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Veröffentlicht am 12.05.2024

Reden? Ja, bitte! Miteinander und das viel.

Heult leise, Habibis
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Ein eindringlicher Aufruf miteinander zu reden, sich nicht der Idiotie und den Unlogiken von Social -Media, verkürzender Berichterstattung, Bequemlichkeit beim Denken und Argumentieren, sowie überzogenem ...

Ein eindringlicher Aufruf miteinander zu reden, sich nicht der Idiotie und den Unlogiken von Social -Media, verkürzender Berichterstattung, Bequemlichkeit beim Denken und Argumentieren, sowie überzogenem Kränkungsverhalten hinzugeben und ein Aufruf an die Mundfaulen und Dauerunterlassenden, sich nicht in einem inexistenten perpetuum mobile von Demokratie in Sicherheit zu wähnen, welches es so nicht gibt.

„…es setzt aber voraus, dass wir Menschen in großer Zahl haben, die sich nicht wegen jeder verbalen Entgleisung gekränkt und beleidigt fühlen und darauf womöglich sogar mit Gewalt reagieren, sondern die in der Lage sind, rational zu argumentieren.“

( – haben wir also aber leider nicht genug von – )

„Nur wer über die Fähigkeit zur Nüchternheit verfügt, ist in der Lage, mit einer besseren Gegenrede zu »glänzen«. Diese Fähigkeit ist aber weithin verloren gegangen und höchstens noch unter jenen vernünftigen Stillen verbreitet, die wir in der Öffentlichkeit selten bis gar nicht wahrnehmen und beinahe mit der Lupe suchen müssen.“

( – Rhetorik und Gespräch sind leider viel zu sehr unterschätzt und große gesellschaftliche Problemfelder wie Bildung und Bildungsgerechtigkeit werden nicht ausreichend behandelt, obwohl es so konterkarierende und krankmachende Auffassungen von Sendungsbewusstsein gibt und deren Ergänzung von Konsum z.B. des „Creator-Contents“ als eines von vielen Konsumprodukten inszenierter und gefakter menschlicher Persönlichkeiten und kolportierten Selbstbildern von politischen Akteuren gibt – )

Umso wichtiger und dringlicher wäre es, dass genau diese Menschen (die vernünftigen Stillen, die mit der Lupe gesucht werden müssen) endlich aus der Reserve gelockt werden.“ (Kapitel 6)

Es wäre noch schön zu wissen, wie man diese herauslockt und womit. Leider wird das Prinzip der Verantwortungsethik in seiner Wichtigkeit und Verletzlichkeit unterschätzt. Das Zusammenspiel von Psychologie, Massenverhalten, Medien, Manipulation, Missbrauch und Unbildung gepaart mit Gier und verengtem Blick, die weder Austausch noch Horizont zulassen, ist die größte Gefahr für den gesamten Planeten.

„Die ignoranten Lauten glauben allzu oft, dass in einer freiheitlichen Gesellschaft alles gesagt und getan werden kann, ohne dass es negative Auswirkungen für andere hat. Was auch immer sie sagen oder schreiben, sie glauben ernsthaft, es könne langfristig keinen „Schaden anrichten. Dabei ziehen sie andere Menschen durchaus für deren Worte und Handlungen zur Verantwortung. Selbst aber weisen sie jegliche Verantwortung von sich. Um diese Entwicklung zurückzudrängen, braucht es Beharrlichkeit und Geduld. Und beides bringt die diverse Gruppe der vernünftigen Stillen mit, dazu Impulskontrolle und Wutmanagement.“ (Kapitel 13)

