Packende und melancholische Geschichte
Ich komme nicht zurückHanna, Zeyna und Cem sind Freunde seit den späten 80er Jahren und wachsen gemeinsam in einer Arbeitersiedlung im Ruhrgebiet auf. Solange sie zusammen sind, fühlen sie sich wie eine Familie. Herkunft spielt ...
Hanna, Zeyna und Cem sind Freunde seit den späten 80er Jahren und wachsen gemeinsam in einer Arbeitersiedlung im Ruhrgebiet auf. Solange sie zusammen sind, fühlen sie sich wie eine Familie. Herkunft spielt für sie keine Rolle. Hanna, ihre Großeltern, Cem und seine Familie behandeln Zeynas Vater Nabil und Zeyna, die beide vor dem Krieg geflüchtet sind, wie Familienmitglieder.
Hanna und Zeyna teilen das Schicksal, ohne Mutter aufzuwachsen. Während Hanna eher zurückhaltend ist, ist Zeyna immer vorne dabei. Trotz ihrer unterschiedlichen Charaktere ist Zeyna für Hanna wie eine Schwester.
Dann ist da noch Chem. Für Zeyna und Hanna war er immer der Fels in der Brandung und hat vermittelt, wenn sich die beiden gestritten haben. Aber auch an ihm geht der Zwist zwischen den Freundinnen nicht spurlos vorbei.
Mit der Zeit und beeinflusst von äußeren Umständen treten die Unterschiede zwischen den Freunden deutlich hervor. Nach den Morden in Mölln 1992 ziehen die Ereignisse um 9/11 endgültig einen Riss durch die Freundschaft. Cem, seine Eltern und Zeyna und Nabil spüren die Folgen am eigenen Leib. Für Hanna bleibt vordergründig alles beim Alten.
Im Wechsel zwischen vergangener Kindheit und Gegenwart erzählt der Roman von Wahlfamilie, Familie und Freundschaft, aber auch Einsamkeit, Suche nach Verlorenem und Sprachlosigkeit.
Ohne es explizit zu erwähnen, spielt die Gegenwart in der Zeit der Pandemie. Umso verständlicher die Einsamkeit, die manche in dieser Zeit begleitete, die Trennungen, die Stille, die einige nur schwer ertragen konnten.
Den Grund von Zeynas Verschwinden kann man nur erahnen, aber nicht wirklich aufklären. Auch was Hanna in ihrer Einsamkeit umtreibt, lässt sich nur raten. Die Autorin überlässt es den Leser:innen darüber nachzudenken. Das macht den Roman auch so interessant, weil er keine Lösungen oder Erklärungen vorgibt, sondern offene Wege.
Die Geschichte entwickelt einen Sog, wenn man selbst in den Neunzigern und Nullerjahren aufgewachsen ist und die damaligen Ereignisse einem begleiteten: Rassismus, Mölln 1992, 9/11.
Der Roman zeigt auf, wie frühe Verluste Menschen zu Suchenden machen. Suchenden nach Antworten, nach Heimat, nach Familie, nach Zugehörigkeit, nach Verstanden werden.
Der QR-Code mit den Musiktiteln, die die Freunde in ihrem Leben begleitet hat, ist eine besondere Beigabe im Roman.
Eine wundervolle, dicht geschriebene, packende und melancholische Geschichte mit herzerwärmender, poetischer Sprache. Eins der Bücher, die dauerhaft in meinem Bücherregal einziehen werden.