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Veröffentlicht am 31.12.2018

Tolles Krimidebüt mit originellem Setting und super sympathischer Ermittlerin!

Doggerland. Fehltritt (Ein Doggerland-Krimi 1)
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Nach schwerem Schicksalsschlag kehrt die Polizistin Karen Eiken Hornby aus London in ihre Heimat Doggerland zurück, um dort als Kriminalassistentin zu arbeiten. Sie lebt zurückgezogen und erträgt stoisch ...

Nach schwerem Schicksalsschlag kehrt die Polizistin Karen Eiken Hornby aus London in ihre Heimat Doggerland zurück, um dort als Kriminalassistentin zu arbeiten. Sie lebt zurückgezogen und erträgt stoisch die sexistischen Sprüche und Diskriminierungen ihres Chefs und ihrer Kollegen. Ab und an gönnt sie sich alkoholische Exzesse und One-Night-Stands. Den absoluten Tiefpunkt erreicht sie am Morgen nach dem Volksfest Oistra, als sie in einem Stundenhotel neben ihrem Chef aufwacht. Leider kann sie ihren Rausch kaum ausschlafen: Später am selben Tag wird sie zu einem brutalen Tatort gerufen. Eine Frau in Karens Wohnviertel wurde tot aufgefunden. Und diese Woche Frau ist ausgerechnet die Ex ihres Chefs. Karen bekommt die Leitung der Ermittlungen übertragen und ist fortan nicht nur in einen undurchsichtigen Fall verstrickt, der weit in die Vergangenheit zu reichen scheint, sondern auch ängstlich bemüht ihre eigene Involviertheit vor ihren Kollegen und Vorgesetzten zu verbergen...

Sehr solider, spannender und fesselnder Krimi, der durch seine starke Hauptfigur und dem originellen Lokalkolorit glänzt. Der Schreibstil ist sehr eingängig und gut zu lesen und fesselt von der ersten Zeile an. Man lebt sofort mit Karen mit, sie ist durch und durch eine sympathische und zutiefst menschliche Hauptfigur mit all ihren Schwächen. Durch ihren Schicksalsschlag ist sie traumatisiert und hat eine Mauer um sich errichtet, hinter der sie sich verschanzt und keine tieferen Gefühle mehr zulässt. Sie ist eine gute Polizistin, doch hat sie keinen Ehrgeiz mehr und weder Lust noch Kraft, gegen die sexistischen Äußerungen ihrer Kollegen zu kämpfen. Bis sie diese Chance erhält die Leitung zu übernehmen, da ihr Chef aufgrund der persönlichen Betroffenheit freigestellt wird. Auch wenn sie große Zweifel plagen und sie sich manchmal nach ihrem gewohnten Trott zurücksehnt, wächst sie doch über sich hinaus und emanzipiert sich nicht nur gegenüber den Kollegen, sondern reift auch selber, ihre Mauern werden nach und nach dünner und schließlich eingerissen. Auch dadurch, weil sie sich Menschen gegenüber öffnet, bei denen man es spontan überhaupt nicht für möglich gehalten hätte und was einen sehr berührt.

Der Fall als solcher ist vertrackt und verlangt Karen einiges ab, zumal sie sehr bemüht ist ihre Verstrickung wegen der Affäre mit ihrem Chef zu verbergen. Das macht sie sehr geschickt und clever und muss trotzdem jede Minute fürchten, dass es publik wird. Außerdem muss sie sich als Leiterin erst einmal gegenüber ihren Kollegen durchsetzen. Die Perspektive ist weitgehend die Karens, daher erfährt man von ihrem Innenleben am meisten. Je mehr sie sich den Mitmenschen öffnet, desto mehr erfährt auch der Leser, was sie quält. Kurze Perspektivwechsel machen die Sache interessant, dienen aber oft nur zu näheren Beschreibung. Bei alle Emotionalität und privaten Krisen bleibt der Fall doch immer im Vordergrund und wird dabei immer undurchsichtiger. Karens Theorie, dass die Wurzel allen Übels in einer Kommune aus dem Jahr 1970 liegt, wird von ihren Kollegen ignoriert, von den Einschüben im Text jedoch untermauert. In kürzeren Kapiteln wird aus dieser Kommune gerade immer nur soviel preis gegeben, wie es zum Ermittlungsstand passt, so dass auch dies den Spannungsbogen langsam aber sicher zum fulminanten Finale voran treibt.

