Profilbild von MarieOn

MarieOn

Lesejury Profi
offline

MarieOn ist Mitglied der Lesejury

Melde dich in der Lesejury an, um dich mit MarieOn über deine Lieblingsbücher auszutauschen.

Anmelden

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 01.10.2024

Eine lesenswerte Geschichte über Jugendliche

Pink Elephant
0

Vincent lebt mit seinen Eltern in dem Einfamilienhaus in der Neubausiedlung. Sein Vater ist Gastroenterologe, seine Mutter unterstützt einen Kommunalpolitiker, der Vincent nicht abgeht. Sein Leben wäre ...

Vincent lebt mit seinen Eltern in dem Einfamilienhaus in der Neubausiedlung. Sein Vater ist Gastroenterologe, seine Mutter unterstützt einen Kommunalpolitiker, der Vincent nicht abgeht. Sein Leben wäre durchschnittlich weitergelaufen, wenn nicht der Tag gewesen wäre, als Ali und Tarek ihn anrempelten, ihn Bleichgesicht und Mayonnaise nannten. Am Ende findet Vince sich mit blutender Nase auf der Polizeiwache wieder, wo er eine Aussage macht, die in einer Strafanzeige mündet, die er gar nicht stellen wollte. Seine Eltern holen ihn ab, Ali und Tarek müssen etwas länger bleiben.

Zuhause angekommen, klingelt das Telefon, Vince nimmt ab und hört die Stimme eines Mannes, die ihm sagt, er sei Tareks Vater und dass sein Sohn Vince nicht mehr schlagen werde und wenn doch, solle er ihn anrufen. Er diktiert Vince seine Nummer. Vince richtet, wie verlangt die Grüße an seine Eltern aus. Sein Vater schnaubt:

So einfach kommen mir die kleinen Paschas nicht davon. S. 39

Alis Vater ist in Holland, was egal ist, denn der ist abgehauen, als Ali drei war. Seiner Mutter kann er nicht beichten, was ihm jeden Tag passiert, weil sie daran zerbrechen würde, also macht Ali, der eigentlich Alexander heißt, weil er nur ein halber Araber ist, das mit sich aus.

Tarek ist ein hundert Prozent Araber und kommt aus Syrien. Sein Vater fährt nachts Taxi, die Mutter putzt und unterrichtet Arabisch in der VHS. Seine Schwester Tahira streitet jeden Morgen mit ihm um den Badezimmerspiegel.

Vince wäre auch lieber Araber statt Deutscher, deshalb schmiert er sich Bräunungscreme ins Gesicht, die seine Haut orange färbt. Deswegen lachen Ali und Tarek sich beim Opfer-Täter-Ausgleich auch halb tot, als sie die orange Kartoffel sehen. Die drei kommen sich näher und freunden sich zunehmend an. Vinces Leben gewinnt an Tempo und er hat nicht vor zu bremsen, bis Ali nach einer langen Nacht ins Koma fällt.

Fazit: Luca Kieser hat eine gut durchdachte Geschichte geschaffen. Sein Protagonist Vince ist ein privilegierter Weißer aus gutem Hause. Statt auf dem Gymnasium landet er auf der Gesamtschule mit hohem Anteil junger Menschen, deren Eltern trotz vieler Arbeit ein geringes Einkommen haben, teils mit Migrationshintergrund und entsprechenden Traumen. Die Jugendlichen wollen dennoch dazugehören und überbieten sich mit Diebstählen und Gruppenbildung. Während Vince sich anfreundet, erlebt er seine Eltern, Lehrer und die Behörden als fremdenfeindlich. Er lernt die Eltern von Ali und Tarek kennen und bekommt einen Blick auf die Schwierigkeiten. Ich mag die Idee sehr, wie der Autor den Alltagsrassismus und die Vorbehalte der Erwachsenen aus Sicht Vincents beleuchtet. Nicht ganz einfach fand ich, dass die Geschichte nicht chronologisch erzählt wird. Der Autor lässt seinen Protagonisten vom Hölzchen aufs Stöckchen kommen. Die Geschichte ist aber so spannend und unterhaltsam erzählt, dass ich am Ball geblieben bin und am Ende miterleben durfte, wie sich der Kreis schließt. Tatsächlich geht es um Freundschaft, Zugehörigkeit und auch um sexuelle Identität. Eine durch und durch jugendliche Geschichte, die ernste Themen transportiert. Lesenswert!

