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Veröffentlicht am 10.09.2022

Menschen, Götter, Hybris

Mythen der Antike: Sisyphos & Asklepios (Graphic Novel)
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Ein weiterer Band der Mythen der Antike Reihe durfte bei mir einziehen. Dieses Mal stehen zwei mythische Gestalten im Fokus, von denen die meisten wohl schon mal gehört haben, den genauen Mythos dahinter ...

Ein weiterer Band der Mythen der Antike Reihe durfte bei mir einziehen. Dieses Mal stehen zwei mythische Gestalten im Fokus, von denen die meisten wohl schon mal gehört haben, den genauen Mythos dahinter kennen jedoch viele nicht. Die Rede ist von dem Heiler Asklepios und König Sisyphos.

Der Arzt, der König und die Sache mit der Hybris
Fangen wir mit Asklepios an, denn entgegen dem Titel, startet auch die Graphic Novel mit ihm. Asklepios der Sohn Apollons und der Meister der Heilkunst der später von den Griechen sogar selbst als Gott der Heilkunst verehrt wurden und dessen Tempel zu den frühsten Zentren der Medizin wurden, zu denen Menschen aus aller Welt pilgerten, um Linderung zu erfahren. Hippokrates erlernte im Asklepios Heiligtum auf Kos sein Handwerk und auch in Rom hielt sein Kult Einzug. Und sein von einer Schlange umwundener Stab, der Asklepiosstab, auch Äskulapstab genannt, ist bis heute ein internationales Symbol der Medizin. Doch all das passierte nach dem irdischen Leben des Heilers, mit diesen beschäftigt sich jedoch diese Graphic Novel und erzählt Asklepios Geschichte von dessen dramatischen Geburt, bis zum Tod.
Darauf folgt recht übergangslos die Geschichte von König Sisyphos. Wo Asklepios den Menschen helfen wollte, hat Sisyphos hauptsächlich seien eigenen Interessen im Sinn. Seine Strafe, die als Redewendung für eine endlose, mühsame und sich nicht lohnende Arbeit, Eingang in unsere Sprache gefunden hat, ist das Ergebnis seiner verschlagenen Tricks, mit denen er sogar die Götter und den Tod übers Ohr hauen konnte.

Ein Heiler und ein verschlagener König, das scheint auf den ersten Blick eine seltsame Kombination zu sein. Der Kontrast zwischen Asklepios, der den Menschen helfen möchte und Sisyphos, der stets auf seinen eigenen Vorteil bedacht ist, ist groß. Aber das ist wohl genau so beabsichtigt, denn Geschichten über die Folgen von Hybris, gibt es in der griechischen Mythologie viele, trotzdem entschied man sich, genau diese beiden in einem Doppelband zu vereinen. Vielleicht weil es zeigt, dass es keine Rolle spielt, aus welchem Grund man die natürliche Ordnung ins Wanken bringt, ob aus guter Absicht, wie Asklepios, oder puren Eigennutz, wie Sisyphos, das Ergebnis bleibt dasselbe: Die natürliche Ordnung des Universums muss wieder hergestellt werden. Im Nachwort geht Luc Ferry genau darauf näher ein und knüpft sogar Verbindungen zu neuzeitlichen Werken, wie z. B. Mary Shellys Frankenstein. Zwar hat er viele seiner Aussagen, schon so, oder in ähnlicher weise, in älteren Bänden getroffen und LeserInnen der Reihe, die schon länger dabei sind, erfahren leider kaum etwas Neues, für Einsteiger ist dieses Nachwort jedoch sehr erhellend.

Nun ist Sisyphos & Asklepios nicht der erste Doppelband in dieser Reihe, doch er macht seien Sache besser, als andere. Bei Orpheus und der Raub der Persephone hatte ich z. B. ein paar Kritikpunkte, die hier deutlich besser gemacht wurden. Gut gefallen hat mir, dass die Schlussfolgerungen auch ohne Nachwort schon aus den beiden Geschichten allein relativ klar wird, sodass es in diesem Punkt der lose Übergang von dem einem zum anderen Mythos nicht weiter schlimm ist. Auch ist kein Mythologievorwissen nötig, da beide Mythen leicht verständlich erzählt werden. Letztendlich sind es aber auch von der Länge sehr gut gewählte Geschichten. Während Orpheus und Persephone jeweils mehr Raum bzw. je einen eigenen Band gebraucht hätte, haben diese beiden Mythen die passende Länge, um zusammen in einem Band zu funktionieren.

