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Veröffentlicht am 03.09.2022

Ein rasanter, mitreißender und actionreicher Thriller

Die Knochennadel
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Optisch wurden alle drei Teile der Peter-Hogart-Serie 2020 angeglichen, sodass auch dieses Cover zu „Die schwarze Dame“ und „Die Engelsmühle“ passt. Allerdings empfinde ich nicht, dass das Cover stimmig ...

Optisch wurden alle drei Teile der Peter-Hogart-Serie 2020 angeglichen, sodass auch dieses Cover zu „Die schwarze Dame“ und „Die Engelsmühle“ passt. Allerdings empfinde ich nicht, dass das Cover stimmig zum Inhalt ist. Aber gut, unterm Strich soll mich die Geschichte überzeugen und nicht der äußere Einband.

Und tatsächlich, „Die Knochennadel“ hat mich vollkommen begeistert. Sie ist ganz anders als ihre Vorgänger, um einiges dichter erzählt und sehr mitreißend. Während „Die Engelsmühle“ besonders durch ihre düster-bedrohliche Atmosphäre bestach, wurde hier ein wahres Feuerwerk an Actionszenen gezündet. Dabei wirkten diese niemals übertrieben, sondern waren sehr realistisch konzipiert. Ebenso die Charaktere, die unglaublich lebendig und vielfältig daherkamen.
Der Fokus lag hauptsächlich auf Hogart, ab und zu gewährte mir der personale Erzähler auch einen kurzen Blick auf andere Figuren.
Sehr interessant fand ich auch den Vergangenheitsstrang, der ausschließlich Aimée und David beleuchtete. Wie auch der Gegenwartsstrang wurde er in der chronologisch korrekten Reihenfolge erzählt.

Das französische Setting hatte mir ausgesprochen gut gefallen. Auch der Handlungsaufbau ließ keine Wünsche offen. Temporeich ging es ordentlich zur Sache, so einiges war nichts für schwache Nerven. Die kurzen Kapitel und die unterschiedlichen Ereignisstränge sorgten für packende Unterhaltung. Obwohl ich mir viele Zusammenhänge erfolgreich zusammenreimen konnte, schaffte es Andreas Gruber öfter, mich aufs Glatteis zu führen und damit zu verunsichern.

„Die Knochennadel“ lässt sich problemlos ohne Kenntnisse der anderen zwei Teile lesen. Allerdings empfiehlt es sich, die anderen Bände ebenfalls zu kennen, da sonst die Entwicklung der Kernfiguren einfach nicht vernünftig präsentiert werden kann.
Ich fand es großartig, dass ein kleiner Figurenstamm seit Band 1 mit dabei ist und dieses Mal hat mich ein Charakter, von dem ich es am wenigsten erwartet hätte, in seiner Entwicklung besonders beeindruckt.
Aber auch die Symbiose zwischen Hogart und seiner Nichte war wieder einmal erfrischend und überzeugend.

Das Finale war unglaublich aufwühlend, beim Lesen bekam ich schweißnasse Hände. Bis fast zur letzten Seite wusste Andreas Gruber immer wieder gezielte und völlig überraschende Wendungen einzuflechten, sodass das Spannungslevel extrem hoch blieb. Ich hoffe sehr, dass es irgendwann einen vierten Fall für Peter Hogart gibt.

Fazit:
Ein Thriller, der hochkomplex ist und mit einem wahren Feuerwerk an Action zündet.

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Veröffentlicht am 03.09.2022

Ein atmosphärischer Thriller

Die Engelsmühle
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Um ehrlich zu sein, war ich vom ersten Band „Die Schwarze Dame“ gar nicht angetan und dementsprechend unsicher hielt ich nun „Die Engelsmühle“ in der Hand.
Sie ist der zweite Thriller, den Andreas Gruber ...

Um ehrlich zu sein, war ich vom ersten Band „Die Schwarze Dame“ gar nicht angetan und dementsprechend unsicher hielt ich nun „Die Engelsmühle“ in der Hand.
Sie ist der zweite Thriller, den Andreas Gruber nach seinem Erstlingswerk „Die schwarze Dame“ erstmalig 2008 im Festa Verlag veröffentlicht, geschrieben hat. Mir war schon ein bisschen bang und ich stellte mir die Frage, ob hier schon eine Weiterentwicklung des Autors stattgefunden hat.

