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Veröffentlicht am 22.08.2021

Macht Spaß. hätte aber besser funktioniert, wenn es nicht Mulan hätte sein sollen.

Disney. Twisted Tales: Dunkle Schatten
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Von allen Disney Prinzessinnen war Mulan schon immer meine liebste. Ich besaß als Kind zwar nicht den Film, aber das dazugehörige Hörspiel habe ich rauf und runter gehört. Daher war für mich klar, dass ...

Von allen Disney Prinzessinnen war Mulan schon immer meine liebste. Ich besaß als Kind zwar nicht den Film, aber das dazugehörige Hörspiel habe ich rauf und runter gehört. Daher war für mich klar, dass mein erstes Twisted Tales Buch das von Mulan sein sollte. Zumal ich mit Autorin Elizabeth Lim mit “Ein Kleid aus Seide und Sternen” bereits gute Erfahrung gemacht habe.

Auf in die Unterwelt.
Autorin Elizabeth Lim geht auf alle Fälle davon aus, dass man vor dem Lesen den Disney Film bereits gesehen hat und die Figuren gut kennt, denn sie hält sich nicht mit irgendwelchen Einleitungen oder Hintergründen auf, sondern startet direkt mit der Szene im Gebirge, als Mulan, Shang und die Soldaten auf die Hunnen treffen. Schon auf den ersten Seiten kommt es also zu dem Plottwist, durch den das Buch eine andere Wendung nimmt, als der Film, denn nicht Mulan wird von Shan-Yu verletzt, sondern General Shang.

Wir müssen als Leserin also nicht lange warten, bis der neue Handlungsverlauf seinen Gang nimmt. Ziemlich zügig landet Mulan in der Unterwelt, doch von da an wird es nicht mehr ganz so einfach. Bevor ich das Buch las, habe ich mich Überblickhaft in die chinesische Jenseitsvorstellung eingelesen und zum größten Teil fand ich diese in diesem Buch auch gut umgesetzt. Es tauchen zahlreiche Elemente aus der Jenseitymythologie und sind für mich im Rahmen der künstlerischer Freiheit auch schlüssig in die Handlung eingewoben. Lediglich bei einer Sache macht die Autorin in meinen Augen einen Fehler. So beschreibt sie einen Himmel, in den gute Seelen kommen, sollten sie nicht wiedergeboren werden. Eine solche Vorstellung existiert jedoch weder im Buddhismus, noch im chinesischen Volksglauben. Hier wird also ein westliches Glaubensprinzip einfach einer anderen Kultur aufgedrückt. Der Sinn erschließt sich mir dabei nicht. Sicher der Himmel spielt in dem Buch keine große Rolle, aber gerade deswegen ist es doch völlig überflüssig christliche Glaubensvorstellungen einflechten zu müssen.

Alte Bekannte und neue Figuren.*
Ansonsten will ich zur Handlung gar nicht viel mehr sagen. Sie ist im Großen und Ganzen rund und unterhaltsam und wartet, wie gesagt mit einigen schönen Einflechtungen aus der chinesischen Mythologie auf. Stattdessen möchte ich über die Charaktere sprechen. Die verzwickte Sache bei einer Adaption einer Geschichte von einem, ins andere Medium ist nun mal, dass die Fans bereits eine recht genaue Vorstellungen haben, wie die Figuren zu sein haben, wie sie sich verhalten, wie sie reden und denken. Das schlüssig umzusetzen, sodass trotz Abweichungen in der Handlung Buch und Film eine Einheit bilden ist nicht einfach und gelingt in meinen Augen auch Elizabeth Lim nur bedingt.
Vielfach wurde ja schon kritisiert, das Mushu in den Roman kaum vorkommt. Das ist tatsächlich ein Aspekt, der mich nicht gestört hat, denn Eddie Murphy oder auch Ottos Interpretation von Mushu in Buchform zu zwängen, wäre sowieso in die Hose gegangen und mit ShiShi führt die Autorin für mich einen guten und lustigen Ersatz ein.