Fazit:


Sisyphos & Asklepios ist ein Band in der Mythen der Antike Reihe, der mich wieder voll überzeugen konnte und zeigt, dass das Kombinieren zweier Mythen in einem Band doch sinnvoll möglich ist. Daher gibt es eine uneingeschränkte Leseempfehlung von mir.

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Veröffentlicht am 10.09.2022

Düsteres Fantasymärchen

Tenebrae. Band 1
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Schon in der Vorschau hat das Cover meine Aufmerksamkeit geweckt und als ich dann die Teaser Überschrift “Düsteres Fantasy Märchen” las, war für mich schon klar, dass ich Tenebrae lesen wollen würde.

Ein ...

Schon in der Vorschau hat das Cover meine Aufmerksamkeit geweckt und als ich dann die Teaser Überschrift “Düsteres Fantasy Märchen” las, war für mich schon klar, dass ich Tenebrae lesen wollen würde.

Ein gefallener Held und eine ganz und gar nicht hilflose Prinzessin
Tenebrae, was übrigens Latein für Finsternis ist, beginnt ohne viel Tara direkt in der Geschichte. Wir lernen den Ritter Arzhur kennen, einst ein strahlender Held, doch nun aufgrund eines Fehlers in der Vergangenheit ein Trunkenbold, der sich als Söldner verdingt. Als dann drei mysteriöse alte Frauen erscheinen und ihm für einen Auftrag nicht nur Gold, sondern auch die Wiederherstellung seiner Ehre versprechen, ist Arzhur natürlich mehr als willig den Handel einzugehen. Und der Auftrag klingt auch wir die perfekte Gelegenheit, um aus der Sache wieder als tugendhafter und bejubelter Ritter hervorzugehen: Eine Prinzessin soll aus einer von Monster bewachten Burg gerettet und ihrem Vater, dem König zurückgebracht werden. Doch was wie eine einfache Heldentat klingt, ist nicht das, was es zu sein scheint.

Bei zwei geplanten Bänden zu je 80 Seiten kann sich jeder Denken, dass diese Heldenreise der anderen Art sehr zügig vonstattengeht und so ist es auch. Die Geschichte hält sich nicht mit allzu vielen Details auf und ist auch nicht sonderlich komplex, dafür hat sie einen hohen Unterhaltungswert. Arzhur und Islen als Protagonist/innen werden genug beleuchtet, dass man als Lese/in mit ihnen mitfiebert und die Geschichte hat genug Geheimnisse, die es zu lüften gilt, um konstant Spannung zu erzeugen. Die Handlung mag etwas geradlinig ablaufen, hat aber trotzdem den ein und anderen Twist vorzuweisen, die die klassische Heldenreise hinterfragen und wie schon der Teaser versprach, das Bild eines düsteren Märchens zeichnen. Zum Ende hin überschlagen sich dann die Ereignisse, werden nochmals düsterer und lassen einen sich im Hinblick auf die Entwicklung der Charaktere sehr auf den zweiten Band freuen.

Gekrönt wird die interessante Erzählung durch den wunderschönen Stil von Vincent Mallié. Die Mimik der Charaktere ist ausdrucksstark, selbst wenn mal nicht alle Details ausgearbeitet sind. Letzteres gilt vor allem für die drei Hexen, die oft nebulös und bedrohlich zugleich wirken. Sehr gut gefallen haben mir auch die Proportionen der Frauenfiguren. Unsere Prinzessin sieht nicht aus wie eine zarte Elfe, die in nächsten Moment droht davon geweht zu werden, sondern hat ein gesundes Gewicht und wirkt damit viel lebendiger. Und zum Schluss auch ein Lob an die tolle Kolorierung von Bruno Tatti, dem es meisterlich gelingt sowohl für die lichten, als auch düsteren Momente die richtige Farbstimmung auszuwählen.

Fazit:


Tenebrae erzählt keine allzu komplexe, aber dafür eine sehr unterhaltsame und spannende Geschichte, die mit düsteren Elementen spielt und klassische Helden hinterfragt. Begleitet von einem sehr ansprechenden Zeichenstil und stimmungsvolle Kolorierungen ist Tenebrae ein Leckerbissen für zwischendurch.

