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Veröffentlicht am 15.03.2019

Originell, skurril und very british - der erste Fall für den Vinyldetektiv!

Murder Swing
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Er ist ein Vinyl-Experte, Spezialist in Sachen Jazz, und sammelt seltene Platten, die er billig kauft und verkauft. Damit wird er nicht reich, kann sich aber einigermaßen über Wasser halten. Eine seiner ...

Er ist ein Vinyl-Experte, Spezialist in Sachen Jazz, und sammelt seltene Platten, die er billig kauft und verkauft. Damit wird er nicht reich, kann sich aber einigermaßen über Wasser halten. Eine seiner aus einer (Alkohol-)Laune heraus willkürlich verteilten Visitenkarten beschert ihm als „Vinyldetektiv“ unverhofft einen ersten Auftrag: Für einen geheimnisvollen Auftraggeber soll er eine seltene Jazzplatte finden. Zusammen mit der schönen und geheimnisvollen Nevada Warren, seiner Kontaktperson, fahndet er also in Plattenläden, auf Plattenbörsen und Flohmärkten nach dem guten Stück. Dabei häufen sich mysteriöse Todesfälle, die beiden werden verfolgt, und mehr als einmal kommt den beiden ein mehr als merkwürdiges Pärchen in die Quere, das sie „die arischen Zwillinge“ taufen. Diese erweisen sich als skrupellos und zu allem bereit. Der Vinyldetektiv kann schließlich nicht ahnen, dass er einem großen Geheimnis auf der Spur ist und dass ihn dieser Auftrag nach Japan und Los Angeles bringen und ihm alles an Spürsinn und Verstand abverlangen wird...

Originell, skurril, spannend, geistreich – einen Vinyldetektiv gab es meines Erachtens tatsächlich noch nie! Umso erstaunlicher, wie der Autor es schafft, diese beiden Themen zu verknüpfen und aus einem Platten sammelnden Freak einen echten Detektiv zu machen, und damit meine ich nicht nur die Suche nach der Platte, sondern die Suche nach den wahren Hintergründen. Der Vinyldetektiv ist Hauptfigur und Ermittler, aus seiner Perspektive wird die Geschichte in der ich-Form erzählt, auf ihn fokussiert sich alles und von seinem Innenleben erfährt man am meisten – und doch bleibt er interessanterweise die ganze Zeit über namenlos, er bekommt allenfalls Spitznamen. Er ist ein exzellenter Beobachter und sehr gut im schlussfolgern, der Leser weiß immer so viel wie er selbst und kann so wunderbar mit ermitteln. Und so karg die Informationen über ihn sind (er ist zumindest groß und schlaksig und liebt guten Kaffee und seine Katzen), so erfährt der Leser doch genug, um ihm durchs ganze Buch hinweg die Treue zu halten, mit zu fiebern und sich mit ihm zu identifizieren. Doch auch die anderen Charaktere sind durch die Bank weg wunderbar, allen voran Nevada und Tinkler, meine beiden Lieblingsfiguren neben dem Detektiv. Tinkler ist einfach ein herrlicher Nerd, liebenswert und bester Freund des Detektiv. Nevada ist schön und hochintelligent und verdient viel Geld – das ist beängstigend und macht sie nicht auf den ersten Blick sympathisch, aber sie verfügt außerdem über einen ironischen Humor, was sie mit dem Detektiv gemeinsam hat, ist offensichtlich ein großer Katzenfan wie er und ist neugierig und offen für Neues und sich nicht zu schade, sich auf für sie ungewohntes Terrain zu begeben, zum Beispiel Flohmärkte und Second-Hand Läden. Außerdem ist sie tough und mutig und rettet den Vinyldetektiv mehrfach aus bösen Klemmen, auch wenn sie besonders in Teil zwei etwas undurchsichtig ist. Mir gefielen aber auch die anderen Frauenfiguren wie Clean Head und Ree – ebenfalls interessante und starke Persönlichkeiten. Die Dialoge zwischen dem Detektiv und Tinkler und zwischen ihm und Nevada sind einfach köstlich und entlockten mir mehr als einmal ein herzhaftes Lachen, und sehr lustig sind auch Szenen mit Stinky, der mehr und mehr zum Running Gag wird.