Sineb El Masrar schreibt ein Buch um Diskussionen zu eröffnen. Definitiv keine leichte Aufgabe und sie ehrt der Versuch. Ihren Ton, um die schweigende Masse zu animieren ihren Mund aufzumachen und ihre Stimmen und Gewichte in die Waagschalen der Demokratie und Aufklärung zu werfen, finde ich deshalb okay, weil dies eben ein Weg sein kann, die Schweigenden herauszulocken, ihre wohlmöglich wichtigen Positionen zu stärken. Für diejenigen interessierten, demokratisch gesinnten, aufgeklärten „Lauten“, die beinahe schon verzweifelt nach Ansprechpartner*Innen und nach Austausch suchen, ist deren Beschreibung manchmal etwas edgy, weil die Adresse der Lauten ziemlich ungenau ist. Umso wichtiger, dass sie schreibt: „Die Lauten suchen in der Regel ausschließlich Anschluss und Anerkennung in Diskursräumen, in denen es eigentlich nicht um Gesehenwerden oder Bewunderung und schon gar nicht um Liebe geht, sondern um Inhalte, Problemlösungen und Fortschritt. Wenn es um Anerkennung, Gesehenwerden, gar Liebe geht, ist eine Gesprächsrunde oder Therapie in der Regel der bessere Ort.“ (Kapitel 13)
Deshalb ist die von El Masrar genannte Nüchternheit mit Blick auf den Ist-Zustand ein wichtiges Gebot, denn schließlich ist es nicht erstrebenswert jenen Ist-Zustand als solchen zu belassen, sondern zum friedlichen Gespräch und zur Tat zu schreiten. Ich appelliere daher gerne mit:
Bitte macht den Mund auf ihr Stillen, redet sowohl miteinander, als auch mit den Lauten! dann „müssen (wir) das Rad nicht neu erfinden. Wir müssen uns lediglich immer wieder daran erinnern, dass es nötig ist, unsere Welt und unsere Gesellschaft im Gleichgewicht zu halten. Und wenn sie nicht im Gleichgewicht ist, dafür zu sorgen, dass sie ins Gleichgewicht kommt.“ (Kapitel 13)



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Veröffentlicht am 15.04.2024

Ein Heidenspaß für Sterngucker und Actionfreundinnen

Stardust Academy - Hüter der Sterne
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Eine tolle Geschichte ab 10 Jahren!
Wir haben das Buch in den Urlaub mitgenommen. Ein Leserausch folgte. Zwei schlaflose Nächte und Sternegucken inklusive, weil die Spannung hoch, die Geschichte aufregend, ...

Eine tolle Geschichte ab 10 Jahren!
Wir haben das Buch in den Urlaub mitgenommen. Ein Leserausch folgte. Zwei schlaflose Nächte und Sternegucken inklusive, weil die Spannung hoch, die Geschichte aufregend, aber auch die Charaktere und deren Schulweg so mitreißend sind. Es gab Vieles, um sich darüber zu unterhalten. Klar, die Erzählung erinnert den erfahrenen Lesenden an viele andere große Stories, aber Teil einer solchen Kontinuität zu sein, ist nicht unbedingt schlecht.
Warum ist die Stardust Academy so spannend? Was hat Sie zu bieten?
Zunächst einmal der Inhalt: 10-jährige sind aller Regel nach selbst mit veränderten Schulwegen konfrontiert und können daher die Veränderung des Lebensmittelpunktes Schule und die damit einhergehenden Ängste und Unsicherheiten gut nachvollziehen. Die Überforderung, die aus den veränderten Lerninhalten entsteht, der Wunsch, einerseits Teil von etwas und andererseits dennoch jemand Besonderes zu sein, das kennt man. Egal ob Kind oder Erwachsene/r. Allein das ist eine schwierige Aufgabe des Lebens. Jetzt kommt aber noch die Fantasie hinzu – die sich an den Urmythen bedient, dem Chaos, Sternbildern, Astronomie und Astrologie – und die den Figuren noch ganz andere Aufgaben stellt, die gelöst werden wollen. Zodiacs zum Beispiel verstehen.
Zudem ist der lebendige und rhythmische Schreibstil der Autorin zu nennen, der die Action nicht quasi-realistisch ausrollt, sondern mit teils knappen Bildern zum nächsten Kapitel führt.

Als wir das Buch durch hatten, sind wir direkt am nächsten Tag in den Buchladen gegangen, um heraus zu finden, wann der nächste Teil erscheint. Leider gibt es noch keine Ankündigung, wird hier aber sehnlich erwartet.

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Veröffentlicht am 07.03.2024

Ein Mann sieht Rot, aber wieviel Prozent?

Rot
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ROT ist ein Mittelstück, dessen Vorgänger GRAU bereits 2009 erschienen ist und dessen Dreh- und Angelpunkt die Farben sind. 
Das Leben von Eddie Russett und Jane Grey ist durch die Farbsehfähigkeit jedes ...

