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Veröffentlicht am 23.01.2022

In einem Wort: Lesenswert!

Eingefroren am Nordpol
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Weiter geht’s in meinem Sachbuch Leseplan. Nach all den Büchern mit feministischen Themen, hatte ich Lust mich mal in einem gänzlich anderen Thema zu belesen und als ich dann diesen Expeditionsbericht ...

Weiter geht’s in meinem Sachbuch Leseplan. Nach all den Büchern mit feministischen Themen, hatte ich Lust mich mal in einem gänzlich anderen Thema zu belesen und als ich dann diesen Expeditionsbericht entdeckte, war meine Neugierde sofort geweckt. An die Rückkehr der Polarstern erinnerte ich mich wage aus den Nachrichten, sonst wusste ich aber bis dato kaum etwas über die MOSAIC Expedition und beschloss, dass es höchste Zeit war, dies zu ändern.

Ein Jahr Arktis
Der Bericht gleicht mehr einem Tagebuch, denn eines richtigen Logbuchs, aber das ist auch gut so, denn wer will schon die ganzen nautischen Einträge wissen, die zu einem echten Logbuch gehören? Nein, es ist viel interessanter zu lesen, was Expeditionsleiter Markus Rex und sein Forschungsteam in den Weiten der Arktis erleben. So begeben wir uns an der Seite der Polarstern auf die Suche nach einer passenden Scholle (schon gleich schwieriger, als zuerst angenommen), bauen das Forschungscamp auf, treffen und verjagen Eisbären, erleben Stürme und Eisverschiebungen und erforschen das Klima der Welt.

Das Alles mitzuverfolgen macht vor allem deshalb Spaß, weil Markus Rex einen wirklich angenehmen Schreib- und Erzählstil hat. Er trifft genau die Balance zwischen Wissenschaft und Abenteuer. Auf der einen Seite erzählt er relativ ausführlich, was genau die Forscher da auf ihrer Scholle eigentlich tun, bleibt dabei aber immer für den Laien verständlich. Auf der anderen Seite lässt der Polarforscher auch sehr viel Zwischenmenschliches durchblicken. So erzählt er auch von der Belastung monatelang in absoluter Dunkelheit zu leben, aber auch von dem Zusammenhalt des Teams und wie die Forscher zusammen spielen, lachen und feiern. Diesen Einblick in das Alltagsleben der Expeditionsteilnehmer fand ich ebenso interessant wie die Forschungsarbeit.
Tatsächlich wurde die ganze Expedition so facettenreich beschrieben, dass ich eine unbändige Lust empfand, ebenfalls an solch einem internationalen Forschungsprojekt in der Arktis teilzunehmen und das, wo ich eigentlich der totale Sommermensch bin! Ich fürchte nur, wenn man in Zukunft nicht plant am nördlichsten Punkt der Erde ein Museum zu eröffnen, wird es für eine Museologin wie mich keinen Bedarf auf der Polarstern geben 😅.

Aktuell wie nie
Was mir weiterhin an dem Buch sehr gefallen hat, ist die Aktualität und damit meine ich nicht, dass die MOSAIC Expedition erst vor kurzem beendet wurde, sondern vor allem die Erkenntnisse, die schon jetzt daraus gewonnen wurden. Nirgendwo sonst erwärmt sich die Erde schneller, als in der Arktis, irgendwo sonst lässt sich der Klimawandel deutlicher mit bloßem Auge beobachten, dass macht Markus Rex deutlich und anschaulich klar. Dabei hat er es nicht nötig mahnend oder belehrend auf den/die Leser/in einzureden, nein, die schlichte Schilderung von dem, was das Team in der Arktis vorfand, reicht aus, dass einem das Herz schwer wird. Ob nun dann, wenn die Expedition schon kaum zu Beginn kaum eine Scholle findet, die dick genug für ihr Vorhaben ist, oder wenn ihnen im Sommer die Scholle schneller wegschmilzt, als das Team arbeiten kann. Diesem einzigartigen Lebensraum rennt in erschreckendem Tempo die Zeit davon und der einmalige Datensatz, den die Polarstern gesammelt hat, unterstreicht dies nochmal mit einem dicken Rotstrich. Die Wissenschaft hat geliefert, jetzt ist die Politik dran und es bleibt nur zu hoffen, dass die Warnrufe nicht ungehört verhallen. Doch nicht nur im Thema Klimawandel zeigt sich die Aktualität des Buches, auch von die Auswirkungen von Corona für die Expedition, erzählt uns der Polarforscher.

Informativ und toll anzuschauen
Als Letztes möchte ich noch auf die Ausstattung und Gestaltung des Buches eingehen und auch hier kann ich nur Worte des Lobes finden. Auf dem vorderen Vorsatzpapier finden wir eine Karte der Region mit der Route der Polarstern eingezeichnet. Die ist sehr hilfreich, wenn z.B. von den zwei großen Driftmöglichkeiten die Rede ist. Was mir als Leserin aber noch viel mehr beim Visualisieren des Geschildertem geholfen hat ist, was sich auf dem hinteren Vorsatzpapier befindet, nämlich ein (etwas schematisierte) Plan des Forschungscamps. Wenn Markus Rex von den diversen Forschungsstationen spricht (die vom Team liebevolle Namen, wie Ballon Town oder Ocean City bekamen), die zusammen fast eine ganze kleine Forschungsstadt bilden, hat es mir sehr geholfen ein ungefähres Bild vor Augen zu haben.
Aber auch sonst kann sich das Buch optisch sehen lassen. Das Papier ist dicker und farbintensiv, dadurch kommen die zahlreichen Farbfotos gut zur Geltung. Unter diesen Fotos befinden sich u.a. tolle Aufnahmen von Eisbären, faszinierende Fotos von “Eis Fata Morganas” und viele viele weitere Fotos, die das, was uns der Expeditionsleiter erzählt deutlich greifbarer machen.
Und last but not least ein letztes Lob für die zahlreichen Infoboxen im Buch, die manche Sachverhältnisse nochmal kurz, knapp und aufschlussreich intensiver erklären. Super lehrreich und sehr spannend.

