Trau dich! Wundervoll warmherziges Buch darüber, das zu tun, was man wirklich will
Zwei vernünftige Erwachsene, die sich mal nackt gesehen habenNina,knapp 50, kämpft mit Hormonschwankungen, mit ihrer mitunter chaotischen Mutter und mit ihrer eher ungewissen Lebens- und Jobsituation. Ihr Ex-Mann Phil macht auf heile Welt mit seiner neuen blutjungen ...
Nina,knapp 50, kämpft mit Hormonschwankungen, mit ihrer mitunter chaotischen Mutter und mit ihrer eher ungewissen Lebens- und Jobsituation. Ihr Ex-Mann Phil macht auf heile Welt mit seiner neuen blutjungen Influencer-Ehefrau und ihre Schwester Lena keinen Hehl aus ihrer Verachtung für Nina. Da verliebt sie sich zu allem Überfluss auch noch Hals über Kopf in den 20 Jahre jüngeren David. Als ihre Mutter Karin schwer krank wird, wollen alle zusammenhalten. Doch am Krankenbett der Mutter kommen alle unterdrückten negativen Gefühle ans Licht, und nicht nur Nina muss ihr Leben komplett umkrempeln.
Ein wundervoll warmherziges Buch über die Liebe in allen Konstellationen, über Zusammenhalt, aber auch über Selbstzweifel, über das Leben in einer scheinbar heilen Welt und über den großen Mut, auszubrechen aus verkrusteten Strukturen und seinen eigenen Weg zu gehen. Nina habe ich sofort geliebt und konnte mich wunderbar in sie hineinversetzen. Sie ist der dominante Charakter in diesem Buch und der Dreh- und Angelpunkt, aus ihrer Perspektive wird am häufigsten erzählt und die meisten der anderen Protagonisten kreisen um sie oder reiben sich an ihr. Nina ist emotional, empathisch und warmherzig und hat eine humorvolle und phasenweise philosophische Sicht auf ihr Leben. Sie selbst ist durchaus zufrieden, es sind die gesellschaftlichen Erwartungen und Normen, die sie stören und die ihren Widerstand wecken. So geht es in einem Erzählstrang um ihren Job, um das Publikmachen von Missständen, die Solidarität unter Frauen und das Auflehnen gegenüber zumeist männlichen Machtstrukturen.
Im zweiten Erzählstrang geht es natürlich um Ninas Beziehung zu David und die Frage, soll sie oder soll sie nicht. Darf sie oder darf sie nicht mit ihm zusammen sein? Auch wenn sie von anderen, allen voran von David und auch von ihrer Schwester Lena, als attraktiv wahrgenommen wird, plagen Nina doch gehörige Selbstzweifel, die sie genüsslich und launig Tagesform abhängig mal den einen, mal den anderen Entschluss fassen lassen. Jeder hat selbstredend seine eigene Meinung dazu und die meisten raten ihr ab. Was will so ein junger Mann mit einer älteren Frau? Kann ja nichts werden.
Die Autorin versteht es meisterhaft, die Achterbahnfahrt der Gefühle nicht nur bei Nina, sondern auch bei David und den anderen Protagonisten einzufangen und sie einfühlsam und pointiert an die Oberfläche zu holen. Am meisten sticht hier Lena, Ninas Schwester heraus, deren Lebensentwurf diametral entgegengesetzt zu Ninas eigenem steht. Je mehr Einblicke man als Leser in diese beiden Lebensweisen erhält, desto mehr wird klar, an welch seidenem Faden sie hängen und wie verknüpft sie doch miteinander sind. Ich fand es außerordentlich gelungen, welche Entwicklung beide Frauen durchmachen. War mir Lena mit ihrem krampfhaft dazu gehören Wollen, ihrer verletzenden Art und ihrem auf heile Welt machen lange Zeit furchtbar unsympathisch, bewies sie doch Voraussicht und Intelligenz im Hinblick auf Ninas Jobsituation und großen Mut, den schönen Schein nicht über ihre Prinzipien und ihre Familie zu stellen. Das Herausragende an Nina ist, dass sie sich nie unterkriegen lässt und sich alles, was ihre Kinder, ihre Familie und ihre Freunde im Hinblick auf ihr Liebesleben sagen, durch den Kopf gehen lässt, sie aber trotzdem ihre eigenen Entscheidungen trifft und zu diesen steht. Und so liegt die Erkenntnis des Ganzen auf der Hand: Man ist nie zu alt für einen Neuanfang.
Fazit: Wer ein wunderschön gebundenes, in fröhlichen Farben gestaltetes Buch in den Händen halten will und in eine manchmal lustige, mitunter traurig oder wütend machende, aber immer kurzweilige Geschichte mit lebensnahen Figuren eintauchen will, dem sei diese Lektüre dringendst empfohlen. Mir jedenfalls sind die Menschen ans Herz gewachsen und ich konnte das Buch, einmal angefangen, nicht mehr aus der Hand legen.