Ein Thriller, der alles hatte, was ein spannungsgeladenes Buch benötigt
Die RepublikUm ehrlich zu sein, hatte ich erwartet, dass der Start in die Geschichte eher schwerfällig sein würde. Immerhin musste der Autor das Machtgefüge, welches er erschaffen hatte, erst einmal mir näher bringen ...
Um ehrlich zu sein, hatte ich erwartet, dass der Start in die Geschichte eher schwerfällig sein würde. Immerhin musste der Autor das Machtgefüge, welches er erschaffen hatte, erst einmal mir näher bringen und entsprechend aufbauen, damit ich im Gedankenspiel zurechtkommen konnte.
Zum Teil hatte sich meine Annahme bewahrheitet, jedoch muss ich sagen, dass Maxim Voland das Ganze klug gelöst hatte.
Zu Beginn erklärte er in seinem Vorwort, wie er auf die Idee zu diesem Buch kam. Anschließend umriss er das Szenario, welches er entworfen hatte, indem er einen kurzen Abstecher in die Vergangenheit Deutschlands machte. Hiernach ging er kurz und knackig auf die aktuelle Gegenwart ein, in der die DDR ein erfolgreicher Global Player ist. Mit diesen Hintergrundinformationen ließ sich das Eintauchen in die Geschichte tatsächlich einfacher bewerkstelligen, als ich es vermutet hatte. Allerdings hatte ich auch den Vorteil, dass ich viele typisch gebräuchliche DDR Begriffe noch von früher her kannte. Wer sie nicht kennt, muss aber keine Sorge haben, den Inhalt nicht zu verstehen. Das Glossar am Ende des Buches ist sehr umfangreich und erklärt jene Begriffe auch für Unkundige kurz und sehr gut. Manches ergibt auch beim weiteren Lesen Sinn, sodass ein häufiges Blättern zum Wörterverzeichnis nicht notwendig ist.
Unterteilt wurde das Buch in drei Handlungsstränge, in denen unterschiedliche Protagonisten vorkamen, die ein völlig anderes Verhältnis zur DDR hatten.
Da war zum einen der desillusionierte Stasi-Oberst Gustav Kuhn, der lieber aus der DDR flüchten würde, als noch länger ein Teil davon zu sein. Doch vorher will er seine Rache haben und nutzt die Mittel, die ihm zur Verfügung stehen. Seine Geschichte war für mich von Anfang an sehr interessant und er war mir auch sofort sympathisch. Am meisten begeisterten mich seine Einstellung und sein ungeschönter Blick auf einen sozialistischen Staat, indem eben nicht alle Menschen gleich sind.
Dann durfte ich der britischen Geheimdienstagentin Harper Parker-Moreau über die Schultern sehen, die versuchte herauszufinden, was es mit der Giftgaswolke innerhalb der DDR auf sich hatte. Sie mochte ich von allen Protagonisten am wenigsten. Sie kam mir oft sehr zwielichtig vor und ich konnte Harper einfach nicht richtig einschätzen. Sie führte immer etwas im Schilde, was ich nicht durchschauen vermochte. Harper bekam nicht so viel Raum in der Geschichte, darüber war ich wirklich dankbar. Die britische Geheimdienstagentin zu begleiten war hingegen sehr spannend und hatte wirklich etwas von einem Spionagethriller á la James Bond, ohne dabei abgedroschen oder unglaubwürdig zu sein.
Der letzte Handlungsstrang wurde vom französischen Dolmetscher Christopher Mueller besetzt, der zum ersten Mal in die DDR einreiste. Seinen Blick als Außenstehender auf dieses Regime fand ich sehr gut gemacht. Es beleuchtete, wie die westlichen Staaten versuchten Mithilfe von Gerüchten ein verfremdetes Bild von der DDR zu zeichnen. Spannend war hier auch der Umstand, dass seine Cousine Alicia als DDR-Bürgerin eine sehr kritische Meinung zum Regime hatte. Sie zeigte Christopher auf, wo die DDR gut und worin sie schlecht war. Das mochte ich sehr, weil hier Maxim Voland somit mehrere Ebenen dieser Republik beleuchtet.