Besonders interessant und skurril fand ich das Setting. Das ist echt mal originell. Doggerland, eine fiktive Insellandschaft, ist eine Mischung aus England und Skandinavien, wobei skandinavische Einflüsse meines Erachtens überwiegen. Die Menschen sind zumeist in der Fischerei tätig, trinken und feiern gern, haben kalte Winter, Fährverbindungen in alle Richtungen und bleiben doch am liebsten auf ihrem Eiland und beklagen wie alle den Niedergang ihrer Kultur. Man kennt sich untereinander und Fremde will man nicht haben. Wobei fremd jeder ist, der nicht auf Doggerland geboren ist. Über diesen zumeist recht skurrilen Menschenschlag hätte ich sehr gerne mehr erfahren. Die Szenen, in denen Karen, die zum Glück weiß, wie man diese eigenwilligen Leute zu nehmen hat und dies auch für ihre Ermittlungen sehr klug nutzt, fand ich mit am besten und sie zeugten zumeist von einer großen Portion Humor. Durch das Jahrzehnte alte Wissen der einheimischen Bevölkerung bekommt Karen, die heimgekehrte Tochter, die besten Hinweise. Auch wenn man irgendwann eine vage Ahnung hat, was passiert sein könnte, überschlagen sich die Ereignisse zum Ende hin doch mehr und mehr und man kann einfach nicht mehr aufhören zu lesen. Die Lösung ist denn auch gut herausgearbeitet und befriedigend und auch der emotionale Aspekt kommt nicht zu kurz.

Fazit: Großartiges Krimidebüt einer Autorin, die man sich unbedingt merken sollte. Für Fans des (Skandinavien-)Krimis ein Muss, aber auch für Einsteiger ins Genre sehr gut geeignet. Mit Karen Eiken Hornby ist der Autorin eine sehr authentische Ermittlerfigur gelungen, die super sympathisch ist und die das Potential hat um sich weiter zu entwickeln und uns noch mit vielen weiteren Fällen zu erfreuen. Auch ihre Mitstreiter und die Menschen von Doggerland sind charakterlich gut herausgearbeitet und machen Lust mehr über sie zu erfahren. Ich jedenfalls freue mich schon auf den nächsten Band!

Veröffentlicht am 30.11.2018

Spannender und kompakter historischer Roman aus der Bremer Stadtgeschichte

Gredje von Essen
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Bremen, 16. Jahrhundert: Die bis dahin bei ihrer Großmutter, einer Kräuterfrau und Hebamme, in sehr einfachen Verhältnissen aufgewachsene Wübke kommt als 6jährige als Dienstmädchen zur reichen Kaufmannswitwe ...

Bremen, 16. Jahrhundert: Die bis dahin bei ihrer Großmutter, einer Kräuterfrau und Hebamme, in sehr einfachen Verhältnissen aufgewachsene Wübke kommt als 6jährige als Dienstmädchen zur reichen Kaufmannswitwe Gredje von Essen. Deren Regiment ist streng aber gerecht, und vor allem anderen lehrt sie Wübke lesen und schreiben, eine eher seltene Fähigkeit in jener Zeit. Die Witwe macht sich mit ihrer Art nicht überall Freunde und weist außerdem die Avancen ihres neuen Nachbarn ab, was dieser nicht verwinden kann. Die nächstbeste Gelegenheit nutzend, denunziert er sie beim Rat als Hexe, und Gredje wird, samt Wübke, ins Verlies geworfen und einer peinlichen Befragung unterzogen. Mehr tot als lebendig kann sie durch eine List befreit werden und auch Wübke entkommt dem Verlies. Können die Frauen ihre Dämonen besiegen und ein neues Leben anfangen?

