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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 08.10.2016

Gute Arbeit, die mich leider nicht erreicht hat

Der Turm der Welt
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Meinung

Ich habe mich unglaublich gefreut als ich Der Turm der Welt von Benjamin Monferat schon vorab dem Erscheinen am 25. August 2016 in den Händen halten durfte. Und bevor ich mich dem widme, warum ...

Meinung

Ich habe mich unglaublich gefreut als ich Der Turm der Welt von Benjamin Monferat schon vorab dem Erscheinen am 25. August 2016 in den Händen halten durfte. Und bevor ich mich dem widme, warum das Buch mich nicht überzeugen konnte, möchte ich den ganzen positiven Dingen den Vortritt lassen.

Denn ich weiß, dass dieses Buch sicher zu einem anderen Zeitpunkt viel mehr Begeisterung in mir hervorgerufen hätte. Ich glaube an den richtigen Moment für ein Buch. Der war bei mir diesmal nicht getroffen. Nichtsdestotrotz möchte ich dem Buch das wohlverdiente Lob aussprechen. So widersprüchlich das in meinem Kopf und vielleicht als Leser klingen mag.

Allem voran hat mich die Sprache in dem Buch von Beginn an einfach nur beeindruckt. Zugegeben kann ich rein historischen Romanen oft wenig abgewinnen. Aber bei Geschichten ab ca. 1880 wird’s dann doch schon etwas besser und das interessiert mich auch. Viele Bücher, die ab diesem Zeitraum spielen, haben mich schon positiv überrascht. Warum kann ich nicht sagen. Das ist eine merkwürdige Anziehung, die sich mir noch nicht wirklich erschlossen hat.

Zurück zum Thema. Die Sprache und vor allem der Ton der Dialoge haben mich insofern stark beeindruckt, weil sie unglaublich authentisch wirken. Ich habe diese sehr konventionelle und etwas steife Art der Sprache selten so gelesen. Heutzutage machen es uns Autoren schon leicht, was die „alte Sprache“ angeht. Was den Lesefluss natürlich ungemein unterstützt. Keine Frage. Aber dadurch muss man natürlich ein wenig bei der Atmosphäre nachjustieren.

In Der Turm der Welt muss das nicht gemacht werden. Die Stimmung, die Sprache, das Setting. All das zusammen ist ein wohl recherchiertes und gut umgesetztes Gerüst, um der Handlung eine besondere und stimmige Atmosphäre zu schaffen. In dieses Gefäß wird die Geschichte letztendlich gebettet. Und das verschafft Monferat die nötige Stabilität, um die vielen Figuren und Handlungsstränge reinzupacken, nach und nach die Verbindungen zwischen dem Erwähnten zu stricken und einen Spannungsbogen mit Sorgfalt zu kreieren.

Und ich darf diese detailverliebten Beschreibungen zu Örtlichkeiten oder Gestiken nicht vergessen! Denn zum Aspekt Authentizität passt das wieder perfekt.

Doch genau an dieser Stelle muss ich auch ansetzen, um zu erklären, warum mir persönlich das Buch nicht so gut gefallen hat.

In der Regel mag ich solche Ausschweifungen oder detailverliebte Beschreibungen. In dem Fall habe ich dennoch sehr schnell gemerkt, dass es zu viel des Guten ist. Ich hatte sehr bald Schwierigkeiten bei der Masse an Charakteren, Schauplätzen und Beschreibungen die Übersicht zu behalten. Es hat sich für mich einfach zu massiv angefühlt. Nach einem langen Tag konnte ich mich kaum aufraffen, dass Buch noch zur Hand zu nehmen. Denn obwohl die Kapitel oftmals recht kurz und knackig sind, habe ich gerade dadurch immer wieder schlecht in die Geschichte gefunden. Den Bezug zu den Figuren verloren.

Dass der Anfang mit einem gewissen Tempo erzählt werden wollte, konnte ich noch nachvollziehen. Aber als sich das im weiteren Verlauf von Der Turm der Welt fortsetzte, empfand ich es als anstrengend. Das Problem war unter anderem auch, dass nach jedem Kapitel ein Perspektivwechsel vollzogen wurde, was bei der Anzahl der verschiedenen Figuren auch nicht einfach zu verdauen ist. Dazu kommt manche Ähnlichkeit der Namen von weiblichen Figuren. Wenn man dann erst 60 Seiten weiter wieder von diesen hört, ist das etwas verwirrend und auch deplatziert.