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 27.09.2024

Eine jugoslawische Familientragik

Das Herzflorett
0

Pepsi lebt bei ihrer Großmutter. In den Sommerferien kommen ihre Eltern zu Besuch, sitzen mit ihr unter dem Mandelbaum und freuen sich über die Zeit, die sie in ihrer Heimat verbringen. In Deutschland, ...

Pepsi lebt bei ihrer Großmutter. In den Sommerferien kommen ihre Eltern zu Besuch, sitzen mit ihr unter dem Mandelbaum und freuen sich über die Zeit, die sie in ihrer Heimat verbringen. In Deutschland, wo sie arbeiten, fliegen die Tage dahin. Die Mutter putzt in Schulen, Büros und überall, wo sie schneller ist als ihre Konkurrentinnen.

Pepsi vermisst ihre Geschwister, die schöne Herzmandel und den stillen Bruder. Als die muslimische Bevölkerung in Dalmatien nicht mehr gern gesehen ist, kommt sie zu einer Tante, nach deren Tod zu einer anderen. Dort bekommt sie wenig zu essen, weil die beiden Söhne der Tante gieriger sind als sie und weil Jungs wichtiger sind. Pepsi hält die Trennung von Eltern und Geschwistern kaum aus und deswegen schreibt sie ihren Eltern einen Brief.

Die Eltern holen alle Kinder in den Taunus, wo sie auf engstem Raum leben. Pepsi empfindet tiefe Zärtlichkeit für die Mutter, deren rissige Hände schmerzen. Die Mutter, immer in Bewegung, kann Pepsis Zuneigung nicht erwidern, im Gegenteil, sie ist ihr lästig. Schon bald schließt Pepsi ihre Liebe hinter ihrer Brust ein, spricht trotz ihres großen Sprachverständnisses nicht und vergräbt sich in Büchern.

Der Vater beginnt seinen Tag mit Schnaps und Zigaretten, die ihn grau im Gesicht und die Tapeten gelb machen. Der Umzug ins größere Fachwerkhaus bringt den Kindern keine Erleichterung. Der Vater lässt die Kinder auf Reiskörnern knien, wenn sie vorlaut waren. Die Körnchen graben sich tief in die Haut, die noch Tage danach sticht und prickelt.

Fazit: Marica Bodrozic hat eine Familiengeschichte geschaffen, die im ehemaligen Jugoslawien beginnt und in Deutschland endet, wo die Eltern unter sich bleiben. Das Leben, das sie gewählt haben, ist kein Vergnügen, der Vater unterdrückt seine Traurigkeit durch Betäubung, die Mutter kompensiert ihre Einsamkeit durch Wutausbrüche. Ihr Zorn trifft vor allem die Protagonistin und gründet auf Eifersucht, auf die Intelligenz und den Freiheitsdrang des Mädchens. Ich mag den Plot und finde das Thema Balkankrise und Flucht wichtig. Zuerst hat mir die märchenartige Sprache der Autorin gefallen, die Naturbeschreibungen in Pepsis Kindheit. Ab der Hälfte des Buches hat mich der Singsang Rhythmus genervt. Die zahlreichen Adjektive: der lange lange Weg, die tiefe tiefe Traurigkeit, schöne und nährende Gedanken. Ebenso die Wortwiederholungen: Der Abschied ist ein Abschied, weil er ein Abschied ist. Jetzt muss sie gehen, das Gehen lernen, Schritt für Schritt, hätte ich nicht gebraucht. Da die Autorin aber mehrfach ausgezeichnet und ihre Bücher mehrsprachig übersetzt wurden, mag ich das als meinen eigenen Geschmack werten, den sie nicht ganz getroffen hat. Ich kann verstehen, wenn andere Leser*innen diese Erzählung als etwas Besonderes feiern.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 25.09.2024

Literarische Aufarbeitung eines sexistischen Gewalterlebnisses

Protokoll einer Annäherung
0

Ende des Semesters. Der See, Birken mit weißer Rinde, Geruch von modrigem, die Fahrräder, Sara vor ihr Wind im Haar und dann der See, Erlösung von der klebrigen Hitze.