„Die Engelsmühle“ zog dann 2018 in den Goldmann Verlag um und bekam 2020 noch mal optisch ein neues Make-up mit neuem Cover und Innenlayout verpasst. Ich habe noch die erste Auflage aus 2018 und obwohl mir die Einbandgestaltung viel besser als die neue Version gefällt, hat sich die Karte verbessert. Die Karte von Wien Ende des 19. Jahrhunderts ist viel zu klein und unsauber gedruckt, um wahnsinnig viel erkennen zu können. Aber eigentlich hat die Karte für mich keine Relevanz gehabt, da ich mir auch so ganz gut die Örtlichkeiten vorstellen konnte.
In „Die Engelsmühle“ war ich super gestartet und hatte zum ersten Mal wirklich das Gefühl, Peter Hogart näher zu kommen. Die Ausarbeitung der Charaktere hatte eine angenehme Vielschichtigkeit und Tiefe, sodass die Figuren lebendig wirkten. Ich mochte es, dass kleine Details aus Band 1 sich auch in „Die Engelsmühle“ wiederfanden, aber sie nicht so entscheidend sind, dass „Die schwarze Dame“ zwingend vorher gelesen sein muss. Beide Bände sind in sich abgeschlossen, sodass „Die Engelsmühle“ bequem und ohne Vorkenntnisse gelesen werden können.

Der Titel ist passend zur Geschichte gewählt, denn dank Peter Hogart gibt es einen Ausflug zur Engelsmühle, die von reichlich gruseligen Wiener Sagen unterfüttert und vom Autor mit einer eindrucksvollen Atmosphäre unterlegt wird. Obwohl ich bei herrlichstem warmem Sommerwetter das Buch las, rieselte mir regelmäßig beim Lesen ein Kälteschauer über den Rücken.
Ein weiterer Vorteil war, dass nur der personale Erzähler mit reinem Fokus auf Hogart die Ereignisse erzählte, sodass ich auch nur das herausfinden konnte, was Hogart ermittelte. Ich war fleißig am Miträtseln, muss aber gestehen, dass ich lange Zeit einfach völlig ratlos blieb. Wie nur könnte das alles sinnvoll zusammenhängen?

Der fesselnde und bildliche Schreibstil nahm mich mit in ein sauber ausgearbeitetes Handlungsgeschehen, welches sich zeitlich chronologisch korrekt aufbaute. Es war schwer zu unterscheiden, wer hier wirklich Pro- und Antagonist ist, was mir unheimlich gut gefiel. Auch der Wandel mancher Figuren war erstaunlich und geschickt durchgeführt. Am auffälligsten war das bei den Ermittlern. Erst entstand der Eindruck, dass Andreas Gruber die Ermittler Garek und Eichinger ein wenig karikiert hatte. Doch im Verlauf entkräftete sich der Eindruck und es war spannend zu erleben, wie sie Hogart das Leben mal leicht und manchmal ziemlich schwer machten.
Generell mochte ich die Dynamik der Figuren untereinander sehr und es machte wirklich Spaß, Hogart beim Ermitteln zu begleiten. Besonders seine Begegnungen mit Frauen hat mich teilweise echt amüsiert. Er hat da wirklich kein glückliches Händchen.

„Die Engelsmühle“ gefiel mir vom Anfang bis zum Schluss ausgezeichnet. Erst ganz kurz vor Hogart habe ich den Zusammenhang entschlüsselt und war fasziniert, wie auch erstaunt. Das Finale war wirklich eindrucksvoll und unglaublich spannend. Ich konnte das Buch einfach nicht mehr zur Seite legen, so sehr war ich im Bann der Geschehnisse. Am allermeisten freute mich, dass „Die Engelsmühle“ so ganz anders war als „Die schwarze Dame“. Die Entwicklung von Andreas Gruber als Autor war unglaublich beeindruckend und ich war sehr erleichtert, endlich wieder einen spannungsvollen Thriller aus seiner Feder gelesen zu haben.