Formal ist die Geschichte ganz nach Vinyl-Art in A-Seite und B-Seite unterteilt und diese wiederum in einzelne, mit passenden Überschriften versehene Kapitel. Die A-Seite umfasst den Teil des Auftrags von Nevada, der hier auch abgeschlossen wird, die B-Seite den Auftrag von Ree. Beide ergeben das „große Ganze“. Dabei ist es kein klassischer Krimi und die Bezeichnung „Thriller“ halte ich für gänzlich unpassend. Schade, dass man auf dem – übrigens sehr gelungenen – Cover nicht wie im englischen Original den Untertitel verwendet und eine Genre-Bezeichnung einfach weggelassen hat. Besonders in Teil A ist es eher ein Wohlfühl-Krimi, die Protagonisten befinden sich zum größten Teil auf der Suche nach der Platte. Hier wird auch viel gefachsimpelt, wer also keine Ahnung und kein Interesse an Musik hat, könnte sich hier eher langweilen. Aber auch hier geschehen schon mysteriöse Todesfälle, deren Zusammenhang zu seinem Fall der Detektiv aber erst später erkennt, und in Teil 2 nimmt die Krimihandlung dann deutlich mehr Fahrt auf und die Plattensuche gerät etwas in den Hintergrund.

Fazit: Herrlicher und origineller Vinyl-Krimi mit wunderbaren, skurrilen Figuren und viel Wissen über Platten und Jazzmusik. Auch Katzenfans kommen auf ihre Kosten. Wer das alles nicht mag, lässt besser die Finger davon, allen anderen sei das Buch wärmstens empfohlen. Wer den Humor Ben Aaronovitchs mochte, wird dieses Buch ebenfalls lieben, und Krimifans erwartet eine schlüssige, gut geschriebene und durchaus spannende Krimihandlung. Der Schluss kam mir etwas zu abrupt, ich werde aber dadurch versöhnlich gestimmt, dass es die Folgebände (in Großbritannien erscheint demnächst der vierte Band) bald auch auf deutsch gibt. Ich will unbedingt wissen, was für Aufträge der Vinyldetektiv weiterhin bekommt, wie es mit seinen amourösen Verstrickungen weitergeht und ob er vielleicht einmal seinen Namen verrät...

Veröffentlicht am 11.03.2019

Dritter Fall für Historiker Tomás Noronha - Dubiose Machenschaften im Vatikan

Vaticanum
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Der portugiesische Historiker Tomás Noronha arbeitet gerade in den Katakomben des Vatikan, um das Grab des „ersten Papstes“, das des Apostel Petrus, zu finden, als er in den Vatikan gerufen wird. Der Papst ...

Der portugiesische Historiker Tomás Noronha arbeitet gerade in den Katakomben des Vatikan, um das Grab des „ersten Papstes“, das des Apostel Petrus, zu finden, als er in den Vatikan gerufen wird. Der Papst selbst beauftragt ihn herauszufinden, wer in die Räumlichkeiten des mit den höchsten Sicherheitsvorkehrungen abgeriegelten Vatikans eingebrochen ist und wichtige Dokumente gestohlen hat. Da das übliche Zeichen der Islamisten am letzten Safe vermerkt ist, deutet alles auf eine islamische Terroristengruppe als Täter hin. Zusammen mit der Wirtschaftsprüferin Cathérine versucht Tomás Licht ins Dunkel zu bringen, als die beiden eine viel schrecklichere Nachricht ereilt: Der Papst ist entführt worden! Offenbar ebenfalls von Islamisten, die den Papst um Mitternacht desselben Tages enthaupten und das live im Internet übertragen wollen. Und plötzlich findet sich Tomás mitten in einem Fall wieder, der die ganze Welt in einen Religionskrieg stürzen könnte und der sich als verzwickter erweist als angenommen, zumal sich ein Verräter im engsten Umfeld des Papstes befindet...