Atmosphärisch dichter, komplexer Roman über die im Ursprung wahre Geschichte der „Hexe“ Gredie von Essen, aus der Sicht ihres Dienstmädchen Wübke erzählt. Das relativ dünne Buch kommt als sehr gut gebundenes Paperback mit wunderbar gestaltetem Umschlag daher. Die Geschichte ist kompakt erzählt und zeugt von ungeheurem detailliertem historischen Wissen der Autorin, die die mitunter verwirrenden politischen Verhältnisse und Ränke jedoch in eine kompakte, gut zu lesende Sprache packt. Die Geschichte ist spannend, fesselt von der ersten Zeile an und ist gerade durch ihre Kompaktheit nicht eine Sekunde langweilig. Direkt, kompromisslos und ohne Effekthascherei führt uns die Autorin in eine Welt im Umbruch, voller Aberglaube und Gottesfurcht. Mit klarer Sprache beschreibt sie sehr authentisch Lebensumstände der Menschen, politische und religiöse Geschehnisse, aber auch große Gefühle wie Freundschaft, Liebe und Verrat.

Formal teilt sich der Roman in zwei Teile – die Zeit in Bremen bis 1565 und die Zeit bis 1580. Dabei springt die Erzählung oft zwischen den Jahren vor und zurück, hilfreicherweise sind die einzelnen Kapitel mit Orts- und Zeitangaben versehen. Aus der Sicht Wübkes in der Ich-Form erzählt, gibt die Geschichte tiefe Einblicke in das Seelenleben vor allem in die Gefühlswelt des Dienstmädchens. Sie ist die eigentliche Hauptfigur der Handlung, ihr Charakter macht die größte Wandlung durch. Durch ihre schrecklichen Erlebnisse wird sie erwachsen und entwickelt sich von der reinen Befehlsempfängerin in eine Frau, die mit gewitztem Verstand ihr Vermögen zu vermehren versteht. Dennoch ist und bleibt sie empathisch und emotional, ihre Familie geht ihr über alles und ihre Gefühlswelt ist alles andere als abgestumpft. Wübkes Charakter ist am ausgefeiltesten, mit ihr lebte ich von Anfang an intensiv mit. Doch auch die anderen Figuren sind gut gezeichnet und vielschichtig. Am interessantesten und sympathischsten findet man ja zumeist diejenigen, die nicht einseitig schwarz und weiß dargestellt werden, die sowohl gute als auch schlechte Eigenschaften haben, das macht sie menschlich, sie haben Persönlichkeit und sind authentisch, wie zum Beispiel in diesem Fall vor allem Hinrich Lütz und natürlich Gredje von Essen. Über diese will man als geneigter Leser am liebsten viel mehr erfahren, als es der Fall ist, und deswegen sowie aufgrund des recht offenen Endes werde ich sicherlich nach weiteren Büchern der Autorin Ausschau halten.

Fazit: sehr guter historischer Roman, der förmlich nach einer Fortsetzung ruft! Der Autorin ist ein überzeugendes Debüt gelungen, die spannende Darstellung einer sehr speziellen Begebenheit aus der Bremer Geschichte. Wer als Leser ein gewisses Interesse an detailliert und fundiert dargestellten historischen Ereignissen besitzt, wird sicherlich tief in dieses Buch eintauchen und sehr viel neues Wissen daraus gewinnen. Für Einsteiger in das Genre eher nicht geeignet, ist das Buch für geschichtsbegeisterte ein wahrer Lesegenuss sowie für alle, die starke Frauenfiguren lieben.

Veröffentlicht am 18.10.2018

Psychogram, eines Mörders

Das Geheimnis der Grays
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Jedes Jahr an Weihnachten lädt der grantige Landadlige Adrian Gray seine Familie zu sich ins Herrenhaus ein. Diese fügen sich, schließlich muss man den Schein wahren. In diesem Jahr 1931 jedoch geschieht ...