Fazit:


Mit Eingefroren am Nordpol liefert uns Markus Rex einen faszinierenden Einblick in die größte Arktis Mission der Geschichte. Informativ und doch unglaublich nahbar erzählt und mit einem Thema, das aktueller nicht sein könnte, ist dies ein Sachbuch, das ich jedem ans Herz legen kann.

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Veröffentlicht am 23.01.2022

Unterhaltsam, könnte aber tiefgründiger sein

Ich, Ariadne
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Griechische Mythologie ist mein Ding, das werde ich nicht müde immer wieder zu sagen und auch wenn es auch im Jugendbuch Bereich einige herausragende Adaptionen griechischer Mythen gibt, bin ich doch sehr ...

Griechische Mythologie ist mein Ding, das werde ich nicht müde immer wieder zu sagen und auch wenn es auch im Jugendbuch Bereich einige herausragende Adaptionen griechischer Mythen gibt, bin ich doch sehr froh, dass auch die erwachsene Literaturwelt das Thema für sich entdeckt hat und das insbesondere mit feministischem Blick. Saints Ariadne wird dabei in der englischsprachigen Buchbubble meist in einem Atemzug mit Millers Ich bin Circe genannt, mein Jahreshighlight 2021, daher war ich sehr aufgeregt, als ich die Übersetzung entdeckte, doch hielt ich hier ein weiteres Meisterwerk in der Hand?


Auch für Mythologie Einsteiger geeignet
Zuerst wieder der “Ehemlige-Klassische-Archäologie-Studentn-Pingeligkeits-Test”, sorry da müssen alle Mythologie Bücher durch, aber Ich, Ariadne hat nichts zu befürchten, denn die Autorin hat ihre Hausaufgaben gemacht und ich bin mit der Adaption der Originalmythen zufrieden. Es erreicht zwar nicht die Tiefe und Komplexität von Circe (ich weiß, man sollte Bücher nicht an anderen messen, aber wenn der Verlag so offensichtlich an das Buch anknüpfen will, muss man auch leben damit verglichen zu werden), aber man spürt trotzdem, dass die Autorin die Originalmythen gelesen hat und nicht nur aus Halbwissen rund um Theseus geschrieben hat, daher kann ich nicht meckern und für all jene, die in den antiken Mythen nicht so sattelfest sind, wie ich, dürfte es bestimmt auch ganz angenehm sein, nicht von hundert weiteren mythologischen Randfiguren und deren Namen überflutet zu werden. Lediglich in Bezug auf Dädalus und Ikarus bin ich enttäuscht wie kurz und am Rande deren Schicksal abgehandelt wurde, hier hätte man sich doch noch ein paar Seiten mehr nehmen können.


Ariadne und Phädra
Doch kommen wir zur eigentlichen Geschichte. Der Klapptext stellt Ariadne ins Rampenlicht, aber eigentlich haben wir in dem Buch zwei Protagonistinnen, denn neben Ariadnes, bekommen wir als Leser/innen auch die Gedanken und Gefühle ihrer Schwester Phädra vermittelt. Die beiden Schwestern sich dabei von sehr unterschiedlicher Natur. Während Ariadne zurückhaltend, träumerisch und bodenständig ist, ist Phädra extrovertiert, zielstrebig und ehrgeizig. Der Kontrast zwischen den Schwestern ist gelungen dargestellt und hat mir sehr gut gefallen. Zum Teil werden die Schwestern mit ähnlichen Problemen und Situationen konfrontiert, reagieren aber ganz unterschiedlich auf diese. Dies wird insbesondere beim Thema Mutterschaft deutlich und ich finde es richtig klasse, dass die Autorin nicht nur die positiven Gefühle beschreibt, die damit einhergehen, sondern auch dem Stress, der Müdigkeit, der Angst und den Einschränkungen Raum gibt bez. sogar so weit geht fehlende Muttergefühle zu thematisieren, denn ja das gibt es.

"Ich hatte schon viel über die Qualen der Geburt gehört, aber niemand hatte mir gegenüber je das Elend erwähnt, das darauf folgte. Als sie mir das Kind in die Arme legten, war ich verwirrt. […] Ich hatte Schmerzen, war völlig erschöpft. Ich sehnte mich nach Schlaf, mehr als nach allem anderen […] und fragte mich, warum, ales was ich empfinden konnte, eine Mischung aus Verzweiflung und schwachem Mitleid für diesen winzigen, zornigen Säugling war, der so enttäuscht zu sein schien, sich in meiner Gegenwart wiederzufinden."
(Ich, Ariadne von Jennifer Saint, List Verlag, 2021, S.272)

Nicht für jede Frau sind Kinder ein Segen, das sollte und muss die Gesellschaft akzeptieren. Das Aufgreifen dieser Thematik in der Belleristik kann dazu beitragen dies mehr Leuten bewusst zu machen, daher ein großes Lob an dieser Stelle an Jennifer Saint, dass sie diesen Aspekt in ihr Buch eingebracht hat.

