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Veröffentlicht am 10.11.2016

Noch immer brandaktuell

Die unbekannte Terroristin
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Dir kann nichts passieren. Du bist sicher. Du lebst in einem demokratischen Staat, der die Freiheit und Grenzenlosigkeit zelebriert. Und dann machst du einen Fehler. Du bist zur falschen Zeit, am falschen ...

Dir kann nichts passieren. Du bist sicher. Du lebst in einem demokratischen Staat, der die Freiheit und Grenzenlosigkeit zelebriert. Und dann machst du einen Fehler. Du bist zur falschen Zeit, am falschen Ort. Und alles was danach kommt, ist nur noch Lüge. Dir selbst gegenüber. Anderen gegenüber. Von anderen dir gegenüber. Dir kann alles passieren. Du bist nicht mehr sicher.


Meinung
Es bedarf mehr als ein bisschen Blabla, um das Buch Die unbekannte Terroristin von Richard Flanagan zu begreifen. Es so wiedergeben zu können, damit auch andere Menschen dieses Buch in Betracht ziehen. Und das ist nicht so einfach.

Dieses Buch ist zehn Jahre alt. Seine Erstveröffentlichung fand 2006 unter dem Namen „The Unknown Terrorist“ statt. Ist es nicht bemerkenswert erschreckend und faszinierend zugleich, dass die Thematik, die Handlung dieser Geschichte noch immer so präsent ist? So präsent, dass der Piper Verlag der Meinung ist, dass dieses Buch auch noch heute den Nerv einer Leserschaft trifft?

Ich war mir vor dem Lesen des Buches ein wenig bewusst, was mich erwartet. Dem Klappentext sei Dank. Doch er verrät nur das Nötigste. Was sich dem Leser innerhalb der 336 Seiten eröffnet ist eine Gesellschaft, die sich kaum von den alten Römern und ihren brutalen, mitunter tödlichen Gladiatorenkämpfen in der Arena unterscheidet. Nur das eine junge Frau nicht körperlich ausblutet, sondern seelisch. Ihr Leben entgleitet ihr und sie hat nicht den Hauch einer Chance, die Kontrolle darüber wiederzuerlangen. Nicht den Hauch einer Chance sich zu verteidigen. Und das alles durch das Medium, welchem wir uns alle nicht entziehen können. Dem Fernsehen, dem Internet. Der Berichterstattung von Menschen, die genauso fehlbar sind wie du und ich. Aber ebenso grausam sein können, wie Attentäter selbst. Durch und durch korrumpierbar. Fast schon inquisitorisch wird hier eine moderne Hexenjagd betrieben, auf den kleinen Menschen, weil es sonst keinen Dummen gibt, dem man die Schuld, ein Gesicht des Schreckens, zuschieben kann.

Es wird deutlich wie schnell sich die Medienlandschaft verselbstständigt; sie aus den kleinsten Brotkrumen eine Story inkl. großem Verschwörungsnetz dahinter konstruiert. Alles was on air oder online geht, kann niemals wirklich zurückgenommen werden. Und das verdeutlicht nur, was für eine Macht die Medien über unser Leben haben. Wie sehr sich der einzelne von der Berichterstattung beeinflussen und abhängig macht. Und dass sich die Personen hinter der Maske des Journalismus verstecken können und sich bewusst sind, was sie mit ihrer Berichterstattung erreichen können. Positiv wie negativ.

Richard Flanagan hat etwas Besonderes mit dieser Geschichte geschaffen. Nicht nur, dass es wie bereits erwähnt, hervorragend und den aktuellen Zeitgeist, die Angst der Gesellschaft, in Worte einfasst. Nein. Die Art, wie er das tut, ist bemerkenswert. Denn in so vielen Abschnitten habe ich tatsächlich so etwas ähnliches wie Poesie gefunden. Eine Kunst und Fingerfertigkeit mit Worten und deren Wirkung zu spielen. Den Leser nach Belieben in die Geschichte zu saugen und wieder mit voller Wucht herauszustoßen. Eine Kritik an die Gesellschaft so hart und doch seicht in dieses Buch einzuflechten. Denn obwohl ich all das in der Sprache des Buches gefunden habe, war da nie ein Gefühl der Schwere. Der wirklichen anspruchsvollen Literatur. Es lässt sich tatsächlich sehr leicht und schnell lesen. Was ein wundervoller Spagat ist, der so ein Buch auch für den Durchschnitts-Hobby-Leser zugänglich macht.

Ich habe viele eindrucksvolle Schreibstile kennenlernen dürfen. Aber Flanagans hat einen besonderen Flair. Auch nicht immer einen einfachen. Denn eben dieses Herausstoßen hat mich oftmals mit der Figur um Gina Davies, auch genannt „Puppe“, die Protagonistin, fremdeln lassen. Und doch war da in jeder Sekunde, trotz ihrer merkwürdigen Eigenheiten und auch Fehlern, die sie begeht, eine Empathie. Es hat sich oftmals einfach so angefühlt, als wäre man der einzige Mensch auf Erden, der noch an ihre Unschuld glaubt.