Jedes Jahr an Weihnachten lädt der grantige Landadlige Adrian Gray seine Familie zu sich ins Herrenhaus ein. Diese fügen sich, schließlich muss man den Schein wahren. In diesem Jahr 1931 jedoch geschieht etwas Unfassbares: Adrian Gray wird tot in seiner Bibliothek gefunden, ermordet von einem seiner Angehörigen. Die Ermittlungen und anschließenden Verhandlungen ruinieren nicht nur eine Existenz….

Sehr durchdachte Darstellung über den Zerfall einer Familie und die Auswirkungen einer einzelnen unbedachten Handlung. Ein Psychogramm nicht nur des Mörders, sondern aller Charaktere, die man jeden einzelnen tiefenpsychologisch analysieren möchte. Das Buch ist wahrlich kein klassischer Whodunnit-Krimi, denn schon im zweiten Teil erfährt man alles über Mörder und Tathergang, insofern ist der deutsche Titel etwas irreführend. Der englische, „Portrait of a Murderer“, passt sehr viel besser, denn man erfährt ungeheuer viel über die innere Zerrissenheit, die Motive, die Lebensumstände und geheimen Wünsche des Mörders. Ich persönlich fand aber nicht unbedingt seine Persönlichkeit am Faszinierendsten. Die Charaktere sind durchweg alle sehr ausgefeilt und bis hin zu Nebenfiguren vielschichtig und wichtig für die Handlung. Einige stechen natürlich besonders heraus, unter anderem der Mörder, der mir aber ehrlich gesagt nicht genug sympathisch war und dessen Handlungen ich oftmals nicht recht nachvollziehen konnte, obwohl seine „geistige Größe“ mehrfach hochgelobt wurde. Das ist aber sicherlich Geschmackssache. Mir gefielen der ermittelnde Polizist, der einen interessanten familiären und beruflichen Hintergrund hat, und Isobel, eine der Schwestern, sehr gut, über diese hätte ich gerne mehr erfahren. Außerdem und ganz besonders mochte ich das aufklärende Familienmitglied, den angeheirateten Anwalt Miles, dessen Zwiespalt, ob er den Mörder wirklich an den Pranger liefern soll, sehr überzeugend vermittelt wird. Miles ist hochintelligent, aber wenig ehrgeizig, er ist empathisch und menschenfreundlich und hat einen ausgeprägten Sinn für Gerechtigkeit. Schon vorher grübelt er über den Fall und wälzt mehrere Möglichkeiten hin und her. Der Lösung kommt er aber letztendlich durch mehrere zufällig erhaltene Informationen auf die Spur, doch diese verknüpft er so geschickt und clever mit seinen eigenen Überlegungen, dass er alleine durch Logik alles vollständig aufklärt und schließlich doch für Gerechtigkeit sorgen kann. Insofern ist es wiederum tatsächlich eine Detektivgeschichte, bei der dem Leser nur eben „im Nachhinein“ alles dargelegt wird.

Die Geschichte ist sehr strukturiert in sieben Teile aufgeteilt, welche wiederum in einzelne Kapitel durchnummert werden. Im ersten Teil wird vollumfänglich die Familie vorgestellt, was schon eine sehr gute Charakterstudie darstellt und zeigt, wie die Persönlichkeiten der Kinder Grays sowie der Angeheirateten gepolt sind. Alles in allem ist die Geschichte sehr kompakt und besticht auch weniger durch große Action, ständigen Handlungsabläufen oder weitreichender Ermittlungsarbeit, sondern in hohem Maße an psychologischer Raffinesse. Die Beschreibung der einzelnen Eigenschaften der Protagonisten nehmen den größten Raum ein, ihr überbordender Egoismus, Skrupellosigkeit und Gier auf der einen sowie die Träume und Wünsche und innere Zerrissenheit auf der anderen Seite werden überdeutlich. Und so zerfällt mit dem Tod des Vaters ihre Scheinwelt komplett zu Trümmern. Diejenigen jedoch, die vorher schon bescheiden und zufrieden waren, wie zum Beispiel Isobel, leben auf und sind befreit von der Last den Schein um jeden Preis zu wahren. So erwächst sich für einige wenige doch noch etwas Gutes aus der Geschichte.