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Veröffentlicht am 10.09.2022

Lady Trents Erbe lebt weiter

Lady Trents Erbe: Aus der Finsternis zum Licht
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Lady Trents Memoiren waren für mich die Highlight Reihe 2019 und Marie Brennan als Autorin meine liebste Neuentdeckung in dem Jahr für mich. Die fünf Bände von Lady Trent habe ich in einem Rutsch hintereinanderweg ...

Lady Trents Memoiren waren für mich die Highlight Reihe 2019 und Marie Brennan als Autorin meine liebste Neuentdeckung in dem Jahr für mich. Die fünf Bände von Lady Trent habe ich in einem Rutsch hintereinanderweg quasi inhaliert, daher war ich ganz aus dem Häuschen, als diese Fortsetzung bekannt gegeben wurde. Doch wird dieses Sequel den großen Fußstapfen gerecht?

Das Erbe der großen Drachenforscherin
Aus der Finsternis zum Licht spielt ca. 30 Jahre nach den Ereignissen von Das Refugium der Schwingen. An dieser Stelle sei gleich gesagt, dass ich es auf alle Fälle empfehle, die Lady Trent Reihe vor dieser Fortsetzung zu lesen. Es mag nicht unmöglich sein das Buch, ohne Vorwissen zu lesen, aber es fehlt einem dann eben wirklich viel an Informationen, gleichzeitig spoilert Aus der Finsternis zum Licht den größten Plottwist der Lady Trent Reihe, wenn man als vorhat beides zu lesen, unbedingt die Reihenfolge beibehalten.

Zurück zum Buch. Unsere Protagonistin ist Audrey Camherst, die Enkelin der großen Lady Trent. Während ihre Großmutter ihre Berühmtheit als Drachenforscherin erlangt hat, hat sich Audrey als Linguistin ganz dem Studium der drakoneischen Sprache verschrieben. Vom Ehrgeiz getrieben ihrem großen Namen und dem Schatten ihrer Großmutter gerecht zu werden, seht sich Audrey nach einer Gelegenheit eine großen wissenschaftliche Entdeckung zu machen. In diesem Wissensdrang ähnelt sie sehr Isabella, was vielleicht zunächst die Befürchtungen wecken könne, das Buch sei nur eine “Neuauflage” des ersten Lady Trent Bandes nur mit Sprachforschung, statt Drachenforschung.
Doch keine Sorge trotz Ähnlichkeiten in ihren Charakterzügen ist Audrey trotzdem nicht einfach nur eine Kopie ihrer Großmutter. Sie mögen beide ähnliche Antriebe und einen ähnlichen Ehrgeiz haben, doch die Art und Weise wie sie an Probleme herangehen unterscheidet sich deutlich und die beiden Frauens ind spürbare igene PErsönlichkeiten.

Mit der Handlung verhält es sich ähnlich. Es gibt gewisse Problematiken und Konflikte, die bereits zu Isabellas Zeiten eine Rolle spielten und nun auch in der Fortsetzung aufgegriffen werden, gleichzeitig muss sich Audrey auch mit ganz neuen Problemen rumschlagen. Ich fand es an dieser Stelle sehr interessat zu sehen, wie sich Lady Trents/Audreys Welt verändert hat. So musste Isabella noch sehr um ihre Anerkennung als Wissenschaftlerin kämpfen, dies scheint für Audrey leichter geworden zu sein. Wir können als Leser*in jetzt also direkt die Auswirkungen der Pionierleistung von Isabella miterleben, das fand ich sehr spannend. Auch macht es dieses Buchuniverum um ein vielfaches lebendiger und greifbarer, wenn sie, wie die echte Welt eben auch, vom Wandel der Zeiten beeinflusst wird. Dadurch, dass man insgesamt, wenn man alle Bücher gelesen hat, mehrere Jahrzehnte in dieser Welt verbringt, wird dies nur noch deutlicher und sind für mich ein großer Pluspunkt der Reihe.

Ansonsten mag ich gar nicht so viel von der Handlung erzählen, da ich euch natürlich nicht spoilern möchte. Das Tempo ist etwas ruhiger als bei den Vorgängern, immerhin geht es hier um eine Übersetzung antiker Tafeln und keine Drachenexpedition. Doch ganz so trocken, wie Sprachwissenschaften zunächst klingen mag, ist das Buch aber nicht. Es konzentriert sich auf einige politische und gesellschaftlichen Konflikte und arbeitet mit der Neugierde des/r Leser/in zu erfahren, welches große Geheimnis die Tafeln hüten. Somit empfand ich das Buch zu keinem Zeitpunkt als langweilig und fühlte mich gut unterhalten.