Denn schnell wird auch deutlich, dass sich sehr bald niemand mehr für die Wahrheit, für sie als Person interessiert. Es macht keinen Unterschied mehr, ob sie noch lebt oder nicht. Ihre Person wird in der Öffentlichkeit zerrissen. Bis aufs kleinste Detail analysiert und seziert. Anhand von kleinen Eigenheiten werden ihr stereotype, gar kranke Verhaltensweisen angedichtet, um die Sensationsgier der Meute zu befriedigen.

Es ist ganz klar. Wenn man zwischen den Zeilen liest. Man das Buch mit einem arbeiten lässt. Die unbekannte Terroristin bietet viel. Viel Handlung, viele Geschehnisse, viel Literarisches Handwerk. Dennoch empfand ich das Buch nicht als spaßige Achterbahnfahrt, wie so manch andere einfache Romane. Manchmal hatte ich das Gefühl, dass die Handlung so ein wenig plätschert. Ja, sogar recht unspektakulär ist. Aber es hat mich interessiert. Ja. Es hat mich sogar sehr gebannt, trotz anfänglicher Schwierigkeiten. Es hat viel mit meinen Gedanken während und nach dem Lesen gemacht. Und das fand ich am Ende wesentlich besser, als eine Action-Berg-und-Talfahrt zu erleben. Trotz oder sogar wegen der offensichtlichen Vorhersehbarkeit der Geschichte.

Fazit
Die unbekannte Terroristin von Richard Flanagan ist ein beeindruckendes Werk an schriftstellerischer Kunst und zugleich ein scharfes Schwert, welches seinen Wunde in den Köpfen der Leser hinterlässt. In diesem Buch wirft der Autor einen Spiegel auf die Gesellschaft, so hart und unnachgiebig, dass man manchmal über sein eigenes Denken erschrocken ist. Es ist zweifelslos ein Buch, welches den Nerv der Zeit trifft. Und welches man vielleicht gerade deswegen auch gelesen haben sollte. So berechenbar das auch scheinen mag.

Veröffentlicht am 06.11.2016

Überraschend gut und intensiv!

Flawed – Wie perfekt willst du sein?
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Cecelia Ahern ist ja eher für ihre Liebesromane wie P.S. Ich liebe dich oder Für immer vielleichtbekannt. Umso erstaunlicher waren die Reaktionen auf die Bekanntmachung, dass die Autorin ihren ersten Jugendroman ...

Cecelia Ahern ist ja eher für ihre Liebesromane wie P.S. Ich liebe dich oder Für immer vielleichtbekannt. Umso erstaunlicher waren die Reaktionen auf die Bekanntmachung, dass die Autorin ihren ersten Jugendroman im Bereich Dystopie veröffentlicht.

Und was auch mich mehr als ein wenig überrascht hat, war, dass ihr diese Premiere sehr gut gelungen ist.

Mit Flawed – Wie perfekt willst du sein hat Cecelia Ahern eine Dilogie geschaffen, die mit Intensität, Atmosphäre und entwicklungsstarken Charakteren überzeugt. Ich habe einige ihrer anderen Romane gelesen und was direkt auffällt, ist, dass sich die Autorin perfekt in diese Geschichte eingelebt hat. Der Schreibstil, die Dialoge passen zur Zielgruppe, und ist wesentlich auf die Geschichte und ihr Setting ausgelegt. Wer also die Befürchtung hatte, dass ein stereotyper Schreibstil der Autorin in diesem Buch angewendet wird, kann sich entspannt zurücklehnen. Wer weiß, vielleicht lag es an den Lektoren, vielleicht lag es aber auch nur an dem geübten schriftstellerischen Erfahrungsschatz der Autorin, dass in Flawed die richtige Sprache, der richtige Ton, getroffen wird.

In Flawed – Wie perfekt willst du sein, dem Auftakt dieses Zweiteilers, erwartet den Leser eine spannende Geschichte, die sich zwar einiger altbekannter Elemente der Dystopie bedient, aber irgendwann entwickelt die Autorin ihren eigenen Drive, ihre ganz eine Welt, dass mein Vergleich mit Delirium von Lauren Oliver immer mehr in den Hintergrund wich. Denn eben an diesen Roman musste ich auf den ersten wenigen Seiten denken.

Je mehr ich mich in die Geschichte einlas, in eben diese auch abtauchte – denn das Buch ist ein Pageturner per excellence! – bekam ich ein Bild davon wie diese Perfekte Gesellschaft aufgebaut ist. Wie fehlerhaft jene auch ist. Denn dieses System mit der Gilde, die wie die Stasi überall ihre Augen und Ohren hat, um ja den kleinsten Fehltritt direkt zu ahnden, ist so wackelig, wie willkürlich. Von dem Ausmaß der Grausamkeit ganz zu schweigen.

Richtig gut gelungen ist es der Autorin, dass man als Leser nicht nur innerhalb der Geschichte Fragen aufkommen sieht, sondern das Buch mit seiner Botschaft auch nachhaltig beschäftigt.

Was ist Perfektion? Ist eine perfekte Gesellschaft, die keinerlei Fehltritte erlaubt tatsächlich perfekt? Wo ist die Menschlichkeit? Was passiert, wenn diese außer Acht gelassen wird? Wo fängt Machtmissbrauch an? Wo die Korruption?

