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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 26.05.2019

Leider zu kurz geraten

Der Zopf meiner Großmutter
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Alina Bronsky kann schreiben. Was sie mit "Der Zopf meiner Großmutter" vorlegt, ist kurzweilige Unterhaltung, die abwechselnd zum Weinen und Lachen einlädt. Die Hauptfigur Margarita, und im Grunde ist ...

Alina Bronsky kann schreiben. Was sie mit "Der Zopf meiner Großmutter" vorlegt, ist kurzweilige Unterhaltung, die abwechselnd zum Weinen und Lachen einlädt. Die Hauptfigur Margarita, und im Grunde ist sie die einzige Hauptfigur, alle anderen verblassen neben ihr, habe ich nach den ersten Seiten gleich in mein Herz geschlossen. Eine Despotin, die über ihre Familie und das Flüchtlingsheim, in dem die Familie zunächst unterkommt, herrscht. Da fallen deutliche Worte, so wird der Ehemann als alter Sack und der eigene Enkel gerne mal als Idiot oder als geistig und körperlich benachteiligt bezeichnet. Man kann das als pädagogisch nicht besonders sinnvoll betrachten, oder wie ich als herrlich schwarzen Humor sehen. Ich habe mich sehr amüsiert und manches Mal laut gelacht...und schäme mich nicht dafür!

Margarita hat ein gutes Herz: Sie sorgt sich auch um ihre Familie und auch um andere Flüchtlinge; und sie versteckt ihre Verletzlichkeit hinter Härte und Zynismus. Sie erzieht ihren Enkelsohn Max und kümmert sich nebenbei um das uneheliche Kind ihres Mannes...Nein, sie reißt den kleinen Tschingis einfach an sich, was in der unglaublich guten Szene "Das Schwert" endet. Diese Szene ist für mich gleichzeitig der Höhepunkt des Romans. Danach flacht das Ganze ab, oder zumindest fehlt dem Roman ab dieser Stelle einiges. Die Autorin lässt Lücken, über einige Zeiträume fehlt jede Information, oder man bekommt diese in einem Nebensatz nachgereicht. Dazu wird Margarita milder, die Bösartigkeiten sind nicht mehr so treffsicher, oder sie wiederholen sich. Da hätte ich mir etwas mehr gewünscht.

Insgesamt hat mir der Roman gut gefallen. Er lässt sich leicht lesen und gegen Ende habe ich extra langsam gelesen, damit er nicht so schnell zu Ende geht. Über solche Großmütter möchte ich mehr lesen!

Veröffentlicht am 26.05.2019

Nicht das Beste von Agatha Christie

Die großen Vier
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Ich liebe die Krimis von Agatha Christie. Sehr klug konstruiert, spannende und unerwartete Auflösungen und auch teils sehr witzig. Da sei ihr dieser Versuch, denn mehr als ein Versuch ist es nicht, einen ...

Ich liebe die Krimis von Agatha Christie. Sehr klug konstruiert, spannende und unerwartete Auflösungen und auch teils sehr witzig. Da sei ihr dieser Versuch, denn mehr als ein Versuch ist es nicht, einen Thriller zu schreiben, verziehen. Hercule Poirot ist halt kein James Bond, obwohl die Autorin sich alle Mühe macht, ihren Meisterdetektiv so darzustellen.

Was dabei herauskommt, wenn sie schreiben musste, obwohl sie nicht wollte, liegt hier vor. Daß sie das selber zugegeben hat, ist ihr hoch anzurechnen: In "Die großen Vier" verbindet sie mehrere Kurzgeschichten zu einem unsinnigen, teilweise auch unlogischen Ganzen. Nur zu empfehlen für die, die sonst schon alles von ihr kennen, um die Wissenslücke zu schließen.

Veröffentlicht am 22.05.2019

Der beste Jane Austen Roman

Stolz und Vorurteil
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Als ich Stolz und Vorurteil das erste Mal gelesen habe, konnte ich nicht wirklich viel damit anfangen...kitschige Liebesgeschichte, das war mein erstes Urteil. Da war ich zwanzig Jahre alt und stand am ...

Als ich Stolz und Vorurteil das erste Mal gelesen habe, konnte ich nicht wirklich viel damit anfangen...kitschige Liebesgeschichte, das war mein erstes Urteil. Da war ich zwanzig Jahre alt und stand am Anfang des Studiums. Drei Jahre später musste ich es für die Zwischenprüfung erneut lesen und musste mein Urteil revidieren: Eine Liebesgeschichte? Ja, aber kein Kitsch, sondern viel Ironie und sehr gut geschrieben. Im Laufe der Jahre habe ich den Roman mehrmals gelesen und er gefiel mir immer besser. Jetzt passte er thematisch sehr gut in eine Lesechallenge und da ich durch Zufall vor kurzem die Verfilmung erneut gesehen habe (Nein, nicht die unglaublich schlechte mit Keira Knightly, sondern die in allen Punkten perfekte BBC-Verfilmung mit Colin Firth und Jennifer Ehle!), war ich glücklich, diesen Klassiker erneut zu lesen.