Nein was mich mehr gestört hat, war Mulan selbst. Im Film ist sie entschlossen, mutig, zielstrebig. Sie hat zwar hin und wieder ihre Zweifel, doch lässt sie sich davon nicht unterkriegen. Im Buch fand ich Mulan leider deutlich schwächer, sie wirkt oft unentschlossen und auch blass. Weniger handelnd und mehr von den äußeren Einflüssen bestimmt, als durch das eigene Tun.
Shang hingegen ist ganz gut getroffen und auch die Beziehung zwischen den Beiden bekommt hier mehr Raum. Sie bleibt zwar was die Tiefgründigkeit angeht auf Jugendbuch Niveau, wird aber dadurch, dass ihr im Gegensatz zum Film mehr Zeit für die Entwicklung eingeräumt wird, wenigstens etwas nahbarer und authentischer, das hat mir gut gefallen.

Fazit:


Das Buch ist unterhaltsam, keine Frage, aber ich denke es hätte besser funktioniert, wenn es nicht Mulan hätte sein sollen, denn im Verhalten und in der Art unterscheiden sich Buch-Mulan und Film-Mulan doch deutlich, wodurch Film und Buch nicht so recht zusammenpassen wollen. Betrachtet man es aber losgelöst vom Original erwarten einen ein paar spaßige Lesestunden.

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Veröffentlicht am 22.08.2021

Du denkst du fliegst ins Glück ...

Die Chroniken von Peter Pan - Albtraum im Nimmerland
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Heute möchte ich euch ein Buch vorstellen, auf das ich mich schon seit längerem gefreut habe. Nachdem ich schon den zweiten Alice Band nicht mehr so gut fand und die Kurzgeschichten daher komplett wegließ, ...

Heute möchte ich euch ein Buch vorstellen, auf das ich mich schon seit längerem gefreut habe. Nachdem ich schon den zweiten Alice Band nicht mehr so gut fand und die Kurzgeschichten daher komplett wegließ, war es nun an der Zeit für etwas Neues. Daher war ich sehr gespannt auf dieses neue Setting.

Horror im Nimmerland
Ich muss ja zugeben, Peter Pan war mir als Figur schon immer suspekt und die Verfilmung von 1953 ist einer der wenigen Disney Filme, die ich nicht mag. Ich fand ihn einfach schon immer sehr egozentrisch und egoistisch, daher fiel mir das “Umdenken” zu Peter ist der Böse überhaupt nicht schwer. Aber selbst wenn ich ein glühender Peter Pan Fan gewesen wäre, Christina Henry hätte mir das mit ihrer Peter Pan Version schleunigst ausgetrieben.
Das Buch ist aus der Sicht von Jamie erzählt. Er war der allererste Junge, den Peter mit nach Nimmerland nahm und Peters engster Vertrauter. Das Buch beginnt ruhig. Wir lernen das Leben der verlorenen Jungs im Nimmerland und unter Peters Fuchtel kennen. Schnell wird klar, dass das, was den Jungen als Paradies versprochen wurde, nur Schein ist und hinter der Fassade Strapazen und oft er Tod wartet.

"Das ist alles nur wegen Peter passiert. Weil Peter ihnen Abenteuer versprochen hatte und Glück und sie auf seine Insel mitgenommen hatte, wo sie starben. Sie blieben nicht für immer jung, es sei denn, man würde einen zu frühen Tod als ewige Jugend betrachten."
(Die Chroniken von Peter Pan: Albtraum im Nimmerland von Christina Henry, Penhaligon Verlag, 2021, S. 189.)

Dabei setzt die Autorin in diesem Roman weniger auf Brutalität und Gemetzel, als bei den beiden Vorgängern, solche Szenen sind zwar da, aber viel viel weniger und in meinen Augen auch harmloser, als bei den Alice Bänden. Stattdessen ist es der psychische Horror, der hier hervortritt, Peter Pan herrscht und manipuliert seine Gefährten und seine Präsens schwebt die ganze Zeit wie ein dunkles Damoklesschwert über allem. Dadurch wird ein dauerhaftes Gefühl der Bedrohung erzeugt, dass ebenso Gänsehaut beschert, wie die blutigen Szenen.