Cecelia Ahern nimmt Teile der heutigen Gesellschaft unter dem Deckmantel dieses Buches aufs Korn. Wenn ich mir vor Augen halte, dass dieses Buch auf eine junge Zielgruppe ausgelegt ist, finde ich das schon sehr gut, was den Subtext angeht.

An der Spitze dieses mehr als fragwürdigen Systems steht ausgerechnet der Vater von Celestines Freund. Was ein merkwürdiger und zugleich hochspannender Aspekt.

Und damit sind wir auch schon bei den Charakteren und Beziehungen dieses Romans.

Allen voran steht natürlich Celestine, aus deren Perspektive die Geschichte erzählt wird. Celestine ist stark, klug und sagt von sich selbst, dass sie stets logischen Schlussfolgerungen folgt. Tatsächlich hatte ich schnell den Eindruck, dass Celestine so ein bisschen der Stock im Arsch sitzt, sie ein bisschen zu sehr diesem „Alles ist schwarz oder weiß“-Grundsatz folgt. Sie war mir etwas schwer zugänglich und ein wenig undurchsichtig. Leider hat sich das nie wirklich in Wohlgefallen oder Luft aufgelöst. Selbst als durch sie der Stein ins Rollen kommt, und ihre Handlung, die sie auf Logik fußt, eine mittelschwere bis starke Staatskrise auslöst.

Ich finde Celestine nach wie vor als Charakter sehr schwierig. Und auch später im Verlauf der Geschichte bekam ich den Eindruck, dass sie trotz ihrer Intelligenz, die ihr immer wieder von anderen Mitmenschen bestätigt wird, oft eine lange Leitung hat. Nachhilfe beim Denken und Erschließen von Möglichkeiten braucht. An der Stelle wäre wohl der Ausdruck naiv und blauäugig ganz treffend.

Aber es ist nicht alles verloren bei Celestine. Es gibt durchaus Momente und Szenen mit ihr, die den Leser unglaublich nah an ihr ursprünglichstes Wesen herantragen. Die den Leser empathisch und intensiv mit ihrer Person verbindet. Dabei beweist sie wiederum, dass sie einen großen, sehr menschlichen und empathischen Kern hat; der weniger logisch, sondern vielmehr emotional ist. Und dass auch trotzige und irrationale Seiten in ihr existieren. Eben all das kommt nicht einfach über Nacht. Einige Eigenschaften und neue Mentalitäten entwickelt sie erst über die 480 Seiten des Buches hinweg.

Und auch die anderen Figuren im Buch lernen vieles über sich selbst. Entdecken neue und andere Seiten ihrer Persönlichkeiten. Das Paradebeispiel ist Celestines Mutter. Am Anfang von Flawed ist sie sichtlich eingeschüchtert vom System, der Gilde und achtet penibel darauf, den Ansprüchen und Regeln, dieser Welt zu genügen. Nachdem aber ihre Tochter ein besonderes Beispiel an Fehlerhaftigkeit darstellt, entwickelt sich die Mutter auf überraschende Art und Weise.

Aber nicht nur die Mutter verändert sich. Richter Crevan, der trotz seiner Autorität im hellen Licht glänzt, verliert nach und nach seine Maske und darunter kommt wirklich böses hervor. Dann ist da noch Celestines Schwester Juniper, der eine Rolle, die letztendlich Celestine einnimmt, anfangs eher zuzutrauen wäre.

Insgesamt habe ich den Eindruck, dass jegliche Personen zu Beginn der Geschichte einen Stereotyp bedienen. Allerdings hat Cecelia Ahern da ordentlich dran gewerkelt, und die Ergebnisse haben hier und da ein „Oha“ aus mir herausbekommen. Die Autorin wartet an allen Ecken mit Überraschungen auf den Leser, die er so nicht immer kommen sieht.

Das wiederum macht das Buch zu dem was es ist. Ultraspannend, wendungsreich und unterhaltend.

Einen kleinen Kritikpunkt zu der Geschichte selbst habe ich aber noch parat. Und das ist das Ende bzw. der Cliffhanger, mit dem das Buch endet. Die letzten Seiten und Szenen dorthin fand ich sehr schnell, ja, fast schon etwas übereilt erzählt.

Fazit
Wer mit einer außergewöhnlich intensiven und spannenden Geschichte einige Lesestunden erleben möchte, dazu auf Dystopien und philosophisch bis gesellschaftskritische Untertöne steht, der sollte unbedingt zu Flawed – Wie perfekt willst du sein greifen. Ich habe das Buch sehr genossen und werde auf jeden Fall den zweiten Teil lesen.

Veröffentlicht am 26.10.2016

Unfassbar gut!

Auf Null
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Ich war schon ordentlich vorgehypt, ich hatte große Erwartungen an Auf Null. Und wer über Bücher bloggt oder Vielleser ist, der weiß, das ist nicht immer einfach. Das kann ganz schön nach hinten losgehen. ...

Ich war schon ordentlich vorgehypt, ich hatte große Erwartungen an Auf Null. Und wer über Bücher bloggt oder Vielleser ist, der weiß, das ist nicht immer einfach. Das kann ganz schön nach hinten losgehen. Diese Momente, wo dann doch alles passt, man das Buch verschlingt und wie ein Schwamm begierig aufsaugt, sind da rar und besonders zugleich.

