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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 13.07.2019

Erinnerungen

Vienna
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Eva Menasse entwirft ein Portrait über drei Generationen einer jüdischen Familie in Wien. Von der Großmutter, die beim Bridgespiel beinahe die Geburt des Sohnes verpasst, über den Vater, der während des ...

Eva Menasse entwirft ein Portrait über drei Generationen einer jüdischen Familie in Wien. Von der Großmutter, die beim Bridgespiel beinahe die Geburt des Sohnes verpasst, über den Vater, der während des Krieges nach England evakuiert wird und Karriere als Fußballer macht, bis zum Bruder, der als Schriftsteller bekannt wird.

Grundsätzlich bin ich sehr gut unterhalten worden, aber es gibt in diesem Debutroman ein paar Schwächen. Zum einen bleiben die Figuren weitestgehend namenlos; so sind einige Passagen sehr verwirrend, wenn im gleichen Satz von seinem Vater, meinem Vater, dem ältesten Vetter, meiner Schwester, seiner Mutter die Rede ist. Kann sein, dass im gleichen Zusammenhang noch mehr Verwandte auftauchen. Das ist alles sehr witzig, aber doch schon sehr überzogen und wie angedeutet, manchmal ist nicht mehr nachvollziehbar, wer jetzt gemeint ist. Dazu haben manche Kapitel Längen (das Kapitel über den Tennisclub war unglaublich geschwätzig), bei anderen hätte ich mir noch mehr gewünscht (das Kapitel über das Verhältnis der Eltern zeigt die Klasse der Autorin; selten habe ich so gut über Zwischenmenschliches gelesen). Auch das Kapitel über die Beerdigung des Großvaters ist großartig gelungen. Zwei sehr unterhaltsame Charaktere bekommen allerdings einen Namen: Die Tante Gustl und ihr Mann Dolly sind Beispiele für die Verwandten, die wir alle haben: Wir wollen sie nie dabei haben und trotzdem liefern sie den meisten Gesprächsstoff; herrliche Szenen. Was sich mir nicht erschlossen hat, warum Tante Katzi totgeschwiegen wird, nachdem sie in Kanada gestorben ist; vielleicht habe ich das überlesen.

Viele Worte und auch ein Sinn: Trotz Schwächen ist Vienna ein gelungener Roman über das Judentum, über Familie, über Wien und gegen das Vergessen.

Veröffentlicht am 10.07.2019

Für zwischendurch

In einer Winternacht
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Sondra sucht ihre Tochter, die sie vor sieben Jahren als Neugeborenes vor einer Kirche ausgesetzt hat. Alvirah Meehan findet die richtige Spur.

In einer Winternacht ist ein typischer Mary Higgins Clark. ...

Sondra sucht ihre Tochter, die sie vor sieben Jahren als Neugeborenes vor einer Kirche ausgesetzt hat. Alvirah Meehan findet die richtige Spur.

In einer Winternacht ist ein typischer Mary Higgins Clark. Hier wird sich nicht mit großen Beschreibungen beschäftigt, hier wird gehandelt. Das Personal bleibt oberflächlich und trotzdem sind sie allesamt Sympathieträger. Wie auch immer die Autorin das macht, es gelingt ihr immer wieder. Bei nur 192 Seiten gelingt ein Spannungsbogen für den andere 400 Seiten brauchen. Neben der Haupthandlung um die verschwundene Tochter entlarvt Alvirah im Vorbeigehen auch noch ein Trickbetrügerpärchen und untersucht ein gefälschtes Testament. Vielleicht, nein nicht vielleicht, ganz sicher ist das nicht besonders realistisch, aber bei einem Roman, den ich in neunzig Minuten ausgelesen habe, kann ich auch keine hohe Krimiliteratur erwarten. Ich bin in der Lesezeit spannend unterhalten worden und genau das wollte ich.

Nicht der beste Krimi von Mary Higgins Clark, aber für zwischendurch auf jeden Fall empfehlenswert.

Veröffentlicht am 08.07.2019

Grundsätzlich nicht schlecht

Krähenmädchen
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Wie viel Leid kann ein Mensch verkraften, ehe er selbst zum Monster wird?

In Krähenmädchen liegt der erste Band einer Trilogie vor. Heute beendet, bin ich mir noch unschlüssig, ob ich die beiden Folgebände ...

Wie viel Leid kann ein Mensch verkraften, ehe er selbst zum Monster wird?

In Krähenmädchen liegt der erste Band einer Trilogie vor. Heute beendet, bin ich mir noch unschlüssig, ob ich die beiden Folgebände lesen werde. Grundsätzlich ist der Thriller spannend geschrieben, wenn auch mit dem ein oder anderen Hänger und der ein oder anderen Logikschwäche. Die Hänger ergeben sich für mich in einigen Wiederholungen, die Logikschwächen sind im Grunde Kleinigkeiten, die das Ganze für mich aber ein bisschen unrund machen. Personaltechnisch habe ich schon Besseres, aber auch schon Schlechteres aus Stockholm kennengelernt. Die Thematik ist nicht so einfach: Missbrauch und Misshandlung von Kindern lässt wohl keinen kalt.