Dritter Fall (in Deutschland) nach Das Einstein-Enigma und Der Schlüssel des Salomon für den Geschichtsprofessor und Code-Spezialist Tomás Noronha. Großartig, spannend, erschütternd, einfach ein echter Pageturner! Aber Vorsicht: Wer rasende Action, jede Menge Verfolgungsjagden und diverse Locations wie bei Dan Browns Büchern erwartet, wird hier enttäuscht sein. Die Geschichte findet ausschließlich im Vatikan beziehungsweise in der Vatikanstadt statt, und seine Spannung zieht der Roman meines Erachtens einmal aus der kompakten Handlung, denn die Hauptgeschichte zieht sich nur über einen einzigen Tag hin, sowie zweitens aus den erschütternden Verflechtungen des Vatikans in Mafia-Kreise sowie kriminelle Finanzgeschäfte. Es gibt ungemein viele und sehr detaillierte Informationen zu den Geschäften des Vatikan, die – und das ist das wahrhaft Erschreckende – auf der Wahrheit beruhen. Außerdem erfährt man einiges über Geschichte und Prophezeiungen. Dennoch gibt es durchaus rasante Aktionen, Noronha gerät in Lebensgefahr und muss mehr als einmal flüchten und auf verschlungenen Wegen in den Vatikan gelangen. Besonders auf den letzten etwa hundert Seiten nimmt die Handlung ziemlich Fahrt auf, bis die Spannung im fulminanten Finale kulminiert.

Formal ist das Buch in 101 Kapiteln unterteilt, die die Handlung chronologisch erzählen, plus einer Vor- und Nachgeschichte. Die Perspektive ist ausschließlich die von Noronha, der Leser weiß also das, was Noronha weiß. Alles ist sehr auf ihn als Hauptfigur fokussiert, was den Effekt hat, dass man als Leser so sehr mit ihm mitfiebert, dass man fast schon meint die Abenteuer selbst zu erleben. Noronha gelangt hauptsächlich über die Wirtschaftsprüferin Cathérine an seine Informationen, über lange Phasen hinweg sitzen sie im Archiv und sichten Unterlagen, oder Noronha tut dies alleine. Das mag für manche langweilig sein, ich fand es äußerst spannend, besonders wie Noronha Verbindungen herstellt, Codes knackt und aus allem seine Schlüsse zieht. Er ist wie Sherlock Holmes, wie er letztendlich durch Logik zur richtigen Lösung gelangt. Man sollte nicht den Fehler machen und hier Passagen zu überlesen, denn diese haben einen großen Anteil an der Lösungsfindung. Dadurch, dass das Ganze doch sehr auf ihn ausgerichtet ist, geraten die anderen Figuren fast ein wenig ins Abseits. Dennoch weist der Autor auch ihnen sehr charakteristische Eigenschaften zu, die sie menschlich und authentisch machen. Ich persönlich fand den italienischen Inspektor durchaus gelungen, Maria Flor hingegen eher blass. Sie taucht nach der Anfangssequenz bei der Ausgrabung erst einmal nicht mehr auf, erst ganz am Schluss wieder. Irgendwie fand ich es einigermaßen unglaubwürdig, dass man es den ganzen Tag während all der Ereignisse nicht schafft sich zu kontaktieren. Bei Maria ist es alberner Trotz, Tomás hat das Handy aus und denkt phasenweise überhaupt nicht an seine Verlobte. Insgesamt treten die wenigen Frauenfiguren sowieso eher als Fragenstellerinnen und Zuarbeiterinnen für Tomás in Aktion, denn auch die hochintelligente Catherine ist besonders nützlich als Archivöffnerin und Dokumentensichterin und ansonsten hauptsächlich verführerische Versuchung.

Fazit: Sehr spannender, mit detaillierten Insider-Informationen nicht geizender Roman, der von der ersten Zeile an fesselt, mit einer herausragenden Hauptfigur, mit der man sofort mitlebt. Für alle, die mehr wollen als reißerische Action, und Wert legen auf Fakten und einen Ermittler, der mit wissenschaftlicher Akribie arbeitet und mit Empirie zu seinen Ergebnissen kommt. Und für alle Noronha-Fans sowieso ein Muss! In Deutschland ist dies erst der dritte Teil, insgesamt gibt es aber schon neun Bände, die im portugiesischen Original in einer anderen Reihenfolge erschienen sind. Wer sich dafür interessiert, mehr Infos finden sich bei buechertreff.de oder auf der Seite des Verlags luzar publishing, der 2016 extra für die Veröffentlichung der Dos Santos-Bücher gegründet wurde.

Veröffentlicht am 05.03.2019

Gelungener Start in eine neue Fantasy-Reihe

Das gefälschte Siegel
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Seit sein Bruder ermordet wurde, vegetiert der Fälscher Kevron mehr im Suff als nüchtern vor sich hin, immer in Angst vor Mördern und Gläubigern. Das hätte ewig so weitergehen können, wenn nicht eines ...