Fazit: Psychogramm eines Mörders und einer Familie, schriftstellerisch auf höchstem Niveau. Sehr gehobener Schreibstil, dennoch fesselnd und gut zu lesen. Mir persönlich gefallen Whodunnit-Krimis besser, und wer diese Form der klassischen (englische) Detektivgeschichte bevorzugt, ist hier falsch, der sollte lieber, als Weihnachtskrimi, „Geheimnis in rot“ von Mavis Doriel Hay lesen. Wer allerdings Sinn hat für tiefschürfende Charaktere vor der geheimnisvoll-düsteren Kulisse englischer Herrenhäuser, der ist hier genau richtig.

Veröffentlicht am 11.10.2018

Starker historischer Roman im Prag des Spätmittelalters

Alchimie einer Mordnacht
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Prag, 1599: Der junge Gelehrte Christian Stern ist gerade frisch aus Würzburg in der Stadt eingetroffen, um sich am Hof König Rudolfs II. einen Namen zu machen. Gleich am ersten Abend findet er – völlig ...

Prag, 1599: Der junge Gelehrte Christian Stern ist gerade frisch aus Würzburg in der Stadt eingetroffen, um sich am Hof König Rudolfs II. einen Namen zu machen. Gleich am ersten Abend findet er – völlig betrunken - die Leiche einer jungen Frau, brutal ermordet im Schnee liegend. Obwohl er es meldet, wird er kurz darauf verhaftet und von allen möglichen hohen Amtsträgern des Hofes befragt, bis er sogar den König selbst trifft. Es stellt sich heraus, dass die junge Frau die Tochter des Hofarztes sowieso die aktuelle Geliebte des Königs war. Dieser beauftragt Stern mit der Aufklärung des Verbrechens. Stern steht eine Zeit lang hoch in der Gunst des Königs und nimmt am Hofleben teil, in dessen Intrigen er bald fest verwoben ist, doch der Aufklärung des Falles kommt er keinen Deut näher. Es bleibt nicht bei einer Leiche, und bald kann er Freund und Feind nicht mehr voneinander unterscheiden…

Üppiges Sittengemälde des Prager Hofes im Spätmittelalter, an dem so mancher Höfling eben noch hoch in der Gunst stand, nur um umso tiefer zu fallen, an dem sich Allianzen und Grüppchen bildeten, die alle gegeneinander intrigierten und an dem so mancher schneller im Kerker oder in der Verbannung landete als er den Kopf drehen konnte. Der Autor versteht es hervorragend, diese Zeit aufleben zu lassen, dem etwas skurrilen, politisch jedoch passiven König eine Persönlichkeit zu geben und insgesamt die Beschreibungen der Charaktere und deren Umfeld authentisch wirken zu lassen. Dabei erhebt der Autor keinesfalls den Anspruch, immerzu historisch korrekt zu bleiben, wie er in seinem Nachwort erläutert. Caterina Strada zum Beispiel, die jahrelange Geliebte des Königs, war in Wahrheit im Jahr 1599 gerade einmal um die 20 Jahre alt. Der Schreibstil ist wunderbar flüssig, dabei durchaus gehoben, und aus der Sicht Christian Sterns erzählt, der rückblickend als alter Mann die Ereignisse erzählt. Dadurch lebt man sehr mit ihm mit, die Geschichte ist sehr stark auf ihn fokussiert. Mit ihm ist dem Autor auch wirklich eine Figur gelungen, die mit all ihren Stärken und Schwächen zutiefst menschlich und sympathisch ist.