Fazit:
„Die Engelsmühle“ ist ein packender und unterhaltsamer Thriller, der nicht nur mit seiner Rahmenhandlung, sondern auch mit seinem Setting und der damit verbundenen Atmosphäre zu überzeugen weiß.

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Veröffentlicht am 03.09.2022

Eine wunderschöne emotionale Geschichte mit stimmungsvollen Japan-Setting

Tokyo ever after – Prinzessin auf Probe
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Erst einmal muss ich sagen: Wow. Das Cover ist in Wirklichkeit noch viel schöner und ich liebe es total. Sehr überrascht war ich, als ich den Schutzumschlag ablegte und darunter ein richtig edel wirkendes ...

Erst einmal muss ich sagen: Wow. Das Cover ist in Wirklichkeit noch viel schöner und ich liebe es total. Sehr überrascht war ich, als ich den Schutzumschlag ablegte und darunter ein richtig edel wirkendes Buch zum Vorschein kam. Vorne auf dem Buchdeckel prangt ein wunderschöner silberner Schmetterling, der im Sonnenlicht herrlich schillert. Auf dem Buchrücken sind in silberner Schrift der Name der Autorin und der Titel des Buches aufgedruckt. Mir gefällt diese Komposition mit dem Schutzumschlag richtig gut. Aber nicht nur äußerlich, auch innerlich ist das Buch toll. Direkt am Anfang erwartet mich der Stammbaum der Kaiserlichen Familie, was ein schöner Überblick über die Personen gibt, denen ich im Verlauf des Buches mal mehr, mal weniger intensiv begegnen werde.
„Tokyo ever after – Prinzessin auf Probe“ ist der erste Teil von „Die Tokyo-Ever-After-Reihe“ und so viel sei schon jetzt verraten, Band 2 wird auf dieses Buch aufbauen.

Der Einstieg in „Tokyo ever after – Prinzessin auf Probe“ war leicht und angenehm.
Hauptsächlich erzählt mir Izumi, die Protagonistin selbst, was sich ereignet. Durch die Ich-Perspektive konnte ich lediglich verfolgen, wie Izumi etwas wahrnahm, wie ihre Gedanken, Gefühle, Meinungen und Beobachtungen zu den Ereignissen sind. Das stärkte die Bindung zwischen Izumi und mir sehr und ich mochte sie sofort.
Izumi wächst in einer Kleinstadt in den Südstaaten auf und gehört einer Minderheit an. Das lassen sie die Bewohner des 3.000 Seelenortes Mount Shasta auch gern mal spüren. Hinzukommt, dass sie nicht mal ihre eignen Wurzeln kennt. Kein Wunder also, dass sie anfänglich reichlich unbedarft, ja beinahe kindlich naiv wirkt, als die frohe Kunde kommt, dass ihr Vater ein japanischer Prinz ist. Und dennoch, Izumi ist charakterstark und weiß, wie sie mir Respekt abringen kann. Während ich schon manches Mal das Handtuch geworfen hätte, hält Izumi eisern durch. Izumi wächst mit ihren Herausforderungen und ihre Entwicklung gefiel mir ausgesprochen gut.

Die einzige Perspektive außerhalb von Izumis Wahrnehmung sind Zeitungsartikel des „Tokyo Tattler“, die jedoch nicht immer in chronologischer Reihenfolge und passend zum zeitlichen Geschehen im Buch zu lesen sind. Der Kniff ist geschickt gesetzt, denn so schwante mir beim Lesen oft, dass bald etwas Ungutes geschehen könnte, was gleich die Spannung in die Höhe sausen ließ.
Generell jedoch mochte ich es sehr, dass sich Emiko Jean die Zeit nimmt, die wichtigsten Charaktere intensiv einzuführen, genauso wie die Settings mit viel Liebe fürs Detail, ohne dabei abschweifend darzustellen. Besonders Izumis Freundinnen und ihre Chats sind oftmals sehr lustig.
Ja, „Tokyo ever after – Prinzessin auf Probe“ ist eine typische Young-Adult Story, die sehr wohl an ähnliche Plots wie „Plötzlich Prinzessin“ oder „Ein Herz und eine Krone“ erinnert. Aber das, was Emiko Jean erschaffen hat, ist einfach zauberhaft und dennoch erfrischend anders.
Izumis Reise nach Japan, zu ihrer Familie väterlicherseits, ist vor allem eine Reise zu sich selbst und zu ihren Wurzeln. Dass dies nicht einfach sein kann, ist Izumi anfänglich gar nicht bewusst. Und genau das habe ich so an dem Buch geliebt. Der Wunsch dazuzugehören ist omnipräsent und der Preis erschreckend hoch. Das regt zum Nachdenken und mitfühlen an. Manche Szenen sind dabei so real, dass sie mitten aus dem Leben gegriffen wirken.
Der Schreibstil ist unglaublich fluffig, absolut einnehmend und ich habe es geliebt, dass japanische Begrifflichkeiten sofort im Kontext erklärt wurden.