Ich muss gestehen, dass Monferat mich immer wieder entschädigt hat. Denn wenn ich es mal schaffte knapp 60 Seiten am Stück zu lesen – denn das Buch hat schon viele Seiten und die Schriftgröße war auch nicht die riesig – wurde ich nach ausschweifenden Abschnitten mit einem Cliffhanger belohnt. Und die Szenen dazu und unmittelbar davor, waren ausnahmslos spannend. Trotzdem war es ein stetiges Auf und Ab. Und nach etwas mehr als der Hälfte des Buches, war mir dann klar, dass ich hierfür Ausdauer brauchte.

Ich war von den einzelnen Inseln der Cliffhanger und der Spannung und der Sympathie zu einigen Protagonisten getrieben, das Buch weiterzulesen. Aber so ermattet und erschlagen von der Reichhaltigkeit und Massivität an Wort und Text. Oftmals fehlte mir einfach die Konzentration oder Motivation, mich durch diese auch sehr komplexe Art zu Schreiben zu lesen. Dabei möchte ich aber betonen, wie schön ich diesen Schwierigkeitsgrad in einem Schreibstil, dazu zählt auch der von Benjamin Monferat, finde und diesen bewundere.

Schlussendlich habe ich nie komplett ins Buch gefunden. Und ich weiß, dass ich damit zur Minderheit gehöre. Aber manche Passagen fand ich einfach für die Geschichte zu stark in die Länge gezogen. Fast schon zu informativ, wie etwas zu dem Zeitpunkt gemacht oder verarbeitet wurde. Zu mächtig, zu groß. Wie gesagt, ich war irgendwann einfach nur noch erschlagen.

Ich kann und mag diesmal auch nicht genauer auf die einzelnen Figuren im Buch eingehen. Es war einfach so viele. Und letztendlich führen alle Wege zusammen, weswegen ich kaum jemanden da außen vor halten könnte. Die Handlung selbst ist mit Sicherheit spannend, vielseitig und passt auf erschreckende Art und Weise auch in die heutige Zeit. Im übertragenen Sinne natürlich. Kein Wunder also, dass der Autor zu den Anschlägen in Paris im November 2015 kurz Stellung bezieht.



Fazit

Der Funke wollte nicht so wirklich überspringen. Der Turm der Welt von Benjamin Monferat ist ein Massivgestein, welches man nicht einfach so erklimmt. Man braucht Konzentration, Ausdauer und definitiv ein Faible für Schreibstile, die Spannung und Ausschweifungen vereinen. Dennoch komme ich nicht umhin, die Arbeit des Autors, diese Komplexität und die Wortgewalt zu bewundern und mit Respekt zu honorieren.

Veröffentlicht am 15.09.2016

Glühwürmchenzauber

Paris, du und ich
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Inhalt
Die sechzehnjährige Emma ist von Kopf bis Fuß verliebt. In Alain. Doch der muss nach seinem Austausch in Stuttgart wieder Heim nach Paris. In einer spontanen Aktion reist Emma nach Paris um Alain ...

Inhalt
Die sechzehnjährige Emma ist von Kopf bis Fuß verliebt. In Alain. Doch der muss nach seinem Austausch in Stuttgart wieder Heim nach Paris. In einer spontanen Aktion reist Emma nach Paris um Alain zu überraschen. In Paris erwartet sie aber ein böses Erwachen. Wunden leckend und allein trifft sie in einem Café auf Vincent. Auch er ist allein in Paris und dabei sich zu entlieben. Diese Gemeinsamkeit schweißt zusammen und kurzerhand werden die beiden Herzschmerzfreunde. Oder doch mehr?

Meinung

Genau genommen könnte ich einfach sagen: „Kauft euch dieses Buch! Ihr werdet es nicht bereuen!“ und damit wäre die Kernaussage getroffen. Aber so einfach lasse ich mich selbst und auch euch nicht vom Haken. Vorher müssen wir die Awesomeness von „Paris, du & ich“ von Adriana Popescu, meines Erachtens Autoren-Göttin, durch exerzieren. Oh yeah!
Fangen wir doch mit dem Offensichtlichen an. Nämlich dieser unfassbaren Beständigkeit der Schreibqualität von Popescu. Ich bin seit „Ewig und Eins“ ein Riesenfan dieses Schreibstils und der Autorin. Denn sie lässt mich als Leser komplett mit der Geschichte verschmelzen. Ich vergesse alles andere um mich herum, ich tauche in die Geschichte und die Charaktere ab. Und tauche nur widerwillig wieder auf. Alles ist so einfach und so schön. Adrianas Bücher zu lesen ist so einfach und notwendig wie Atmen. Obwohl das letzte Buch „Ein Sommer und vier Tage“ oder dieser Titel „Paris, du & ich“ Jugendbücher sind, ändert das nichts an der Art, wie die Autorin es schafft, mich zu begeistern. Ich bin jemand, der regelmäßig auf die Seiten guckt, wie weit man ungefähr beim Lesen ist. Und bei manchen Büchern, die es schaffen mich mit einem Sog in den Bann ziehen, schaue ich kaum drauf. Weil es mir egal ist. Weil ich eigentlich nicht wissen will, wie weit ich schon bin. Denn es könnte schneller vorbei sein, als ich möchte. Dieser Fall ist wieder eingetroffen. Ich musste mich bewusst beim Lesen etwas zügeln, weil ich Emma und Vincent bei ihrem wunderbaren Abenteuer durch Paris länger begleiten wollte. Ich wollte dieser süßen und leichten Liebesgeschichte, die sich zweifelsohne zwischen den beiden anbahnt, in allen Zügen genießen.

