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Veröffentlicht am 01.04.2018

Liebe über den Tod hinaus

SOFIAN Der Sarazene
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Federica Pascali, eine junge Frau aus dem Piemont, lebt seit dem frühen Tod ihrer Eltern allein in ihrem Elternhaus. Geldsorgen hat sie keine, jedoch trägt sie eine tiefe Traurigkeit in sich und zieht ...

Federica Pascali, eine junge Frau aus dem Piemont, lebt seit dem frühen Tod ihrer Eltern allein in ihrem Elternhaus. Geldsorgen hat sie keine, jedoch trägt sie eine tiefe Traurigkeit in sich und zieht sich oft in die Einsamkeit zurück. Ihre einzige Freundin ist die ältere mütterliche Maria. Als sie wiederholt einen exotisch aussehenden Mann erblickt, den außer ihr niemand sehen kann, zweifelt sie an ihrem Verstand. Außerdem plagen sie fürchterliche Alpträume. Maria rät ihr zu einer Therapie, und die Therapeutin bringt sie zu einer alten Frau mitten in den Bergen, die sich als weise entpuppt und ihr Erkenntnis bringt.

Leider hat die Geschichte überhaupt nicht meinen Erwartungen entsprochen. Der erhoffte Wechsel auf eine andere Zeitebene fand nur einmal statt, das Kapitel ist zwar lang und war auch recht spannend, die darauf basierende Hauptgeschichte zeigte aber ziemliche Längen, was in einem so kompakten nur etwa 200 Seiten umfassenden Text schon recht erstaunlich anmutet. Federica blieb mir fremd, sie ist hochgradig labil, depressiv, völlig unfähig ihr Leben zu meistern, beziehungsunfähig, leidenschaftslos und auch nicht willens auch nur etwas Lebenslust zu empfinden. Die vorherrschenden Vokabeln, die mit ihr verwendet werden, wie etwa hervorlugen, Furcht, beben, etc zeigen ihre Verunsicherung und Passivität. Wenn sie aktiv wird, dann nur durch das Drängen Marias oder der Therapeutin.

Gut fand ich das informative Vorwort der Autorin zu den Sarazenen. Da hätte ich mir dann auch viel mehr geschichtliche Bezüge im Haupttext gewünscht. Der Schreibstil ist ungewöhnlich, wenn auch gut zu lesen. Manchmal sind mir die Sätze zu kurz und abgehackt erschienen. Die Geschichte ist kompakt und wenig anspruchsvoll, sie liest sich in einem Rutsch durch und birgt wenig Handlung. Die Verzweiflung Federicas kommt sehr überzeugend rüber, aber wie erwähnt war das dann mehr oder minder ein Dauerzustand, was leider auch irgendwann anstrengend wird. Von den Charakteren fand ich Maria mit ihrer mütterlichen Art, ihrem Pragmatismus und ihrer ganzen Lebensart am Sympathischsten. Sie ist empathisch, humorvoll, kümmert sich um Federica, ist aufbrausend und leidenschaftlich und lebt ihr Leben. Sofian, der titelgebende Sarazene, ist ein interessanter Charakter, über den ich gerne mehr erfahren hätte. Auch die Unterschiede in Kultur, Religion und Lebensart der beiden und wie sie sich aneinander annähern hätte man besser herausarbeiten können. Stattdessen verloren sich die Beschreibungen in der Vergangenheit zu sehr im Alltäglichen und wiederholten sich dann auch. Mir persönlich driftete das Ganze dann zu sehr ins Esoterische ab, Themen wie Wiedergeburt, zwei Seelen nach dem Tod vereint etc sind zwar interessant, um das überzeugend zu behandeln war dieser Roman aber zu oberflächlich.