Am allerschönsten waren für mich die detaillierten Beschreibungen Japans. Emiko Jean gelingt es völlig natürlich japanische Gepflogenheit, die Raffinessen der japanischen Sprache, geschichtliches, Moral- und kulturelle Vorstellungen sowie das royale Kaiserliche Leben so in den Handlungsablauf einzubetten, dass ich nicht nur bestens unterhalten wurde, sondern neben bei auch etwas lernte.
Es war, als wäre ich selber vor Ort, dürfte durch den Palast streifen, müsste ebenso wie Izumi hart lernen, was es bedeutet, die Kaiserliche Familie zu präsentieren. Und mittendrin in diesem bunten Reigen aus jugendlichem Drama, Intrigen und Hoffnung, erblüht eine ganz zarte Liebe. Hach, war das schön. Ein Klischee, ja. Aber egal. Die Umsetzung ging mir so ans Herz und ich habe die vielen kleinen Details der sich gerade Verliebten total genossen und so muss es in einem Young-Adult Buch auch bitteschön sein.

Das Finale des Buches kommt mit einer großen Portion Dramatik daher, welches mich auf eine Achterbahn der Gefühle mitnahm. Was habe ich mitgelitten, gehofft und gebangt. Die Wendungen sind rasant, unvorhersehbar und ich bin nur noch so durch die Seiten geflogen, weil ich unbedingt wissen musste, wie alles endet. Das Ende ist rund und ich bin froh, dass Emiko Jean keinen gemeinen Cliffhanger gesetzt hat. So werde ich zwar dennoch auf die baldige Übersetzung des zweiten Bandes ungeduldig warten, aber immerhin einigermaßen entspannt.

Fazit:
„Tokyo ever after“ nimmt mit auf eine emotionale Achterbahn durch zwei Kulturen, die unterschiedlicher kaum sein könnten. Die Liebe ist hier die Kirsche auf der Sahnetorte, der Rest einfach wunderschön geschrieben und unterhaltsam bis zum Schluss.

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Veröffentlicht am 21.08.2022

Oh, bitte, nicht weglegen - richtig guter Krimi mit historischem Kontext

Das Mädchen und der Totengräber (Die Totengräber-Serie 2)
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„Das Mädchen und der Totengräber“ passt optisch super zum ersten Buch. Die Engelsfigur mit einem Ausschnitt des historischen Wiens vermittelt schon einen Eindruck, wo die Geschichte spielt. Im Buchdeckel ...

„Das Mädchen und der Totengräber“ passt optisch super zum ersten Buch. Die Engelsfigur mit einem Ausschnitt des historischen Wiens vermittelt schon einen Eindruck, wo die Geschichte spielt. Im Buchdeckel ist ein Kartenausschnitt von Wien um 1894, sodass jeder, der möchte, die Ereignisse auch grafisch nachvollziehen kann. Zudem gibt es zu Beginn ein Personenregister, sodass sich gut nachvollziehen lässt, welcher Charakter mitspielt und zu welchem illustren Kreis er gehört.
Am Ende gibt es noch ein kleines Glossar, dass die wichtigsten wienerischen Ausdrücke verständlich übersetzt.
Obgleich es sich hierbei um eine Serie handelt, können beide Bücher unabhängig voneinander gelesen werden. Manchmal gibt es kleine Andeutungen, was in „Das Buch des Totengräbers“ geschah, um den Kontext besser zu verstehen. Sie sind aber so formuliert worden, dass der Lesende nicht gespoilert wird und es immer noch möglich ist, Band 1 nachzuholen. Tendenziell würde ich aber empfehlen, zuerst das Auftaktbuch zu lesen, weil ein fester Figurenstamm auch „Das Mädchen und der Totengräber“ bereichert und sich die Charaktere weiterentwickelt haben. Dazu aber später mehr.