Ich bezeichne es gerne als „Glühwürmchenzauber“. Bisher verbinde ich diesen Begriff ausschließlich mit den Geschichten von Adriana Popescu, weil sie in mir jedes mal so ein wohlig warmes Gefühl hervorrufen. Es ist wie ein zartes, umherflimmerndes Leuchten. Jedes einzelne Wort, jede Seite. Es ist einfach unbeschreiblich schön. Selbst nachdem ich die letzten Seiten ausgelesen habe, muss ich mit einem Lächeln daran zurückdenken. Warum ist das so?
Zum einen versteht es kaum ein Autor so viele schöne Weisheiten und Wahrheiten in die Dialoge mit einzubauen. Jedes verdammte Mal, wenn ich über solche Sätze stolpere muss ich eine Markierung setzen. Und es sind nicht wenige! Irgendwie bekommen die Figuren im Buch dadurch auch eine Tiefe und Reife, selbst wenn die erst sechzehn oder siebzehn sind. Das nimmt man denen einfach ab. Der Authentizitäts-Zaunpfahl winkt ganz heftig.

Das ist einer der Punkte, welcher die Charaktere auch greifbar und ehrlich macht. Generell hat Adriana Popescu ein Händchen für feine, sympathische und unglaublich liebenswürdige Charaktere. Es ist eigentlich schon fast langweilig, alle Figuren im Buch zu mögen. Aber es ist kaum möglich, das nicht zu tun. Ich spreche aber nicht von den schwierigen Charakteren, wie z. B. Alain oder Chloé. Die sind schwierig. Ja, auch fies. Aber die Präsenz von denen hält sich zum Glück in Grenzen. Was mich als Leser überaus glücklich stimmt. Denn so ist viel mehr Raum für die großartigen Menschen in diesem Buch. Emma, Vincent, oder - wer das Buch kennt und liebt - Jean-Luc. Oh, Jean-Luc! Ist er nicht einfach zauberhaft? Dieser Charakter hat so etwas Bodenständiges und ein Riesenherz, was gefühlte 10.000 Grad Celsius Wärme ausstrahlt. Jean-Luc könnte nicht nur ganz Paris verzaubern. Vielmehr die ganze Welt. Jeder sollte einen Jean-Luc in seinem Leben haben oder zumindest einem begegnet sein.

Natürlich sind da noch Emma und Vincent. Ohne die das Buch kaum so zauberhaft und humoristisch wäre, wie es eben ist. Die Beziehung der beiden und der Umgang miteinander ist so schön kribbelig mitzuverfolgen. Vincent, dieser Charmebolzen, ist einfach zum knuffen. Dass er so ein paar Minderwertigkeitskomplexe und Makel hat, blende ich mal gekonnt aus. Ich würde sogar so weit gehen, dass ihn das noch süßer macht, als er eh schon ist. Allein beim Gedanken an Vincent muss ich mir ans Herz greifen und ein „Hach, neee. Wat schön!“ von mir geben. Er ist so verständnisvoll, kreativ und sympathisch, dass es schon fast weh tut. Es wundert mich nicht, dass sich Emma in Vincent verknallt. Ich kann hier nur nochmal erwähnen, dass ihr das Buch einfach lesen müsst. Dann versteht ihr das und würdet realisieren, dass ihr euch zusammen mit Emma in Vincent verknallt. Punkt.
Emma, aus deren Sicht wir die Geschichte erleben, ist ein süßes junges Mädchen. Das durch ihre Fehler lernt. Sie erlebt hier und da Rückschläge, verliert aber nie den Mut. Findet immer einen Weg ihre Angst oder den inneren Schweinehund zu besiegen. Ich finde das bewundernswert und sie zieht das von Seite Eins bis zum Ende durch. Nicht zu vergessen ihr feiner Humor und ihre Empathie. Die oftmals im Buch auch nötig ist. Ich hab nichts an ihr auszusetzen. Was ich auch leicht schräg finde. In der Regel finde ich immer irgendwas. Ich denke sogar, dass sich jeder mit Emma sehr gut identifizieren kann.