ROT ist ein Mittelstück, dessen Vorgänger GRAU bereits 2009 erschienen ist und dessen Dreh- und Angelpunkt die Farben sind. 
Das Leben von Eddie Russett und Jane Grey ist durch die Farbsehfähigkeit jedes einzelnen und einer regelbasierten Ordnung nach dem Buch der Harmonie von Munsell strukturiert und hierarchisiert. Eddie (aus dem roten Spektrum) und Jane (aus dem grauen Spektrum) treffen im staubigen Dörfchen East Carmine am Rande der colorokratischen Zivilisation aufeinander und werden im Verlauf der Story auf abenteuerliche Weise ein Paar. Allerdings zieht das erhebliche Schwierigkeiten nach sich, denn beide sind unangepasstere Charaktere. Sie sind neugierig und wollen mehr wissen. Aber warum? Das Paar kommt der Sache näher, allerdings drängt sich dadurch eine Flucht immer unabwendbarer auf.

Den Kapiteln werden Zitate aus dem Munsell´schen Regulatorium vorangestellt, oder die eines bestimmten Ted Grey, der zwanzig Jahre unter den Chromatikern gelebt haben soll. 

„Chromatacia wurde auf den Trümmern einer Welt errichtet, die einer anderen Menschenspezies gehörte, die als Homo ambitiosus bekannt ist oder, weit schlichter formuliert, als die Einstigen. Sie waren groß, hatten volle Farbsicht und waren eingeschränkt durch Wut, Habsucht und Gier. Wenig ist bekannt über das Gewisse Ereignis, aber man geht davon aus, dass es sich um eine Art bewaffneten Konflikt gehandelt haben muss,…“ (ROT; Kapitel: Der gefallene Mann)

Solche Hinweise, geschrieben in der Manier eines Ethnologen, werden den Kapiteln voran gesetzt. mal hier mal dort einer, jedoch nie ganz erklären, wo genau, und wann genau man sich befindet. Diese Hinweise bilden eine ganz eigene Geschichte und bieten nicht nur eine Art Forscherblick auf Entstehung, Sitten und Gebräuche an, sondern korrespondieren durchaus mit weiteren unbekannten Teilnehmenden. Woher stammt dieses Wissen? Wie alt ist es tatsächlich? Ob man Ted Grey noch kennenlernt?
Als Leserin sammelt man begierig die kleinen Informationsbröckchen aus Eddie’s Sicht ein, der all dies, in nicht ganz einer Woche, erlebt. Man nimmt die Spur auf und versucht wie Eddie Erklärungen zu finden. Und man kommt natürlich nicht darum herum, zu überlegen, wie die „Einstigen“ ihr Ende fanden.

Jasper Fforde schreibt das Mittelstück seiner Trilogie mit auffällig großem Ideenreichtum, indem er in Querverweisen auf die zeitgenössische Kultur anspielt und diese in eine fantastische Historie der Zukunft verbaut. Dass er ein Filmkamera-Auge hat, ist deutlich zu bemerken: Die Szenen sind kurz, schnelle „Schnitte“, Action wechselt sich mit spannungsanreichernden Begebenheiten und Hinweisen ab. Durch die geplanten Tech-Rückschritte innerhalb der Colorokratie und dem Leben am Rand der Zvilisation bekommt das Setting eine Note Wilder Westen, staubig, einsam, trockene Landschaften – aber die nächste Überraschung wartet schon. 
Wie geht es Eddie Vater und was hält die Zukunft für Jane und Eddie bereit? Gibt es einen gemeinsamen Weg für sie?
Hoffentlich dauert es bis zum dritten Teil weniger lang, denn 14 Jahre, die zwischen GRAU und ROT liegen, sind nicht eben wenig.

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Veröffentlicht am 02.02.2024

Knackige Beinahe-Katastrophe

Der Stich
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Der Stich ist ein Thriller nach bewährtem Rezept, spannend erzählt und in der großartigen Kulisse der Florida und West Keys angesiedelt. Ja, hier wäre man auch gerne, um die Füße im Wasser und die Seele ...