Jane Austen hat den perfekten Liebesroman geschrieben. Die Figuren sind allesamt sehr liebevoll ausgearbeitet, das England ihrer Zeit wird detailgetreu dargestellt und die Sprache ist soooo schön. Die Ironie springt den Leser in jeder Zeile an und man nimmt Anteil am Wachsen der großen Liebe zwischen Elizabeth und Mr Darcy. Beides Charaktere, die man vielleicht erst beim zweiten Kennenlernen liebgewinnt. Für mich gibt es kein schöneres Liebespaar in der Weltliteratur. Die anderen Romane von Jane Austen sind bestimmt nicht schlecht, aber hier ist alles perfekt. Die einfältige Mutter, die schöne Jane, der beeinflussbare Mr Bingley, die hinterlistige Miss Bingley, der durchtriebene Wickham, die herrische Lady de Bourgh...alles Charaktere, die den ganzen Roman unvergesslich werden lassen.

Mit dem häufigen Lesen dieses Klassikers ist er nicht langweilig, sondern nur noch besser geworden. Für mich ein All-Time-Favorite. Stolz und Vorurteil kann und sollte man immer wieder lesen.

Veröffentlicht am 16.05.2019

Deutlich besser als der erste Teil

Erntezeit: Thriller
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In Zons verschwinden Menschen und nur ihre Zungen bleiben übrig. Catherine Shepherd verbindet in "Erntezeit" wieder Vergangenheit und Gegenwart.

Den ersten Teil der Zons-Reihe habe ich vor wenigen Monaten ...

In Zons verschwinden Menschen und nur ihre Zungen bleiben übrig. Catherine Shepherd verbindet in "Erntezeit" wieder Vergangenheit und Gegenwart.

Den ersten Teil der Zons-Reihe habe ich vor wenigen Monaten gelesen und fand ihn für den Auftakt einer Reihe nicht überragend, aber solide mit kleinen Schwächen. Der zweite Teil ist in meinen Augen deutlich besser gelungen. Zum einen ist die Sprache flüssiger, nicht mehr wie ein Schulaufsatz, und der Fall und seine Auflösung wirken auf mich nicht mehr so konstruiert wie in "Der Puzzlemörder von Zons". Leider ist der Krimi ein wenig kurz geraten, da hätte ich mir ein paar Verwicklungen mehr gewünscht.

Der Wechsel zwischen dem Zons 1496 und dem Zons in der Gegenwart hat mir wieder sehr gut gefallen, ich bin spannend unterhalten worden und die Vorfreude auf den nächsten Teil steigt. Deutliche Tendenz nach oben!

Veröffentlicht am 15.05.2019

Genial

4 3 2 1
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Wie wäre unser Leben verlaufen, wenn wir andere Entscheidungen getroffen hätten, wenn unsere Eltern für sich selbst und für uns anders entschieden hätten, wenn wir links statt rechts gegangen wären, wenn ...

Wie wäre unser Leben verlaufen, wenn wir andere Entscheidungen getroffen hätten, wenn unsere Eltern für sich selbst und für uns anders entschieden hätten, wenn wir links statt rechts gegangen wären, wenn wir zu einem Termin fünf Minuten zu spät erschienen wären? Diesen und anderen Fragen geht Paul Auster in seinem "Meisterwerk" 4 3 2 1 nach. Er erzählt vier Romane in einem und führte mich als Leser souverän von der ersten bis zur letzten Seite.

Ich begegne Ferguson, dem Protagonisten, in vier Versionen seines Lebens. Er hat im Grunde immer die gleichen Interessen, die gleichen Gefühle, die gleiche Ausgangssituation, aber er entwickelt sich durch äußere Faktoren und eigene Entscheidungen recht unterschiedlich. Den vier Fergusons ist allen die Liebe zum Sport, zur Literatur und zu Filmen gegeben, alle haben eine besondere Beziehung zur Mutter, eine schwierige zum Vater und alle lieben sie die gleiche Frau. Paul Auster ist ein unglaublich guter Erzähler; er führte mich durch die Kindheit, die Jugend und das junge Erwachsenenalter von vier Fergusons und oft habe ich gedacht: Ja, genauso ist es.

Was nicht zu Punktabzug führen kann, ist die Tatsache, dass der Roman für mich an einer einzigen Stelle eine Länge hat. Wenn von den Studentenunruhen in den USA erzählt wird, wird das Ganze für mich unübersichtlich, da sich das Bildungssystem in den Staaten von unserem stark unterscheidet. Da musste ich meinen Lesefluss mal kurz unterbrechen, weil die Abkürzungen für mich doch sehr verwirrend waren. Aber bei einem Roman von fast 1300 Seiten sei das dem Autor verziehen.

Besonders gut gelungen finde ich auch die erotischen Begegnungen von Ferguson. Das ist nicht Porno, das ist nicht klischeehaft, das ist einfach gut gemacht, was auch den besonderen Autor ausmacht. Das muss erwähnt werden, weil die Erotik neben dem Sport, der Literatur und den Filmen die große Leidenschaft der vier Fergusons ist. Zitat: Beständig ficken tut uns gut!

Man sollte sich nicht von den 1300 Seiten abschrecken lassen, sondern sich auf eine Reise begeben; eine Reise, auf der man sich vielleicht manchmal selbst wiedererkennt und sich an deren Ende fragen, wo man selber wäre, wenn manches im eigenen Leben anders verlaufen wäre!

Für mich ganz klar ein Lesehighlight der letzten Jahre. So ein Wurf gelingt einem Autor vielleicht einmal im Leben. Paul Auster ist er eindeutig gelungen!