Zum Schluss möchte ich hervorheben, wie leicht es der Autorin gelungen ist, mit so einer jungen und einfachen Liebesgeschichte zu überzeugen. Und es fühlt sich nicht falsch an! Es muss nicht immer großes Drama herrschen. Die Gefühle müssen nicht immer zwischen zwei Extremen eine Gradwanderung durchlaufen. Manchmal reicht ein sanftes Schaukeln, um den Ausschlag in die richtige Richtung zu geben. Und dann ganz viel Zauberhaftigkeit. Das habe ich hier gefunden. Allerdings habe auch nichts anderes erwartet. Darüber hinaus ist es bemerkenswert wie schnell ich Fernweh nach Paris entwickelt habe. Ich wollte selbst, wie Emma, durch Paris und Montmartre streifen, auf Hemingways Pfaden wandeln und mit (m)einem Vincent an der Seite Sonnenauf- und -untergänge, auf einem kleinen Balkon, in einer Pariser Dachgeschosswohnung, erleben. Dieses Buch ist ein kleiner Urlaub für die Seele, eingepackt in 352 Seiten.

Fazit

Wer eine schöne und leichte Liebesgeschichte, in einer atemberaubenden Kulisse (inkl. Fernweh-Faktor) sucht, wird bei „Paris, du & ich“ von Adriana Popescu fündig. Wer einen sommerlichen Wohlfühlroman sucht, dem lege ich dieses Buch ans Herz. Wer ein gutes Buch von einer großartigen Autorin lesen will, sollte sich dieses Buch schnappen. Ihr merkt, ich bin voll des Lobes und bin schon gespannt auf das nächste Werk von der Autorin. Denn falls der Erfolg jemals abreißen sollte, falle ich vom Glauben ab.

Veröffentlicht am 15.09.2016

Bezaubernd, mit einer schönen Botschaft

Alles, was ich sehe
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Inhalt
Maggie ist nach einer Hirnhautentzündung erblindet. Sie mag ihr Schicksal nicht so recht annehmen und bleibt in ihrem Leben auf der Stelle stehen. Ihre Eltern sind ihr kaum eine Hilfe, schleichen ...

Inhalt
Maggie ist nach einer Hirnhautentzündung erblindet. Sie mag ihr Schicksal nicht so recht annehmen und bleibt in ihrem Leben auf der Stelle stehen. Ihre Eltern sind ihr kaum eine Hilfe, schleichen mit Samtpfoten um sie herum. Als Maggie unerwartet einen Unfall hat, kann sie danach Ben, einen zehnjährigen Jungen, sehen. Ausschließlich ihn. Zwischen Egoismus und Sehnsucht ist Maggie hin und her gerissen, und sucht in der Freundschaft zu Ben eine Nähe zu ihrem alten Leben. Doch warum kann sie nur ihn sehen? Als sie es herausfindet, hat sie schon viel verspielt.



Meinung
Im Vorfeld habe ich bereits einige tolle Meinungen zu „Alles, was ich sehe“ von Marci Lyn Curtis gehört und meine Erwartungen waren dementsprechend nicht so klein. Und nach wie vor bin ich mir komischerweise nicht sicher, ob die Erwartungen getroffen wurden. Denn ich habe gute, wie blöde Momente mit der Geschichte gehabt.

Ich würde lügen, wenn ich sage, dass dieses Buch nicht etwas sehr besonderes an sich hat. Die Atmosphäre selbst hat mir gefallen, auch wenn sie für mich nicht so dicht und spürbar war, wie ich es erhofft habe. Zu Beginn des Buches, wo noch alles offen und das Rätsel um Maggies plötzlich wiederkehrendes Augenlicht so präsent ist, war alles möglich. Da hatte mich der Schreibstil, mit seiner klaren und einfachen Art, gefangen genommen. Ich bin mit Heißhunger auf diese Geschichte gestartet.

Denn die Idee dahinter, einer Blinden, die einst mal sehen konnte, das Augenlicht in einem gewissen Radius um eine Person wiederzugeben... Das sprüht nur vor Wunderlichkeit. Wer da nicht neugierig wird, warum das so ist, der hat es wohl einfach nicht so mit solchen „Wunder-Geschichten“. Was schade ist, denn diese hat es irgendwie drauf vor allem mit einem Aspekt zu glänzen. Nämlich mit Herzlichkeit.

