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Monsieur

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Veröffentlicht am 25.02.2025

Hier wird unnötig Potenzial verschenkt

bruder, wenn wir nicht family sind, wer dann
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Oliver Lovrenskis Roman "bruder, wenn wir nicht family sind, wer dann" verspricht eine schonungslose Geschichte über vier Jugendliche am Rande der Gesellschaft. Ivor, Marco, Jonas und Arjan kämpfen mit ...

Oliver Lovrenskis Roman "bruder, wenn wir nicht family sind, wer dann" verspricht eine schonungslose Geschichte über vier Jugendliche am Rande der Gesellschaft. Ivor, Marco, Jonas und Arjan kämpfen mit ihrer prekären Lebensrealität und suchen verzweifelt nach einem Platz in der Welt, wohlwissend, dass dieser für sie vielleicht gar nicht existiert. Doch statt einer tiefgehenden Milieustudie, die das harte Leben dieser Jugendlichen authentisch beleuchtet, entscheidet sich Lovrenski für eine experimentelle Erzählweise, die keineswegs notwendig erscheint, und am Ende wenig begeistert.
Die vier Jugendlichen treiben sich auf den Straßen herum, konsumieren Drogen und geraten von einer prekären Situation in die nächste. Versuche von Sozialarbeitern, sie wieder auf den rechten Weg zu bringen, scheitern kläglich. Immer weiter geraten sie in einen Strudel der Perspektivlosigkeit, aus dem es kaum noch ein Entkommen zu geben scheint. Ein solches Szenario könnte eine intensive, erschütternde Lektüre ermöglichen, doch leider scheitert Lovrenski an der Umsetzung. Der experimentelle Stil des Romans ist gewöhnungsbedürftig, um nicht zu sagen abschreckend. Der Text erinnert an tagebuchartige Gedankenfetzen, wirr und unvollkommen, flüchtig niedergeschrieben, ohne erkennbare Struktur. Satzzeichen sind rar gesät, und die flapsige Jugendsprache, durchzogen von grammatikalischen Fehlern, stört den Lesegenuss erheblich. Zwar mag dieser Stil die Perspektive des Protagonisten widerspiegeln, doch führt er letztlich dazu, dass der Leser sich gelangweilt und unterfordert durch die fragmentarischen Gedanken kämpft, ohne dabei einen echten Zugang zur Geschichte zu finden.
Die Erzählweise bleibt oberflächlich. Man erhält nur bruchstückhafte Einblicke in das Leben der Jugendlichen, ihre Freundschaft, ihre Vergangenheit und die Umstände, die sie geprägt haben. Anstatt eine fesselnde Milieustudie zu liefern, bleibt der Roman eine lose Aneinanderreihung von Episoden, die nie wirklich in die Tiefe gehen. Die Themen – soziale Missstände, Perspektivlosigkeit, Gewalt – werden nur angerissen, ohne dass sie in ihrer vollen Tragweite ausgearbeitet werden. So bleibt der Roman letztlich eine skizzenhafte Momentaufnahme, die im Endeffekt zwar durchaus ein gesamtheitliches Bild ergibt, aber keinen nachhaltigen Eindruck hinterlässt.
Um diesem Werk etwas abgewinnen zu können, muss man eine große Affinität für literarische Experimente mitbringen. Wer jedoch ein gehaltvolles Leseerlebnis erwartet, dürfte enttäuscht werden. Angesichts des hohen Preises von 22 Euro und der Veröffentlichung im renommierten Hanser Verlag erwartet man mehr als eine pseudoexperimentelle Romanskizze. Letztlich bleibt das Gefühl, dass hier eine Geschichte mit großem Potenzial verschenkt wurde.

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Veröffentlicht am 24.02.2025

Vergangenheit und Gegenwart, Ost-Berlin und Budapest

Rückkehr nach Budapest
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Mit "Rückkehr nach Budapest" nähert sich die Autorin Nikoletta Kiss einem altbekannten Thema auf eine neue Weise. In der deutschsprachigen Literatur wurden die DDR und das Leben in Ost-Berlin bereits vielfach ...