Der Einstieg in das Buch war dank des Prologs ziemlich aufregend. Mitten in der Wüste Ägyptens begleitete ich einen Ägyptologen, der durch Zufall ein Grabmal fand. So war ich gleich mitten im Geschehen und sehr gespannt, wie diese Vorkommnisse zu den Ereignissen zwei Jahre später passen würden.
Ich habe mich sehr gefreut, die lieb gewonnenen Charaktere aus dem ersten Band wieder zu treffen. Julia Wolf, gewohnt scharfsinnig und mit großer Menschlichkeit ausgestattet, ist nun Polizeifotografin. Wie schwer der Job in einer Männerdomäne ist, wird eindringlich vermittelt. Ebenso die Vorurteile, denen Julia ausgesetzt ist.
Generell ist Wien um 1894 durch ziemlich viel Voreingenommenheit geprägt. Das spürt auch regelmäßig Inspektor Leopold von Herzfeldt, der als jüdischer Piefke (negative Bezeichnung für einen Deutschen) dem Spott und Hohn seiner Kollegen und Vorgesetzten ausgesetzt ist. Vor allem, weil er die neuen Errungenschaften der modernen Kriminalistik an den Mann bringen soll.
Aber auch Homosexualität ist damals nicht gern gesehen und Fremdenfeindlichkeit an der Tagesordnung. Oliver Pötzsch gelingt es, durch seine intensiven Recherchen rund um diese sensiblen Themen eine authentische Atmosphäre des damaligen Wiens zu erzeugen, die Ignoranz sowie das Überlegenheitsgefühl einzufangen und durch das Einfließen geschichtlicher Hintergrundinfos einen Blick auf Vergangenes mit einer versteckten Mahnung zu ermöglichen. Außerdem mochte ich es sehr, dass Oliver Pötzsch zu den teilweise sehr bornierten Vorstellungen einiger Figuren auch Charaktere entwarf, die für ihre Zeit sehr weltoffen sind und den Blick auf das Wesentliche lenken, nämlich, dass jeder Mensch ein Mensch ist. Unabhängig vom Geschlecht, seiner Äußerlichkeiten oder seiner Herkunft. Das wiederum brachte auch scharfe Kontraste mit in die Erzählung.

Mein Lieblingscharakter ist und bleibt der kauzige Totengräber Augustin Rothmayer. Obwohl er wirklich manchmal sehr harsch in seiner Äußerung und sein Benehmen wirken kann, das Herz hat er definitiv am rechten Fleck. Sein neustes Buch, „Totenkulte der Völker“, dessen Auszüge ich ebenfalls lesen durfte, waren manchmal wieder nichts für schwache Nerven. Ich fand es aber sehr interessant, wie andere Kulturen mit den Verstorbenen oder dem Tod allgemein umgehen.
Ein wenig schade fand ich jedoch, dass er gar nicht so viel Raum innerhalb der Geschichte bekam. Daher finde ich persönlich den Titel etwas irreführend. Im Grunde müsste es eher heißen: „Die Mumie und der Piefke“ oder so.