Zugegebenermaßen ist Maggie zwar im Fokus des Buches, aber sie war für mich als Person nur Mittel zum Zweck. Sie war die Blinde. Hielt die Geschichte, das Mysterium, um diese temporäre Fähigkeit des Sehens, aufrecht. Ich mochte sie. Irgendwie. Und dann wieder nicht. Ganz häufig eigentlich nicht. Denn ihr Charakter ist etwas schwierig. Aber gegenüber so vielen warmen und herzlich gezeichneten Personen im Buch ist sie einfach, um es frei zu sagen, eine Bitch. Das soll nicht heißen, dass sie 24/7 unausstehlich war. Aber für mein Gefühl, hatte sie mehr egoistische Beweggründe, die Freundschaft zu Ben zu suchen, als ehrenwerte. Das hat sie nicht besonders ins gute Licht gerückt. Fürsorgliche und sehr schöne Momente hatte sie dennoch. Vor allem im letzten Drittel des Buches, wo sie auch mit Mason, Bens Bruder, in eine Kommunikation tritt. Nicht nur dieses Angefauche, wie zu Beginn.

Man könnte an der Stelle sagen, dass sie mit sich und dem Schicksal hadert. Dass sie ja viel durchgemacht hat und wenn man ehrlich ist, sicher auch hier und da so wie Maggie reagieren würde. Das große Aber kommt dennoch. Denn diese komischen und schwierigen Charaktereigenschaften hatte sie, wenn man die Geschichte weiter verfolgt, bereits vor ihrer Erblindung. Das sickert bei ihr im Verlauf auch durch den Kopf. Man könnte meinen, ihre Bitchigkeit wurde durch die Erblindung kurz hochgekocht, dann sehr abgeschwächt, trotzdem war bzw. ist das noch immer ein großer Teil von ihr. Vielleicht hat die Autorin oder Lektorin, wer auch immer die Entwicklung von Maggie zu verantworten hat, das irgendwann bemerkt und dachte sich „Hey, jetzt müssen wir mal was für’s Image von Maggie machen!“.

Ich will nicht unbedingt sagen, dass das dem Buch den Arsch gerettet hat, aber ganz dumm war dieses „Ruder rumreißen“ seitens und für Maggie nicht.

Puh. Ehrlich gesagt, will ich nicht so auf dem schwachen Charakter von Maggie rumreiten, denn das Buch hat ganz viele andere Stellen, wo es brilliert. Es hat da zum Beispiel Ben. Der zehnjährige Junge, den Maggie sehen kann. Und sein Wesen ist so wunderbar. So herzlich. So warm. So frisch und auch frech. Und doch hat er so reife Züge an sich, die mich immer wieder erstaunt haben. Ich liebe diesen kleinen Kerl. Meiner Meinung nach hat er am stärksten geglänzt in diesem Buch. Dann gibt es noch den Opa von Maggie, der auch nicht auf den Mund gefallen ist und seine Enkelin durch die Gegend kutschiert. Einfach rührend. Die Vorstellung, dass er präsenter ist als die Eltern. Immer auf Abruf. Oder Clarissa, die von Geburt an blind ist, die Maggie anfangs eher nervig findet, aber sich doch eine wunderbare Freundschaft zu bilden scheint. Und allein das Clarissa so quirlig ist. Das nimmt dem lethargischen Erstgedanken einer Erblindung den Wind aus den Segeln.

Und auch wenn die Eltern von Maggie nur hin und wieder Platz in der Geschichte finden, ergänzen sie das Buch auf ruhige Art. Wobei das problematische Verhältnis zwischen Maggie und ihrer Mutter, seit der Erblindung, nicht unerheblich thematisiert wird. Was auch sehr interessant ist, mitzuverfolgen. Irgendwie ist die Beziehung und die Problematik bei mir trotzdem nicht komplett durchgedrungen. Es war eher ein Beobachten, statt mitfühlen. Und so ging es mir in vielerlei Hinsicht bei Maggies Problemen.


Was im Gesamtbild besonders hervorsticht, und mir sehr gut gefällt, ist, dass das Buch so eine große Gewichtung auf Freundschaft und Familie legt. Hier fügt sich alles. Hier greift ein Zahnrad ins nächste. Die Unterstützung und Fürsorge, so unterschiedlich die Familienhintergründe von Maggie, aber auch Clarissa oder Ben sein mögen, gehen ans Herz. Und damit meine ich nicht auf kitschige und rührselige Art. Ich meine eher so ein wohlig-seufzendes „Hach…“. Und diese Botschaft finde ich unglaublich wichtig und steht, meiner Meinung nach, über Maggie und ihrer Darstellung in dieser Geschichte. Auch wenn ich sie an dieser Stelle nur sehr kurz anreiße, möchte ich sie nicht unerwähnt lassen. Genau das macht das Buch nämlich aus. Dieses Buch hat bei mir nicht von seiner Protagonistin gelebt, sondern durch das Zusammenspiel aller und der Botschaft, die es vermittelt.

Darüber hinaus sind die Auflösung und das Ende der Geschichte traurig, wie schön zugleich. Diese bittersüße Note gibt dem Buch nochmal einen besonderen Akzent, der mich überrascht, aber auch positiv eingestellt, hinterlassen hat.