Der Stich ist ein Thriller nach bewährtem Rezept, spannend erzählt und in der großartigen Kulisse der Florida und West Keys angesiedelt. Ja, hier wäre man auch gerne, um die Füße im Wasser und die Seele baumeln zu lassen, Schildkröten zu beobachten oder die Flora zu bestaunen, aber das Paradies ist bedroht – durch genveränderte Mücken.
In diesem modernen Kampf um Anerkennung, Geld, Überleben und Macht, zeitigen die verschiedenen Positionen der Pro- und Antagonisten den notwendigen Drive, um die spannende Jagd nach Lösungen für ein hochbedrohliches Szenario zwischen Everglades und Krokodilen, Wissenschaft und Napalm, Recht und Zivilcourage zu finden – um nichts weniger geht es in dieser rasanten Story. Hin und wieder wirken die Worte, die man eben für diese Dinge hat, viel zu weich, stellt man sich vor, was da tatsächlich gerade erzählt wird bzw. passiert.
Einerseits ist die Rationalität von Quito und auch Inèz zu bewundern, andererseits wird diese wahrscheinlich auch durch die Kulisse mit Strand, Palmen und Urlaubsstimmung deutlich. Hierzu fällt mir aus „Die Wahlverwandschaften“ von Goethe ein Zitat ein: “Es wandelt niemand ungestraft unter Palmen, und die Gesinnungen ändern sich gewiß in einem Lande, wo Elefanten und Tiger zuhause sind.“ Wobei hier die Elefanten die Mücken sind, und die Tiger die Alligatoren. 


Mir hat gut gefallen, wie der Autor manchmal kleine Geheimnisse
einbaut. Dinge, die nicht zwingend ausgesprochen werden müssen um das Offensichtliche zu erläutern. Diese stille Verstehen schafft ein zartes Band von Intimität zwischen den Figuren und dem Lesenden. Vor allem ist dies ein wenig tröstlich, nachdem ein bitterer Preis gezahlt werden muss…

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Veröffentlicht am 11.01.2024

Julia oder der andere Blick auf's Drama

Julia
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Eine rote Banderole teilt die Zahl 1984 und schon sind wir mitten auf dem Schlachtfeld. Eurasien, Ostasien, Ozeanien – der Krieg ist allgegenwärtig, Hunger, Not und Elend sind ungleich verteilt. Inmitten ...

Eine rote Banderole teilt die Zahl 1984 und schon sind wir mitten auf dem Schlachtfeld. Eurasien, Ostasien, Ozeanien – der Krieg ist allgegenwärtig, Hunger, Not und Elend sind ungleich verteilt. Inmitten einer dystopischen Welt, in der ein Kristallpalast existiert, verwanzte Zimmer, flauschige Teppiche in sauberen Villen und ein Raum 101, reglementieren die Ministerien für Wahrheit, Liebe und Frieden die Parteigänger, Proleten, Soldaten und Unpersonen und damit das Leben aller. Der Zustand des Landes ist gezeichnet durch die totalitäre Überwachung eines Staates und mentaler Zurichtung, durch das Leben und Sterben nach einer Revolution und einem Volk im Krieg, dessen Leben von materieller, sozialer und informativer Ungleichheit geprägt ist.

Sandra Newman führt mit Julia Worthing, einer Maschinistin in ihren mittleren Zwanzigern, die Perspektive der weiblichen Protagonistin im Orwellschen Kosmos des Großen Bruders aus. Sie ist dabei sehr nah dran an der Vorlage. Strukturell, wie inhaltlich. Spezieller wird es, wenn ihre unmittelbaren Lebensumstände umrissen werden: die Schlafsituation, ihre Arbeit, der Alltag mit Schwarzmarktgütern, Rationierung von Wasser, Essen, Sexkrim (Neusprech für Sexualverbrechen), die Verwicklungen, die alle eintreten, als sie mit Winston und O`Brian in Kontakt gerät. Julia wird in einem Strudel der Propaganda, des Verrats, sowie seelischer und körperlicher Zerstörung fast zerrissen… 
Ist in dieser Welt überhaupt irgendetwas, dass irgend wie wünschenswert ist? Gibt es irgendetwas Positives? Wo doch in jeder noch so kleinen Flucht, die Selbstverachtung eines indoktrinierten Egolebs lauert oder die Manipulationen des Telemonitors und des permanenten Missbrauchs der Ikone des großen Bruders? Wohl eher nicht.

…oder vielleicht doch?
Vielleicht gibt es eine Erlösung, oder eine Befreiung – eine Welt, die sich, vielleicht, zu einer der Liebe fähigen, zärtlichen, solidarischen, möglichen Welt mit Vicky und Julia wandeln könnte. Das wäre doch ein schöner Gedanke…

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