So ging es mir bei Auf Null von Catharina Junk.

Mit aberwitziger Situationskomik, einer ordentlichen Prise Sarkasmus und einer erfrischend leichten und doch atmosphärisch tragenden Sprache gleitet man schneller durch diesen Roman, als einem lieb ist.

Wo die typische Sick-Lit aufhört, da fängt die Autorin an. Wir begleiten unsere Protagonistin Nina auf den Weg zurück ins normale Leben. Nachdem sie fast ein Jahr im Krankenhaus, von ihr liebevoll „Bettenturm“ genannt, verlassen darf, steht sie vor einem Neuanfang. Mit dem sie selbst schon nicht mehr gerechnet hat. Wen wundert das? Aber Nina stehen nun alle Türen offen. Die Hoffnung auf Leben ist präsenter denn je. Und die Angst es wieder zu verlieren, noch mehr.

Mit gerade mal Anfang zwanzig musste sie ihr Studium, wegen der Leukämie, unterbrechen. Und sie weiß jetzt, ein gefühltes anderes Leben später, nicht mehr, ob das Studium die richtige Wahl für sie ist. Ob ihr altes Leben überhaupt noch Sinn macht. Was ist mit der neuen Nina, die dem Tod ins Gesicht geblickt hat, kompatibel? Und inwieweit hat das auch ihre Familie, ihre Eltern und ihren kleinen Bruder, verändert? Wie weit und wie stark darf man sich wieder an das Leben und all die Menschen darin binden, wenn es morgen wieder vorbei sein kann? All das wird hier zum Thema gemacht.

Obwohl Nina Wochen und Monate auf van Goghs Sonnenblumen gestarrt hat, sich in öder Routine durch die Tage der Erkrankung gequält hat, Salbeitee noch und nöcher gegurgelt hat, hat sie kaum einen Gedanken an sich verschwendet. Was danach passiert. Dieses Buch ist so auf den Punkt, was den Titel Auf Null angeht. Denn von Sekunde eins dieses Romans, beginnt Ninas Leben bei Null.

Nina knüpft nicht einfach an ihr altes Leben an. Was sie zu Beginn ihrer Erkrankung oftmals und lange noch hofft. Mit dem anfänglichen Gedanken nach wenigen Wochen all das hinter sich zu haben, wird dem Leser bald klar, dass einiges dazwischen gekommen sein muss, wenn sie fast ein Jahr im Krankenhaus verbracht hat. Auch wenn wir als Leser die Zeit nach der Leukämie verfolgen, dürfen wir immer wieder der Zeit während und nach der Diagnose, und bei der Bekämpfung des Krebs, beiwohnen. Und das ist erschreckend ehrlich. Erschreckend pur und intensiv. Und auch mal sehr dunkel.

Dieser Roman geht durch Mark und Bein. Als Leser bleibt dir keine Wahl. Du bist hin und hergerissen. Du bist fasziniert. Du bist ungläubig. Du bist erschrocken. Die Vielfalt an Emotion ist wie ein All-You-Can-Eat-Buffet. Du hast dich an mancher Emotion überfressen, aber du kannst nicht aufhören. Du willst einfach nicht aufhören. Es ist einfach zu gut und schön. Auch wenn es mal tottraurig ist und entsetzlich tragisch.

Ich weiß, es ist wahnwitzig, vielleicht auch übertrieben. Vielleicht hab ich auch einfach nur eine Macke. Aber die Entfaltung des Humors unter der Tragik dieses Schicksals ist für mich bahnbrechend. Ich fand es grandios! Dem Tod, der Unsicherheit noch eine Komik abgewinnen. Lebensbejahender geht es kaum. Freud und Leid liegen hier nur eine Haaresbreite voneinander entfernt. Catharina Junk hat das so perfekt in Worte gegossen und in dieses Buch gestampft. Es hat mich dermaßen berührt. In so vielen verschiedenen Arten.

Ich kann sagen es hat mich zum Lachen gebracht. Es hat mich zum Weinen gebracht. Es hat mich wütend gemacht. Und dabei hat es mir ein Bewusstsein für den Umgang mit so einer Krankheit geschenkt. Es hat mir vor Augen gehalten, wie gut es mir geht. Wie wenig ich das manchmal schätze. Wie lapidar wir Sachen sagen, wie wir mit Menschen umgehen. Dieser Roman hat was mit mir gemacht. Und solche Bücher sind, machen wir uns nichts vor, die Besten.

Wie sieht das denn jetzt mit den Figuren und so aus?

Da haben wir zum einen die Freundschaft zu Bahar, Ninas bester Freundin. Die ist so facettenreich. Besonders wenn die beiden zusammen interagieren, kann man nicht anders als zu schmunzeln. Und gleichzeitig schaffen es die beiden eine Wärme und Zuneigung auszustrahlen, dass sie nie im Leben als geringe Energiesparlampe bezeichnen würde. Gerade und auch wenn die Situation mehr als ernst ist. Ähnliches gilt später für die Interaktion zwischen Erik und Nina.