Mit "Rückkehr nach Budapest" nähert sich die Autorin Nikoletta Kiss einem altbekannten Thema auf eine neue Weise. In der deutschsprachigen Literatur wurden die DDR und das Leben in Ost-Berlin bereits vielfach behandelt, sei es durch Historienromane oder Zeitzeugenberichte. Namhafte Autoren haben sich diesem Kapitel deutscher Geschichte gewidmet, wodurch die Erwartungen an Kiss hoch sind. Doch bereits der Titel und die Vita der Autorin deuten darauf hin, dass sie einen ungewöhnlichen Zugang wählt. Sie verwebt das sozialistische Budapest in das Narrativ, eine selten betrachtete Perspektive, die frische Impulse in das Thema bringt.
Der Roman erzählt die Geschichte der Protagonistin Márta, die zwischen zwei Welten steht. Ihre Teilmigration von Budapest nach Ost-Berlin ermöglicht ihr einen Blick auf das System, der sich von dem einer in der DDR aufgewachsenen Person unterscheidet. Márta flieht vor ihrem trinkenden Vater und findet Zuflucht bei ihrer Freundin in Ost-Berlin. Durch ihre sprachlichen und kulturellen Vorkenntnisse kann sie schnell in das kulturelle Leben der Stadt eintauchen. Dort begegnet sie Konstantin, einem Dichter, der sich zunehmend als regimekritischer Schriftsteller profiliert. Sein großes Romanprojekt entlarvt die Zustände in einem Internat, das von staatlicher Repression geprägt ist, und bringt ihn in Gefahr.
Als Konstantins brisantes Manuskript in Umlauf gerät, nimmt die Handlung eine dramatische Wendung. Márta wird in eine Auseinandersetzung verwickelt, die sie zwischen Loyalität zu ihren Freunden und der Angst vor dem repressiven System hin- und herreißt. Ihr Blick auf die politische Lage bleibt differenziert. Im Gegensatz zu Konstantin, der eine kompromisslose Haltung gegenüber dem Regime einnimmt, erkennt sie zwar dessen Mängel, verfolgt aber zunächst keine explizit politische Agenda. Vielmehr zieht es sie nach Berlin, um ihren Freundinnen Theresa und Katja nahe zu sein. Erst durch ihre Beziehung zu Konstantin entwickelt sie ein Bewusstsein für die politischen Verhältnisse, kann sich seiner Anziehungskraft jedoch nicht entziehen.
Márta ist eine ambivalente Protagonistin. Ihre Passivität und ihre Neigung, schwierigen Situationen aus dem Weg zu gehen, stehen im Kontrast zu Konstantins Entschlossenheit. Dieser Gegensatz erzeugt Spannung, insbesondere als ihre Freundschaft zu Theresa und Katja auf die Probe gestellt wird. Eifersucht durchzieht ihre Beziehungen, da Konstantin eine charismatische Macht auf alle ausübt. Kiss gelingt es, ein komplexes Beziehungsgeflecht zu zeichnen, das zwischen Faszination, Abhängigkeit und Rivalität schwankt.
Strukturell setzt der Roman auf eine raffinierte Erzählweise mit mehreren Zeitebenen. Die Haupthandlung in Ost-Berlin wird durch Mártas Gegenwartsperspektive in Budapest ergänzt. Nach vielen Jahren kehrt sie zur Beerdigung von Theresa zurück. Schnell wird deutlich, dass ungelöste Konflikte aus der Vergangenheit in ihr nachwirken. Die Rückblenden erlauben es dem Leser, nach und nach in die Geschehnisse von damals einzutauchen. Dadurch entsteht nicht nur ein Wechsel zwischen Budapest und Ost-Berlin, sondern auch zwischen Vergangenheit und Gegenwart. Diese narrative Verzahnung macht deutlich, dass Mártas Leben nicht strikt in "damals" und "heute" unterteilt werden kann – ebenso wenig wie die Grenzen zwischen den beiden Städten klar gezogen werden können.
Die Stärke des Romans liegt in seiner differenzierten Figurenzeichnung. Besonders Konstantin bleibt im Gedächtnis, da seine Überzeugungen klar fassbar sind, obwohl er selbst mit Zweifeln zu kämpfen hat. Er zögert lange, sein Romanprojekt zu veröffentlichen, was seine Zerrissenheit verdeutlicht. Die anderen Charaktere sind weniger eindeutig gezeichnet, aber gerade dadurch spannend. Ihre Beweggründe bleiben lange unklar, was zu einem Geflecht aus Lügen und Intrigen führt, das Kiss geschickt entfaltet.
Auch das Motiv des Widerstands gegen das Regime wird überzeugend umgesetzt. Während viele Romane dieses Themas mit pathetischen Heldenerzählungen arbeiten, bleibt Kiss realistisch. Die Figuren werden mit der Härte des Freiheitskampfes konfrontiert, aber die Geschichte vermeidet überzogene Dramatisierungen. Stattdessen setzt sie auf feine Zwischentöne und den psychologischen Druck, der auf den Figuren lastet.
Insgesamt überzeugt "Rückkehr nach Budapest" durch seine Stärken: Es ist kein bahnbrechender Roman, aber er bietet eine selten gelesene Perspektive auf die DDR. Die literarische Qualität ist nicht überragend, doch das Zusammenspiel aus politischen Themen, persönlichen Beziehungen und einer komplexen Erzählstruktur hebt das Werk von anderen historischen Romanen ab. Besonders die Randgeschichte über die fragile Frauenfreundschaft zwischen Márta, Theresa und Katja verleiht dem Buch eine zusätzliche Tiefe. Nikoletta Kiss ist es gelungen, einen historischen Roman mit unkonventionellen Elementen zu schreiben, der sich durch eine interessante Erzählweise und nuancierte Figurenkonstellationen auszeichnet.