Das Buch kommt im Übrigen sehr schön gebunden mit Lesezeichen daher, der Schutzumschlag ist sehr ansprechend, wenn auch das Cover nicht unbedingt spätmittelalterlich anmutet. Der zeitliche Rahmen bewegt sich nur über einen Zeitraum von Dezember 1599, der Ankunft Sterns, bis Januar 1600, seine Abreise, also nur höchstens zwei Monate. Als „historischen Kriminalroman“ würde ich das Ganze nicht bezeichnen, eher als historischen Roman mit kriminalistischen Elementen. Stern muss man zu Gute halten, dass er wirklich ins kalte Wasser geworfen und völlig überrollt wird, er füllt seine neue Rolle auch eher unzureichend aus. Er ermittelt nicht wirklich, sondern erhält Informationen eher zufällig und überraschend und Erkenntnisse treffen ihn erst spät. Am Ende werden die Morde zwar aufgelöst, das findet aber im Verborgen statt und hat nur Konsequenzen für ihn selbst. Stern ist durch und durch ein Kind seiner Zeit, dem schönen Leben und den Frauen zugetan, dabei aber sehr empathisch und intelligent. Der Fall beschäftigt ihn durchaus, aber nur aus dem Grund, weil er die Tote gefunden hat. Er ermittelt nicht im klassischen Sinn, sondern lässt sich treiben mit den Geschehnissen bei Hof, und manchmal überträgt sich das auch auf die Geschichte, die ein wenig dahinplätschert, bis sie gegen Ende wieder deutlich Fahrt aufnimmt. Von den Charakteren her ist es ein starkes Buch, wobei auch einige vermeintliche „Nebenfiguren“ hervorstechen. Über Malaspina zum Beispiel oder einige andere hätte ich gerne mehr erfahren. Übrigens finde ich den englischen Titel „Prague Nights“ etwas passender als den deutschen. Vieles findet eben in den mysteriösen Prager Nächten statt, wo graue Schatten lauern und Verbrechen geschehen. Die Konzentration erfolgt nicht so sehr auf „die eine Mordnacht“, sondern viel eher auf diese vielen bösartigen Spielchen und vermeintlichen Bündnisse und Zusammenhänge am Hof.

Fazit: Ein starker historischer Roman mit authentischen, gut herausgearbeiteten Personen. Wer einen richtig spannenden Krimi erwartet, ist hier leider falsch. Wer mehr über die historischen Hintergründe aus der Zeit Rudolfs II. erfahren möchte, wie zum Beispiel die Religionskriege oder die Ränke der Habsburger untereinander, ebenso. Politische und historische Ereignisse werden zwar erwähnt, spielen aber eine eher untergeordnete Rolle. Wer sich aber in ein farbenfrohes Sittengemälde voller Intrigen, Verbrechen, Lügen und falschen Freunden mit vielschichtiger Hauptfigur hineinversetzen möchte, wird hier fündig und erhält gute Unterhaltung in gehobenen Stil.

Veröffentlicht am 11.09.2018

Großartiger Karl May-Roman mit authentischen Charakteren

Das Flimmern der Wahrheit über der Wüste
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Karl May, Deutschlands wohl berühmtester Autor von Abenteuer- und Reiseromanen, ist bereits 57, als er 1899 zum ersten Mal zu einer Reise aufbricht, die ihn über Genua nach Ägypten, Israel, Eritrea, Britisch-Ceylon ...

Karl May, Deutschlands wohl berühmtester Autor von Abenteuer- und Reiseromanen, ist bereits 57, als er 1899 zum ersten Mal zu einer Reise aufbricht, die ihn über Genua nach Ägypten, Israel, Eritrea, Britisch-Ceylon bis nach Sumatra führt. Zu dieser Zeit hatte er seine bekanntesten Werke wie die Winnetou-Bände, Durchs wilde Kurdistan, Der Schut, etc. bereits veröffentlicht und war in ganz Deutschland bekannt als Old Shatterhand beziehungsweise Kara Ben Nemsi. Auf seiner Reise begegnet er vielen Menschen, die ihn erkennen und von ihm selbst seine Geschichten hören wollen. Nicht wenige Male wird er auch um eine Kostprobe seiner Kunst gebeten. Sein Diener Sejd begleitet ihn seit Ägypten und lernt ihn da sehr viel besser kennen als jeder andere Reisebegleiter. Auf dem letzten Stück der Reise reist er zusammen mit seiner Frau Emma und dem befreundeten Ehepaar Richard und Klara Plöhn, auf die er im Dezember 1899 in Arenzano, Italien trifft. Zurück in Radebeul ist er durch das Reisen ein anderer Mensch geworden, die Ehe mit Emma wird für beide Seiten immer schwieriger, und Karl May fragt sich zunehmend, ob Emma, mit der er 22 Jahre verheiratet ist, ihn wirklich versteht und ihn in seinem künftigen Werk die Unterstützung geben kann, wie von ihm erhofft.