Die Dialoge zwischen den beiden sind so zart. Und damit meine ich fragil und zugleich leichtfüßig. Es fühlt es sich von der ersten Sekunde, beim ersten Wortwechsel zwischen den beiden, einfach richtig an. Das spürt der Leser. Das spürt Nina. Kein Wunder also, dass sie sich in ihn verliebt. Hier gibt es übrigens nicht minder lustige Szenen. An der Stelle muss ich auch ein paar Worte zu dieser Liebesgeschichte fallen lassen.

Im altbekannten Schema F-Roman in diesem Bereich wäre der männliche Spielpartner wieder Fels in der Brandung, Prinz und Lebensretter in einem. Und vor allem wäre einfach alles wieder gut, sobald die beiden sich getroffen hätten. Anders ist das in Auf Null. Es gibt ohne Zweifel diesen Part der Liebesgeschichte. Ohne Frage, es macht auch Spaß dieser Entwicklung dorthin entgegen zu fiebern. Bei einer Szene fand ich es auch ein bisschen klischeehaft, aber schlussendlich ist diese Beziehung zwischen Erik und Nina nicht so unerträglich dominant. Nicht unerträglich zuckrig. Vielmehr ist es eine schöne Ergänzung. Etwas, was man Nina nach all dem Mist gönnt.

Aber es gibt genug andere Nebenstränge in der Handlung, die mindestens genauso wichtig für Nina sind und ihren Raum im Buch bekommen. Da wären zum Beispiel die Beziehung zu ihrem Bruder. Denn er ist ja nur das Kind, was keinen Krebs hatte. Welches eine Stütze im Glauben sucht. Seine eigene Sexualität opfert, weil er meint eine Schuld damit zu tilgen. Oder der Part, dass so manche Freundschaft von Nina schon immer oberflächlicher Natur war und ihr Mindesthaltbarkeitsdatum schon längst überschritten hat. Es gibt so viel, dass den Leser mit seiner jeweiligen kleinen Thematik fesselt. Dieses Buch muss sich nicht hinter irgendeiner künstlich aufgeplusterten Liebesgeschichte verstecken. Das macht es so wundervoll und erfrischend.

Rundherum konnte mich das Buch begeistern. Ich wollte es gerade wegen seiner bitteren Süße kaum weglegen. Wenn es ein Buch gibt, welches man dieses Jahr unbedingt gelesen haben sollte, ist es Auf Null. Nicht zu unrecht gibt es schon viele positive Stimmen zu dem Roman und diese Aufmerksamkeit darum, könnte meiner Meinung nach, etwas größer sein.

Fazit
Auf Null von Catharina Junk hat mir wunderbare Lesestunden mit diesem Debütroman geschenkt. Es ist lebenbejahend, ergreifend und eine Klasse für sich. Außerordentlich berührend und auf bezaubernde Weise hat die Autorin für mich diese Art Buch neu definiert. Ich hoffe, dass wir schon bald mehr von dieser Autorin lesen werden.

Veröffentlicht am 25.10.2016

Mehr Arbeit als Amüsement

Der Krieg der Enzyklopädisten
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Gewaltig, sprachlich anspruchsvoll und anstrengend zugleich. Der Krieg der Enzyklopädisten von Christopher Gerald Robinson und Gavin Ford Kovite ist schlicht und einfach gesagt schwere Kost. Wer sich auf ...

Gewaltig, sprachlich anspruchsvoll und anstrengend zugleich. Der Krieg der Enzyklopädisten von Christopher Gerald Robinson und Gavin Ford Kovite ist schlicht und einfach gesagt schwere Kost. Wer sich auf dieses Monument an literarischem Erguss heranwagt, muss sich auf eine ungewöhnliche Geschichte, aber auch auf eine gewaltige Sprache, verpackt in einigen Schachtelsätzen, gefasst machen. Das Buch ist ein großes Stop-and-Go-Verfahren. Mal ist es unglaublich fesselnd und tiefsinnig, mal reißt es dich an Stellen durch seine Langatmigkeit und Banalität komplett aus dem Kontext.

Doch dadurch sollte man sich nicht direkt abschrecken lassen. Was diese Autoren-Kollaboration zu bieten hat, ist bemerkenswert und nachklingend zugleich. Überraschenderweise lässt sich das Buch trotz seiner anspruchsvollen Sprache, einigen Fremdwörtern und auch der bereits erwähnten Längen, relativ gut und stellenweise sehr flüssig lesen. Auffallend gut fand ich unter anderem, die Leichtigkeit, mit der ich mich immer wieder in die jeweiligen Abschnitte und Kapitel eingefunden habe, obwohl die Geschichte aus gut drei bis vier Perspektiven erzählt wird. Der Krieg der Enzyklopädisten ist nämlich mit seinen 608 Seiten ein mittelschwerer Klopper.

Als Leser erwartet dich keine Geschichte mit einem riesigen Spannungsbogen und atemberaubenden Szenen. Vielmehr sind es die einfachen und eher unscheinbaren Erlebnisse und Schilderungen der Figuren, die dich als Leser beschäftigen. Die dir im Kopf bleiben und auch mal was hinterlassen. Denn so erging es mir. Ich dachte zu Anfang, ich bekomme eine Geschichte von Menschen aufgetischt, die immer irgendwie miteinander agieren. Auf eine einfache und lockere, typisch belletristische Art. Doch stattdessen habe ich kleine Momentaufnahmen aus den Leben dieser Figuren bekommen, die eindrucksvoll, bewegend und auch tragisch sind.