Seit sein Bruder ermordet wurde, vegetiert der Fälscher Kevron mehr im Suff als nüchtern vor sich hin, immer in Angst vor Mördern und Gläubigern. Das hätte ewig so weitergehen können, wenn nicht eines Tages Prinz Tymur, fünfter und jüngster Sohn des Königs, an seine Tür geklopft hätte. Der geschwätzige und eitle Prinz hat einen Auftrag für ihn: Er zahlt seine Schulden, dafür soll Kevron ohne Fragen zu stellen seine Kunst als Fälscher beweisen. Hätte Kevron geahnt, dass ihn dieser Auftrag auf eine lebensgefährliche Reise bis ans Ende der Welt führen würde, immer in Gefahr vor Dämonen und nicht wissend, ob nicht einer seiner Mitreisenden besessen ist, er hätte wohl, Feigling der er ist, schnellstens das Weite gesucht. So aber findet er sich auf einem langen Marsch zusammen mit dem launischen Prinzen, der arroganten Magierin Enidin und dem dem Prinzen Tymur treu ergebenen Krieger Lorcan wieder. Mehr als einmal geraten die Gefährten in brenzlige und sogar lebensgefährliche Situationen, bis sie endlich das Ziel ihrer Reise erreichen: das sagenhafte Land der Alfeyn in den Bergen, das Land der unsterblichen Magierin Ililiané...

Großartiger und sehr gelungener Start in eine neue Fantasie-Trilogie, die vom ersten Augenblick an fesselt. Die Autorin, die bislang eher Gothic oder Mystery Romane veröffentlicht hat, überzeugt durchaus mit diesem ersten Band ihrer High-Fantasy-Reihe „Die Neraval-Sage“. Gekonnt verwebt sie verschiedene Erzählperspektiven in ein großes Ganzes und ist dabei immer für eine Überraschung gut. Die Beschreibung ihrer Welten ist reduziert, sie bietet keine Landkarten und detaillierte Kulturgeschichten fremder Völker, ist aber trotzdem sehr anschaulich und lässt gerade dadurch viel Raum für Fantasie. Ihr Schreibstil ist indessen so eingängig und flüssig, dass man sofort in der Geschichte drin ist, und er passt hervorragend zum Genre. Die Welt mutet, wie im Genre üblich, mittelalterlich an, zumindest ist die Gesellschaft, in der die Gefährten zu Hause sind, hochmittelalterlich strukturiert mit einem regierenden König, Adligen, Kriegern, Handwerkern und Bauern. Männer dominieren die Gesellschaft, Frauen sind meist Mägde, Wirtinnen, Witwen, Gattinnen. Interessant ist, dass mächtige Zauberer nur Frauen werden können, und sie sind es auch, die die Welt erforschen und zu erklären versuchen. Die Welt, in der die Gesellschaft lebt, ist magisch, doch im Alltag spielt dies keine Rolle.

Die Geschichte lebt meines Erachtens, zumindest in diesem ersten Band, stark von seinen unterschiedlichen Charakteren, das heißt wie sich die Gefährten finden, auf die Reise begeben und lernen füreinander einzustehen. Die ganz große Action fehlt und auf wildes Schlachtgetümmel wird – zumindest hier noch – verzichtet, was ich durchaus positiv finde. Viel interessanter ist die Legende der Schriftrolle beziehungsweise die Geschichte des Königshauses Damarel. Hierdurch wird die Reise legitimiert. Die Autorin versteht es jedenfalls glänzend, ihre Figuren vielschichtig anzulegen, dabei bleiben diese keineswegs schwarz/weiß, sondern mit sehr vielen menschlichen Facetten und dabei teilweise so zwielichtig, dass man phasenweise nicht mehr weiß, ob derjenige nicht doch ein doppeltes Spiel treibt. Jeder der Reisenden ist wechselweise sympathisch oder unsympathisch, je nach dem welche Gedanken er/sie gerade hat oder wie er/sie gerade agiert. Dabei bleiben alle doch Individuen, ein jeder mit spezifischen Fähigkeiten und Eigenschaften, die ihn von allen anderen unterscheiden und die im Laufe des Geschehens immer wieder zum Vorschein kommen, wie zum Beispiel die Feigheit Kevrons oder die Überheblichkeit Enidins. Jedoch machen sie auch alle eine Art Wandlung durch. Im Reich der Alfeyn beweist Kevron Mut und Beobachtungsgabe, Enidin lernt Demut und Lorcan opfert sich für die Gruppe und das Ziel.