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Veröffentlicht am 18.02.2025

Spaltung der Gesellschaft

Der große Riss
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In Cristina Henríquez‘ Roman „Der große Riss“ wird der Bau eines Kanals, der den Atlantik mit dem Pazifik verbinden soll, zum zentralen Element der Handlung. Dabei verknüpft das Bauprojekt nicht nur zwei ...

In Cristina Henríquez‘ Roman „Der große Riss“ wird der Bau eines Kanals, der den Atlantik mit dem Pazifik verbinden soll, zum zentralen Element der Handlung. Dabei verknüpft das Bauprojekt nicht nur zwei Ozeane, sondern auch das Schicksal mehrerer Protagonisten. Diese stammen aus unterschiedlichen Milieus und Kulturen, sind jedoch direkt oder indirekt von den Geschehnissen rund um den Kanalbau in Panama betroffen. Der Roman entfaltet sich aus verschiedenen Perspektiven und gibt einen vielschichtigen Einblick in das Leben dieser Zeit.
Eine der eindrucksvollsten Figuren ist das junge Mädchen Ada, das neu nach Panama kommt, angelockt durch das Versprechen zahlreicher Arbeitsmöglichkeiten. Ihre Reise ist nicht nur geographisch, sondern auch sozial und emotional eine Herausforderung. Sie hat ihre Heimat verlassen, um Geld für eine notwendige Operation ihrer Schwester zu verdienen, und findet sich plötzlich in einer Welt wieder, in der unterschiedliche Gesellschaftsschichten aufeinanderprallen. Durch Adas Augen erkundet der Leser das Panama um 1900, eine Welt, die vielen heutigen Lesern wohl fremd erscheinen dürfte.
Neben Ada gibt es zahlreiche weitere Protagonisten, deren Leben durch den Bau des Kanals auf die eine oder andere Weise beeinflusst wird. So begegnet Ada dem wohlhabenden Ehepaar Marian und John, das zur Oberschicht Panamas gehört. Marian ist schwer krank, und obwohl sie aus privilegierten Verhältnissen stammt, kann ihre gesellschaftliche Stellung ihr in dieser Situation wenig helfen.
Ein weiterer zentraler Charakter ist der junge Fischer Omar, der sich von der Arbeit am Kanal ein unabhängiges Leben erhofft. Doch diese Entscheidung führt zu einem unausgesprochenen Konflikt mit seinem Vater, der ihn in der traditionellen Lebensweise der Fischer halten will. Die Distanz zwischen Vater und Sohn wird zu einer schmerzhaften Erfahrung für beide. Henríquez zeichnet mit großer Sensibilität das komplexe Wechselspiel zwischen individuellen Träumen und gesellschaftlichen Zwängen.
Obwohl die einzelnen Charaktere für sich stehen, werden sie von Henríquez auch als Archetypen genutzt, um die damalige Gesellschaft zu analysieren. Durch ihre Geschichten werden tiefgehende Fragen zu Kultur, Politik und Gerechtigkeit aufgeworfen, die sich erstaunlich aktuell anfühlen. Insbesondere die weiblichen Figuren stehen im Mittelpunkt der Betrachtung. Sie sind es, die oft nur indirekt von den historischen Entwicklungen betroffen sind, aber dennoch eng mit ihnen verknüpft bleiben.
Eine bemerkenswerte erzählerische Entscheidung Henríquez' ist es, aufzuzeigen, wie bestimmte Gruppen in der Geschichtsschreibung marginalisiert werden. Die einfachen Arbeiter, ohne deren Mühe der Bau des Kanals nicht möglich gewesen wäre, drohen in der offiziellen Historie zu verschwinden. Die Ehre gebührt allein den Entscheidungsträgern und Einflussnehmern, während diejenigen, die den eigentlichen physischen Kraftakt vollbringen, kaum Erwähnung finden. Auch die Menschen, die für den Bau des Kanals gezwungen werden, ihre Häuser zu verlassen, werden in der offiziellen Geschichte lediglich als Randerscheinung betrachtet. Dies wirft die zentrale Frage auf: Wem nutzt der Kanal letztlich? Ist es in erster Linie ein Projekt der Amerikaner, um ihre weltpolitische Stellung zu festigen, während die panamaische Bevölkerung auf der Strecke bleibt?
Der Roman liefert viele solcher Fragen, ohne dabei eindeutige Antworten zu präsentieren. Henríquez verzichtet weitgehend auf direkte Wertungen und lässt vielmehr die Lebensgeschichten ihrer Figuren für sich sprechen. Dies verleiht dem Roman eine große Authentizität und lässt viel Raum für eigene Reflexionen. Dennoch ist klar, dass Henríquez mit "Der große Riss" mehr als nur einen historischen Roman schaffen wollte. Ihr Werk ist eine Allegorie auf gesellschaftliche Ungleichheiten, die bis in die Gegenwart reichen.
Trotz dieser Tiefe verliert der Roman nie seinen Unterhaltungswert. Henríquez gelingt es, zwischen den verschiedenen Erzählebenen, zwischen individuellen Schicksalen, Geschichte und Politik, eine harmonische Balance zu finden. Sie erzählt von menschlichen Tragödien, gesellschaftlichen Spannungen und politischen Fragen, ohne ihre Figuren dabei zu eindimensional erscheinen zu lassen. Jede Figur wird mit viel Tiefe, Emotion und psychologischer Schärfe gezeichnet. Ihr Erzählstil ist bildreich und facettenreich, sodass sie eine selten behandelte historische Episode auf eindrucksvolle Weise zum Leben erweckt. Die Übersetzung von Maximilian Murmann unterstützt dies zusätzlich mit einer flüssigen und eleganten Sprache.
Letztendlich ist "Der große Riss" ein überzeugender und tiefgehender Roman, der den Leser auf eine emotionale und geschichtliche Reise mitnimmt. Die Mischung aus individueller Tragik, gesellschaftlicher Analyse und historischer Präzision macht ihn zu einem Werk, das lange nachhallt. Henríquez ist damit ein beachtenswerter Schmöker gelungen, der sich sowohl für eine unterhaltsame Lektüre als auch für eine tiefere Auseinandersetzung mit den dargestellten Themen eignet.