Wir begleiten Corderoy als jungen Akademiker, der irgendwie zwischen diesen anderen intelligenten und kultivierten Studenten als Mensch bestehen, ja, herausragen will; der eigentlich nicht weiß, was er genau machen will, und letztendlich daran scheitert, weil er sich selbst sabotiert und ihn die Eltern finanziell nicht mehr unterstützen können.

Dann ist da Montauk, der eigentlich auf die Elite-Universität schlechthin, Harvard, gehen könnte. Da er sich aber mal als Reservist bei der US Army gemeldet hat, wird sein Vorhaben durchkreuzt. Er wird tatsächlich eingezogen und in den Irak geschickt, wo das Land unter seiner Unsicherheit und keinerlei Struktur leidet. Und sich für ihn, in der Rolle eines Offiziers, die Frage stellt, was und wie und warum das alles passiert. Und was das vor allem mit ihm als Person macht.

Und es gibt noch Mani. Die Freundin, dann Ex-Freundin von Corderoy. Eine junge Künstlerin, die ihren eigenen Weg geht. Denn eigentlich wollen ihre Eltern, dass sie eine akademische Laufbahn einschlägt und das wirtschaftlich und ertragreich am Ende eines Tages sein soll.

Was alle drei schließlich, außer ihrer Freundschaft, gemein haben, ist eine Orientierungslosigkeit, die durch zu viele Möglichkeiten gegeben ist. Alle scheitern sie an den gegebenen Lebensumständen. Eins wurde mir bei dieser Feststellung klar: Du kannst alles sein. Virtuell, wie real. Du kannst eine Maske tragen, aber unter ihr liegt nacktes, rohes Fleisch.

Genauso nackt und roh hat sich das Buch manchmal gelesen. Ohne Frage, es hat mir mit seiner Sprache und seiner Tragweite durch gewisse Szenen und Stilmittel ungemein imponiert. Die Dialoge und die Erläuterung der Gefühle in den Protagonisten selbst und zwischen einander ist unglaublich stark. So waren die Szenen im Irak, dank Gavin Ford Kovite, unglaublich authentisch und in der Formulierung zum Teil so drastisch, dass ich auch mal schlucken musste. Hier wird einfach deutlich, dass da ein Ex-Soldat tatsächlich passierte Dinge in diese fiktive Geschichte einfließen lässt. Und so fern all die Geschehnisse oftmals scheinen, das hat sie mir, auch wenn die Handlung im Zeitraum von 2004 – 2005 spielt, enorm verdeutlicht und so viel näher für mich als Person gebracht.

Und auch die Geschehnisse um Mani und Corderoy, die auf den ersten Blick eine sehr merkwürdige und doch besondere Beziehung verbindet, sind nicht frei von Tiefgang. Hier spiegeln sich ungemein viele Ängste aus der jungen Generation wider. Man versucht so gut es geht, eine Berufung zu finden, die nicht nur einen gewissen Lebensstandard sichert, sondern die gleichzeitig gesellschaftlich nachhaltig ist und einen selbst verwirklicht. Mit etwas Glück stehen die eigenen Eltern und der Rest der Sippschaft noch hinter einem und klopfen dir die Schulter wund. Aber gleichzeitig möchte man mit dieser Unsicherheit nicht allein dastehen. Man sucht nach jemanden, der einem diese Angst nimmt. In den man sich zur Not verlieren kann. Das kann durch eine Beziehung geschehen, oder wie hier oftmals eher unbewusst, aber dennoch dominant vertreten, durch Sex. Mit anderen oder mit sich selbst.

Wer weiß nicht, dass all das zugleich utopisch ist? Meistens geht man als junger Mensch Kompromisse ein. Manchmal macht man sogar gar nichts von alledem und schämt sich einfach dafür, weil alle anderen das hinbekommen und du eben nicht.

Der Krieg der Enzyklopädisten zeugt unter anderem von diesem Phänomen.

Und so gut ich es auch an vielen Stellen fand, so großartig ich die unterschwelligen Gedankenanstöße auch mag. Sie sind nicht offensichtlich. Man muss sie sich erarbeiten. Dieses Buch ist tatsächlich Arbeit. Denn es verfolgt, meiner Meinung nach, keinen großes Ziel. Keinen Höhepunkt. Es plätschert storytechnisch bei allen dreien ein wenig vor sich hin. Aber das ist nichts, was jeden begeistert. Vor allem nicht mit der Herausforderung an Sprache und Verständnis, die sich in den vielen Schachtelsätzen wiederfindet. Ehrlich gesagt, finde ich es auch zum Teil pseudo-philosophisch und übertrieben gewichtig geschrieben.

Wenn man sich das Nachwort der Autoren durchliest und vor allem Christopher Gerald Robinsons Ausführungen, bekomme ich im Nachhinein das Gefühl, dass der Kerl literarisch einfach nur mal dick auftragen wollte.