Ich habe das Buch parallel gelesen und gehört. Beim Hörbuch sollte beachtet werden, dass es sich hierbei um eine gekürzte Fassung handelt. Das fand ich etwas schade, denn die Sachen, die ausgelassen wurden, sind ebenfalls interessant. Spannenderweise scheint das Hörbuch aktueller zu sein, denn ein inhaltlicher Fehler zum Totenglauben der Ägypter war im Hörbuch bereits korrigiert. Manchmal wurden auch Wörter durch Sinngleiche ersetzt. Das habe ich nicht ganz nachvollziehen können, tat der Geschichte aber an sich keinen Abbruch.
Generell kann ich das Hörbuch aber wärmstens empfehlen, denn Hans Jürgen Stockerl versteht es meisterhaft, der Geschichte Lebendigkeit zu verleihen. Er schaffte es, humorvolle Augenblicke genauso wirkungsvoll in Szene zu setzen wie schaurige Details und vor spannungstrotzende Ereignisse. Zudem gelang es mir hervorragend, die vielen Charaktere auseinanderzuhalten, da Hans Jürgen Stockerl seine Sprechweise auf die jeweilige Figur anpasste. Am herrlichsten fand ich den Wiener Dialekt, ich hatte immer das Gefühl, mitten in Wien um 1894 zu sein und den verschiedensten Charakteren über die Schulter zu blicken.

Generell lebt die Geschichte von vielen Perspektivwechseln, die alle durch den personalen Erzähler begleitet werden. Auch hier gab es für mich keine Probleme mitzuhalten, alles ist so schlüssig aufgebaut, dass ich spielend leicht folgen konnte.
Die Konstruktion der zwei Kriminalfälle ist gut ausgetüftelt. Der Mumien-Fall ist höchstinteressant, bis kurz vorm Ende habe ich das ganze Ausmaß nicht durchschaut. Ebenso erging es mir bei den Stricher-Morden, die besonders brutal gewesen sind. Hier braucht der Lesende definitiv einen starken Magen, denn manchmal waren die Beschreibungen schon detaillierter.

Ich mochte es sehr mitzuraten und habe „Das Mädchen und der Totengräber“ super gern gelesen und gehört. Es hat mir unglaublich viel Spaß gemacht, Leo über die Schulter zu schauen oder den knurrigen Rothmayer zu begleiten. Am meisten faszinierte mich jedoch die Komplexität, mit der die Geschichte aufgebaut wurde und dadurch viel Tiefgang erhielt.
Was dich erwartet: Zwei spannende Kriminalfälle in Wien um 1894, die der junge Inspektor Leopold von Herzfeldt mit den neuesten Methoden der Kriminalistik aufzuklären gedenkt. Dabei erhält er ungewollte Unterstützung vom eigensinnigen und kauzigen Totengräber Augustin Rothmayer.

Fazit:
Ein historischer Kriminalroman, den ich mit leuchtenden Augen jedem wärmstens ans Herz legen kann. Hier stimmt wirklich alles. Spannende Unterhaltung, verzwickte Mordfälle, kauzige Charaktere und jede Menge packende Wendungen, die fest zu einem fesselnden Ermittlungsabenteuer zusammengeschnürt wurden.

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Veröffentlicht am 21.08.2022

Solider Debüt-Thriller von Andreas Gruber

Die schwarze Dame
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„Die schwarze Dame“ erschien schon 2007 beim Festa Verlag und ist das Thriller Debüt von Andreas Gruber. 2018 zog das Buch in den Goldmann Verlag um und wurde dezent von Herrn Gruber überarbeitet. 2020 ...

„Die schwarze Dame“ erschien schon 2007 beim Festa Verlag und ist das Thriller Debüt von Andreas Gruber. 2018 zog das Buch in den Goldmann Verlag um und wurde dezent von Herrn Gruber überarbeitet. 2020 erhielt „Die Schwarze Dame“ ein neues Buchkleid, damit sie optisch besser zu den zwei weiteren Bänden der Reihe passt.
Ich habe noch die erste Auflage von 2018 und muss sagen, dass mir das Cover wesentlich besser als das heutige gefällt. Die Idee mit der Karte von Prag Ende des 19. Jahrhunderts im Buchdeckel gefiel mir, wenn gleich sie eigentlich nutzlos ist (Anmerkung: In den Auflagen ab 2020 ist eine andere, größere Karte im Buch enthalten). Denn die Schrift ist so klein, dass ich die Ereignisse im Buch gar nicht auf der Karte nachvollziehen konnte. Aber das war auch gar nicht notwendig, denn was das Setting anging, leistete Andreas Gruber ganze Arbeit. Es fiel sehr leicht, mir alles bildlich vorzustellen und Prag erwachte vor meinem geistigen Auge zum Leben.