Fazit
„Alles, was ich sehe“ ist ein besonderes Buch. Mit einer besonderen Geschichte und ganz vielen tollen Charakteren. Ich kann nicht sagen, dass Maggie außerordentlich gut war. Aber scheiße war sie auch nicht. Sie war mir als Person einfach zu schwammig, etwas zu schwierig und egoistisch. Dennoch hat das Buch schöne und ruhige Töne, die den Leser bezaubern. Die Botschaft ist ganz groß und beweist nur, dass man mit Freunden und Familien alles bewältigen kann. Das Buch selbst kann ich, trotz meiner Kritik an Maggie, guten Gewissens empfehlen.

Veröffentlicht am 15.09.2016

Exotisch-schöner Pageturner

Zorn und Morgenröte
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Inhalt
Jeden Morgen bei Sonnenaufgang muss seine Frau sterben. Jeden Tag erwählt Chalid eine neue Braut, welche dieses Schicksal tragen muss. Bis Sharzad auftaucht. Als Erste in Chorasan schafft sie es, ...

Inhalt
Jeden Morgen bei Sonnenaufgang muss seine Frau sterben. Jeden Tag erwählt Chalid eine neue Braut, welche dieses Schicksal tragen muss. Bis Sharzad auftaucht. Als Erste in Chorasan schafft sie es, den Kalifen zu überzeugen, ihr einen weiteren Tag zu schenken. Mit einem Ziel, welches unmöglich zu schaffen scheint, will sie Rache nehmen. Für den Tod ihrer besten Freundin. Doch mit jedem weiteren Tag kann Sharzad einen weiteren Blick hinter die Fassade des großen Herrschers von Chorasan, Kalif Chalid, erhaschen. Eine Liebe, die kaum unmöglicher scheint und dabei eine zarte Brücke der Vergebung schlägt.


Meinung
Optisch gesehen bin ich jetzt nicht der Typ „dunkle, exotische Schönheit“. Aber mit „Zorn und Morgenröte“ von Renée Ahdieh habe ich das Bedürfnis und sogar die Möglichkeit bekommen, eine zu sein.

„Zorn und Morgenröte“ ist bereits im Februar dieses Jahres erschienen. Warum also ist man selbst nach Monaten noch so gehypt von diesem Buch? Wieso reißen die Empfehlungen nicht ab?

Für mich ist das einfach zu klären. Der Schreibstil von der Autorin hat etwas ganz besonderes. Er ist nicht besonders anspruchsvoll, aber sehr angenehm in der Sprache. Trotz Anlaufschwierigkeiten. Denn zu Beginn trifft man auf einige Fremdbegriffe wie „Qamis“, „Joonam“ oder „Shamshir“. Sobald man mit den Begriffen aber etwas vertrauter geworden ist und die Geschichte langsam an Fahrt aufnimmt, rückt das in den Hintergrund. Zumal schon der Prolog eine gewisse Spannung, gepaart mit einem ordentlichen Schuss Mysterium, aufbaut. Die Geschichte selbst wird hauptsächlich aus der Sicht von Sharzad erzählt. Dennoch darf sich der Leser auch über Perspektivwechsel zu Chalid, Tarik oder anderen Nebenfiguren freuen. Und ja, freuen. Denn das gibt der Geschichte, wie so oft bei Perspektivwechseln, eine Tiefe. Eine Vielseitigkeit und eine Pause von Sharzad.

Denn die Gute fand ich nicht immer einfach. Zu Beginn hat man diesen starken Eindruck von ihr. Sie ist tough und nicht auf den Mund gefallen. Das ist erfrischend und markant. Und dann passieren ihr Sachen, die einfach so unüberlegt sind. So absolut nicht in diese Situation gehören! Das fand ich unglaublich schade. Auch wenn ich Sharzad als Protagonistin sehr ins Herz geschlossen habe und sie mag, hatte sie manchmal so Seiten an den Tag gelegt, wo ich mir irgendwie auch an den Kopp greifen musste. Weil man unter dem Aspekt, dass sie einem von Willkür geleiteten Massenmörder erlegen ist, so unberechenbar und auch impulsiv handelt. Vereinzelt wirkte sie auf mich wie ein überhebliches und trotziges Kind. Es macht ihren Wesenszug aus, dass sie sich vieles nicht gefallen lässt, doch da war es unangebracht und wirkte alles andere als zauberhaft.
Deswegen wird dem Leser an den Stellen auch schnell klar, dass ihr ursprünglicher Plan nicht so schnell und einfach umgesetzt werden wird. Die Ausarbeitung des inneren Konflikts, der sich mit der Zeit in ihr stärker auftut, finde ich hingegen sehr gut. Diese stetige Wackeln hat mich anfangs zwar etwas gestört, aber unter dem Aspekt, dass sie sich mit einer Entscheidung gegen ihre Überzeugung und ihre Vergangenheit auflehnt, finde ich das herausragend beschrieben und in die Geschichte eingeflochten.