Es ist schon ein sehr bunter und – wie man meinen könnte – willkürlich zusammengewürfelter Haufen, der sich da ins Ungewisse wagt. Jeder ist in seinem Lebensumfeld ein Außenseiter, jeder hat so seine eigenen, manchmal eher selbstsüchtigen Motive, warum er mitkommt. Natürlich ist Prinz Tymur die treibende Kraft, er rekrutiert seine drei Mitreisenden, von denen zumindest zwei ihm inniger zugetan sind als ihnen gut tut. Um ihn und sein Anliegen dreht sich zwar alles, dennoch bleibt er zwielichtig und unberechenbar. Aus seiner Sicht wird kein einziges Kapitel erzählt. Die Perspektive wechselt in schönster Regelmäßigkeit zwischen Kevron, der vielleicht ein bisschen mehr Anteile hat, Enidin und Lorcan, wodurch man naturgemäß in deren Gefühls- und Gedankenwelt intime Einblicke erhält, in Tymurs hingegen nicht. So fragt man sich, warum ausgerechnet derjenige, der ständig das Vertrauen seiner Gefährten verlangt und auch prüft, nicht vielleicht derjenige ist, der am wenigsten Vertrauen verdient.

Fazit: Sehr gelungenes High Fantasy Debüt der Autorin, die es versteht, durch ihre Sprache und ihre Überraschungsmomente Spannung aufzubauen und mit ihren faszinierenden Figuren zu fesseln. Man merkt ihr deutlich ihre Liebe zu Tolkien und Le Guin und dem Genre ganz Allgemein an. Nicht nur der Schluss, der mit einem Paukenschlag daher kommt, zwingt den atemlos am Text klebenden Leser nun am Ball zu bleiben, auch der Wunsch zu wissen, wie es mit den Gefährten weitergeht, lässt uns ungeduldig auf den nächsten Band warten. Ich würde mich außerdem freuen, mehr vom Volk der Alfeyn zu erfahren und möchte auch so langsam einmal einen richtigen Erzdämon kennenlernen!

Veröffentlicht am 04.02.2019

8. Fall für Marina und Phil und ein echter Gänsehaut-Thriller

Jetzt gehörst du mir (Ein Marina-Esposito-Thriller 8)
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Der 8. Fall für Marina Esposito und DI Phil Brennan: In und um Colchester, nordöstlich von London, werden kurz hintereinander drei Männerleichen gefunden, alle erhängt. Allen wurde die Tarotkarte des Gehängten ...

Der 8. Fall für Marina Esposito und DI Phil Brennan: In und um Colchester, nordöstlich von London, werden kurz hintereinander drei Männerleichen gefunden, alle erhängt. Allen wurde die Tarotkarte des Gehängten beigelegt mit Phil Brennans Namen darauf und alle sehen Phil sehr ähnlich. Phil soll nach Colchester reisen, um die dortigen Ermittler zu unterstützen. Er wird zwar von einem der Polizisten abgeholt, kommt aber nie in Colchester an. Marina Esposito ahnt Böses: Phil wurde entführt! Sie setzt alle Hebel in Bewegung um ihren Mann zu finden!

Die Autorin versteht es auch im 8. Fall des Ermittler-Duos meisterhaft, eine komplexe Geschichte zu konstruieren und die Spannung bis zum fulminanten Finale stetig zu steigern. Ihre dem Leser ans Herz gewachsenen Hauptfiguren sind einmal mehr aufs Intensivste persönlich betroffen und stecken tief drin in einem verstörenden Fall, der bis in Phils Vergangenheit reicht. Diesmal ermittelt Marina alleine, denn ihr Ehemann ist in die Fänge einer gefährlichen Psychopathin geraten, die zudem eine Meisterin der Verkleidung ist. Hilfe erhält sie von unerwarteter Seite: von ihrer Freundin Anni, die noch immer den Tod ihres Freundes verarbeitet, sowie der Polizistin Imani, die nach Colchester berufen wurde, um die dortigen Ermittlungen zu unterstützen.