Mein größtes Problem besteht aber in der Frage, ob das Grundgerüst, das im ersten Teil erstellt wird, genug Substanz für eine Trilogie hat. Auch wenn sich die Autoren die allergrößte Mühe geben, möglichst viele Dinge einzubauen (vielleicht ein bisschen zu viel), glaube ich, dass sie besser beraten gewesen wären, die gesamte Handlung etwas zu straffen und sie in einem Thriller abzuhandeln. Aber ich habe oft Probleme mit mehrteiligen Geschichten; zu oft entpuppen sich weitere Teile als aufgeblähte Kopie des ersten Kapitels. Da behalte ich Krähenmädchen lieber als solide Geschichte in Erinnerung, als dass Teil 2 und 3 das Thema totreiten und so einen schlechten Schatten zurückwerfen.

Aber vielleicht greife ich doch zu den Folgebänden...aber zumindest nicht sofort!

Veröffentlicht am 06.07.2019

Wieder hat mich Wells überzeugt

Fast genial
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Francis Dean ist fast 18, als er in einem Brief von seiner Mutter erfährt, dass er sein Leben einer künstlichen Befruchtung verdankt. Mehr noch, seine Mutter hat an einem Projekt zur Züchtung von Genies ...

Francis Dean ist fast 18, als er in einem Brief von seiner Mutter erfährt, dass er sein Leben einer künstlichen Befruchtung verdankt. Mehr noch, seine Mutter hat an einem Projekt zur Züchtung von Genies teilgenommen. Er beschließt, quer durch Amerika zu fahren, um seinen leiblichen Vater zu finden.

Nach Becks letzter Sommer mein zweiter Roman von Benedict Wells und auch Fast genial hat mich beeindruckt. Die Charaktere haben mich voll und ganz überzeugt, vielleicht liegt das auch daran, dass der Autor den Roman geschrieben hat, als er nicht viel älter als seine Protagonisten war. Da schöpft man sicher auch aus eigener Erfahrung. Francis ist kein schlechter Junge; er ist oft enttäuscht worden und lässt sein Leben jetzt einfach laufen. Im Laufe des Roadtrips stellt er sich die Fragen, die sich jeder junge Mensch stellt und stellen muss: Wo komme ich her und wo will ich hin? Aber auch andere Fragen wirft die Geschichte auf: Ist die Erziehung ausschlaggebend für die Entwicklung eines Menschen oder bestimmen allein die Gene den Menschen? Es geht auch um Freundschaft, Liebe und Zusammenhalt in der Familie. Das alles erzählt Benedict Wells sehr flüssig, der Stil ist nicht besonders anspruchsvoll, aber unterhaltsam.

Über das Ende der Geschichte wird oft gesprochen; es ist Geschmackssache, ob man so ein Ende mag; mir hat es sehr gut gefallen, weil es gepasst hat. Ich freue mich schon auf den nächsten Roman des jungen Autors.

Veröffentlicht am 01.07.2019

Ein Buch zum Träumen

Das Licht der Toskana
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Kit Raines, Schriftstellerin, beobachtet das Nachbarhaus. Drei nicht mehr ganz frische Frauen ziehen mit einem Hund ein. Drei Amerikanerinnen, die der Heimat und ihrem Privatleben den Rücken gekehrt haben, ...

Kit Raines, Schriftstellerin, beobachtet das Nachbarhaus. Drei nicht mehr ganz frische Frauen ziehen mit einem Hund ein. Drei Amerikanerinnen, die der Heimat und ihrem Privatleben den Rücken gekehrt haben, um in der Toskana noch einmal neu anzufangen. Als Leser darf man diesen Neuanfang auf gut 600 Seiten miterleben.

Um es sofort deutlich zu sagen: Mir hat der Roman sehr gut gefallen. Immer, wenn ich weitergelesen habe, bin ich eingetaucht in die doch sehr rosarote Welt, die Frances Mayes hier vor uns ausbreitet. Aber von Zeit zu Zeit braucht man doch eine Welt, in der es keine Probleme, zumindest keine nennenswerten gibt; wo genug Geld ist, um Träume zu erfüllen; wo es keine Sorgen um die eigene Gesundheit gibt; wo die Gegend wie in einem Traum erscheint. Wenn man diesen Roman liest, darf man keine Kritik an irgendetwas erwarten und das habe ich auch nicht. Vielleicht habe ich den Roman deshalb so genossen.

Dazu kann die Autorin wirklich erzählen. Da wird die Toskana für mich sehr lebendig, in ihren Farben und Gerüchen. Man taucht ein in die Küche Italiens, sitzt in Straßencafes, spaziert beim Tagesausflug durch Venedig. Da werden die Menschen zu Bekannten, die man gerne wiedertrifft. Und am Ende, wenn alle Beteiligten ihr Glück gefunden haben, dann schlägt man das Buch zu und kehrt zurück in die eigene Welt, die halt nicht so perfekt ist. Ich habe eine schöne Reise in die Toskana hinter mir und genau das wollte ich erleben. Ob das Bild der Toskana im Roman der Realität entspricht, kann ich nicht beurteilen, wollte ich bei der Lektüre auch gar nicht wissen.

Man muss sich auf diesen Roman einlassen können, um die Sprache, die voll von Bildern ist, zu genießen. Vielleicht ist das nicht für jeden etwas. Für mich war es eine Wohltat. Ein Roman, der zum Sonnenuntergang passt; ein Roman, der mich abends runtergebracht hat und ein Roman, der Hoffnung macht; Hoffnung, dass es für einen Neuanfang nie zu spät ist.

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