Um wieder auf die Schwestern zurückzukommen, muss ich sagen, dass mir im gesamten tatsächlich Phädra besser gefalle hat, als Ariadne. Letztere war mir zwar sympathischer, aber ich fand, dass sie im Vergleich zu ihrer Schwester die geringere Entwicklung durchmacht. Dafür, dass sie im ersten Kapitel noch groß angekündigt, wie Medusa lieber ihre Feinde in Schrecken zu versetzten, als sich wie ihre Mutter zu ducken, bleibt sie bis zum Ende des Buches erstaunlich passiv. Auch hier fällt es mir schwer Ariadne nicht mit Circe zu vergleichen. Beide landen ungerechterweise und von Männern verdammt auf einer einsamen Insel, doch während sich Circe ihre Insel untertan macht, bleibt Ariadne bis zum Schluss nur ein Gast auf der ihren. Ein letzter, anders hindeutender Satz auf der letzten Seite kann an diesem Eindruck auch nichts mehr ändern.


Den Preis, den die Frauen zahlen
Ein Aspekt, der mir wiederum sehr gut an dem Buch gefallen hat, ist, die zutreffende und ernüchternde Sichtweise auf das Schicksal von Frauen in der griechischen Mythologie.

"Damals wusste ich noch nicht, dass ich auf eine grundlegende Wahrheit des Frauseins gestoßen war: Ganz gleich, wie tadellos unser Leben war, die Leidenschaften und Begierden der Männer konnten uns jederzeit in den Ruin stürzen, ohne dass wir etwas dagegen zu unternehmen vermochten."
(Ich, Ariadne von Jennifer Saint, List Verlag, 2021, S.21)

Medusa, Pasiphae, Io, Kalisto … Die griechische Mythologie ist voll von Frauen, die für Dinge bestraft wurden, die Männer getan haben, ganz zu schweigen von nochmal doppelt so vielen Frauenfiguren, die direkt Gewalt von Männern erfahren. Und es sind nicht nur die Götter oder Schurken, die dieses Leid verursachen, auch die Heroen haben, um es salopp zu sagen, gewaltig Dreck am Stecken, allen voran Herakles und Theseus, also ausgerechnet die Heroen, die im antiken Griechenland am meisten verehrt wurden.
Ich finde es daher immer gut, wenn in modernen Adaptionen das Narrativ des glorreichen Helden aufgebrochen wird. Die Ent-Idealisierung von Theseus gelingt der Autorin auch sehr gut, wobei ich mir wahrscheinlich auch gerade deswegen noch mehr Entwicklung bei Ariadne gewünscht hätte, denn in meinen Augen reicht es nicht in einem Buch, die Männer alle, als schlecht darzustellen, um wirklich feministisch zu sein. Vielmehr möchte ich sehen, wie Frauen sich über diese Normen erheben und Einschränkungen überwinden, nicht nur real, sondern auch in ihren eigenen Deckweisen und das kam mir hier eben doch zu kurz. Auch fände ich es immer schöner, wenn es auch positive männliche Figuren gibt, denn wenngleich es manche Gegner glauben mögen, beim Feminismus geht es schließlich nicht darum alle Männer zu verteufeln. Wenn ich schon auf ein Problem hinweise, kann ich mir auch die künstlerische Freiheit nehmen Verbesserungen darzustellen, selbst wenn der Mythos selbst es nicht hergibt.

Fazit:


Ich, Ariadne kann durchaus unterhalten und ist gerade für Mythologie Neulinge einsteigerfreundlich. Zudem greift es einige wichtige Themen auf, wenngleich es mir da manchmal nicht tief und differenzierend genug in die Materie geht und ich mir gerade bei der Protagonistin mehr Entwicklung gewünscht hätte. Dadurch beschert das Buch beschert einem zwar einige amüsante Stunden, ihm fehlt jedoch der letzte Schliff, um lange nachzuhallen, trotzdem würde ich jeden Mythologie-Interessierten raten, sich selbst ein Bild zu machen und empfehle das Buch gerne und guten Gewissens weiter.

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Veröffentlicht am 23.01.2022

Wir bluten. Get over it!

Periode ist politisch
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Dieses Buch wanderte im Zuge meines “Mehr Sachbücher lesen Plans” auf meine Leseliste. Vielleicht auch wurde meine Motivation dazu auch ein bisschen von den “Pinky Gloves” beeinflusst. Zwei Männer “erfinden” ...

Dieses Buch wanderte im Zuge meines “Mehr Sachbücher lesen Plans” auf meine Leseliste. Vielleicht auch wurde meine Motivation dazu auch ein bisschen von den “Pinky Gloves” beeinflusst. Zwei Männer “erfinden” pinke Handschuhe, weil sie in der WG im Badmülleimer eingewickelte Tampons entdeckten und das total unangenehm [sic] fanden. Zwar rechtfertigt diese unnütze und umweltbelastende Idee nicht die Anfeindungen bis Morddrohungen gegen die Beiden, sie führt eine jedoch vor Augen, wie tabuisiert und als “versteckenswert” die Periode immer noch betrachtet wird.