Was mich am Ende aber letztendlich am meisten stört, ist, dass ich den großen Sinn, das Motiv, hinter der diesem Buch bis heute nicht verstehe. Es erschließt sich mir nicht. Es gibt wie gesagt, einige Stärken. Aber genauso viele Schwächen. Und das große Fragezeichen, warum wir ausgerechnet diesen Figuren über die Schulter schauen, wird nicht kleiner. Es fühlt sich auch nicht an, als wäre da, trotz der Gemeinsamkeiten, trotz der Freundschaft, irgendeine Sache, die ich als Leser verstehen müsste. Es macht einfach nicht „Klick“. Viele Schilderungen und Ansätze, und das Buch selbst, führen einfach ins Leere. Wirklich sehr schade in Anbetracht dessen, was da sicher möglich gewesen wäre.


Fazit
Der Krieg der Enzyklopädisten war bzw. ist einfach sehr schwer zu greifen. Ich kann nur erahnen, was der Sinn dieses Buches ist, hoffen, dass ich es auf meine eigene Art richtig interpretierte. Aber genau aus diesem Grund, kann ich dieses Buch nur sehr vorsichtig und unter großem Vorbehalt empfehlen. Denn ein einfaches Buch ist es nicht. Leicht ebenso wenig. Und wer Mühe und Scheu hat, sich durch ein Buch von solcher Komplexität an Sprache zu kämpfen, ist nicht der richtige Kandidat.

Veröffentlicht am 16.10.2016

Fast wieder so gut wie Band 1

Im Schatten unserer Wünsche
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Jeffrey Archer lässt den Leser in Im Schatten unserer Wünsche nicht so leicht von der Angel. Schon der Anfang hat bei mir kleine Herzaussetzer verursacht. Und um eins vorweg zu nehmen: In diesem Band wird ...

Jeffrey Archer lässt den Leser in Im Schatten unserer Wünsche nicht so leicht von der Angel. Schon der Anfang hat bei mir kleine Herzaussetzer verursacht. Und um eins vorweg zu nehmen: In diesem Band wird es einige solcher Aussetzer geben. Denn dieser Band trumpft mit so einigen Ereignissen auf, die den Leser gespannt ans Buch fesseln, emotional mitnehmen und dennoch mit einer besonderen Finesse in den Handlungssträngen überzeugt.

Es ist schwierig für mich die Handlung nicht zu spoilern. Deswegen: Wer das Buch erst noch lesen möchte, sollte vielleicht zum Fazit springen. Denn ich komm ohne Spoiler nicht mehr aus.

Wie ich bereits erwähnte, startet Jeffrey Archer diesen Band direkt mit einem kleinen Schocker. Wer den dritten Band und den Schluss noch vor Augen hat, weiß wie böse der Cliffhanger war. Diese Angst, die man als Leser an der Stelle hat, hat der Autor perfide ausgenutzt, um seinen Leser kurz den Boden unter den Füßen wegzuziehen. So merkwürdig es klingt, ist man als Leser so mit der Familie um Harry, Giles und Emma verwoben, dass man irgendwie glaubt, dass denen nie etwas passiert. Das nun, da alle erwachsen sind, alles gut wird. Letztendlich beweist Archer in Im Schatten unserer Wünsche, dass sich der Leser da nicht zu gemütlich ins gemachte Nest setzen sollte. Denn so schön und einig das alles oftmals ist, Archer kann auch anders.

Sebastian kommt tatsächlich noch mit dem Leben davon. Durch ein Missverständnis. Durch Glück im Unglück. Und das zieht, wie sollte es auch anders sein, den Groll von Don Pedro Martinez auf sich. Der wollte sich ja mit dieser Autounfall-Aktion Sebastian entledigen. Dafür ist nun sein eigener Sohn gestorben. Und wie den Südländern halt nachgesagt wird, haben die ein sehr aufschäumendes Gemüt. So auch hier.

Aber Martinez ist nicht nur der Klischee-Südländer. Jeffery Archer hat ihn schlau gemacht. Auf böse Art und Weise schlau. Aber das gibt der Geschichte ordentlich Zunder. Denn es tauchen im Verlauf der Geschichte immer wieder Widrigkeiten für Sebastian, Harry und Co. auf. Dass Martinez da seine Fingerchen im Spiel hat, ist da nicht verwunderlich. Als Sympathisant seitens Clifton und Barrington ist man natürlich dazu verführt, jedem Widersacher dieser Familien die Pest an den Hals zu wünschen. Und keine Sorge, so ging es mir tatsächlich auch mit ihm. Doch ein Stück weit bewundere ich diesen Schurken. Denn er macht seine Sache echt schlau. Und selbst Agenten des Vereinigten Königreichs fangen an sich einzumischen, weil der Kerl es echt faustdick hinter den Ohren hat.

Innerhalb des Buches liest man sich durch ein Katz und Maus-Spiel. Es ist ein ewiges Hin und Her, eine stetiges Vermuten, wer jetzt am längeren Hebel sitzt. Und oftmals ist es tatsächlich so, dass Martinez seine Hausaufgaben gemacht hat und dementsprechend zwei Schritte Vorsprung hat.