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Veröffentlicht am 17.02.2025

Medizin, Politik und Obsession

Stadt der Hunde
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Leon de Winter ist bekannt für seine thematische und stilistische Vielseitigkeit, die sich von Roman zu Roman stark unterscheiden kann. Dennoch besitzen seine Werke einen unverkennbaren Stil, der sich ...

Leon de Winter ist bekannt für seine thematische und stilistische Vielseitigkeit, die sich von Roman zu Roman stark unterscheiden kann. Dennoch besitzen seine Werke einen unverkennbaren Stil, der sich in der klaren Sprache, seinen oft ambivalenten Protagonisten und einer wiederkehrenden Auseinandersetzung mit politischen und gesellschaftlichen Themen zeigt. Auch sein neuer Roman "Stadt der Hunde", der am 22. Januar im Diogenes Verlag erschienen ist, fügt sich in dieses Muster ein.
Im Zentrum der Geschichte steht Jaap Hollander, ein niederländischer Jude, der sich nicht ausschließlich mit seinem Herkunftsland, den Niederlanden, verbunden fühlt. Gleichermaßen zieht es ihn immer wieder nach Tel Aviv und insbesondere in die Wüste Negev, wo seine Tochter vor Jahren spurlos verschwand. Als ehemaliger Gehirnchirurg im Ruhestand wagt er eine erneute Reise an diesen Ort, um nach Hinweisen auf ihr Schicksal zu suchen. Doch diese Reise nimmt eine unerwartete Wendung: Ein Scheich bittet ihn, eine lebensrettende Gehirnoperation an seiner Tochter durchzuführen – Jaap ist ihre letzte Hoffnung. Der Chirurg willigt ein, jedoch nicht aus idealistischen oder humanitären Gründen. Vielmehr reizt ihn die immense Bezahlung, die ihm weitere Mittel zur Suche nach seiner Tochter verschaffen könnte.
Mit dieser Ausgangslage entfaltet sich eine Geschichte voller Unwägbarkeiten und überraschender Wendungen. Die Operation selbst stellt ein riskantes Unterfangen dar, dessen Ausgang lange unklar bleibt. Doch auch darüber hinaus bleibt der Roman spannend: Ein Scheitern hätte weitreichende politische Konsequenzen, während selbst ein Erfolg nicht frei von Risiken ist.
Gleichzeitig ist "Stadt der Hunde" nicht nur ein politischer Thriller, sondern auch eine tiefgehende Charakterstudie. Seine Obsession, das Verschwinden seiner Tochter aufzuklären, hat Jaap an den Rand des Wahnsinns getrieben. Seine Skrupellosigkeit und seine Besessenheit verleihen ihm eine zwiespältige Natur. Als renommierter Chirurg war er einst weltweit angesehen, doch privat fiel er durch seine Affären und seinen Charme auf. De Winter zeichnet ihn als vielschichtige Figur, die sowohl fasziniert als auch irritiert.
Bemerkenswert ist, dass der Roman selbst dann noch mit unerwarteten Entwicklungen aufwartet, als die Operation längst abgeschlossen ist und die unmittelbaren Konsequenzen geklärt scheinen. Dies trägt dazu bei, dass der Leser nicht nur in die Handlung hineingezogen wird, sondern auch einen tiefen Einblick in die Psyche des Protagonisten erhält – eine Qualität, die in dieser Intensität selten in der Literatur zu finden ist.
Insgesamt ist „Stadt der Hunde“ zu den stärkeren Romanen des Autors zu zählen, der die Praktiken eines Gehirnchirurgen mit politischen Spannungen in Israel und menschlichen inneren Konflikten auf eine leichtfüßige Art kombiniert.

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Veröffentlicht am 30.01.2025

Klapper und Bär, ein merkwürdiges Gespann

Klapper
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Romane über Außenseiter sind ein beliebtes Genre in der Jugendliteratur. Ihre sympathischen Protagonisten, die mit Menschlichkeit und oft verschrobener Eigenart aufwarten, schaffen es nicht nur, das Herz ...