Fazit: Leider nicht so ganz mein Fall. Wohlwollend betrachtet könnte man sagen, dass Federicas tiefe Sehnsucht schließlich ihre Erfüllung findet und dass zwei Seelen bis weit über den Tod hinaus wieder miteinander vereint sind. Wer sich gerne in solch romantischen Tagträumen verliert, wird sich hierauf sicherlich besser einlassen können. Wer einen fundiert recherchierten historischen Roman auf zwei Zeitebenen erwartet, wird jedoch bitter enttäuscht. Einige gute Szenen und Charaktere sind durchaus vorhanden, und die Kompaktheit der Geschichte macht es einem leicht durchzuhalten. Mich hat es leider nicht überzeugt.

Veröffentlicht am 30.04.2019

Psychedelischer Dschungeltrip

Dschungel
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Felix ist verschwunden, verschollen im kambodschanischen Dschungel. Er meldet sich bei keinem mehr, daher macht sich der Ich-Erzähler, auch im Auftrag von Felix‘ Mutter, auf, um seinen besten Freund zu ...

Felix ist verschwunden, verschollen im kambodschanischen Dschungel. Er meldet sich bei keinem mehr, daher macht sich der Ich-Erzähler, auch im Auftrag von Felix‘ Mutter, auf, um seinen besten Freund zu finden. Auf seinem Weg trifft er Hippies, Kriminelle, Rucksacktouristen und Lebenskünstler und lernt Land und Leute mehr kennen als ihm lieb ist. Am Ende hat er durchaus etwas gefunden, doch auch sehr viel verloren.
Ein Roadtrip der besonderen Art, der mich als Leser etwas irritiert zurückließ. Zunächst einmal kam ich leider in die Geschichte nicht recht hinein, was auch an dem für mich holprigen, teilweise abgehackten und mir zu flapsigen Schreibstil lag. Es las sich einfach nicht flüssig. Zum anderen brachte es mir auch nicht Land, Leute und Kultur nahe. Keine Rede davon, dass meine Lust auf mehr Kambodscha oder Dschungel gestiegen wäre. Zum Dritten hatten die Figuren keine Substanz, ich kam nicht an sie heran.
Felix ging mir nach kürzester Zeit auf den Wecker und der Ich-Erzähler bleibt genauso farblos wie anonym. Auch die anderen Figuren, die er im Laufe seiner Reise trifft, sind weder skurril noch liebenswert noch sonst etwas, sie hallen einfach nicht nach. In den Kapiteln wechseln sich Rückblicke auf die Erlebnisse mit Felix und die Erlebnisse der Suche nach ihm ab, und mehr und mehr wird deutlich, wie manipulativ und selbstzerstörerisch der angeblich beste Freund ist. Wenn es drauf ankommt, lässt Felix ihn fallen, und vermeintlich Gutes entpuppt sich lediglich als alberne Mutprobe und Ausloten der Grenze, wie weit sein Freund für ihn, Felix, gehen würde. Beide teilen ein schreckliches Geheimnis, was sicherlich den psychischen Knacks erklärt, den beide in ihrer Kindheit erleiden. Der Ich-Erzähler selbst jedoch, so scheint es, hat ein stabiles Elternhaus und führt als Erwachsener ein halbwegs normales Leben mit Job und Freundin, die ihn liebt, doch er setzt alles aufs Spiel. Wofür? Im Laufe der Geschichte war mir so, als hätte er gar nichts verarbeitet, nichts begriffen und sich auch in keinster Weise weiterentwickelt. Der Trip durch den Dschungel ist haarsträubend, einige Szenen sind zwar durchaus spannend und entbehren auch nicht einer guten Brise Situationskomik, doch alles in allem erschien mir alles zu weit hergeholt und unglaubwürdig. Am Ende fragte ich mich, was eigentlich wirklich passiert oder nur in der Vorstellung des Ich-Erzählers (er fragt sich das übrigens auch selbst) stattfindet. Und so ist es für mich kein Selbstfindungstrip, sondern der Versuch, durch Vergessen und Verdrängung ein Trauma zu verarbeiten, was zum Scheitern verurteilt ist.
Fazit: Leider nicht meins. Für Leute, die psychedelische Trips jenseits der Bewusstseinsebene mögen und sich gut in den gewöhnungsbedürftigen Stil hineinlesen, wahrscheinlich das Richtige. Ich habe es nicht verstanden.