Der vorliegende Band ist in bewährter Manier verfasst. Flüssig und fesselnd und teilweise sehr unter die Haut gehend beschreibt die Autorin die Geschehnisse, wobei sie tief in die Gedanken- und Gefühlswelt der Protagonisten eindringt. Beeindruckend ist, wie sie sich in die unterschiedlichsten Personen hineinversetzen kann, Täter wie Opfer, Ermittler und Privatpersonen, aus deren Perspektive einzelne Handlungsstränge erzählt werden, und deren Motive und Handlungen sie plausibel macht, dabei immer einfühlsam auf die Persönlichkeit eingeht, Schwarzweiß-Malerei vermeidend. Ich finde überhaupt besonders den psychologischen Aspekt des Falles hochinteressant, bei aller Grausamkeit und schockierenden Details sind ihre Figuren komplexe Charaktere, die oftmals schwer traumatisiert sind, Entwicklungen durchmachen und auch mal falsche Entscheidungen treffen. Phils Erlebnisse und psychische Belastung in der Hand der Psychopathin machen Gänsehaut, trotzdem neigt man an manchen Stellen dazu, deren Intelligenz zu bewundern. Mitunter konnte ich allerdings Marinas Entscheidungen nicht nachvollziehen, zum Beispiel begibt sie sich ganz bewusst alleine zu einem psychisch labilen Zeugen, da war die „Falle“ schon vorprogrammiert. Dennoch ist man stark auf Marina fokussiert, dadurch dass Phil als Mitermittler wegfällt und selbst in Gefahr ist, hat Marina – und mit ihr der Leser – ein starkes persönliches Interesse an der Aufklärung des Falles. Auch wenn das eine oder andere Ereignis vorhersehbar ist, sind die Handlungsstränge aus Vergangenheit und Gegenwart auf das Feinste miteinander verwoben und fügen sich am Ende als großes Ganze wunderbar zusammen.

Fazit: Solider, sehr spannender Thriller, bei dem diesmal Marina als Ermittlerin im Vordergrund steht und ihre Brillanz trotz persönlicher Involviertheit einmal mehr unter Beweis stellt. Die Autorin hat nichts von ihrer Schreibkunst eingebüßt und beweist auch im 8. Fall ein Händchen für persönliche Abgründe und psychologische Finessen. Jeder Protagonist ist ein ausgereifter Charakter und wichtig für den Fortgang der Geschichte. Einsteigern empfehle ich das Lesen in chronologischer Reihenfolge – zu stark und zu häufig sind die Bezüge auf frühere Fälle. Und da auch Marinas und Phils persönliche gemeinsame Geschichte stark im Vordergrund steht, versteht man diese Bezüge und Verweise einfach besser, wenn man die Hintergründe aus vorherigen Bänden kennt. Alles in allem aber natürlich ein sehr lesenswertes Buch!

Veröffentlicht am 28.01.2019

Toller 2. Fall für Friederike Matthée von der weiblichen Polizei im Nachkriegsköln

Der Hunger der Lebenden (Friederike Matthée ermittelt 2)
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Köln, 1947: Die Stadt liegt in Trümmern, die Menschen leiden Hunger und lehnen die britischen Besatzer ab. Friederike Matthée von der Weiblichen Polizei lebt mit ihrer Mutter in einer winzigen Wohnung, ...

Köln, 1947: Die Stadt liegt in Trümmern, die Menschen leiden Hunger und lehnen die britischen Besatzer ab. Friederike Matthée von der Weiblichen Polizei lebt mit ihrer Mutter in einer winzigen Wohnung, ihr Bruder wird vermisst, und doch hat sie inzwischen durchaus Freude an ihrer Aufgabe. Im Hochsommer wird sie zu einem Mord hinzugezogen: Die schöne und wohlhabende Gutsbesitzerin Ilse Röder wurde brutal erschlagen. Für die Polizei steht die Schuldige fest: Die Streunerin Franziska wurde mit der Waffe in der Hand neben der Toten gefunden. Sie beteuert ihre Unschuld, gibt aber mit ihren Zornesausbrüchen ein denkbar schlechtes Bild von sich selbst ab. Friederike soll mit ihr sprechen und ihr ein Geständnis entlocken. Je mehr sie sich jedoch mit der Sache befasst, desto mehr ist sie von der Unschuld der jungen Frau überzeugt. Obwohl von ihren Vorgesetzten ausgebremst, beginnt sich zu stochern. Hilfe erhält sie unerwarteterweise aus dem Lager der britischen Besatzer, mit denen sie von ihrem ersten Fall verbunden ist. Als auch noch Richard Davies auftaucht, dem sie im ersten Fall behilflich und dabei nähergekommen war, gerät Friederikes Gefühlswelt endgültig aus den Fugen.