Die Geschichte selbst bietet aber wesentlich mehr, als eine etwas unstete Protagonistin. Die Bandbreite geht von Erzählungen, die von Tausendundeiner Nacht geprägt sind und damit eine einzigartige, sowie exotische Note bekommen, hinüber bis hin zu unglaublicher Spannung, finsteren Intrigen, gefährlichen Machtkämpfen und magischen Elementen. Nach den ersten hundert Seiten des Buches sind die ersten Brotkrummen gesät, damit der Leser unbedingt weiterlesen will. Es folgen Szenen und Dialoge, welche die Spannung um das blutige Geheimnis von Chalid, dem Kalifen, weiter aufbauen und die anderen Geschehnisse und die Atmosphäre darum haben mich so gefesselt, dass ich kaum aufhören wollte zu lesen. Das Erzähltempo fand ich in diesem Fall sehr gut eingesetzt und ich hatte keine Situation, in der ich mich groß gelangweilt oder das Gefühl bekommen habe, dass die Story nur schleppend läuft.

Aber kaum ein Buch ist perfekt. Sowie auch „Zorn und Morgenröte“. Das Buch hat auch Schwächen. Allen voran die Charaktere. Chalid habe ich zwar trotz dieser anfänglichen Kühle unglaublich ins Herz geschlossen, doch wenn man sich die Entwicklung zwischen Sharzad und Chalid genauer ansieht, kommt diese Sympathie zwischen den beiden und die daraus resultierende Inkonsequenz in ihrem Handeln so plötzlich. Nahezu aus dem Nichts. Unter dem Aspekt, dass da ein enormer Spagat ausgeführt wird, finde ich das schon etwas grenzwertig in der Authentizität. Sharzad, die einfache Tochter, die sich aus Rache freiwillig zur Braut für Chalid stellt, sich aber nicht zur Aktion durchringt und der reiche, „wahnsinnige“ junge Kalif, der so nachsichtig mit Sharzad ist, davor aber jeden Morgen töten ließ. Berechtigterweise kommen da Stimmen auf, inwieweit das glaubwürdig ist. Denn ein wenig wirkt die Liebe, differenziert betrachtet, künstlich konstruiert. Für den romantischen Aderlass erfüllt sie aber auf jeden Fall ihren Zweck und die eine oder andere schöne, prickelnde und erstaunliche Szene ist mit dabei.


Fazit
Mich hat diese Geschichte einfach mit dem besonderen Flair, diesem Hauch von Tausendundeiner Nacht angesprochen. Ich steh da irgendwie drauf. Und dennoch hat das Buch an gewissen Stellen seine kleinen Makel. Vor allem Sharzad als Charakter, hat hier noch Potential, sich schlüssiger und geradliniger in die Geschichte einzufügen. Dann war es zum Teil auch sehr vorhersehbar. Aber für einen Ausflug in die persische Traumwelt, mit einem kleinen geheimnisvollen und magischen Kitzel, ist es allemal zu empfehlen.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Atmosphäre
  • Schreibstil
  • Charaktere
  • Fantasie
Veröffentlicht am 15.09.2016

Ein wenig schwächer, aber trotzdem empfehlenswert!

Erbe und Schicksal
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Inhalt
In der Nachkriegszeit scheinen sich die Wogen und dramatischen Umstände aus den letzten Jahren zu legen. Doch vorher muss endgültig darüber entschieden werden, ob Harry oder Giles das Barrington-Imperium ...

Inhalt
In der Nachkriegszeit scheinen sich die Wogen und dramatischen Umstände aus den letzten Jahren zu legen. Doch vorher muss endgültig darüber entschieden werden, ob Harry oder Giles das Barrington-Imperium erbt. Dabei würde Harry darauf verzichten, nur um endlich mit seiner großen Liebe Emma zusammen zu sein. Es kann aber keiner ahnen, dass sich im Hintergrund bereits schon die nächsten Intrigen anbahnen. Und diesmal soll selbst die Barrington Schifffahrt vernichtet werden.