Anfänglich empfand ich Christophers Familienbesuch ein wenig langweilig, doch das wandelte sich recht schnell in wirklich atemraubende Szenen. Hier hatte ich wohl das meiste Adrenalin vergossen. Beide Figuren waren liebenswert und sie zu begleiten bereitete mir Freude.
Sehr gut gelöst war in meinen Augen, wie Maxim Voland die Handlungsstränge Stück für Stück ziemlich raffiniert zusammenführte. Durch die unterschiedlichen beleuchteten Sichtweisen innerhalb eines Kapitels schuf er echte Pageturner, die nicht nur die Spannung immer wieder hochpeitschten, sondern auch dafür sorgten, dass ich den Verlauf nie vorhersehen konnte. Die Wendungen kamen oft sehr überraschend und meisten schon dann, wenn ich gerade erst dabei war, eine Vermutung aufzustellen.
Was mich jedoch zunehmen gestört hatte, war, dass es keine eindeutigen Zeitangaben gab. Manchmal hatte ich das Gefühl, dass der eine Handlungsstrang schon weiter fortgeschritten war als ein anderer. Dies verwirrte mich so ein bisschen und ich hätte mir hier tatsächlich mehr Klarheit gewünscht. Im Nachhinein konnte ich nicht mal sagen, ob manche Handlungen parallel stattgefunden haben oder zeitverzögert. Positiv war jedoch, dass ich immer wusste, wem ich gerade folgen durfte, weil zu mindestens immer angegeben wurde, an welchem Ort innerhalb oder außerhalb der DDR ich mich gerade befand und dies gleich Rückschlüsse auf die aktuelle zu begleitende Figur zuließ.
Richtig gut gefiel mir, dass es vor jedem Kapitelende mal einen Volkswitz, ein altes Lied oder einen Auszug aus einer realen, manchmal auch fiktiven Rede gab. Das verlieh dem Ganzen noch mehr Tiefe und griff somit die authentische Vergangenheit mit auf. Meiner Meinung nach bekam die Geschichte dadurch einen glaubwürdigen und erschreckend wirklichkeitsnahen Anstrich.
Meine Sorge, hier einen rein Politthriller lesen zu müssen, hatte sich zum Glück schnell verflüchtigt. Natürlich war Politik schon ein Kernthema, aber es wurde nicht so aufgebaut, dass ich gähnende Langeweile empfunden hätte oder gedanklich ausgestiegen wäre. Stattdessen wurden die richtigen Elemente verwendet, um das Buch zu einem spannungsgeladenen Thriller werden zu lassen.
Der Schreibstil war unfassbar eindrücklich und richtig gut zu lesen. Egal ob Beschreibungen von Umgebungen, Menschen oder Handlungen, alles war so stimmig und flüssig, dass es ein homogenes Gesamtbild ergab. Außerdem war das Handlungsgerüst realistisch aufgebaut worden, sodass ich nie das Gefühl hatte, eine Geschichte aufgetischt zu bekommen, die ins Reich der Märchen gehörte.
Auch emotional verstand es Maxim Voland mich abzuholen. Am intensivsten gelang ihm das bei der Familie Müller. Hier war ich näher an den Figuren dran und konnte mehr mit ihnen Mitfühlen.
Bei Harper war ich stets der neutrale Beobachter und auch die dramatischen Szenen berührten mich kaum. Gustavs Erlebnisse waren für mich durchwachsen, auch er hielt mich emotional auf einen gewissen Abstand, war aber nicht unnahbar.
Insgesamt hatte mich dieser Thriller total begeistert. Die Auflösung war unerwartet, packend und eine echte Überraschung für mich. Auch das gewählte Setting war glaubhaft konzipiert worden, ohne Klischees zu bedienen oder zu werten. Als Leser konnte ich mir über viele Teilbereiche meine eigene Meinung bilden und ich war förmlich durch die Seiten geflogen.
Fazit:
Ein Thriller, der alles hatte, was ein spannungsgeladenes Buch benötigt. Authentische Figuren und Handlungen sowie überzeugende Schauplätze, auf der sich dramatisch undurchsichtige, nervenaufreibende Szenen abspielten.