudem ein Glossar für Notfälle.

William Finnegan ist ein Lebenskünstler und ein Suchender. Er geht trotz aller Hürden seinen Weg und der führt ihn um die halbe Welt: Hawaii, LA, Südsee, Indonesien, Australien....
Er nimmt den Leser mit auf einen Weg, der mehr eine Selbstsuche, gepflastert mit Selbstzweifeln und Selbsthass ist als ein Reisebericht.

Von wenig bis nichts leben, unter freiem Himmel oder im Auto schlafen, Freundschaft oder doch nur Weggefährte, Grenzen der Beziehung austesten, loslassen, neu anfangen...mit einer einzigen Konstante: Surfen. Egal ob es an körperliche Grenzen bis hin zu Krankheiten geht. Manchmal hat man fast das Gefühl, das ihm sein Körper stellenweise recht wenig wert ist.

Sprachlich sehr klar, um nicht zu sagen nüchtern und sachlich, spürt man trotzdem die Emotionalität und Leidenschaft in jeder Zeile. Und William Finnegan beschönigt nichts. Man glaubt ihm jedes Wort und diese Ehrlichkeit ist es, die einen gebannt an seinen Lippen hängen lässt.

Fazit: Eine Surferbio und doch so vieles mehr.

Veröffentlicht am 20.05.2018

Eine Zeit der Dekadenz und des Wandels

Kenia Valley
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Du bist eine Rarität, Theo, weißt du das? Gutaussehende Menschen haben in der Regel keinen guten Charakter.

Es ist Mitte der 20-iger Jahre als der 15-jährige Theo mit seinen Eltern und der jüngeren Schwester ...

Du bist eine Rarität, Theo, weißt du das? Gutaussehende Menschen haben in der Regel keinen guten Charakter.

Es ist Mitte der 20-iger Jahre als der 15-jährige Theo mit seinen Eltern und der jüngeren Schwester Maud nach Kenia zieht und sich sofort unsterblich in die um einiges ältere Sylvie verliebt. Durch sie lernt er auch den charismatischen Freddie kennen, der ihn nachhaltig beeindruckt. Verheiratet sind die beiden jedoch jeweils mit anderen Partnern und sie bilden das Herzstück einer Gruppe aus jungen, unkonventionellen Menschen; das Happy Valley Set. Wilde Parties, Alkohol, Drogen, ein dekadenter Lebensstil und doch scheinbar immer auf der Suche...
Theo ist fasziniert von dieser (Schein)Welt, seinem bonviventen neuen Freund und der für ihn so unerreichbaren Sylvie.

Doch als er nach seinem Studium in England zurückkehrt, ist nichts mehr wie zuvor. Nicht nur eine politische Brisanz hat Afrika erreicht, auch die Welt des Happy Valley Sets hat spürbare Risse bekommen.

~ ~ ~*

Eine schillernde Zeitreise ins Afrika der Kolonialzeit.

Mit Kenia Valley ist Kat Gordon ein großartiger Roman über die Dekadenz, Lifestyle und die Zerbrechlichkeit einer Generation von Auswanderern in den 20/30iger Jahren gelungen. Geschildert aus dem, anfangs noch recht naivem Blickwinkel eines 15-jährigen, der die Großen bewundert, zu denen er später selbst gehören wird, lässt sie die schillernde und opulente Zeit wieder auferstehen. Man erlebt und spürt Afrika mit allen Sinnen. Und der Schreibstil trägt dazu bei, dass man in diesem Buch, in dieser Zeit versinkt und kaum noch daraus aufzutauchen vermag.

Ihre Charaktere, so fragil, brüchig und dabei doch sehr menschlich, vermögen zu fesseln. Obwohl es wirklich wenige Sympathieträger gibt. Doch die Autorin versteht es, die Zerbrechlichkeit und ewige Suche nach Liebe und Anerkennung, durchscheinen zu lassen, so dass ihr Handeln, wenn es auch nicht von Charakterstärke zeugt, dennoch irgendwie menschlich erscheint und mir oft sogar sehr nahe geht. Das habe ich an diesem Roman geliebt.
Wirklich verurteilt habe ich Personen nur für fragwürdige, politische Ambitionen.

Fazit: Ein Buch wie ein Rausch, das den Leser gekonnt ins Afrika der 20/30iger Jahre entführt.

Ein Lesehighlight, das ich gerne weiterempfehle.

Veröffentlicht am 01.05.2018

....oder die Liebe meiner Mutter

Eine Liebe, in Gedanken
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Jetzt muss sie noch etwas Zeit vertreichen lassen, um herauszufinden, ob er jemand ist, der wartet, ob sie jemand ist, auf den gewartet wird.

Antonia und Edgar scheinen wie füreinander bestimmt. Im Krieg ...

Jetzt muss sie noch etwas Zeit vertreichen lassen, um herauszufinden, ob er jemand ist, der wartet, ob sie jemand ist, auf den gewartet wird.

Antonia und Edgar scheinen wie füreinander bestimmt. Im Krieg geboren und mit Härte und Verdrängung aufgewachsen, will vor allem Antonia die Welt kennenlernen, anders leben und lieben als ihre Eltern.
Toni steckt in einem Konflikt zwischen ihren Idealen von Freiheit und Unabhängigkeit und dem Wunsch sich fest zu binden.

Fünfzig Jahre später, nach Tonis Tod, geht ihrer Tochter der Frage nach, ob ihre Mutter im Leben gescheitert ist oder genauso leben wollte...

~ ~ ~ *

Eine sehr zarte, ruhige Liebesgeschichte aus den 60-iger Jahren und zugleich eine Emanzipationsgeschichte. Antonia ist schon in jungen Jahren eine sehr starke Frau, die sich auch in ihrer Familie nicht unterordnen möchte. Die eigene Wege geht, ihren eigenen Kopf hat und dadurch ihre große Liebe riskiert.

Kristine Bilkau hat das großartig umgesetzt, diese Zerisschenheit zwischen Konvention und Eigenständigkeit in einer sehr spröden Sprache, die mich tatsächlich auch manchmal zweifeln lies, wie tief diese Liebe überhaupt ist. Und trotzdem hat sie mich in ihrer Art sehr berührt.

Mir gefällt die Herangehensweise an das Thema. Wie die Tochter mit ihrer grade verstorbenen Mutter leise Zwiesprache hält und sich erst jetzt, viel zu spät eigentlich, anfängt sich mit ihrer Lebensgeschichte und einzigen großen Liebe zu beschäftigen. (So ging es mir selber nach dem Tod meines Großvaters. Man denkt immer, man hat noch so viel Zeit.)

Das ist ein schöner Einstieg. Die Geschichte selber wird aus der Perspektive von Antonia geschildert. Dadurch erfährt man viel über ihre Gedanken, Träume, Wünsche und Sehnsüchte und kommt ihr trotz des spröden, klaren Schreibstils immer wieder sehr nah.

Fazit: "Eine Liebe, in Gedanken" ist ein Sittenbild der 60-iger Jahre, eine Liebesgeschichte und eine Mutter-Tochter-Beziehung. Es geht um Vergebung, Ideale und die ganz große Liebe.

Veröffentlicht am 30.04.2018

Zwei Brüder - Ein Fall

Bullenbrüder: Tote haben kalte Füße
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Formulieren war noch nie seine Stärke. Irgendwie holpert das immer, ganz egal, wie sehr er sich auch abmüht. Nicht, dass es auf Eleganz ankäme. Schliesslich ist das Opfer tot und wird den Bericht niemals ...

Formulieren war noch nie seine Stärke. Irgendwie holpert das immer, ganz egal, wie sehr er sich auch abmüht. Nicht, dass es auf Eleganz ankäme. Schliesslich ist das Opfer tot und wird den Bericht niemals zu lesen bekommen. Aber wenn du schon ermordet wirst, dann willst du wenigstens einen ordentlichen Bericht.

Kriminalkommissar Holger Brinks wird von seiner Chefin mit einem heiklen Vermisstenfall betraut. Victoria Sommer, eine der drei Gründerinnen eines Smoothie-Start-ups ist verschwunden. Allerdings soll das noch nicht an die Öffentlichkeit dringen.

Unabhängig davon wird sein Bruder Charlie, der noch immer in seinem Gartenhäuschen wohnt, von einer alten Flamme beauftragt, ihren Mann Robert zu beschatten und beim Seitensprung zu erwischen. Doch auch Robert, Rechtsanwalt der Smoothie-Sisters, verschwindet und plötzlich arbeiten die beiden Brüder gemeinsam an einem Fall, während zuhause Mutter Anita mit ihrem jungen Lover vor der Tür steht.....

~ ~ ~ *

Rath & Rai sind ein Dreamteam, die mit den beiden Brüdern Holger & Charlie ein amüsantes Ermittlerduo ins Leben gerufen haben.
"Tote haben kalte Füsse" ist bereits der zweite Band der Bullenbrüder, der aber völlig unabhängig gelesen werden kann - ich bin auch Quereinsteiger.

Es ist das Komplettpaket, das den Charme dieses Buches ausmacht. Die sehr unterschiedlichen Brüder, der humorvolle Schreibstil, die leicht durchgeknallte Mutter etc. Es macht einfach Spass in diese Familie einzutauchen und häppchenweise zu erfahren, warum es so ist, wie es ist, warum Charlie z.B. wirklich ins Gartenhaus verbannt wurde.

Der Kriminalfall an sich kommt eher aus dem Bereich des Cozy-Krimis. Nett, unterhaltsam, relativ unaufgeregt und trotzdem spannend.

Fazit: Intelligenter, humorvoller Krimi, mit schönem Berliner Lokalkolorit. Eine Serie, die mir gefällt.