Meinung
Ich hätte niemals im Leben geglaubt, dass ich mal eine Serie so sehr feiere, wie die Clifton-Saga von Jeffrey Archer. Eindeutig eher historisch angehaucht, eindeutig mit sehr vielen Familiendramen bespickt und trotzdem reißt es mich immer mit.
So auch diesmal geschehen mit „Erbe und Schicksal“, dem dritten Teil, von Jeffrey Archer.
Wer die Reihe kennt und liebt, wird wissen wovon ich rede. Denen, die diese Reihe noch nicht gelesen haben, sei gesagt, ihr verpasst eine wundervolle Erzählkunst eines großartigen Schriftstellers. Der Schreibstil ist so detailverliebt, aber nicht überladen. Jeffrey Archer versteht es immer wieder den Leser instant zurück ins Geschehen zu holen, eine dichte Atmosphäre, passend zum Zeitgeschehen und der Handlung, zu erzeugen. Obwohl dieses Buch in dem Zeitraum ab 1945 spielt, wirkt es nicht künstlich oder altbacken angehaucht. Es streut tatsächliche historische Daten oder Personen mit in die Handlung oder in Sätze ein, sodass sie einem kaum auffallen. Dadurch bekommt die Geschichte einen Hauch Realität in dieser Fiktion. Und den einen oder anderen interessanten Fakt kann man auch nicht leugnen.

Nahtlos knüpft der Autor an den spannenden Cliffhanger aus „Das Vermächtnis des Vaters“ an. Ich bin natürlich nicht so Banane und nehme euch die Auflösung! Es sei aber gesagt, diese Entscheidung, die da getroffen wird, hat natürlich weitreichende Konsequenzen. Wie sollte es auch anders sein? Es geht schließlich um ein Schifffahrts-Imperium und richtig viel Geld! Und solche Szenen, wie am Ende des letzten Buchs, wird es in „Erbe und Schicksal“ häufiger geben. Es werden wichtige Gespräche geführt, wichtige Verhandlungen und Entscheidungen getroffen! Das ist für den Teil auch mein größter Kritikpunkt. Nicht inhaltlich. Sondern in der Umsetzung. In diesem Buch wird viel ausgeholt, diese besonderen Szenen sind, für meinen Geschmack, immer etwas lang und zäh. Das nimmt der Geschichte ein wenig die Spannung und eigentlich wollte ich persönlich nur wissen, wie es mit Emma, Harry, Giles und dem ganzen Anhang weitergeht.

Denn die drei sind die Stahlträger in diesem Buch. Ich will mir gar nicht ausmalen, wie es wäre, wenn einem der drei etwas passiert. Man hat sie nun schon über diese drei Bücher so ins Herz geschlossen. Trotz mancher Macken und Fehler, die sie noch immer machen. Menschen sind nicht unfehlbar. Insgesamt sind es auch einfach drei wundervolle Charaktere, die mit dieser Geschichte, mit der Zeit reifen und natürlich auch altern und damit dazulernen. Diese Charakterinszenierung von Jeffrey Archer ist so gut gelungen! Ich genieße es jedes Mal in diese Welt abzutauchen und mit den dreien zu leben.

Oh, und wo wäre der Spaß, das große Mitleiden, wenn es nicht Antagonisten gäbe? Und in diesem Buch finden sich schon einige, die dem Barrington-Clifton-Clan ordentlich zusetzen wollen. Und mit Verlaub, Archer schafft es auch hier wieder, jegliche Empathie für diese Charaktere auszumerzen. So viel Bosheit und Missgunst liegt in diesen Personen. Das ist wunderbar umgesetzt. Da leidet man als Leser mit. Man regt sich tierisch auf, da man durch die bekannten Perspektivwechsel auch in deren Rollen schlüpft. Find ich fies und super zugleich!

Ich fand es zwar schade, dass Sebastian, der Sohn von Emma und Harry, in diesem Buch zwar schon eine gewisse Präsenz darstellt, diese aber sehr kurz und oberflächlich abgehandelt wurde. Erst im letzten Drittel bekommt man als Leser ein besseres Bild von seinem Charakter und der Person. Und der Cliffhanger, ein nun schon traditionelles Element in dieser Reihe, setzt Sebastian in den Fokus. Hier kitzelt der Autor auch wieder die Spannung heraus, die ich bis dahin vermisst hatte und die ich aus den ersten beiden Bänden gewohnt war. Ich bin aber davon überzeugt, dass man im nächsten Band noch etwas mehr über Sebastian erfahren wird und freu mich schon sehr drauf.


Fazit
Ich liebe diese Reihe. Da kann ich es gut verschmerzen, wenn es mal kleine Einbrüche gibt. Dass es dieses Mal einige Längen gab, die sich etwas gezogen haben und dass die Spannung erst wieder gegen Ende an die Vorgänger anknüpfen konnte. Ja, damit kann ich leben. Letztendlich habe ich trotzdem genau das bekommen, was ich erwartet habe: Ein buntes Potpourri aus Intrigen, Liebe, Erzählungen und schicksalhaften Wendungen. Ich warte sehnsüchtig auf Teil 4 „Im Schatten unserer Wünsche“, der erst im September 2016 bei Heyne erscheinen wird.