Wir bluten. Get over it!
Alles begann mit einer Abschlussarbeit und einem Facebookpost. Mehr zufällig, als geplant wird, Franka Frei zur Menstruationsaktivistin, doch dieses Beispiel zeigt einmal mehr, dass jeder etwas bewegen kann. Was als Idee für die Bachelorarbeit begann, ist nun eine waschechte Kampfansage an das Menstruationstabu geworden und dieses Manifest ist das vorläufige Ergebnis. Und das Wort Manifest trifft es schon ganz gut, aber dazu später mehr.

Als Erstes möchte ich näher auf den Inhalt des Buches eingehen und warum wir Bücher wie dieses so dringend brauchen und warum nicht nur Menschen mit Uterus es lesen sollten. Was mir beim Lesen erneut klar geworden ist, ist, wie viel Glück ich selbst hatte. Ich hatte eine Mutter, die bereits vor meiner ersten Periode mit mir offen über das Thema sprach, sodass ich wusste, was auf mich zukommt, ich habe die finanziellen Möglichkeiten mir die Menstruationsprodukte zu kaufen, die ich bevorzuge und ich habe einen Partner mit dem ich offen und über meinen Zyklus und meine Menstruation reden kann, ohne dass er angewidert den Mund verzieht. Alles Gründe warum ich heute unbeschwert und frei heraus über das Thema Menstruation reden kann, doch es sind Privilegien, das ist mir bewusst, denn ein beträchtlicher teil der menstruierenden Menschen auf dieser Welt hat diese Freiheit nicht und Schuld daran ist, wie Franka Frei in diesem Buch mehr anschaulich aufführt, nicht ausschließlich, aber zum großen Teil das Menstruationstabu.

"Tabus machen unfrei, denn sie beschneiden das elementare Recht, Fragen zu stellen […] Am Ende sind es die Frauen, die draufzahlen. Und zwar nicht nur mit Geld, sondern auch mit Schmerzen, Stress, Scham und anderen negativen Gefühlen, die sie daran hindern, wirklich “befreit” zu leben."
(Periode ist politisch: Ein Manifest gegen das Menstruationstabu von Franka Frei, HeyneHardcore, 2020, S. 14)

Anschaulich und mit einer ordentlichen Portion Witz, Ironie und Sarkasmus zeigt die Autorin, was das Menstruationstabu für Menstruierende im Einzelnen bedeutet. Dabei hat sie einen globalen Blick und schilder beispielsweise die Art und Weise, wie Menstruierende während ihrer Tage in manchen Teilen der Welt von der Gesellschaft ausgeschlossen werden, aus dem Haus ausgesperrt oder in eigens dafür vorgesehenen Menstruationshütten ausharren müssen. Nicht selten auch in bitterer Kälte. In Nepal und anderen Ländern sterben jedes Jahr, trotz Verbot der Menstruationshütten Menschen, weil sie in diesen Hütten erfrieren, ersticken oder von Tieren getötet werden und die Zahl derjenigen, die im Schutz der Abgelegenheit vergewaltigt worden sind, ist dunkel, aber garantiert erschreckend hoch. Und das alles nur, weil ein eigentlich natürlicher Prozess, der Grundlage allen menschlichen Lebens ist, von einer Handvoll Männern als unrein und schmutzig deklariert wurde.

Aber auch die Menstruationsarmut ist ein Problem, das Franka in ihrem Buch anspricht. In Kenia bieten 10% der 15-jährigen Sex gegen Geld für Binden an. Wer sich keine Menstruationsprodukte leisten kann benutzt andere Materialien von Lumpen, über Pflanzen bis zu getrockneten Kuhmist. Doch Menstruationsproblem ist nicht nur in Entwicklungsländern ein Problem, auch in Europa gibt es Menschen, die sich diese Produkte nicht leisten können. Hinzu kommen Ausfälle in der Schule oder auf der Arbeit während der Periode. Das Menstruationstabu verursacht damit also auch neben den persönlichen verminderten Bildungs- und Arbeitschancen von Menstruierenden einen reellen Wirtschaftsschaden und geht damit uns allen etwa an, auch Menschen ohne Uterus.

Erhebt eure Stimme
Doch Franka Frei zeigt uns nicht nur die Probleme, sie spricht auch über Lösungen und räumt in ihrem Buch viel Platz diversen Aktivist/innen ein und schildert, wie diese in ihren Ländern gegen das Menstruationstabu ankämpfen. Zugegeben, nicht mit allen Positionen, die Franka vertritt, stimme ich überein und ich kann auch diejenigen Rezensent*innen verstehen, die die Art der Autorin ihre Position zu vermitteln als belehrend empfinden. Hier zeigt sich schon deutlich, dass Manifest das treffende Attribut für dieses Buch ist. Mich persönlich hat das nicht so gestört. Ich muss nicht mit allen Aussagen übereinstimmen, um aus einem Buch dennoch lehrreiches mitzunehmen, aber das ist auch eine Sache des persönlichen Empfindens.