Fazit:


Aus der Finsternis zum Licht ist eine spannende und gute Ergänzung zur Lady Trent Reihe, die vielleicht nicht ganz deren Sogkraft besitzt, sich aber auch nicht dahinter verstecken muss. Das bekannte Buchuniversum wird sinnvoll um Details und neuer Entwicklungen erweitert und es macht Spaß diese Veränderungen und die Auswirkungen von Isabellas Wirken mitzuerleben. Fans der Reihe können daher auf alle Fälle zugreifen.

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Veröffentlicht am 10.09.2022

Das Patriarchat der Dinge und alles andere

Das Patriarchat der Dinge
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Nachdem ich letztes Jahr Unsichtbare Frauen las und es mich nicht vollständig überzeugen konnte, wurde mir im Anschluss mehrfach Das Patriarchat der Dinge empfohlen. Dementsprechend war ich mehr als neugierig, ...

Nachdem ich letztes Jahr Unsichtbare Frauen las und es mich nicht vollständig überzeugen konnte, wurde mir im Anschluss mehrfach Das Patriarchat der Dinge empfohlen. Dementsprechend war ich mehr als neugierig, ob dieses Buch das Thema überzeugender behandeln würde, als das vorherige.

Eine Welt gemacht von Männern für Männer
Worum geht es in diesem Sachbuch überhaupt? Hinter dem fast schon poetischen Titel versteckt sich im Grund eine einzige Geschichte, nämlich die, dass unsere Welt von Männer für Männer gestaltet wurde und noch immer wird. Sei es Stadtplanung, Medizin oder schlicht das Design von Alltagsgegenständen, der weiße cis Mann ist die Norm und Frauen werden entweder gar nicht extra berücksichtigt (häufigster Fall) oder werden als absonderliche Anomalie betrachtet und bekommen eine lediglich verkleinert und pink angemalte Version angeboten, Stichwort shrink it and pink it. Das ist im besten Fall ärgerlich und unpraktisch für Frauen, die Gegenstände nutzen müssen, die nicht für sie gedacht ist, im schlimmsten Fall ist es jedoch lebensbedrohlich, nämlich dann, wenn Sicherheitsvorkehrungen und Konzepte beispielsweise im Auto die weibliche Anatomie ignorieren oder in der Medizin die Wirkung von Medikamenten nur an männlichen Körpern (sowohl bei Versuchstieren, als Menschen) getestet werden.

Wer da noch behauptet, wir bräuchten keine Feminismus Bewegung mehr, sollte dringend dieses Buch lesen, denn Endler führt wirklich zahlreiche Beispiele auf, die zeigen, wie sehr Frauen auch im Alltag noch benachteiligt werden. Was der Autorin ebenfalls gut gelingt ist, die Verknüpfungen des Patriarchats und des Kapitalismus aufzuzeigen. Es mag zwar wenig überraschen, dass beide Hand in Hand gehen, doch hier bekommt man nochmal genaustens die direkten Auswirkungen dieser unseligen Paarung aufgezeigt.

Rebekka Endler ist wütend, sehr wütend
Wenn man von eben erwähnten lebensgefährlichen Datenlücken in Medizin, Katastrophenschutz und Sicherheit absieht, mögen all diese kleinen und großen Benachteiligen im einzelnen vielleicht nicht dramatisch sein und nein, ich sterbe nicht, weil in meine Jeanstaschen nichts außer ein paar Münzen passt, nichtsdestotrotz macht die Summe all dieser Benachteiligungen wütend. Zumal ja vieles davon einfach zu lösen wäre, wenn Frauen nur endlich mal mitgedacht werden würde. Und nur weil es vielleicht nichts lebensentscheidendes ist, ob ich als Frau z.B bei einer Gesundheitsapp mitbedacht erde oder nicht, heißt es doch nicht, dass man dies nicht kritisieren darf und ob der Ungerechtigkeit nicht verärgert sein darf. Wir Frauen haben also einen guten Grund wütend zu sein und ein Recht, dass man unsere Wut wahrnimmt. Dementsprechend hat auch Rebekka Endler allen Grund dazu, wütend zu sein und ja auch, diese Wut in ihr Buch einfließen zu lassen und sprachlich auch mal ausfallend zu werden. Das muss nicht jeder mögen, ist aber zu akzeptieren.