Auch im weiteren Verlauf des Romans, bleibt das Tempo gemächlicher, das nimmt dem Buch aber absolut nichts von seiner Spannung. Denn dieser Roman lebt nicht von Action, sondern von Jamie und Peter und ihre Beziehung zueinander. Wie diese sich Stück für Stück ändert, schildert die Autorin wirklich außerordentlich gut. Zudem passt die ganze Vorgeschichte, die hier geschildert wird immer noch überraschend gut zum Original. Man kann sich wirklich vorstellen, dass dies die Vorgeschichte des Originals ist, es fügt sich harmonisch in den Kanon ein, was dem Ganzen noch mehr Intensität beim Lesen verleiht. Obwohl bereits durch den Klapptext und dem Prolog klar ist, worauf das Ganze hinausläuft, mindert das nicht den Lesespaß, denn als Leser*in kennt man zwar das Endergebnis, aber der Weg dahin hält noch so einige Überraschungen bereit, sodass man trotzdem voller Neugierde und Spannung liest.

Fazit:


Das neue Setting tut der (Nicht)Reihe mehr als gut. Die Geschichte von Peter Pan und Jamie konnte mich von Anfang bis Ende abholen und überzeugen. Es ist in diese Roman weniger das Gemetzel, als der psychische Horror, die Manipulationen, Überwachungen und Lügen durch Peter, die das Düstere mit sich bringen. Das und die wirklich sehr gut dargestellte Entwicklung des Protagonisten und dessen Beziehung zu Peter, machen diesen Roman zu einem echten Pageturner.

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Veröffentlicht am 22.08.2021

Magisch, fantasievoll und berührend

Das Mädchen, das den Mond trank
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Normalerweise sind Kinderbücher nicht so mein Fall. Für mich selbst sind die meisten Bücher mit Empfehlungen unter 14 nicht fordernd genug und Kinder zum Vorlesen/gemeinsamen lesen habe ich nicht. Und ...

Normalerweise sind Kinderbücher nicht so mein Fall. Für mich selbst sind die meisten Bücher mit Empfehlungen unter 14 nicht fordernd genug und Kinder zum Vorlesen/gemeinsamen lesen habe ich nicht. Und doch reizte mich etwas an diesem Buch sofort, sodass ich es doch damit probieren wollte. Und diese Entscheidung bereue ich im Nachhinein nicht.

Magisch und Fantasievoll
Gleich das erste, was einem beim Lesen dieses Buches auffällt, ist der Stil. Schon der Klapptext lässt es erahnen: Er orientiert sich vom Ausdruck her an die typische Art Märchen zu erzählen. Im Gegensatz zu einem Märchen ist dieses Buch allerdings deutlich umfangreicher, man muss diesen Stil also schon mögen und ich kann mir vorstellen, dass dies nicht jedem zusagen wird. Ich selbst fand aber gerade das großartig. Der märchenhafte Stil erzeugte für mich eine einnehmende und magische Atmosphäre, die den Zauber der Geschichte bestens unterstützte.
Und das die Geschichte zauberhaft ist, kann man ohne weiteres sagen. Die Autorin beweist hier wirklich allerhand Kreativität und Individualität. Ihre Figuren sind nicht nur magisch, nein, sie sind auch sehr eigen und heben sich damit deutlich von anderen Büchern ab. Ob es nun das Sumpfmonster mit der Vorliebe für Lyrik oder der winzige Drache, der denkt er sei monströs groß ist, alle Figuren haben etwas sehr Spezielles und sind dabei aber auch absolut liebenswert.

Aber auch in der Handlung zeigt Kelly Barnhill, dass es ihr nicht an Ideen mangelt. Die Magie, die sie schildert, mag zwar nicht so komplex sein, wie in den großen Fantasy-Epen, aber das braucht es für ein Buch dieser Altersklasse auch nun wirklich nicht. Nichtsdestotrotz gelingt es der Autorin die Magie in diesem Buch in vielen Facetten zu zeigen, was zu einigen sehr unterhaltsamen Situationen geführt hat.

Eine Palette an Emotionen
Ein Punkt, der mir an diesem Buch sehr gut gefallen hat, ist die Palette an Emotionen. Wir haben friedliche und sehr lustige Momente, aber auch Szenen, die von Schwermut und Traurigkeit geprägt sind. Das finde ich gerade für ein Kinderbuch sehr schön, denn ich finde es wichtig Kindern zu zeigen, dass jede Emotion in Ordnung ist, dass es ok ist auch mal traurig oder wütend zu sein. Wer schon früh lernt, seine Gefühle anzunehmen, wird später ein viel ausgeglichenerer Mensch und Geschichten, wie diese, die eine Fülle an Gefühlen vermitteln helfen dabei.
Auch gesellschaftliche Themen, wie Machtmissbrauch, Unterdrückung und die Manipulation des Volkes seitens der Herrschenden, werden aufgegriffen, bleiben aber in einem leicht verständlichen und kindgerechten Rahmen.