Was mich jedoch gestört hat und im Endeffekt den Punkt Abzug bedeutete ist zum einen, dass sich viele Aussagen zum Ende hin wiederholten und zum anderen, dass das Buch noch etwas mehr Struktur vertragen hätte. Die Ansätze dafür sind da, trotzdem verfällt die Autorin hin und wieder in einen sprunghaften Erzählstil. Hier einfach etwas mehr Fokus und das Kernthema des Kapitels und alles wirkt gleich viel klarer. Auch hätte ich mir zum Ende noch ein knackiges, ordentliches Fazit gewünscht, dass die Positionen zusammenfasst und die wichtigsten Aussagen nochmal unterstreicht. Das Buch plätschert nämlich leider so lapidar aus, da fehlt der letzte verbale Wumms am Ende.

Fazit:


Das Buch verdient eine klare Leseempfehlung, und zwar nicht nur an Menschen mit Uterus. Locker und humorvoll führt Franka Frei aus, was das Menstruationstabu im Einzelnen bedeutet, welcher Schaden entsteht und gibt jenen eine Bühne, die dagegen ankämpfen. Ein klein wenig mehr Fokus, ein schnittiges Fazit und etwas weniger Wiederholungen zum Ende und das Buch hätte sich die volle Punktzahl erkämpft. Trotzdem bleibt es eine mehr als lesenswerte Lektüre.

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Veröffentlicht am 23.01.2022

Absolut durchschnittlich mit kaum eigenen Ideen

The Crown's Game
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Dieses Buch stand schon lange auf meiner Wuli. Der Klapptext erinnerte mich gleich an Der Nachtzirkus von Erin Morgenstern und dieses Buch liebe ich abgöttisch. Da wollte ich the Crowns Game natürlich ...

Dieses Buch stand schon lange auf meiner Wuli. Der Klapptext erinnerte mich gleich an Der Nachtzirkus von Erin Morgenstern und dieses Buch liebe ich abgöttisch. Da wollte ich the Crowns Game natürlich auch eine Chance geben, leider konnte es mich nicht mal annähernd so begeistern.

Magier im Zarenreich
Was mich an dem Buch am meisten gereizt hatte, war das Setting des russischen Zarenreichs und zwar nicht nur in Anlehnung, wie z. B. bei der Grischa Trilogie, sondern tatsächlich Sankt Petersburg als historischen Schauplatz. Ich hatte halt schon immer eine Schwäche für historische Fantasy. Leider konnte mich die Autorin hier nur halb überzeugen.
Gut gelungen sind Evelyn Skye die Beschreibungen von Sankt Petersburg bez. der Landschaften allgemein. Man bekommt als Leserin einen guten Eindruck der Pracht der Zarenstadt und sie geht in ihren Beschreibungen glücklicherweise über die reine Betonung von Zwiebeldächern hinaus, das hat mir gut gefallen und man gewinnt den Eindruck, dass die Autorin schon selbst dorrt war, oder sich zumindest viele Fotos angeschaut hat.

Leider scheint sie diese Akribie bei der restlichen Recherche nicht an den Tag gelegt zu haben. Sie bemüht sich zwar sichtlich russischen Flair aufkommen zu lassen, bedient sich dabei aber vor allem Klischees. So betrinken sich die Leute mit Kwas, dabei hatte der im 19. Jh. schon fast gar keinen Alkohol mehr, der Alkoholgehalt von Kwas liegt bei ca. 0,5 – 1%, zum Vergleich die meisten Fruchtsäfte haben einen Gehalt von 0,3% (das könnte man bei der Gelegenheit auch Leigh Bardugo mal sagen).
An anderen Stellen ist sie hingegen viel zu modern unterwegs. Ihre Darstellung eines Hofballs zum Beispiel hätte jeden Hofmeister des 19. Jahrhunderts ob der Verstöße gegen das Zeremoniell in panische Schnappatmung versetzt.

Der tödliche Kampf, der keiner ist
Über diese Fehler hätte man ja noch hinwegsehen können, wenn die Handlung wenigstens gut gewesen wäre. Doch das Wort, dass mir nach dem Lesen vor allem im Kopf rumspukt ist: langweilig! Wir haben zwei Magier im Zarenreich. Aus Gründen, die etwas fadenscheinig sind, darf es aber nur einen Magier in Russland geben, also müssen die beiden in einen tödlichen Wettkampf zeigen, wer als Magier des Zaren und damit für die Verteidigung Russlands gegen seine Feinde besser geeignet ist.
Die beiden Protagonisten Vika und Nikolai wurden ihr ganzes Leben darauf vorbereitet, doch sobald sie einander erblicken, sind sie sofort verliebt und der eigentlich tödliche Wettkampf wird von Anfang an halbherzig und unwillig mit ein paar Zauberkunststückchen ausgeführt, weswegen nie das Gefühl von Spannung oder Bedrohung aufkommt.

Auch finde ich es etwas seltsam, dass ein Zar der einen Magier für den Krieg sucht sich von Spielereien wie Springbrunnen und bunte Hausfassaden beeindrucken lässt. Hier hatte ich das schale Gefühl, dass direkt versucht wurde Der Nachtzirkus zu kopieren, ohne darauf zu achten, ob das überhaupt zur eigenen Ausgangssituation passt. Auch gibt es so manche Szenen zwischen Vika und Nikolai, die unangenehm direkt an Erin Morgensterns Werk erinnern, und zwar in einer Art und Weise dir über Inspiration” hinausgehen, bei weitem aber nicht deren Raffinesse erreichen.