Großartiger, sehr authentischer Roman über die erste Auslandsreise des großen Schriftstellers Karl May. Der Zeitrahmen des Berichts erstreckt sich nur über einen Zeitraum von April 1899 bis Dezember 1902, auch wenn der Leser natürlich aus dem Leben vor und nach dieser Zeit einiges erfährt. Geschickt wechselt der Autor zwischen dem Reisezeitraum und der Gegenwart, in diesem Fall die Zeit unmittelbar nach der Reise bis zur Scheidung und Neuheirat Karl Mays. Zusätzlich geben Einschübe wie Zeitungsartikel und Berichte des Weltgeschehens, wie den Bau des Suez-Kanals, Zusatzinformationen, die sehr gut zur eigentlichen Geschichte passen. Der Schreibstil ist sehr gehoben und wirkt auf den modernen Leser altertümlich, davon zeugen Schriftweisen wie „Civilisation“ oder Wörter wie „just“ sowie die teilweise recht verschachtelten Sätze, was dem Lesevergnügen aber absolut keinen Abbruch tut, im Gegenteil dem Ganzen noch mehr Authentizität verleiht und sich einfach wunderbar lesen lässt. Die Geschichte wird von einer Art übergeordnetem, allwissendem Erzähler berichtet, der wie ein Beobachter auf das aktuelle Geschehen schaut und oft Erläuterungen oder Hinweise gibt. Der Leser wird auch mehrfach direkt angesprochen und so direkt in die Geschichte mit einbezogen. Alles in allem ist das Ganze sehr flüssig und mit einem großen Augenzwinkern geschrieben.

Auf der Person Karl May als Hauptfigur liegt natürlich der größte Fokus. Man verfolgt seine Reisen und Erlebnisse, in seine Gedankenwelt taucht man am besten ein und bekommt die meisten Einblicke. Aber auch die anderen Protagonisten wie seine Frau Emma oder die Freunde Klara und Richard Plöhn werden vielschichtig und menschlich dargestellt und sind als Charaktere sehr gut nachvollziehbar. Als Karl-May-Leser und Fan seiner Abenteuergeschichten wird man – das ging mir so – schon etwas desillusioniert, was Karl May als Persönlichkeit angeht. Natürlich weiß man, dass er ein ungeheuer produktiver Autor war, dass die Geschichten weitgehend am Schreibtisch mit Hilfe von Lexika entstanden sind und man kennt grob die Lebensgeschichte mit den Gefängnisaufenthalten. Die Beschreibung seiner Persönlichkeit jedoch erfordert detailliertere Kenntnisse und Forschung. Die Geschichte wurde auf der Basis dieser Forschungen verfasst, und auch wenn natürlich Details zu Begebenheiten, Handlungen und Gefühlsausbrüchen fiktiv sind – dafür ist es immer noch ein Roman – so wirken doch die zu Karl Mays Charakter sehr wahr.