Letztendlich war es nur ein kleiner Hänger in der Mitte des Buches, in dem das Tempo für meinen Geschmack zu sehr abnahm, der mich davon abhielt, die volle Punktzahl zu vergeben.


Fazit:


Eine wirklich magische, fantasievolle und märchenhafte Geschichte, die zu verzaubern weiß und gleichzeitig eine vielfältige Palette an Gefühlen verarbeitet. Nur ein kleiner langsame Hänger in der Mitte trübt das Lesevergnügen etwas, trotzdem kann ich das Buch uneingeschränkt Jung und Alt empfehlen.

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Veröffentlicht am 22.08.2021

Nicht nur was für Touristen

Berliner Mythen
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Diesen Comic habe ich zufällig bei meinem Streifzug durch die Bibliothek entdeckt. Ich selbst bin in Berlin geboren und aufgewachsen, ebenso wie meine ganze Familie seit mehreren Generationen. Wir sind ...

Diesen Comic habe ich zufällig bei meinem Streifzug durch die Bibliothek entdeckt. Ich selbst bin in Berlin geboren und aufgewachsen, ebenso wie meine ganze Familie seit mehreren Generationen. Wir sind Berliner Urgestein, wie man so schön sagt. Daher hat mich dieser Comic sofort angesprochen und musste direkt mit.

Nicht nur was für Touristen

In dem Comicband bekommen wir als Leser*in 24 Mythen rund um Berlin präsentiert. Erzählt werden sie von dem Berliner Taxifahrer Ozan. Er fährt seine Gäste zu jedem gewünschtem Punkt in der Stadt und erzählt ihnen dabei allerhand Kurioses und Interessantes über die Zielorte. Diese Art des Erzählens hat mir ausgesprochen gut gefallen, denn zu einem ist Ozan einfach nur sympathisch und witzig und zum anderen bekommt das ganze dadurch diese volkstümliche Note, die Mythen als Medium des Erzählens so eigen ist.

Und was der Ozan da so erzählt, ist wirklich spannend. Selbst für mich als waschechte Berlinerin waren viele Dinge neu. Man lernt die Stadt mit ganz neuen Augen kennen und entdeckt Orte, an die man sonst einfach nur vorbeigelaufen wäre. Schön ist dabei auch die Stadtkarte, die vorne und hinten im Band abgedruckt ist und auf der alle Schauplätze der einzelnen Mythen verzeichnet sind. Wer also nach der Lektüre neugierig geworden ist, kann direkt losmarschieren und die Orte selbst erkunden, wenn er oder sie mag.

Die Mythen sind sehr abwechslungsreich und bewegen sich von kurios witzig, zu tief bewegend und wieder zurück. Ikonen wie Marlene Dietrich oder David Bowie finden ebenso Erwähnung, wie der lange in Vergessenheit geratene Sinti Boxer Johann “Rukeli“ Trollmann. Auch ziemlich viel Geschichte ist dabei. So erfahren wir warum ein Berliner Junge mit dem Panzer zur Schule eskortiert wurde, was es mit den Rosinenbomber und “Onkel Wackel-Flügel” auf sich hat, oder wie sich die Amerikaner fast nach Ostberlin gebuddelt hätten. Diese Vielfalt ist für mich eine der großen Stärken dieses Comicbandes.

Aber auch optisch können die ca. 2-8 Seiten langen Comics sich sehen lassen. Reinhard Kleist hat einen klaren und doch ausdrucksstarken Stil. Seine Panele sind niemals zu voll oder überfüllt und doch schafft er es auf wenige Seiten tiefgründige Geschichten zu erzählen, die wahlweise einen zum Lachen, ins Grübeln oder zum Nachdenken bringen, einen in jedem Fall aber berühren und sehr menschlich wirken.
Ebenso gut gefallen hat es mir, dass es zu jedem Mythos noch ein kurzes Vorwort gibt, das den Mythos kurz vorstellt und auch in den historischen Kontext setzt. Denn wie es bei Mythen eben so ist, nicht alles ist wahr, doch es ist viel Wahres dann. Mitunter hätte man allerdings diese Einordnung lieber dem Comic hinten angestellt, als sie davor zu setzten, denn manchmal verraten sie schon die Pointe des Comics. Dafür gibt es einen halben Punkt Abzug.