Romane über Außenseiter sind ein beliebtes Genre in der Jugendliteratur. Ihre sympathischen Protagonisten, die mit Menschlichkeit und oft verschrobener Eigenart aufwarten, schaffen es nicht nur, das Herz der Leser zu erwärmen, sondern ermöglichen – wenn geschickt geschrieben – tiefgehende Einblicke in menschliche Beziehungen und gesellschaftliche Missstände. Kurt Prödels Roman „Klapper“, der am 30. Januar im Park x Ullstein Verlag erschien, reiht sich in diese Tradition ein. Mit dem Protagonisten Klapper, einem jugendlichen Computer-Nerd, bietet die Geschichte eine feinfühlige, wenn auch nicht bahnbrechende Perspektive auf das Außenseiterdasein und Selbstfindung.
Der titelgebende Klapper ist das klassische Beispiel eines sozial isolierten Jugendlichen: Ohne Freunde verbringt er fast seine gesamte Zeit in seinem Zimmer. Er duscht selten, trägt T-Shirts von umstrittenen Bands und vertieft sich stundenlang in Computerspiele – das Leben eines typischen Nerds, wie man es sich vorstellt. Doch Klappers eintöniges Leben verändert sich, als er Bär, die Neue in seiner Klasse, kennenlernt. Auch sie ist eine Außenseiterin, doch mit einem entscheidenden Unterschied: Bär hat es gelernt, sich gegen die Anfeindungen ihrer Umwelt zu behaupten. Diese Gegensätze zwischen den beiden werden früh in der Geschichte deutlich, etwa in einer Szene, in der Bär Klapper in einer brenzligen Mobbing-Situation zur Seite steht. Ihre Freundschaft entwickelt sich langsam und wirkt authentisch, geprägt durch gemeinsame Interessen und das gegenseitige Verstehen der jeweiligen Andersartigkeit.
Trotz dieser Annäherung bleibt Klapper im Kern derjenige, der er immer war. Die Beziehung zu Bär löst in ihm zwar eine Art „Erwachen“ aus, doch statt einer radikalen Verwandlung geht es hier vielmehr um dezente Veränderungen: Klapper bleibt ein verschlossener und verschrobener Typ, lernt aber, sich zumindest einem anderen Menschen zu öffnen. Dadurch verzichtet der Roman auf das oft überstrapazierte Narrativ der „Normalisierung“ von Außenseitern. Vielmehr ist „Klapper“ eine Geschichte über Selbstakzeptanz und das Erlernen, mit der eigenen Unangepasstheit umzugehen, auch wenn das soziale Konflikte mit sich bringt.
Das Thema Mobbing wird in „Klapper“ zwar angeschnitten, spielt jedoch eine untergeordnete Rolle. Die entsprechenden Szenen dienen weniger als kritische Auseinandersetzung mit dem Thema, sondern vielmehr dazu, Bärs Stärke und Klappers Schwächen hervorzuheben. Diese Unterschiede zwischen den beiden Protagonisten verleihen der Geschichte eine zusätzliche Dimension. Gleichzeitig zeigen sich in der Darstellung von Bär jedoch auch Brüche: Ihre robuste und selbstbewusste Fassade täuscht darüber hinweg, dass sie in ihrem privaten Umfeld großen Herausforderungen gegenübersteht.