Der Autorin ist nach „Das Echo der Toten“ ein hervorragender, packender und spannender zweiter Fall für Friederike Matthée gelungen. Aus mehreren Perspektiven schildert die Autorin nicht nur einen fesselnden Kriminalfall, sondern auch die Schrecken des Krieges, die Angst, den Hunger und die Verzweiflung der Menschen, ihre teilweisen elenden Lebensumstände, aber auch ihre Hoffnung und ihren Lebenswillen. Sie gibt dabei tiefe Einblicke in die Gefühlswelt sowohl von Erwachsenen als auch von Kindern, von Tätern und Opfern, von Männern wie von Frauen und schafft es immer, die Figuren authentisch und menschlich wirken zu lassen. Die Schicksale lassen einen allesamt nicht kalt, es gibt auch keinerlei schwarz-weiß-Malerei, jeder kämpft auf seine Weise ums Überleben und hat Schicksalsschläge zu verkraften. Friederike ist als Hauptfigur natürlich am meisten präsent, auf ihr, ihrer Vergangenheit und ihrer Ermittlungsarbeit liegt der Hauptteil der Geschichte. Sie ist ein starker und dennoch sehr verletzlicher Charakter, oft voller Zweifel und starker Gefühle. Sie ist aus gutem Hause und hat alles verloren, dennoch kämpft sie für sich und ihre Mutter für ein besseres Leben. Gleichzeitig hat sie einen ausgeprägten Gerechtigkeitssinn und ist sehr empathisch mit ihren Mitmenschen, daher kann sie es nicht akzeptieren, wenn ein Mensch verurteilt wird, ohne dass seine Schuld ausdrücklich erwiesen ist. Damit bringt sie sich mitunter in brenzlige Situationen und muss wegen ihrer Alleingänge um ihren Job fürchten. Nicht jeder ist ihr wohlgesonnen und manch einer hat viel zu verbergen und noch mehr zu verlieren.

Der Fall reicht weit zurück in die Vergangenheit und ist verquickt mit dem zweiten großen Erzählstrang, dem Auffinden von getöteten Kriegsgefangenen auf dem Feld in der Nähe des Anwesens der ermordeten Ilse Röder. Sehr geschickt verbindet die Autorin die vielen Perspektiven, die Erzählstränge und die Verbrechen und gibt immer nur so viel Informationen preis wie nötig sind, um die Spannung aufrecht zu erhalten beziehungsweise weiter zu steigern. Anfangs muss man sich schon sehr konzentrieren, um bei den vielen Akteuren den Überblick zu behalten, praktischerweise ist jedes größere Kapitel mit Datums- und Ortsangabe versehen und alles in allem erstreckt sich das Ganze über einen Zeitraum von etwa einem Monat. Die Handlung ist also sehr kompakt, doch jeder der Personen trägt etwas zur Aufklärung bei und das Buch ist ein echter Pageturner und die Personen und die Geschichte sind einfach zu fesselnd, als dass man das Buch aus der Hand legen könnte. Dazu kommt noch der immens flüssige Schreibstil, der einen die Geschichte richtig gut herunterlesen lässt. Das eine oder andere Mal bin ich über kleine Sprünge im Handlungsablauf gestolpert (z.B. liegt Davies eben noch im Krankenhaus, im nächsten Absatz stößt er zu Friederike und hilft ihr bei einer Ermittlung), dies jedoch tat letztlich dem Lesevergnügen keinen Abbruch. Die Handlung ist geradlinig, die Fäden entwirren sich nach und nach und die Lösung, wie alles zusammenhängt, ist sehr gut nachvollziehbar.

Fazit: Sehr gelungener zweiter Fall für Friederike Matthée im Nachkriegsköln. Für Fans des Genres sowieso ein Muss, Einsteigern empfehle ich das erste Buch zuerst zu lesen, denn auch wenn man dem Fall sehr gut folgen kann, so sind einfach Andeutungen auf vorherige Erlebnisse in ausreichender Zahl vorhanden und man kann Friederikes Handeln und ihre Gefühle einfach besser nachvollziehen. Sehr gelungen finde ich auch die Beschreibungen des historischen Kontextes, der sehr authentisch vermittelt wird und sich gut in die Kriminalgeschichte einfügt. Und außerdem sind es einfach tolle und spannender Bücher, die sich zu lesen lohnt! Ich jedenfalls freue mich auf die weiteren Bände.