Und das Liebesdreieck, das keins ist*
Nun habe ich schon viel kritisiert und bin leider immer noch nicht fertig, denn genauso langweilig, wie der Kampf der Magier, ist die romantische Beziehung. Vika und Nikolai haben selbst für Jugendbuchverhältnisse eine Blitzliebe und das will schon was heißen. Als Drittes im Bundes haben wir den Prinzen Pascha, der da mehr Dramatik reinbringen soll, einem am Ende aber nur Leid tut, denn was ein Liebesdreieck sein soll, ist in Wahrheit keins, denn Pascha war nie wirklich eine Option. Es ist von Anfang an klar, dass Vika und Nikolai das gepushte Paar sind. Liebesdreiecke können spannend sein, aber nur, wenn beide potenzielle Charaktere echte reelle Chancen haben. So ist es nur viel heiße Luft und der Ausgang von Anfang n klar. Gähn. Auch sonst bleibt die unsterbliche Liebe der beiden Protagonisten hohl und oberflächlich. Es wird viel geschmachtet und Aussehen und Magiekünste des anderen gelobt, große Gefühle sucht man aber vergebens.

Fazit:


Vielleicht, wenn man noch nie ein Jugendfantasyroman gelesen hat oder wenn man die typischen YA Kniffs und Wendungen amüsant findet, kann man Gefallen an The Crown’s Game finden. Wem jedoch die gängigen Jugedbuchklischees mittlerweile auf die Nerven gehen, der wird auch mit diesem Buch nicht glücklich werden. Denn mit seiner Instaliebe und der schwachen Handlung ist dies ein völliges 0815 Buch, an das ich mich in einem Jahr wahrscheinlich schon gar nicht mehr erinnern werde.

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Veröffentlicht am 23.01.2022

Völlig überbewertet! Weder feministisch, noch gut geschrieben.

Die andere Hälfte der Welt
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Zwei Trends sind in den aktuellen Neuerscheinungen zu beobachten: Bücher mit feministischen Themen und apokalyptische Bücher in denen es um eine weltweite Pandemie/Seuche etc. geht. Die andere Hälfte der ...

Zwei Trends sind in den aktuellen Neuerscheinungen zu beobachten: Bücher mit feministischen Themen und apokalyptische Bücher in denen es um eine weltweite Pandemie/Seuche etc. geht. Die andere Hälfte der Welt scheint beide Trends zu vereinen, doch kann es auch überzeugen?

Frauen an die Macht
Das Szenario ist schnell erzählt: Ein neuartiges Virus breitet sich rasant auf dem Erdball aus. Sowohl Frauen als auch Männer können sich infizieren, doch nur Männer erkranken und sterben in 90% der Fälle. Aus einer Epidemie wird eine Pandemie und gewohnte Gesellschaftsstrukturen geraten ins Schwanken.

Dieses Szenario hätte so unglaublich viel Potenzial gehabt. Als ich mich für das Buch entschied, fragte ich mich vor allem, wie sich die Gesellschaft verändert, wenn aufgrund der plötzlichen erheblichen Dezimierung von Männern festgefahrene patriarchische Strukturen sich auflösen? Welchen Einfluss hat es auf Konflikte, kriege und Diplomatie, wenn ein Großteil der Staatsregierungen weiblich ist? Wie verändert sich die Wirtschaft, wenn CEOs, Vorstände und Manager vorrangig von Frauen gestellt werden und was ändert sich an klassischen Rollen- und Familienbildern mit einem massiven Frauenüberschuss? All das sind spannende Gedankenexperimente, denen man mit diesem Buch viel Raum zum entfalten hätte geben können, wenn man es denn richtig angepackt hätte. Christina Sweeney-Baird hat diese jedoch definitiv nicht.

Wie viele Logikfehler kann man in ein Buch packen? – Christina Sweeney-Baird: Challenge accepted!
Dieses Buch wird Menschen zum heulen bringen! Nicht jedoch emotionale Menschen, sondern vielmehr jeden, der auch nur einen Funken Allgemeinwissen und Menschenverstand hat. Denn was die Autorin hier abliefern ist eine Aneinanderreihung von haarsträubenden Logikfehlern, dass es schon richtig weh tut. Das fängt beim Medizinischen an. Und ich rede hier nicht von Fachwissen aus dem Medizinstudium, sondern von absoluten Grundlagen, die jeder kennen sollte, der schon mal in ein Biologiebuch der 8. Klasse geschaut hat. Aber auch über das Medizinische hinaus ist das Buch voll von Unwahrheiten, kruden Behauptungen und unlogischen Verhalten der Akteure. Ich weiß gar nicht, wo ich anfangen soll, aber meine Augen hatten schon nach der Hälfte des Buches einen Krampf, weil ich sie so oft gerollt habe.

Hier mal ein Best of der unsinnigsten Darstellungen im Buch ACHTUNG SPOILER

• Notfallärztin Amanda hat an einem Tag sieben tote Patienten, die überraschend mit unspezifischen Symptomen verstorben sind. Sie weiß von der ersten Sekunde an, ohne auch nur irgendeine Probe oder sonst was gesehen zu haben, das es a) ein Virus ist und b) dieser eine weltweite Pandemie auslösen wird, bei dem alle zugrunde gehen. Genauso weiß sie sofort welche Schwester bei allen Fällen anwesend war und dass diese die Überträgerin ein muss.