Was in meine Augen jedoch nicht ok ist, ist bei all der Emotionalität des Themas die Recherche zu vernachlässigen und das geschieht in diesem Buch leider ein paar mal. Häufiger betrachtet sie bestimmte Beispiele aus einem sehr einseitigen, ihrer Argumentation zuträglichem Blickwinkel und lässt größere Kontexte außer Blick. Zum Beispiel erwähnt sie ein in Frauenhaut gebundenes Medizinbuch aus dem 19. Jh. und wirft dem Arzt, der dieses herstellte die krudesten Gewalt- und Rachefantasien vor. Dass das Binden, gerade von Medizinbüchern in Menschenhaut im 19. Jh. zwar nicht in Massen geschah, aber doch gängige Praxis (und nicht mit denselben moralischen Tabus belegt war, wie heute) war und dafür mehrheitlich die Haut von verstorbenen Männern verwendet wurde, erwähnt sie nicht. Tatsächlich haben viele derjenigen, deren Haut nach ihrem Tod als Einband endete, diese zu Lebzeiten genau dafür verkauft. Daher stammt auch das Sprichwort “seine Haut zu Markte tragen“. Durch das Weglassen dieses Kontextes, erscheint Endlers Beispiel jedoch in einem ganz anderen Licht, liest sich ihr Text doch jetzt so, als ob ausschließlich Frauen von sadistischen Ärzten als Form von Rache an dem gesamten weiblichen Geschlecht, gegen ihren Willen gehäutet wurden.
Und solcherart Beispiele finden sich häufiger. Es ist völlig ok auch in einem Sachbuch emotional zu sein, trotzdem sollte doch eine gewisse fachliche Professionalität gewahrt werden, und Kontexte nicht ignoriert werden, nur weil das Gesamtbild dann nicht zu dem passt, was man erzählen möchte.

(K)ein Buch über Feminismus im Allgemeinen
Leider ist das nicht mein einziger Kritikpunkt am Buch. Was mir ebenfalls nicht ganz zusagte, ist die Art und Weise, wie die Autorin ihr Buch strukturiert. Im Vorwort schrieb sie noch, sie wolle kein allgemeines Buch über Feminismus schreiben, sondern sich ganz auf das titelgebende Patriarchat der Dinge konzentrieren. Letztendlich hat sie sich an diesen Vorsatz aber nicht gehalten und irgendwie doch ein allgemeines Feminismusbuch geschrieben. Denn während sie zunächst doch noch sehr eng beim Thema vom patriarchistischem Design bleibt, weicht sie selbst diesen Begriff immer weiter auf und redet am Ende über viele Sachverhalte, in denen es zwar um die Unterdrückung der Frau geht, die mit patriarchistischem Design jedoch nichts mehr zu tun haben. Hinzu kommt ein ausgeprägter Drang zum Abschweifen. Endler beginnt mit einem Theme, führt dazu dann noch konkrete Beispiele auf, zu diesen Beispielen jedoch folgen weitere Beispiele und schwupps, ist sie vom eigentlichen Thema abgewichen und findet auch oft den Weg dahin nur mühsam oder gar nicht wieder zurück. Das gestaltet das Lesen dieses Buches oftmals mühsam und langatmig, da man sich des Öfteren fragt “Warum reden die Autorin jetzt nochmal von dem und dem?”

Dieser Hang zum Abschweifen führt auch dazu, dass eigentlich treffende und gute Aussagen etwas untergehen. An dieser Stelle wäre es einfach besser gewesen enger beim Thema zu bleiben und dieses dafür akzentuierter zu besprechen.

Fazit:


Auch dieses Buch über Sexismus im Design und Alltag konnte mich nur halb überzeugen. Das Thema ist wichtig, ja und Rebekka Endler listet zahlreiche wachrüttelnde Beispiele auf, die wütend und nachdenklich zugleich machen und führt uns Leser*innen gut die fatalen Zusammenhänge von Patriarchat und Kapitalismus vor. Leider verliert sie bei all der Wut hin und wieder sowohl den Blick fürs Wesentliche, als auch den auf die großen Kontexte, was ihre Argumente einseitig werden lässt.

