weit entfernt von originell und fad
Marianengraben"Und jetzt liebe ich dich nur noch gefangen in einer Zwischenwelt aus Präteritum und Konjunktiv und in einer Realität, die vor deinem Tod ein Leben und danach nur noch ein Zustand war."
Einer der wenigen, ...
"Und jetzt liebe ich dich nur noch gefangen in einer Zwischenwelt aus Präteritum und Konjunktiv und in einer Realität, die vor deinem Tod ein Leben und danach nur noch ein Zustand war."
Einer der wenigen, hervorstechenden Sätze aus dem Buch Marianengraben von Jasmin Schreiber, welches am 28. Februar 2020 veröffentlicht worden ist. Darin geht es um die Geschichte einer jungen Frau und eines alten Mannes, die vom Leben geprägt worden sind.
Es ist im Eichborn Verlag als Taschenbuch veröffentlicht worden, als erstes Werk einer noch recht jungen Autorin.
Nach dem Tod ihres Bruders hat die junge Frau, Paula, jeglichen Willen und Antrieb verloren und bricht, auf einen Rat ihres Therapeuten hin, in einen Friedhof ein. Dort wird sie von einem alten Mann überrascht, Helmut, der sich ebenfalls illegal an den Gräbern aufhält und nach einer toten Freundin sucht. Nach einem kurzen, geflüstertem Gespräch müssen beide vor den Friedhofswärtern fliehen und nach einigen kleinen Ereignissen beginnt eine Reise in einem alten Wohnmobil in die Berge, die sich über etwa 250 Seiten erstreckt.
In dem Buch wird sowohl Depression thematisiert, als auch verschiedene Umgangsweisen mit Trauer, Bewältigung eben dieser, sowie Generationsunterschieden und - parallelen.
Gegenseitig helfen sich die beiden Protagonisten über Verluste hinweg und zu einem Neuanfang.
Paula dürfte etwa Mitte 20 sein. Sie kommt in ihrer Doktorarbeit nicht voran, morgens nicht aus dem Bett und kann den Tod ihres kleinen Bruders nicht verarbeiten. In den vereinzelten Rückblicken auf das Verhältnis der beiden wird klar, wie nah sich die beiden standen, wie konträr sie allerdings auch gewesen sind.
Paula selbst ist dennoch freundlich und offen, etwas aufdringlich neugierig und durchaus spontan.
Helmut hingegen ist mürrisch, zieht sich eher zurück, als dass er private Details freigegeben würde und plant sein Handeln lang im Voraus.
Im Verlaufe der Erzählung entwickelt sich eine Freundschaft zwischen den beiden, die Paula ein Lichtblick in ihrem Grau sind und ihr helfen, mit ihrem tristen Alltag, sowie ihren Schuldgefühlen fertig zu werden.
Das Buch ist ein Brief an Paulas Bruder, jeder Satz richtet sich an ihn, als würde sie sich noch immer mit ihm unterhalten.
Die Metapher des Marianengraben für bodenlose Trauer und tiefe Depressionen ist interessant, ebenso die Tiefe diesen als Etappen der Trauerbewältigung zu verwenden, ist eine überzeugendes Konzept. Allerdings fehlt dieses Konzept in jedem einzelnen, anderen Aspekt des Buches.
Die Sätze sind kurz, wenig kompliziert und haben den gleichen, eintönigen und unkreativen Satzbau.
Nur wenige Sätze bleiben überhaupt in Erinnerung, wie beispielsweise "Und jetzt liebe ich dich nur noch gefangen in einer Zwischenwelt aus Präteritum und Konjunktiv und in einer Realität, die vor deinem Tod ein Leben und danach nur noch ein Zustand war.". Ein Glücksgriff neben den ansonsten so hingeschmierten Formulierungen.
Dominierend ist die Wortwahl von Modalverben geprägt, wenig Abwechslung und etwas drögem Humor.
Ebenso wenig originell ist die Geschichte, die erzählt wird. Sowohl Thema, als auch Verlauf werden aus keiner neuen Position betrachtet. Das "Auftauchen aus dem Mariannengraben" ist linear und erstreckt sich über nur wenige Tage. Die Besserung von Paula ist plötzlich und rasant, verharmlost Depressionen und das damit einhergehende Leiden. Ebenso suizidale Tendenzen und der Umgang damit.
Mir persönlich viel es schlicht schwer, mich in Paula hineinzuversetzen, zu oberflächlich wird ihr Charakter nur umrissen, obwohl so eine Betonung auf ihrem Schmerz liegt und jeder Gedanke geteilt wird, so wenig sagen die Worte aus.
Die Erlebnisse mit ihrem Bruder wirken ironischer weise aus dem Leben gerissen, ihre Reaktionen auf verschiedene Ereignisse widersprüchlich, um der Story zu dienen erzwungen.
Ich kann nicht nachvollziehen, warum man einem fremden alten Mann nach Hause folgen und dort duschen sollte, nachdem dieser versehentlich die Asche seiner toten Freundin über meinem Haupt entleert hat. Ebenso die Entscheidung mit ihm noch am folgenden Tag in einem Wohnmobil aufzubrechen.
Traurigerweise gilt dies auch für Helmut, der eingangs so verschlossen, nach wenigen Tagen sich völlig geöffnet hat und Paula seine Lebensgeschichte Bissen für Bissen serviert und auch vor Krankheit und Schicksalsschlägen keinen Halt macht.
Das tatsächliche Ende war leider ebenso wenig überraschend und griff auf ein Motiv zurück, das x-mal in vorherigen Geschichten verwendet worden ist.
Mein Fazit zu dem Buch: weit entfernt von originell und langweilig.
Ich würde das Buch jungen Heranwachsenden empfehlen, die sich erstmalig mit Themen wie beispielsweise Depressionen oder Tod auseinander setzen möchten.