Den anderen halben Punkt Abzug gibt es für die Tatsache, dass dieser Comicband wenig Neues enthält, wenn man die Comic bereits vorher im Zitty gelesen hat. Die einzelnen Mythen erschienen nämlich von 2013 bis 2015 im Berliner Stadtmagazin Zitty. Dieser Comicband ist die Sammlung davon und von den 24 Geschichten, ist lediglich die letzte rund um Trollmann neu, der Rest erschien bereits im Magazin. Das finde ich ein bisschen wenig. So wenigstens fünf unveröffentlichte Mythen hätten es in meinen Augen schon sein sollen, damit dieser Band auch für Fans der ersten Stunde einen richtigen Mehrwert hat. Berlin gibt dafür auf alle Fälle noch genug her.

Fazit:


Mit dem Taxi durch Berlins Stadtgeschichte. Ausdrucksstark gezeichnet und amüsant erzählt, erfährt in diesem Comicband nicht nur der Berlintourist allerhand Neues über die Hauptstadt. Auch waschechte Beliner können hier noch so einiges Kurioses, Spannendes, und Berührendes über die eigene Stadt erfahren. Den einen Punkt Abzug gibt es lediglich dafür, dass die Vorworte manchmal zu viel vom Comic verraten und es nur einen neuen Comic gibt, der nicht bereits im Zitty veröffentlicht wurde.

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Veröffentlicht am 22.08.2021

Gute und wichtige Ansätze, Schwächen in der Umsetzung.

Was Männer nie gefragt werden
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Dieses Buch hatte mich vor allem durch seine aktuelle Thematik gereizt. Gerade in Bewerbungsgesprächen bez. dem Berufsalltag allgemein spielt die Familienplanung bei Frauen eine abnorm große Rolle, während ...

Dieses Buch hatte mich vor allem durch seine aktuelle Thematik gereizt. Gerade in Bewerbungsgesprächen bez. dem Berufsalltag allgemein spielt die Familienplanung bei Frauen eine abnorm große Rolle, während Männer zumeist noch nicht mal danach gefragt werden. Ebenso wird leider in der medialen Berichterstattung über Frauen immer noch mehr über Äußerlichkeiten geschrieben, als über Leistungen.

"Die Rolle eines Mannes als Vater, Anzugträger oder Ehemann rückt dann in den Fokus, wenn es darum geht, ihn als Vater, Anzugträger oder Ehemann zu porträtieren. Bei einer Frau dagegen sind Klamotten, Aussehen und Familienpflichten immer ganz automatisch und ohne jede Überleitung Thema."
(Was Männer nie gefragt werden von Fränzi Kühne, Fischer Verlag, 2021, S. 15.)

Umso interessanter fand ich den Ansatz dieses Buches diese unangenehmen bis übergriffigen Fragen mal Männern zu stellen.

Das ist Fränzi Kühnes Buch
Ich muss zugeben, als ich das Buch begann, war ich zuerst etwas überrascht. Ich hatte eine Sammlung von Interviews erwartet und dann eventuell eine daran anschließende Auswertung und Einordnung. Doch Autorin Fränzi Kühne baut ihr Buch anders auf. Statt die kompletten Interviews wiederzugeben, behandelt jedes Kapitel einen Abschnitt des Fragenkatalogs. Die Autorin fasst dann dort die Antworten der Befragten zusammen, geht auf einige ausgewählte Aussagen kommentierend ein und äußert zugleich ihre eigenen Gedanken und Einschätzungen zu der jeweiligen Thematik. Dadurch verschiebt sich meiner Meinung nach der Fokus des Buches etwas. Weg von den Interviewten und hin zur Autorin. Zu ihren Gedanken, Überlegungen und Einstellungen. Es ist durch und durch Fränzis Buch. Verstärkt wird dieser Eindruck noch durch die zahlreichen Anekdoten der Autorin.
Prinzipiell fand ich das nicht so schlimm, nachdem man sich erst von der ursprünglichen Erwartung verabschiedet und darauf eingelassen hat, denn mir persönlich war Fränzi Kühen sehr sympathsich. Ihre offene, lockere Art spiegelt sich auch in ihrem Schreibstil wieder, was das Lesen dieses Buches durchaus angenehm und unterhaltsam macht.