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Veröffentlicht am 10.09.2022

Wahnwitziger Alien Splatter

Do not eat!
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Dieses Buch sprach mich gleich an, als ich es in der Vorschau entdeckte, erinnerte mich der Klapptext doch an Douglas Adams mit seinem Per Anhalter durch die Galaxis, das ich sehr mochte. Daher wanderte ...

Dieses Buch sprach mich gleich an, als ich es in der Vorschau entdeckte, erinnerte mich der Klapptext doch an Douglas Adams mit seinem Per Anhalter durch die Galaxis, das ich sehr mochte. Daher wanderte es zugleich auf die Wunsch- und kurz darauf auf die Leseliste.

Do Not Eat!
Als jemand der beim Bestellen von Büchern nie auf Seitenzahlen achtet, war ich etwas überrascht, als das dünne Büchlein ankam, aber dazu gleich noch was. Motiviert durch die Aussicht die Geschichte an einem unterhaltsamen Nachmittag durch zu haben, begann ich gleich mit dem Lesen. Autor Kevin Hearne hält sich glücklicherweise auch nicht lange mit Vorreden auf, sondern startet gleich mit der Entführung seines Protagonisten durch die Aliens. Gleich zu Beginn des Buches fällt der lockere humoristische Stil auf, den schon der Titel der Geschichte erahnen ließ. Wer aufgrund von diesem einer skurriles aberwitziges Abenteuer erwartet, wird nicht enttäuscht werden. Alles jedoch unter der Voraussetzung, dass man sich im Klaren ist, dass wir hier eine Kurzgeschichte vorliegen haben. Als solche geht sie natürlich nicht allzu sehr in die Tiefe was Charakter Hintergründe oder Worldbuilding angeht, aber für das, was diese Geschichte erreichen will, nämlich kurzweilige Unterhaltung zu sein, ist dies auch gar nicht nötig.

Getragen wird die Handlung, über de ich euch ohne zu spoilern eigentlich nichts erraten kann, vor allem durch ihr hohes Tempo, den bereits erwähnten humorvollen Schreibstil und den aberwitzigen Ideen des Autors, die von aus Versehen herbeigeführten “Untersuchungen” bis hin zu einem wütenden nackten Mob führen. Völlig zwart besaitet darf man bei der Lektüre aber auch nichts ein, denn auch wenn das Büchlein bis zum Schluss eine Sci-Fi Komödie bleibt, geht es mitunter doch sehr blutig zur Sache, was zum Höhepunkt schon fast splatterartig wirkt, das muss man mögen, oder es darf einen zumindest nicht stören. Mich hat es jedenfalls nicht gestört und ich hatte sehr viel Spaß beim Lesen. Lediglich zum Ende hin fand ich die Geschichte, selbst für eine Kurzgeschichte, etwas vorschnell. Da hätte ich mir noch ein paar Seiten mehr zum Ausklingen gewünscht, wobei ich, wenn wir schon beim Wünschen sind, auch gerne ein ganzes 300-400 Seiten starkes Buch rund um Clint und die Aliens lesen würde.

Zum Schluss ein Punkt, der nicht in die Bewertung einfließt, den ich aber gerne ansprechen möchte: Die Preispolitik zu diesem Buch finde ich eine absolute Frechheit! Schon 16€ für 176 Seiten zu verlangen ist ganz schön happig, doch dann klappt man das Büchlein auf und stellt fest, dass mit der eigentlichen Geschichte bereits auf S. 130 Schluss ist und der Rest Leseprobe von einem anderen Buch von Kevin Hearne ist. 46 von 176 Seiten! Das bedeutet, dass einfach mal über 25% dieses Buches nur Werbung ist. Das ist gelinde gesagt dreist und Abzocke, Knaur und nicht das, was ich von einem sonst tollen Verlag wie euch erwarte.

Fazit:


What you see is what you get. Do not eat! erfüllt genau die Erwartungen, die Cover, Titel und Klapptext bereits schüren: ein skurriles, aberwitziges Abenteuer im All. Wer Lust genau darauf hat und sich im Klaren ist, dass wir hier eine Kurzgeschichte vorliegen haben, wird mit dem Büchlein, so wie ich, einen sehr vergnüglichen Nachmittag verbringen. Lediglich das Ende fällt selbst für eine Kurzgeschichte etwas zu knapp aus.

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