Interessantes Gedankenexperiment mit leichten Schwächen
FreiheitsgeldJedes neue Buch von Andreas Eschbach ist eine kleine Überraschung, man weiß nie, wo die Reise hingeht, mal ist es ein historisches Gedankenexperiment wie in „NSA“, mal Science Fantasy wie in „Eines Menschen ...
Jedes neue Buch von Andreas Eschbach ist eine kleine Überraschung, man weiß nie, wo die Reise hingeht, mal ist es ein historisches Gedankenexperiment wie in „NSA“, mal Science Fantasy wie in „Eines Menschen Flügel“ oder Science Fiction mit einer gehörigen Portion Action wie „Der Herr aller Dinge“.
Auch „Freiheitsgeld“ ist ein Gedankenexperiment: „Was wäre, wenn in der nicht allzu fernen Zukunft, in ganz Europa den Menschen ein bedingungsloses Grundeinkommen gezahlt würde, das sogenannte Freiheitsgeld?“ Während ein Experiment im Labor meist nur einen Parameter verändert, um die Auswirkungen beobachten zu können, hat Eschbach in dieser fiktiven Zukunft weitere große, gesellschaftliche Veränderungen entworfen: Ressourcenschonung und Klimaschutz sind erste Bürgerpflicht, die Menschen leben in großen Metropolen, während der Rest Europas aus großen Naturschutzgebieten besteht.
Für sich betrachtet klingen all diese Neuerungen großartig: Niemand muss arbeiten, außer er möchte, entsprechend gut werden unbedingt notwendige Berufe wie z.B. die Pflege bezahlt, Drogen sind legal, werden aber versteuert und Kleidung und Bücher gibt es ressourcenschonend „on demand“. Trotzdem sind viele Protagonisten in „Freiheitsgeld“ nicht zufrieden, die Gesellschaft ist längst nicht egalitär, einige wenige können sich doch durch Privilegien abheben. Außerdem scheinen die Hintergründe zur Einführung des „Freiheitsgeldes“ nicht ganz so utopisch-optimistisch zu sein, wie zum Jubiläum propagiert. Die Recherchen eines Journalisten und die Ermittlungen eines Polizisten führen in das Herz einer Verschwörung.
Mehr soll hier nicht verraten werden, um nicht zu spoilern.
„Freiheitsgeld“ ist grandios im World Building, man möchte mehr von dieser nicht ganz unwahrscheinlichen Zukunft sehen und wissen, wie sie funktioniert. Neben dem großen Thema finden sich viele kleine interessante Details wie die Products on Demand.
Tatsächlich ist die Finanzierung des Freiheitsgeldes eine nicht ganz uninteressante Frage. Und auch (oder gerade weil) ich Herrn Eschbach nicht in all seinen Überlegungen zu den Konsequenzen eines bedingungslosen Grundeinkommens zustimme, regt es zum Nachdenken und Diskutieren an.
Leider hält der Abschluss nicht das, was die Reise dahin verspricht, es ist kein schlechtes Ende, aber im Vergleich zu „NSA“ oder „Herr aller Dinge“ kommt es eher lauwarm daher.
Wer ein großer Fan überraschender Enthüllungen am Ende eines Romans ist, könnte hier enttäuscht werden, wen die Ausgestaltung einer Welt in einer möglichen nahen Zukunft interessiert, wird hier gut unterhalten und findet reichlich Gedankenfutter.
Leseempfehlung für alle, die gerade keine Wohlfühl-Geschichte suchen und etwas länger an einer Geschichte knabbern wollen.