Bärs familiäre Situation ist angespannt, auch wenn ihr Zuhause nach außen hin als harmonisch erscheint. Klapper erfährt von den Problemen in ihrer Familie nach und nach, etwa bei gemeinsamen Abendessen mit ihren Eltern. Besonders Bärs Rolle als Ersatzmutter für ihre Geschwister verdeutlicht die Belastung, die auf ihr liegt. Ihre Eltern vernachlässigen ihre Pflichten, weshalb Bär öfter der Schule fernbleibt. Im Gegensatz dazu wächst Klapper behüteter auf, obwohl auch bei ihm zu Hause nicht alles glatt läuft: Seine Mutter leidet unter einer ernsthaften psychischen Erkrankung, die Klapper jedoch lange nicht wahrnimmt. Diese Unwissenheit spiegelt seine distanzierte Beziehung zu seiner Mutter wider und verdeutlicht zugleich sein Wesen, Schwierigkeiten lieber zu ignorieren, statt sich mit ihnen auseinanderzusetzen – ein Verhalten, das im Kontrast zu Bärs Tatkraft steht.
Die Konstellation der beiden Protagonisten ist raffiniert, da sie trotz ihrer ähnlichen Außenseiterrolle unterschiedliche Eigenschaften und familiäre Hintergründe aufweisen. Dies verhindert, dass der Roman in stereotype Darstellungen abrutscht, auch wenn einige Klischees, insbesondere bei Klapper, aufgegriffen werden. Der Autor bedient sich gängiger Nerd-Stereotype – von mangelnder Körperhygiene bis hin zu Vorurteilen über Videospieler –, doch durch die Einblicke in Klappers familiären Hintergrund gewinnt sein Charakter an Tiefe. Der Leser bekommt die Möglichkeit, hinter die Oberfläche der Klischees zu blicken und Klapper in seiner ganzen Komplexität zu verstehen.
Prödels Schreibstil ist angenehm zugänglich, und der Roman erfüllt die Erwartungen, die man an eine solche Geschichte stellt. „Klapper“ erzählt von einem ganz gewöhnlichen Jugendlichen, der Schwierigkeiten hat, sich anzupassen, und seinen Platz im Leben sucht. Es ist eine Alltagsgeschichte, die durch die Begegnung mit einer anderen ungewöhnlichen Person Fahrt aufnimmt. In der literarischen Landschaft der Jugendbücher über Außenseiter kann „Klapper“ keine neuen Maßstäbe setzen, doch er reiht sich solide in dieses Genre ein. Mit seinen liebenswert verschrobenen Figuren und einer ausgewogenen Mischung aus heiteren und melancholischen Momenten schafft es der Roman, den Leser zu unterhalten. Die Geschichte ist mal humorvoll, mal nachdenklich und am Ende sogar ein wenig traurig. Vor allem aber ist sie ein ehrliches Porträt zweier Jugendlicher, die auf ihre Weise versuchen, mit den Herausforderungen des Lebens klarzukommen.

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