Rosemary ist 86 Jahre alt und Veränderungen in ihrem Brixton machen ihr sehr zu schaffen. In ihrem Kopf muss sie ständig die gespeicherte Landkarte neu gestalten, weil nichts so bleibt, wie sie es kennt. Jeden Morgen schwimmt sie im Schwimmbad – und genau das soll jetzt abgerissen werden. Kate ist jung, Anfang 20, neu in London und einsam. Sie berichtet für ihre Zeitung von diesem Schwimmbad und lernt dadurch Rosemary kennen. Obwohl sie sich nicht gern im Badeanzug zeigt, will sie zusammen mit ihrer neuen Freundin Rosemary alles tun, um das Schwimmbad zu retten. Denn sie erkennt, wie wichtig dieser Ort für die ganze Nachbarschaft ist.
Wahrscheinlich hat mich das Buch schon allein deshalb angezogen, weil ich selbst viel und leidenschaftlich gern schwimme. Nicht besonders gut, vielleicht ein bisschen wie Rosemary, aber immerhin. Würde man „mein“ Hallenfreibad schließen, würde man mir sehr weh tun. Ganz klar, dass ich von Anfang an Rosemary-Fan war.
Der Stil ist ruhig und sanft, aber kein bisschen langweilig. Die Gedanken und Gefühle der unterschiedlichen Figuren bringt Libby Page wunderbar auf den Punkt, ohne sich in allzu viele Details bei Beschreibungen zu verlieren. Sie setzt auf Gefühl, nicht auf Spannung. Bei mir funktioniert das wunderbar!
Die Rückblenden, Rosemarys Erinnerungen an ihre Kindheit und die Zeit mit ihrem Ehemann, sind sehr schön, fast heimelig, selbst die traurigeren Stellen. Hier hatte ich das Gefühl, ich erfahre Szenen aus der Jugend und Kindheit und Ehe einer lieben älteren Nachbarin, Verwandten, Oma. Da kann ich noch heute fasziniert lauschen.
Die beiden Frauen könnten unterschiedlicher nicht sein und immer mal wieder fragt man sich, welche von beiden denn nun die Ältere ist. Steckt in Rosemary doch noch so viel junge Frau und in Kate so viel gebremstes Leben.
Wie die beiden Frauen durch ihren Plan so vieles in ihren eigenen und anderen Leben ändern, ist wunderbar zu verfolgen. Nichts steht, alles verändert sich. Aber wie und auf welche Weise, das ist zauberhaft! Sie helfen sich gegenseitig bei ihrer Entwicklung. Dazu gehört auch ein bisschen Mut, es tut manchmal weh, es ist auch mal beängstigend – aber gemeinsam kann man mehr erreichen: Für das Schwimmbad und für sich selbst.
Es ist ein ruhiges Buch, aber ein starkes. Es lehrt den Leser, Dinge nicht nur mit den eigenen Augen zu sehen, sondern sich auch mal in die Position anderer zu denken. Nicht „was andere wohl von mir denken?“, sondern „wie würde ich das an Stelle von X oder Y sehen?“. Es zeigt, wie das Leben uns zu den Menschen führt, die wir brauchen. Es zeigt, wie wichtig Gemeinschaft ist. Deshalb bekommt es von mir die vollen fünf Sterne.
Ich liebe die Stimme von Cathlen Gawlich, auch wenn ich immer Dr. Linda Martin aus „Lucifer“ vor Augen habe, wenn ich sie höre. Aber auch mit diesem Bild ist die Stimme perfekt für diese Geschichte.