Zuvor die Bibliothek mit der Empore, ...

Ende des Semesters. Der See, Birken mit weißer Rinde, Geruch von modrigem, die Fahrräder, Sara vor ihr Wind im Haar und dann der See, Erlösung von der klebrigen Hitze.

Zuvor die Bibliothek mit der Empore, alte Steintreppen hinauf, das Bild mit den Frauen, die eine im goldfarbenem seidenem Rock geht vorbei. Eine andere im roten Kleid beugt sich über den Brunnen, hält den Stiel einer Blume hinein, vorsichtig. Dann ein Fremder, den sie zuvor auf der Empore gesehen hat, mit dem sie keine Blicke tauscht, weil sie zu Boden schaut.

In ihren Erinnerungen an die Stadt H. geraten die Ereignisse durcheinander.

Die Bibliothek zum Beispiel liegt direkt neben dem See, wenn ich nicht aufpasse, führt die Schwingtür des Lesesaals aus dem Sommer 2018 direkt in das Schlafzimmer von 2016. Der Raum, der mich zu sich zieht und von dem die größte Gefahr ausgeht, der Raum, der sich vor mich stellt und alles andere zum Verschwinden bringt. Ich muss die Ordnung der Dinge halten. S. 15

Sie trifft sich mit dem Fremden aus der Bibliothek auf einer Bank. Sie sprechen, tasten sich ab, lachen. Robert und Marie. Je näher Robert ihr kommt, desto länger werden die Schatten, die sie zu verfolgen scheinen.

Marie beginnt zu schreiben, was ihr in den Sinn kommt, findet Wörter, die ihren Körper verlieren, nebulöses Entsetzen einfangen, verwandeln. Freischreiben in einen weiten Raum, in dem etwas anderes möglich wird, zum Beispiel eine Liebesgeschichte.

Fazit: Anne Korth entwickelt in ihrem Debüt eine junge Frau, die Gewalterfahrung erlebt hat. Sie zeigt ihre Protagonistin in der dritten Person. Die Geschichte lebt hauptsächlich von Umgebungsbeschreibungen, was die Charaktere blass erscheinen lässt und Marie von mir distanziert. Nur am Rande lässt die Autorin durchblicken, dass etwas Einschneidendes passiert sein könnte. Als besonderes Stilmittel hat Anne Korth ihrer Protagonistin ihr eigentliches Ich an die Seite gestellt, das sie beobachtet und ihr wie ein Schatten folgt. Die Eindrücke dieses Ichs werden im Präsens erzählt. Während Marie versucht, Vertrauen zu Robert zu finden, arbeitet ihr abgespaltetes Ich das erniedrigende Erlebnis ab. Das Ende ist versöhnlich und heilsam. Nichts an der Geschichte ist konkret oder greifbar. Die Autorin lässt Raum für Interpretationen. Nicht ganz so befriedigend, aber sicher ein besonderes literarisches Bonbon.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 24.09.2024

Großartiges Psychogramm

Intermezzo
0

Peter ist Anfang dreißig. Seit sein Vater verstorben ist, arbeitet er eher sporadisch. Als Anwalt vertritt er Menschenrechte. Seine Freundin Naomi ist dreiundzwanzig und wandelt mit einer Leichtigkeit ...

Peter ist Anfang dreißig. Seit sein Vater verstorben ist, arbeitet er eher sporadisch. Als Anwalt vertritt er Menschenrechte. Seine Freundin Naomi ist dreiundzwanzig und wandelt mit einer Leichtigkeit durchs Leben, die Peter an die Jugend erinnert, die er nie hatte. Er war immer ehrgeizig. Sein Leben war klar durchstrukturiert, damals mit Sylvia, seiner großen klugen Liebe. Sie waren das Paar, von dem alle träumten, es ebenso zu sein. Nach ihrem schweren Unfall war alles vorbei, sie hat Peter gehen lassen und der ist gegangen.