Dafür kam ich jedoch gar nicht so gut in die Geschichte hinein. Es fühlte sich alles ziemlich langatmig an und ich konnte mir auch lange nicht vorstellen, wo die Spannung herkommen sollte. Alles wirkte so schrecklich nebulös, angefangen bei den Figuren bis hin zu den merkwürdigen Geschehnissen.
Andreas Gruber schickt seinen Versicherungsdetektiv Peter Hogart nach Prag, um seine verschwundene Kollegin ausfindig zu machen, da nur sie weiß, wo die verschollenen Ölgemälde eines bekannten Malers sind.
Doch dieser Fall gerät relativ schnell in die düstere Ecke des Buches, denn stattdessen schlittert Hogart in weitaus gefährlichere Ereignisse. Zwar verfolgt Hogart sein eigentliches Ziel weiter, aber es wirkte eher so, als würden wir ständig irgendwelche Abzweigungen nehmen, die mich immer weiter weg vom eigentlichen Auftrag führen. Hinzukam die sehr langen Kapitel, denen ich manchmal gar nicht so konzentriert bis zum Ende folgen konnte. Mir fehlte da ziemlich oft die packende Spannung.

Manche Fährten, die Andreas Gruber auslegte, wirkten ziemlich offensichtlich, sodass ich sie in meine Spekulationen gar nicht erst mit einschloss. Anderen folgte ich nur zu gern und ließ mich dabei von meinem ersten Verdacht gekonnt ablenken. Dennoch benötigte für meinen Geschmack die Geschichte einfach zu viel Zeit, um sich zu einem spannungsgeladenen Handlungsbogen zu entwickeln. Dabei blieb auch die Ausarbeitung der Charaktere auf der Strecke, sodass ich zu niemanden eine richtige Bindung herstellen konnte. Am fatalsten war aber, dass ich die Figuren überhaupt nicht ihrem Alter entsprechend zuordnen konnte.
Am intensivsten war das bei Ivona Markovic spürbar, die als Privatdetektivin mit Hogart gemeinsam an einem Serienmord ermittelt. Sie sollte ähnlich alt wie Hogart sein, also Anfang Vierzig. Sie kam mir aber viel zu oft wie eine gerade der Pubertät entwachsende junge Frau vor. Ihre Stimmungsschwankungen, die ich oftmals nicht logisch nachvollziehen konnte, begannen mich zu nerven.

Dafür waren die Schauplätze sehr eindrucksvoll und Prag so stimmungsvoll zu den Ereignissen in Szene gesetzt, dass ich hier zumindest voll auf meine Kosten kam. Die Morde sind nicht sonderlich ausführlich ausgeschlachtet, ein gewisser Gruselfaktor aber bleibt.
Dass „Die Schwarze Dame“ ein Erstlingswerk von Andreas Gruber ist, war definitiv spürbar. Umso mehr freut es mich zu wissen, dass sich der Autor so sehr weiterentwickelt hat, dass seine anderen Thriller um einiges besser und feiner ausgearbeitet sind als dieses Werk.
Ein bisschen verstimmt war ich auch über einen Logikfehler, der sich da ganz ungeniert und trotz mehrfacher Überarbeitung des Werkes eingeschlichen hat.

Insgesamt muss ich sagen, dass „Die Schwarze Dame“ ein bisschen wie eine Rohfassung wirkt und die Feinheiten auf der Strecke blieben. Dennoch konnten mich irgendwann die Entwicklungen und die Geschehnisse fesseln und Spannung wurde spürbar.
Das Ende kam für mich wenig überraschend, auch wenn sich Andreas Gruber wirklich viel Mühe gab, einen packenden Plot Twist zu zaubern. Da ich aber schon recht früh eine Idee zur Auflösung hatte, konnte mich das Finale nicht zu hundert Prozent überzeugen.

Fazit:
„Die schwarze Dame“ ist als Erstlingswerk ein solider Thriller, der, nachdem sich endlich ein guter Spannungsbogen entwickelte hatte trotz blasser Figuren zu unterhalten weiß.

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