Und ohne einige neue schicksalshafte Begegnungen würde das Blatt der Cliftons und Barringtons sicher ziemlich schlecht ausfallen. Hier lässt sich langsam feststellen, dass die junge Generation der Cliftons, sprich Sebastian und Jessica, immer mehr in den Fokus der Geschichte geraten. Okay, mit knapp Mitte bis Ende Dreißig gehören Harry und Co. nicht direkt zum alten Eisen, aber langsam sind diese großen Herausforderungen und auch Settings um diese Personen nicht mehr so vielfältig. Ich kann mir zwar nicht vorstellen, dass Emma oder Harry je in den Hintergrund der Saga rücken, aber die Reihe wird noch ein Weilchen bestehen bleiben.

Meiner derzeitigen Info nach, wird es sieben Bände geben. Da jeder Band so knapp eine Dekade umreißt, werden wir, wenn Archer denn mag, noch einigen Nachwuchs und einige Charakterfluktuation erleben.

Was mir besonders gut in diesem Band an den Figuren gefällt, ist dass sie einfach nicht langweilig werden. Sie haben ihren unumstößlichen Kern, ihre eigene Art und die greift der Autor immer wieder gekonnt auf. Das schließt eine Entwicklung in den Charakteren aber auch nicht aus. Und das setzt Archer großartig um. Zum Beispiel Harry, der ja durchweg in den letzten Büchern immer sehr besonnen ist, alles richtig macht und irgendwie immer der Mr. Nice Guy war, entwickelt in diesem Band eine Störrigkeit, die ihm einige Zeit später zum Verhängnis wird. Und die an ihm nagen wird. Das sind meines Erachtens solche Entwicklungen, die mit Negativität losgetreten werden, aber den Protagonisten einfach vielseitiger und authentischer machen.

Und dann kennen einige vielleicht noch Major Fischer. Die olle Nervensäge, die sich immer an irgendwen dranhängt, um größtmöglichen Nutzen für sich aus der Sache zu ziehen und nebenbei der Barrington-Familie schaden möchte, wo es nur geht. Oh, was fand ich das nervig, dass er auch in diesem Band wieder seine Bühne bekam. Aber ich wurde auch hier eines Besseren belehrt. Leiden kann ich den Kerl immer noch nicht. Aber erstmals seit Ewigkeiten, hatte ich das Gefühl, dass in ihm doch noch so etwas wie ein Gewissen schlummert. Ein Stimmchen, was ihm den richtigen Weg aufzeigt.

Solche Sachen mag ich an dieser Reihe. Man meint irgendwann Jeffrey Archer und seinen Plot zu verstehen und dann macht er solche Sachen. Charaktere abändern kann jeder. Aber Archer hat einen großen Masterplan. Und genau diese Sachen arbeiten dem Finale, was irgendwann mal kommt, entgegen. Das ist nur ein kleiner Part, aber das Krümmelchen Sand, welches den Berg erst zu einem macht.

Noch ein paar Dinge, die weniger Plotlastig sind, die es aber zu erwähnen gilt.

Im Schatten unserer Wünsche ist mit seinen 544 Seiten ein mittlerer Klopper. Vor dem man aber um Himmels Willen nicht zurückzuschrecken braucht. Denn der Schreibstil von Jeffrey Archer ist von einer wunderbaren Erzählstimme geprägt. Die Kapitel und gewisse Teilabschnitte des Buches legen oftmals den Fokus auf einen Handlungsstrang oder eine Person. Dadurch bekommt man nicht nur diesen wunderbaren Einblick in die Schurkenrolle, nein, auch das Erzähltempo ist ein ordentliches. Dass das Buch an manchen Stellen auch etwas dialoglastiger ist, tut sein Übriges, damit man relativ zügig durch die Geschichte kommt. Den absoluten Vogel schießt Jeffrey Archer aber im letzten Drittel in diesem Roman ab.

Wie ich bereits erwähnt habe, gibt es hier und da gewisse Katz und Maus-Spiele. Die allein geben dem Buch punktuell im jeweiligen Handlungsstrang ihren ganz eigenen Spannungsbogen. Allerdings das wahre und cremigste Spannungs-Topping wird dem Leser erst gegen Ende aufgetischt. Es ist einfach hochspannend. Es war ganz fürchterlich schön das zu lesen, weil man einfach nicht aufhören kann. Es geht nicht. Es ist wie in einem Film, wie bei einer Katastrophe, die du anrollen siehst und weißt, dass es furchtbar wird. Und wenn irgendwas noch richtig laufen soll, muss ein Wunder geschehen. Ich weiß ehrlich nicht, ob ich regelmäßig geatmet habe, als ich das gelesen habe. Allein der Gedanke daran zurück, versetzt mich wieder in eine ähnliche Anspannung.

Ein wahrer Clifton-Saga-Roman endet aber nur mit einem Cliffhanger. Und deswegen werden die Fans auch hier wieder ein gutes halbes Jahr warten müssen, bis sie erlöst werden. Und dazu zähle ich mich garantiert.


Fazit

Im Schatten unserer Wünsche hat mich fast schon wieder so sehr begeistern können, wie einst Spiel der Zeit. Band eins der Saga. Dieser Band glänzt mit unglaublicher Spannung, überraschenden Ereignissen und – wie sollte es anders sein? – Intrigen an jeder Straßenecke! Große Leseempfehlung für Fans der Reihe!