Ivan Peters Bruder, so alt wie Naomi, hat bis zum Schluss bei seinem Vater gelebt und hautnah erlebt, wie er den anständigsten Mann, den er kannte, an den Krebs verloren hat. Ivan ist das stille Genie in der Familie, das sich einen Namen im Schachspiel gemacht hat. Beim Simultanspiel des Gemeindehauses in Leitrim lernt Ivan die Kulturamtsleiterin kennen. Eine schlanke Frau mit Seidenbluse, rosigen Lippen, gänzend schwarzem Haar, mit einer Nadel gebändigt, die deutlich älter ist als er. Nach dem Spiel fährt sie ihn in das Ferienhaus, das der Schachclub ihm besorgt hat. Auf sein Bitten kommt sie mit hinein und bleibt bis zum nächsten Morgen.

Peters Beziehung zu Naomi ist eine Art moralisches Dilemma. Wie jetzt zum Beispiel, sein schwer zu fassender Widerwille mit ihr zu telefonieren. S. 75

Sie braucht Geld, er überweist es ihr. Nach einem langen Arbeitstag nimmt Peter am Abend Diphenhydramin und ein Glas Rotwein, surft noch etwas im Netz, legt sich hin, um hoffentlich Schlaf zu finden. Um drei oder vier Uhr nimmt er noch eine Xanax hinterher. Im Grunde hatte er im Gerichtssaal immer ein gutes Gefühl, war bestens vorbereitet, präziser Redefluss, spürte die angenehm vertraute Kontrolle. Doch dieses gute Gefühl seiner Performance schwand mit jedem Milligramm synthetischer Beruhigung.

Fazit: Sally Rooney hat eine psychologische Glanzleistung vollbracht. Ihre Protagonisten sind Kontrahenten wie Kain und Abel. Der Jüngere hat den Älteren immer bewundert. Der ältere ist nicht in der Lage, seine Gefühle zu zeigen und macht alles mit sich alleine aus. Seinen Hunger nach Liebe und Wertschätzung kompensiert er mit Herablassung und Bevormundung. Die Autorin schaut als auktorialer Erzähler in die Köpfe aller Beteiligten und lässt mich wissen, was in ihnen vorgeht. Ihre Beziehung fußt auf Missverständnissen und Fehlinterpretationen. Beide gehen anders mit ihrer Trauer um. Während der Ältere sich immer weiter in seine Unzulänglichkeiten verstrickt, der Welt nicht gerecht werden zu können und in eine dramatische emotionale Schieflage gerät, findet der Jüngere mehr zu sich selbst. Die Geschichte greift gesellschaftliche Konventionen auf, wie normal es ist, dass ältere Männer jüngere Frauen haben, ältere Frauen mit jüngeren Männern dagegen ihren Ruf schädigen und spielt damit. Durch den Blick auf die unausgesprochenen Gedanken entsteht ein Bild großer Zerrissenheit. Selten habe ich eine Schriftstellerin, die ganze Tragik einer narzisstischen Persönlichkeit so gut zeigen sehen. Sie macht Mitgefühl möglich. Alles an der Schreibweise hat mich berührt. Das Ende ist so zärtlich, heilsam und verbindend, dass ich erlösende Tränen weinen musste. Ganz große Schreibkunst!

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 23.09.2024

Die Geschichte hat mich überfordert

Antichristie
0

Durga steht mit ihrer Familie am Fluss, um die Asche ihrer Mutter Lila zu verstreuen. Ihr Vater Dinesh steht mit seiner zweiten Frau Rosa hinter ihr. Ihr Sohn Rohan und ihr Partner Jack stehen rechts und ...

Durga steht mit ihrer Familie am Fluss, um die Asche ihrer Mutter Lila zu verstreuen. Ihr Vater Dinesh steht mit seiner zweiten Frau Rosa hinter ihr. Ihr Sohn Rohan und ihr Partner Jack stehen rechts und links von ihr, als der Klingelton ihres Handys sie unangenehm rausreißt. Sie wurde zu der Signalgruppe Anti-Christie hinzugefügt. Ihre neuen Arbeitskolleginnen in London spielen mit ihr die besten Tötungsdelikte in der Geschichte der Agatha-Christie-Krimis durch.