May ist keinesfalls der starke Old Shatterhand, sondern wirkt eher wie ein großes Kind mit überbordender Fantasie, der sich mit zunehmendem Ruhm mehr und mehr in seiner Fantasiewelt verliert. In dieser ist er welterfahren, immer souverän und unbesiegbar, in der echten leider eher hilflos und schwach. Sehr gut erkennbar wird dies durch Einschübe seiner eigenen Gedanken, die durch Kursivschrift hervorgehoben werden, etwa auf seinen Reisen, wenn zum Beispiel sein einsamer Spaziergang durch die Gassen von Kairo beschrieben wird, er sich hoffnungslos verirrt, aber gleichzeitig denkt wie er sicher durch die Straßen streift und von allen Einheimischen begrüßt wird. Seine Gedanken stehen damit immer konträr zum wahren Geschehen. Er lebt in einer anderen Welt, was sich zunehmend auch in Wahnvorstellungen äußert. Karl hat ein völlig unrealistisches Selbstbild, er ist egozentrisch und kritikresistent, giert nach Aufmerksamkeit, ist schnell beleidigt und reagiert dann wie ein bockiges Kind. Dies ist auch nicht erst seit der Orientreise so, sondern spiegelt sich sehr schön auch in Episoden wie die der gestohlenen/geliehenen Uhr und wie er diese seinen Eltern präsentiert. Nun sieht er jedoch sich und seine Wahrheit bedroht, denn immer mehr Zeitungen in der Heimat äußern Zweifel an der Richtigkeit seiner Darstellungen und damit auch an seiner Person als Old Shatterhand. Er sieht sich gezwungen seinen Kritikern entgegen zu treten und genau dazu soll diese Reise dienen. Dennoch ist er eben auch ein kluger und einfallsreicher Mensch, und sein Herausmanövrieren aus für ihn kritischen Situationen, wenn beispielsweise Mitreisende Kostproben seines Könnens verlangen und er genau weiß, er kann sie nicht geben, sind echte Eulenspiegeleien und köstlich zu lesen, so etwa das Aufsagen eines chinesischen Gedichts als Beweis seiner Sprachkenntnisse.

Die Reise verändert ihn und sein Leben auf vielfältige Weise. Er selbst wird moralischer und will am liebsten seine ersten, etwas anstößigen Werke vergessen machen. Sein Geist ist voll von Ideen und Eindrücken und er hat das Gefühl diese nicht mit seiner Frau teilen zu können. Dies wird durch den Tod seines besten Freundes Richard verstärkt. Mit ihm verliert er nicht nur einen verständnisvollen und einfühlsamen Zuhörer und Gesprächspartner, auch die Beziehungen der Verbliebenen untereinander verändern sich. Es entsteht eine Menage á trois zwischen Karl, Emma und Klara, und dies tut keinen richtig gut. Karl fühlt sich mehr und mehr zu Klara hingezogen, das widerspricht jedoch seinen strengen Moralvorstellungen. Aber auch hier schafft er es, sich eine Scheidung plausibel zu machen und diese als absolut unabdingbar anzusehen. Charakterlich sind auch Emma und Klara sehr interessant und kommen sehr nah an Hauptfiguren heran, ihre Persönlichkeiten sind sehr gut herausgearbeitet und teilweise überraschend. Bei mir wandelte sich Antipathie in Sympathie (bei Emma) und umgekehrt (bei Klara) und ich lebte stark bei diesem Trio und seinen Irrungen und Wirrungen mit.

Fazit: Großartiger Roman mit Karl May als Hauptfigur, vielschichtig und durchaus komplex und auch tiefenpsychologisch interessant. Karl May- Fans sollten sich auf eine realistische Darstellung ihres Idols einstellen, aber sie erwartet genau wie alle anderen eine spannende Reise durch den Orient und durch Karl Mays Leben. Dem Autor ist ein wunderbar literarischer Schreibstil zu eigen und ihm gelingt eine sehr authentische Darstellung der Begebenheiten. Mich hätte noch seine Motivation interessiert, ausgerechnet als Textchef eines Wirtschaftsmagazins einen Karl-May Roman zu schreiben, leider habe ich dazu nichts im Netz gefunden. Einziger kleiner Wehrmutstropfen im eBook war der fehlerhafte Link zur Karte, der lautete dort www.kiwi-verlag.de/karteflimmern-der-wahrheit und ging weder im Handy noch im Tablet, Varianten eingeben sowie elektronische Nachfrage beim Verlag fruchteten leider auch nicht. Der korrekte Link lautet https://www.kiwi-verlag.de/buecher/specials/karte-flimmern-der-wahrheit.html. Alles in allem ein sehr lesenswertes Buch, das zum Nachdenken anregt und nachhallt.