Zu wenig Konfrontation
Doch so gerne ich mal mit der Autorin einen Tee trinken gehen würde um zu plaudern, ich bin mir nicht sicher, ob sie für die Umsetzung ihrer Idee nicht jemand anderes ins Boot hätte holen sollen. Fränzi führt alle Interviews selbst, hat aber bis dato solche nur in der Rolle der Befragten geführt und dementsprechend überhaupt keine Erfahrung als Interviewführende und das merkt man leider deutlich. Es geht leider sogar so weit, das man spürt, dass ihr diese Rolle eher unangenehm ist, und sie viel Wert darauf legt, dass auch das Gespräch freundlich, nett und “angenehm” bleibt. Damit verschenkt sie jedoch eine Menge von dem Potenzial der ursprünglichen Idee, nämlich Männern mit sexistischen Fragen zu konfrontieren. Von einer Konfrontation kann nämlich kaum noch gesprochen werden. Fränzi stellt ihre Fragen sehr umsichtig und vorsichtig und gibt den Interviewten viel Raum und Zeit sich ihre Antworten zurechtzulegen und sich selbst ins rechte Licht zu rücken. Hier hätte es in meinen Augen jemand mit journalistischer Erfahrung gebraucht, der die Männer aus der Reserve gelockt hätte. Der mehr nachgehackt hätte und ja, auch aggressiver gewesen wäre (natürlich immer noch im Rahmen journalistisch ethischer Richtlinien).

Die fehlende Konfrontation und Vehemenz während des Interviews zeigt sich dann auch deutlich bei der letzten gestellten Frage. Die interviewten Männer wurden gefragt, ob sie das Interview als unangenehm empfanden. Fast alle verneinten es und stellten lediglich fest, dass sie über manche der Fragen noch nie nachgedacht haben. Sexismus oder Übergriffigkeit, die viele Frauen in Interviews empfinden, spürten die Männer nicht und das lag in meinen Augen weniger an der Einstellung der Männer, so wie es sich die Autorin erklärt, sondern vielmehr an der soften Interviewführung und den harmlosen Fragen.


Interessante Überlegungen, jedoch durcheinander
Nun ist es nicht so, dass man aus der Lektüre dieses Buches so gar nichts mitnehmen könnte. Sowohl von der Autorin, als auch von einigen Interviewten kommen interessante Einschätzungen zum weiblichen Rollenbild, der Familienplanung und der Stellung der Frau im Berufsalltag. Einige Sätze von Fränzi Kühne decken die Missstände dabei sehr pointiert und deutlich auf, so z.B. wenn sie zusammenfasst, warum sich Frauen immer wieder für das Erreichen von Leistungen oder ihre Eignung für ein Amt/berufliche Position rechtfertigen müssen:

"Von Männern lässt man sich die Welt erklären, Frauen dagegen müssen beweisen, dass sie die Welt verstanden haben."
(Was Männer nie gefragt werden von Fränzi Kühne, Fischer Verlag, 2021, S. 186.)

Solche treffenden Aussagen sind Lichtblicke in diesem Buch, leider muss man sie mitunter etwas suchen. Denn auch wenn die Gedankengänge der Autorin nicht uninteressant sind, verliert sich doch gerade ab der Hälfte des Buches hin und wieder ihren Fokus und fängt an sich unnötig lange an Nichtigkeiten aufzuhalten. Es mag dem grundlegenden Aufbau dieses Buches geschuldet sein, dennoch etwas mehr roter Faden, wäre schön gewesen, dann hätten die Kernaussagen mehr Wucht gehabt.

Fazit:


Die Idee hinter diesem Buch finde ich immer noch genial und sehe es weiterhin als eine Auseinandersetzung die durchgeführt werden muss. In der Umsetzung schwächelt dies jedoch, was vor allem an der mangelnden journalistischen Erfahrung der Autorin und dem Aufbau des Buches lag. Das Buch bietet durchaus einige interessante Einblicke in die Denkweise mancher Männer und auch einige treffende Erkenntnisse zum Rollenbild der Frau, gerade in der Berufswelt, die zwar nicht zwangsweise neu, aber dafür pointiert und aussagekräftig sind, weswegen ich trotz Kritik dazu rate dieses Buch mal zu lesen und sich damit auseinander zu setzten.

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