Lila geborene Duisburgerin war die originellere Inderin neben ihrem indischen Vater. Zuerst Sekretärin, dann Teilzeit-Guerilla, danach brannte sie mit Dachboden Piet als Fulltime Partisanin nach Niedeggen in eine Kommune durch, ohne Durga.

Nach der Beisetzung fliegt Durga nach London, um ihre neue Stelle als Drehbuchautorin anzutreten. Sie fühlt sich in der multikulturellen Stadt, wo sie eine von vielen ist, deutlich wohler als zu Hause. Ihre beste Freundin Nena begleitet sie für einige Tage und im Taxi werden sie Zeuginnen der BBC Durchsage, dass Queen Elizabeth die Zweite gerade verstorben ist. Vor dem Gebäude Florin Court Films demonstrieren Menschen gegen eine Neuverfilmung Agatha Cristies.

An einer U-Bahn Station geraten Durga und Nena in eine unangenehme Sprachlosigkeit und verlieren sich aus den Augen. Durga findet sich in einer Epoche wieder, die nichts mehr mit London 2022 zu tun hat und ist noch dazu ein junger Mann. Sie erfährt, dass sie sich im Jahr 1906 befindet und Sanjeer heißt. Jemand empfiehlt ihr „India House“, wo sie auf den charismatischen Savarkar trifft, der, wie sie weiß, zum bewaffneten Aufruhr aufrufen und ein Buch verfassen wird, weswegen die Engländer ihn einsperren werden.

Fazit: Selten habe ich mich so sehr herausgefordert, einer Autorin gerecht zu werden. Es ist einfach zu sagen: „Das war nicht meins!“ Doch dafür scheint mir das Buch zu durchdacht. Mithu Sanyal beginnt damit, dass die Protagonistin das Kind zweier unterschiedlicher Kulturen und Religionen ist, einer sogenannten „Mischehe“. Allein das Wort ist seit dem Dritten Reich besetzt und politisch unkorrekt, klärt sie auf. Die Autorin hatte den Anspruch, die Kolonialisierung nicht nur der Engländer, sondern am Rande auch die der Deutschen und der Spanier korrekt darzustellen. Die Geschichtsbücher allerdings verschweigen die Kolonialisierung Indiens, Afrikas und Marokkos in einem Maße, das man nur ignorant nennen kann. (nebenbei auch die anderer Kolonialisten wie Holländer und Franzosen) Die Autorin hat versucht darzustellen, wie die Bevölkerung Indiens (Hindu, Brahmanen, Bengalen, Sikhs Pakistani, Tamilen, Muslime und die Unberührbaren) die zu großen Teilen nach dem Varna System=Klassifizierung der Kasten leben. Sie hat dargestellt, dass Hindus Muslime nicht anerkennen. Und, was überraschend für mich war, dass Gandhi die schwarze Bevölkerung Afrikas als Kaffer bezeichnet hat, faul und träge und man ihm neben seinem friedlichen Widerstand, der etliche Inder das Leben kostete, durchaus vorwerfen kann, rassistisch motiviert gewesen zu sein. Wenn also etwas überliefert wurde, muss das nicht die Wahrheit sein. Mithu Sanyals Geschichtspamphlet lässt sich durchaus auf heutige Konflikte im Nahen Osten adaptieren. Sie hat, um ihre zahlreichen Recherchen in eine Geschichte einzuweben, die mehr Prosa als Infodump sein sollte, ein kunterbuntes Panoptikum erschaffen, wo sich allerlei bekannte Gesichter tummeln. So fordern die Suffragetten auf einer Demo zu Sanjeers Zeit das Frauenwahlrecht, Rosa Luxemburg findet kurz Erwähnung neben Karl Marx, dessen Theorien einigen revolutionären Indern genehm sind. Hercule Poirot, die Queen, Charlotte Despard, Shakespeare werden erwähnt, Sherlock Holmes spielt ebenso wie Gandhi mit, der eine Gastrolle bekommen hat.

Für mich war das Buch zu lang. Die Vielzahl an Namen hat mich gefordert, die sprunghaften Gedankengänge überfordert, die Zeitmaschine genervt. Was war noch mal die Message?

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere