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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 10.03.2019

Realität oder nicht?

AMNESIA - Ich muss mich erinnern
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Nachdem Helen von ihrem Freund verlassen wurde, beschließt sie, in ihre alte Heimat zu fahren um Mutter und Schwester Kristin von ihrer Krebsdiagnose zu berichten. Doch ihre Mutter ist distanzierter als ...

Nachdem Helen von ihrem Freund verlassen wurde, beschließt sie, in ihre alte Heimat zu fahren um Mutter und Schwester Kristin von ihrer Krebsdiagnose zu berichten. Doch ihre Mutter ist distanzierter als je, und ihre Schwester ist inzwischen mit Leon verheiratet. Helen verdächtigt ihn, die schwangere Kristin zu schlagen – und zwei Tage später wird er ermordet aufgefunden. Doch Helen kann sich an nichts erinnern …

Das Cover kommt mit einer tollen Haptik daher und spricht mich sehr an.

Jutta Maria Herrmann ist hier ein spannender Thriller gelungen. Die Handlung prescht nicht voran, sondern die Charaktere werden der Reihe nach eingeführt. So hält sich die Spannung unterschwellig, aber konstant, denn jeder birgt ein Geheimnis. Kristin und Helen könnten als Schwestern gar nicht unterschiedlicher sein, und das macht sie beide auch authentisch.

Bedingt durch die Medikamente, die Helen nehmen muss, hat sie Gedächtnislücken – unter anderem weiß sie oft nicht, ob sie schon Tabletten genommen hat oder sie noch nehmen muss. Dieser Teufelskreis ist beängstigend gut beschrieben, ebenso wie die Auswirkungen. Nicht selten verschwindet Helens Welt in einem Nebel, an den sie sich nachher nur fetzenweise erinnern kann. Aber nicht nur der körperliche Zustand macht ihr zu schaffen, auch der seelische: denn sie kann nicht mit Sicherheit sagen, dass sie mit dem Mord nichts zu tun hat.

Der Schreibstil ist fesselnd, passt sich Helens Gemütszustand an. In wirren Momenten unterscheidet sich die Erzählweise von den klaren Momenten.

So weiß der Leser also nicht mehr als Helen – und ist gefangen in einer Spirale aus Vergessen und Verzweiflung. Diese Atmosphäre zieht sich durch das ganze Buch und so bleibt es bis zum Ende spannend. Mein erstes Buch von der Autorin – aber sicher nicht mein Letztes.

Veröffentlicht am 16.02.2019

unerwartet

Warte, was der Morgen bringt
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Veronica ist Mutter einer süßen Tochter, doch das Schicksal hat ihr kurz nach der Geburt den Ehemann genommen. Das hat dazu geführt, dass Veronica ihrer Tochter Sophie nicht geben kann, was diese braucht: ...

Veronica ist Mutter einer süßen Tochter, doch das Schicksal hat ihr kurz nach der Geburt den Ehemann genommen. Das hat dazu geführt, dass Veronica ihrer Tochter Sophie nicht geben kann, was diese braucht: Mutterliebe, Körperwärme und Geborgenheit. Barb, Veronicas Mutter, greift ihrer Enkelin zuliebe gerne mit an und ist zu ihrer Tochter gezogen. Nach einem Einbruch in das Haus ist Sophie verschwunden. Veronica setzt alles daran, sie wiederzufinden - denn sie wird als Hauptverdächtige gesehen.

Mit einer unvorhersehbaren Wendung konnte dieser Thriller mich überzeugen. Lange plätscherte die Handlung vor sich hin, die Gedanken Veronicas zogen das Ganze in die Länge. Doch das wandelte sich bald, sodass sich das Buch kaum aus der Hand legen konnte. Die Autorin schilderte Veronicas inneren Aufruhr so eindringlich, dass man selber mitgefühlt hat. Ihre Panikattacken und Depressionen bestimmen über einen Großteil ihres Lebens, und sie schafft es nicht, sich aus dieser Spirale zu befreien.

Lange Zeit der Handlung wusste ich nicht, was ich von Veronica halten soll. Sie erschien mir nörgelig, hat sich zu sehr bemitleidet. Ihre Mutter, die anscheinend ihre Unabhängigkeit aufgegeben hat um Tochter und Enkelin zu helfen, wird nicht geschätzt, sondern als nervig und übergriffig beschrieben. Dabei ist sie für mich die heimliche Heldin des Buchs. Irgendwann wandelte sic meine Ratlosigkeit in Mitleid, aber zu mehr konnte ich mich nicht durchringen.

Der Schreibsil war einfach und die vielen Gedanken passten super in die Geschichte. Dadurch lies es sich flüssig lesen, es gab keine Unebenheiten oder Zeitsprünge.

Eine Leseempfehlung für alle, die es weniger blutig und mehr psychologisch haben möchten.

Veröffentlicht am 10.02.2019

Solide Story

Anatomie eines Skandals
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Meine Meinung

Staatsanwältin Kate lebt für ihren Beruf. Für die Gerechtigkeit und die Wahrheit. Als James‘ Akte in ihre Hände gerät, sieht sie ihre Chance. Sie möchte den der Vergewaltigung angeklagten ...

Meine Meinung

Staatsanwältin Kate lebt für ihren Beruf. Für die Gerechtigkeit und die Wahrheit. Als James‘ Akte in ihre Hände gerät, sieht sie ihre Chance. Sie möchte den der Vergewaltigung angeklagten Politiker James seiner gerechten Strafe zuführen. Kate hat hart gearbeitet, und sie ist fest entschlossen, James nicht entkommen zu lassen. Der natürlich alle Anschuldigungen von sich weist.

Sophie, James‘ Ehefrau, möchte nicht glauben, was ihrem Mann vorgeworfen wird. Sie wird unsicher. Soll sie James glauben? Wenn er die Wahrheit sagt, warum fügt sich in ihrem Kopf ein Puzzleteilchen nach dem anderen zusammen? Wird sie langsam paranoid? Als sie gerade anfängt, den Vorwürfen zu glauben, schafft James es jedoch, sie wieder einzuwickeln.

„ ... und sie forderte mit ihrer Kleidung solche Annäherungen ja geradezu heraus … Rock gerade mal bis zum Arsch und tief ausgeschnittene Bluse.“ S. 205

Das ist auch schon alles, was man über James wissen muss. Während der gesamten Handlung blieb er für mich überheblich und arrogant, aalglatt und unsympathisch. Dennoch hätte ich nicht mit Sicherheit sagen können, ob die Vorwürfe gegen ihn stimmen.

Von diesen drei Charakteren war mir Kate lange am sympathischsten. Sie ist ehrgeizig und strebsam, und man kann förmlich spüren, wie wichtig es ihr ist, James schuldig zu sprechen. Sophie erschien mir lange Zeit als James‘ Schoßhündchen. Sie stellt sich hintenan – nicht als Mutter, sondern als Ehefrau – um James den Rücken freizuhalten. Denn natürlich profitiert sie von seinem hohen Gehalt, sie mag ihren Lebensstandard, den sie nicht verlieren möchte. Im Nachhinein erscheint es mir aber, als ob sie die Einzige ist, die sich entwickelt, hinterfragt und widerlegt.

Die Geschichte wird auf mehreren Ebenen parallel erzählt. In der Gegenwart werden hauptsächlich Kate und Sophie begleitet, während James und Holly den Leser in die Vergangenheit führen. Zwar werden die Perspektiven durch Kapitelüberschriften abgegrenzt, doch die Sprünge sind oft gewaltig. So liegen zwischen zwei Kapiteln der Gegenwart auch gerne mal ein paar Wochen, was zwischendurch verwirrend war.

„Die Wahrheit ist eine heikle Angelegenheit. Wir mögen das richtig oder falsch finden – aber in einem Rechtssystem, das auf der Verhandlungsmaxime beruht, geht es für uns Anwälte nicht darum, herauszufinden, was die Wahrheit ist. […] Und letztendlich geht es nur darum, zu gewinnen!“ S. 14

In diesem Roman sind einige Spannungselemente enthalten. Wer hier einen Thriller erwartet, wird enttäuscht. Der Leser erfährt einiges darüber, wie ein Prozess in England abläuft sich von einem in Deutschland unterscheidet. Allein das System der Jury wird hier sehr gut beschrieben, und wie Anklage und Verteidigung arbeiten, um sie von ihrer Wahrheit z überzeugen. Auch die Einblicke in das Politikgeschehen waren gut gewählt.

Der Sprachstil war okay, das Buch ließ sich einfach lesen. Die Kapitel in der Vergangenheit waren interessant, auch wenn man lange nur spekulieren konnte, warum sie angeführt werden. Wirklich notwendig waren sie nicht, doch konnte man hier den Charakteren hinter die Fassade schauen.

Persönliches Fazit

Hier geht es mehr um die Veränderungen, die eine Vergewaltigung nach sich zieht. Persönlich und sozial. Die Autorin hat es jedoch geschafft, dies spannend darzustellen, so dass sich das Lesen durchaus lohnt!

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Geschichte
  • Atmosphäre
  • Spannung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 09.01.2019

Potenzial zum Jahreshighlight

Wovon du nichts ahnst
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Vorab sei gesagt: der englische Titel „Copycat“ passt viel besser zu diesem Buch als der Deutsche. Denn er deutet schon an, worum es geht. Der Klappentext ist ebenfalls etwas vage und zeigt gar nicht, ...

Vorab sei gesagt: der englische Titel „Copycat“ passt viel besser zu diesem Buch als der Deutsche. Denn er deutet schon an, worum es geht. Der Klappentext ist ebenfalls etwas vage und zeigt gar nicht, um was für ein wichtiges Thema es sich hier handelt.

Sarah Havenant, Ärztin, dreifache Mutter und Ehefrau, lebt im beschaulichen Städtchen Barrow in Maine. Eines Tages entdeckt sie auf facebook ein Profil mit ihrem Namen. Die Fotos dort zeigen ihr Leben: Ausflüge mit den Kindern, Dates mit ihrem Mann Ben. Das Problem: dies ist weder ihr Profil, noch hat sie die Fotos gemacht. Ein paar Tage später ist das Profil verschwunden, und als sie gerade aufatmet, flattert ein Paket ins Haus. Darin Bücher über dissoziative Störungen und eine Nachricht, in der sie sich selbst um Hilfe bittet. Die Bestellung wurde von ihrem Amazon-Konto getätigt, aber Sarah ist überzeugt, sie nicht aufgegeben zu haben. Genauso wie die Emails, die auf einmal in ihrem Namen verschickt werden, oder die Notizen, die Ben hinterlassen werden, in ihrer Handschrift. Sarah verzweifelt,.

„Bisher war ihr gar nicht klar gewesen, wie angreifbar sie und jeder andere tatsächlich waren. Durch facebook, Twitter, Craigslist, E-Mails, Online-Konten mit knackbaren Passwörtern und dem ganzen restlichen digitalen Fingerabdruck katapultierte man sich mitten ins Auge der Öffentlichkeit, und zwar auf eine Weise, die man noch vor zehn Jahren für töricht und sogar unverantwortlich gehalten hätte. […] Social Media war für die ganze Welt verfügbar.“ Pos. 3189

Dies wird Sarah dann langsam bewusst. Wie so viele ihrer Freundinnen nutzt sie facebook schließlich nur, um mit losen Bekannten in Verbindung zu bleiben. Man gibt ein paar Updates über sein Leben, wie sich die Kinder machen, das ist doch harmlos. Wer sollte daraus Kapital schlagen können?
Sarah ist authentisch gezeichnet. Auf der einen Seite versucht sie, ruhig zu bleiben um der Panik nicht die Oberhand zu geben, doch auf der anderen Seite weiß sie, dass sie ihre Kinder schützen muss – aber vor wem? Vor sich selber? Das meint zumindest Ben, ihr Mann. Nach und nach entfaltet Sarah sich für mich als komplexer Charakter, als auch noch die Beziehungsdynamik ins Spiel kommt. Ihre Handlungen sind nachvollziehbar. Langsam beginnt sie, angefangen bei ihren Patienten bis hin zu ihrer Schwiegermutter im fernen England alle zu verdächtigen. Wer würde das nicht?

„Nichts wird sich klären, im Gegenteil. Bald wird sie sich wünschen, dass alles wieder so sein könnte, wie es momentan ist. In ihrer Erinnerung werden das jetzt goldenen Zeiten sein. Und das sind sie irgendwie auch. Denn besser wird es nicht mehr für Sarah Havenant.“ Pos. 2829

Und dann, langsam kann Sarah aufatmen. Sie ist fest davon überzeugt, dass sie einen Weg gefunden hat, die Ereignisse aufzuklären. Doch ihr Leben beginnt wieder zu bröckeln, als sie erkennt, wie fest Ben daran glaubt, dass sie eine Persönlichkeitsstörung hat und alle Ereignisse Hilferufe ihres Unterbewusstseins sind. Sie muss Ben davon überzeugen, dass sie nichts mit alledem zu tun hat, dass sie keine Persönlichkeitsstörung hat. Aber das kann sie nicht, denn sie hat keine Beweise.
Langsam verwandelt sich ihre Welt in einen nicht endenden Alptraum – und die dunkle Spirale zieht sie immer weiter nach unten. Allerdings sind auch Bens Zweifel absolut nachvollziehbar. Auch wenn er seine Frau unterstützen will und ihr den Rücken stärken möchte, er ist sich nicht sicher, was er glauben kann. Und dann sind da noch seine Kinder, die er notfalls vor ihrer Mutter schützen muss.

„Endlich. Denn jetzt, nach all dem Planen und Warten und Beobachten, geht es richtig los. Das dichte Netz wird schon lange gesponnen. Und nun hat sie einen Faden davon in die Hand bekommen und wird daran ziehen. Und wenn sie es tut, wird sich das Netz auf eine Art und Weise auftrennen, die sie sich bisher überhaupt nicht vorstellen kann. Es gibt viele Fäden darin. [….] Durch den Versuch des Entwirrens verwickelt sie sich lediglich. Sie steckt fest. Ist gefangen.“ Pos. 402

Die Geschichte wird in drei Teilen erzählt. Anfangs eine kurze Rückblende, dann überwiegend aus Sarahs Sicht. Zwischendurch kommt der Täter zu Wort. Man erfährt nichts über seine Identität, über seine Beweggründe. Das trägt zur unterschwelligen Spannung bei. Denn so, wie man Sarah kennen lernt, hat man nicht den Eindruck, dass sie jemandem etwas Böses angetan hat. Nachdem ich den dritten Teil begonnen hatte, konnte ich gar nicht schnell genug lesen. Auch der Schreibstil hat viel zur Spannung beigetragen. Klare Sätze, wenig drumherum. Ich habe mit Sarah mitgefiebert, wollte nicht, dass sie selbst hinter all dem steckt, habe ihre Verzweiflung gespürt und wollte ihr helfen.

Fazit: Eine spannende Geschichte, die uns noch einmal ermahnt, nicht zu leichtfertig mit unserem digitalen Fußabdruck umzugehen.

Veröffentlicht am 09.01.2019

solide Idee

Ich weiß, wo sie ist
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Francine ist sich sicher, dass ihre seit zehn Jahren verschwundene Tochter lebt. In diesem Glauben wird sie bestärkt, als sie einen Zettel findet, auf dem steht „Ich weiß, wo sie ist“. Sie ist sich sicher, ...

Francine ist sich sicher, dass ihre seit zehn Jahren verschwundene Tochter lebt. In diesem Glauben wird sie bestärkt, als sie einen Zettel findet, auf dem steht „Ich weiß, wo sie ist“. Sie ist sich sicher, dass sie nun einen Weg finden wird, Autumn zu retten. Francines Exmann möchte mit alledem nichts zu tun haben. Für ihn ist klar, dass Autumn nicht mehr lebt.
Francine steigert sich jedoch immer weiter in die Vorstellung hinein, ihre Tochter endlich wieder in die Arme zu schließen. Und irgendwann entwickelt sich das zu einer Besessenheit.

Die Charaktere sind leider etwas oberflächlich geblieben. Ich fand Francine sehr unsympathisch und konnte ihren Schmerz nicht mitfühlen. Ihre Entscheidungen waren für mich unüberlegt und zu impulsiv, und sie hat oft mehr Glück als Verstand. Ich fand ihre Art fast schon nervig und übertrieben. Als Mutter eines verschwundenen Kindes klammert man sich sicher an jeden Strohhalm, aber hier wirkte es manchmal weit hergeholt. Auch die anderen Charaktere blieben blass, oft hatte ich das Gefühl, dass der Zufall eine große Rolle spielt und so war vieles leider vorhersehbar. Viel mehr kann ich kaum schreiben, ohne zu spoilern.

Der Schreibstil hingegen war sehr gut, auch die unterschiedlichen Perspektiven haben die Story vorangetrieben und die Spannung erhöht. Die Kapitel hatten eine tolle Länge, um nur noch kurz eines zu lesen und dann das Buch nicht mehr aus der Hand legen zu können. Alles in allem ein solider Thriller, der einen nach den ersten Seiten packt.