• Das Virus verbreitet sich rasant. In Großbritannien sind [sic] bereits über 100.000 Männer gestorben und die WHO macht … nichts. Genau. Sowohl WHO als auch CDC stufen 100.000 tote Menschen in wenigen Wochen als Lappalie ein und drehen Däumchen. Auch die Medien außerhalb der UK interessieren sich nicht dafür. Im Ausland werden über die, ich wiederhole, 100.000 Tote in der Industrienation UK!!!! allenfalls in kleinen Randspalten berichtet, wenn überhaupt.

• Überhaupt werden sämtliche Behörden als unglaublich dämlich und ignorant dargestellt. Sicher, eine gewisse Ignoranz ist oft leider gegeben und ein klassisches Element von Katastrophenfilme und Romane, doch in der Regel werden vorbeugende Maßnahmen und erste Warnungen ignoriert. Sweeney-Baird treibt es aber zur absoluten Lächerlichkeit, denn ihre Behörden reagieren noch nicht mal, als die Kacke schon richtig am Dampfen ist. Selbst die UK Gesundheitsbehörde sieht bei schon weit über 1000 Tote im eigenen Land noch keinen wirklichen Handlungsbedarf.

• Irgendwann gesteht man sich doch ein Problem zu haben und dann… passiert trotzdem nichts. Den Leuten wird geraten sich etwas mehr die Hände zu waschen und den Kontakt zu reduzieren, das wars. Sonst passiert kaum etwas. Keine Grenzschließungen, keine Lockdowns, nicht mal Maskenpflicht (Masken kommen in dem ganzen Buch nicht zur Sprache). Offenbar will man die Seuche einfach aussitzen bis ein Impfstoff da ist.

• Doch warum sterben nur Männer? Hier hat die Autorin im Biounterricht Klasse 8, als Genetik dran kam, wohl gepennt. Sie behauptet nämlich, die Gensequenz, die vor der Krankheit schütze, sei auf einem X-Chromosom. Männer haben nur eins und sind am Arsch, Frauen haben zwei, also alles supi. Macht nur leider überhaupt keinen Sinn. Im Buch wird behauptet, 10% der Männer haben ein X-Chromosom, das schützt. Das heißt 10% aller X-Chromosomen können diese Schutzfunktion ausbilden. Das müsste dann aber genauso für Frauen gelten, sprich 10% aller X-Chromosomen in Frauen haben die Schutzfunktion. Da es nur ein Chromosom mit Schutz braucht und Frauen zwei haben, verdoppelt sich ihre Chance, Immunität zu besitzen. Ist wie in der Losbude. Männer haben ein Los, Frauen zwei. Die Wahrscheinlichkeit, dass im Los der Gewinn steckt, ist jedoch dieselbe. Frauen haben eben nur zwei Versuche und damit die doppelte Chance auf den “Gewinn”. Das wiederum bedeutet, so wie es im Buch dargestellt ist, müssten die Frauen eine Immunitätsrate von 20% haben, und nicht 100% wie geschildert. Und übrigens, um auf die Idee zu kommen, dass diese krassen Geschlechtsunterschiede bei der Seuche was mit den Chromosomen zu tun haben könne, haben die Forscher weit über 100 Tage gebraucht.

• Natürlich wird auch an einem Impfstoff geforscht. Nach einem Jahr Pandemie ist auch einer gefunden aber oh weh, der hat “nur” eine Wirksamkeit von 97% und landet sofort in der Mülltonne. Denn natürlich müssen es 100% Wirksamkeit sein, alles andere ist inakzeptabel und die Männer sterben derweil weiter wie die Fliegen.Auch das ist einfach nur dumm und nicht recherchiert und dafür braucht es auch nicht unser heutiges Corona Wissen. Die Autorin hätte sich einfach mal nur die Wirksamkeit anderer Impfstoffe anschauen zu müssen, um zu sehen, dass 100% praktisch nie gegeben sind z.B. Polio: Wirksamkeit ca. 95% Hepatitis B: ca. 95% Diphterie: ca. 90%.

• Schon während der Pandemie und auch danach wird ein Großteil der Frauen von einem Tag auf den anderen lesbisch. Als sei sexuelle Orientierung nur eine Frage des Angebots und Nachfrage.

Und das sind nur Dinge, dir mir beim Rezension tippen noch direkt eingefallen sind. Ihr könnt gut und gerne nochmal 100 große und kleine Fehler, Unwahrheiten und Logiklücken hinzufügen. Ich versteh beim besten Willen nicht, wie dieses Buch durch ein lektorat gekommen ist, hatte es überhaupt ein inhaltliches Lektorat? Es fällt mir schwer das zu glauben.

Die Hälfte der Fehler hätten allein mit Internetrecherche und Wikipedia ausgeräumt werden können, die andere mit einem Gespräch mit Leuten die davon Ahnung haben z.B jede x-beliebige Person die im Gesundheitswesen arbeitet, das muss noch nicht mal ein Artzt/Ärtzin sein. Christina Sweeney-Baird hat weder das eine, noch das andere getan. Sie hat rein gar nichts recherchiert sondern einfach eine fixe Idee runtergeschrieben, wie es ihr grade in den Sinn kam und das regt mich einfach auf, denn Recherche gehört zum Handwerk eines Autors/ einer Autorin und als eine Frau, die ein Studium erfolgreich absolviert hat, wird es im Falle der Autorin wohl kaum Unfähigkeit gewesen sein, warum sie sich geweigert hat auch nur die simpelste Nachforschung durchzuführen. Bleibt also noch Ignoranz und/oder Faulheit, sorry für die harten Worte, aber wie gesagt grundlegende Recherche gehört zum Ein mal Eins der Schreibarbeit dazu und sich so konsequent dagegen zu sperren ist, also ob ein Bäcker sich weigert Brötchen zu backen.

Weiße, gebildete, gut situierte Frauen heulen ihren weißen, gebildeten, gut situierten Männern hinterher
Doch es sind nicht nur allein die zahlreichen Fehler, die das Buch zum Flop werden lassen, auch erzählerisch hat es kaum etwas zu bieten. Bei einer globalen Katastrophe ist es für Leser*innen immer spannend mehrere Perspektiven zu erfolgen und so die Katastrophe aus verschiedenen Blickwinkel zu betrachten, zudem erlaubt diese Erzählweise es der Autorin sehr unterschiedliche Lebensumstände einzubeziehen und so Gesellschaftskritik auf vielen Ebenen zu üben. Eine Menge Potenzial also, das leider die Autorin ebenfalls komplett verschenkt.

Denn sie hat zwar eine Menge Perspektiven und Figuren, aber 90% davon haben denselben Background. Es sind weiße, gebildete Frauen der oberen Mittelschicht. Überhaupt ist das Buch weißer als ein Toastbrot. Bis auf sehr, sehr wenige vereinzelte Kapitel, die selten länger als zwei Seiten geht, wird alles aus der britisch/amerikanischen Perspektive erzählt. Wie die Pandemie sich auf andere Teile der Welt auswirkt, erfährt man kaum. Auch gibt es an PoC Charakteren nur eine klischeehafte Putzkraft in Singapur, aber deren Anteile sind auf die 700 Seiten gesehen auch mikroskopisch. Ebenso wenig erfährt man als Leser/in die Auswirkung der Pandemie auf z.B ärmere, bildungsferne oder vorerkrankte Menschen.
Wenn das alles nicht zur Sprache kommt, womit werden die Seiten dann gefüllt? Hauptsächlich damit, wie die besagten weißen Frauen um ihre Verluste trauern. Ich kann nicht einzelne Charaktere benennen, denn sie verschwimmen zu einem einzigen Haufen. Aber sie alle haben einen wunderbaren Mann und Kinder. Und der Verlust der Männer und Söhne wird in den größten Tönen beweint und betrauert. Auch hier Diversität gleich null, denn es wird nicht nur allein das klassische Familienbild “Mann Frau Kind” inklusive der Rollenbilder aus dem letzten Jahrhundert geschildert, es wird regelrecht zelebriert. Das Buch will feministische sein und ist doch ein einziges Loblied auf den lieben Ehemann. Wie es Frauen ergeht, die in häuslicher Gewalt leben, die froh darüber sein können, wenn ihr Tyrann stirbt, wird kaum thematisiert. Auch einfach Singles, die gerne allein sind, gibt es nicht. Alles dreht sich um den Verlust von super lieben und verständnisvollen Ehemännern und Söhnen. Die Perspektive der Familienmutter ist all überragend.

Das zeigt sich auch in der völligen Ignoranz der queeren Community. Im Grunde kommt diese nämlich einzig und allein an zwei Stellen überhaupt vor. 1.) als wie schon oben beschrieben geschildert wird, das Frauen scharenweise von einem Tag auf den anderen lesbisch werden und 2. in einem kurzen 5 Seiten Kapitel in dem geschildert wird, das Transpersonen stärker beschimpft werden und es in der Community zu massenweisen Suiziden kommt, wobei es im Kapitel aber im Endeffekt eher um den Streit zwischen der Priorität von physischer oder psychischer Gesundheit geht und die Transmenschen nur simple Beispiele sind.

Ich könnte noch so viel mehr Beispiele nennen, warum dieses Buch weder gut, noch feministisch ist. Es reicht einfach nicht nur die Dezimierung der Männer, als Thema zu nehmen und ein paar “gute Folgen” wie die Verbesserung von Autos, kleinere Handys etc. (alles Beispiele, die eins zu eins aus Caroline Criado-Perezs Unsichtbare Frauen abgeschrieben wurden) zu nennen, ohne ein wirkliches Umdenken patriarchischer Strukturen und Rollenbilder zu thematisieren. Aber die Rezension ist sowieso schon viel zu lang, das liest sich kaum jemand durch, also mache ich jetzt Schluss.

Fazit:


Ein Buch, das einzig und allein aufgrund des Themas gehypted wird, in Wahrheit aber weder feministisch noch gut geschrieben ist. Ein Punkt gibt es für den reinen Schreibstil, der sich flott lesen lässt, einen für eins, zwei emotional spannende Momente, aber das war’s auch schon. Logikfehler wohin man sieht, teilweise wirklich haarsträubende Behauptungen und null Diversität lassen diesen Versuch eines feministischen Romans zum Flop werden.

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