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Veröffentlicht am 05.09.2023

Coming of Age über Zusammenhalt, Verlust und Identitätssuche

Paradise Garden
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Billie ist 14 Jahre alt und lebt gemeinsam mit ihrer Mutter Marika in einer Hochhaussiedlung. Das Geld ist immer knapp, doch ein kleiner Gewinn im Radio lässt einen Traum der beiden in greifbare Nähe rücken: ...

Billie ist 14 Jahre alt und lebt gemeinsam mit ihrer Mutter Marika in einer Hochhaussiedlung. Das Geld ist immer knapp, doch ein kleiner Gewinn im Radio lässt einen Traum der beiden in greifbare Nähe rücken: Einmal einen Urlaub am Meer machen! Am Tag vor der Abfahrt steht jedoch plötzlich die Großmutter aus Ungarn vor der Tür, die an einer mysteriösen Krankheit leidet und diverse Ärzte aufsuchen muss. Kurz darauf ist ihre Mutter tot, und Billie muss sich fragen, wo ihr Leben weitergehen soll. Im alten Nissan ihrer Mutter fährt sie los, um die Antworten zu suchen, die Marika ihr nie gegeben hat.

Schon im ersten Satz des Buches eröffnet die Ich-Erzählerin Billie den Leser:innen, dass ihre Mutter verstorben ist. Der Ausgangspunkt des Romans ist die Beerdigung, von der aus Billie sich an den Anfang zurückerinnert. Dieser ist aus ihrer Sicht der Radiogewinn, mit dem sie und ihre Mutter Marika ans Meer fahren wollten. In den ersten Kapiteln erfuhr ich mehr über die enge Mutter-Tochter-Beziehung der beiden. Marika hat ihrer Tochter eine empathische Grundhaltung vermittelt, bestärkt sie und lässt ihr viele Freiheiten. Billie bringt ihrer Mutter bedingungslose Liebe entgegen, auch wenn sie weiß, dass ihr Leben nicht perfekt ist und sich von dem ihrer besten Freundin Lea unterscheidet, die in einem Einfamilienhaus wohnt und mit ihren Eltern ständig in den Urlaub fliegt.

Der Tod von Marika kommt trotz der frühen Ankündigung überraschend und reißt eine riesige Lücke in Billies Leben. Ihre Reaktion fand ich authentisch und ich konnte mich gut in sie hineinversetzen. Getrieben von dem Wunsch, endlich die Identität ihres Vaters zu lüften, begibt sie sich mit den wenigen Informationen, die sie hat, auf einen Roadtrip. Ich mochte den Erzählsound sehr und trotz der schwierigen Situation schafft es Billie durch die Art und Weise, mit der sie die Erlebnisse wiedergibt, immer wieder eine gewisse Leichtigkeit in die Handlung zu bringen. Dabei musste ich mir jedoch die Frage stellen, wie zuverlässig Billie als Ich-Erzählerin ist. Ist alles wirklich so passiert ist oder hat Billie bewusst oder unbewusst in der Wiedergabe des Erlebten einige Dinge verändert?

Für mich ist "Paradise Garden" ein bittersüßer Coming of Age Roman. Er legt den Fokus auf die Themen Zusammenhalt, Verlust, Identitätssuche und Familie - die, in die man hineingeboren wird und die, welche man selbst wählt. Ein wirklich starker Debütroman, dem ich noch viele Leser:innen wünsche!

Veröffentlicht am 01.09.2023

Coming of Age in der DDR

Gittersee
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Die 16-jährige Karin lebt in Gittersee, einem Stadtteil von Dresden. Es ist das Jahr 1976, sie verbringt gern Zeit mit ihrem Freund Paul und ist unentschlossen, was sie nach ihrem bald anstehenden Abschluss ...

Die 16-jährige Karin lebt in Gittersee, einem Stadtteil von Dresden. Es ist das Jahr 1976, sie verbringt gern Zeit mit ihrem Freund Paul und ist unentschlossen, was sie nach ihrem bald anstehenden Abschluss tun soll, während ihre beste Freundin Marie ehrgeizige Pläne verfolgt. Ihr Leben gerät aus dem Tritt, als Paul von einem Ausflug nach Tschechien nicht zurückkehrt. Er soll Republikflucht begegangen haben, wovon sie jedoch nichts geahnt hat. Trotzdem muss sie immer wieder Befragungen über sich ergehen lassen. Dabei muss sie bald erkennen, dass ihr Verhalten in diesem Zusammenhang unweigerlich Konsequenzen nach sich zieht.

Der Roman beginnt mit einer sehr kurzen Szene, in der Rühle einen verunglückten Motorradfahrer findet. Danach übernimmt die Ich-Erzählerin Karin das Wort, die sich an ihren letzten Tag mit Paul erinnert. An diesem hat er sie beharrlich zu überreden versucht, mit ihm und seinem besten Freund Rühle übers Wochenende zum Sommersonnwendfest nach Tschechien zu fahren. Aufgrund ihrer familiären Verpflichtungen hat sie sich dagegen entschieden und sich auch nichts weiter dabei gedacht, als sie gesehen hat, mit welcher Menge Geld sich Paul auf den Weg macht.

Als Leserin erhielt ich Einblick in Katrins Leben im Familien- und Freundeskreis. Zu Hause hat sie für ihr Alter viele Verpflichtungen, denn sie kümmert sich gemeinsam mit ihrer Oma um die zweijährige Schwester, während ihre Eltern in Vollzeit arbeiten. Ihre Mutter hat Katrin im Teenageralter bekommen und tut sich schwer damit, für sie eine Mutterrolle auszufüllen. Katrins beste Freundin Marie träumt von einem gänzlich anderen Leben und vertraut ihr ein Geheimnis an. Doch Katrins Gedanken kreisen vor allem um Pauls Verschwinden, über das sie mehr zu erfahren versucht.

Beim Lesen fühlte ich mich schnell in die DDR der 70er hineinversetzt. Es ist ein Coming of Age-Roman, Katrin steht mit ihrem baldigen Abschluss am Scheideweg und muss sich entscheiden, welches Leben sie anstreben will. Das Erzähltempo ist langsam und intensiv, driftet für meinen Geschmack zwischenzeitlich aber zu sehr in Ereignislosigkeit ab. Pauls Verschwinden bleibt das zentrale Thema, das dafür sorgt, dass sich die Situation allmählich zuspitzt. Dabei hat die Autorin das Gefühl der Unsicherheit, wem man was erzählen kann und sollte, gelungen eingefangen. Eindringlich führt sie vor Augen, welche Konsequenzen es haben kann, Auskunft zu geben.

Erst ganz am Ende wird der Bogen zur rätselhaften Eingangsszene geschlagen. Dem voraus geht eine für Katrin ebenso wie für mich Augen öffnende Enthüllung, welche ein neues Licht auf die gesamte vorangegangene Handlung wirft und das Ausmaß an Manipulation deutlich macht, die hier im Spiel war. Für diesen starken Abschluss lohnt es sich, das Buch trotz einiger Längen zu beenden.

Veröffentlicht am 01.09.2023

Eine ergreifende Geschichte, die lange nachhallt

Marschlande
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Britta ist vor drei Monaten mit ihrer Familie aus der Stadt in ein Haus in den Vier- und Marschlanden gezogen, einem ländlichen Gebiet im Südosten von Hamburg. Während ihr Mann Philipp viel arbeitet und ...

Britta ist vor drei Monaten mit ihrer Familie aus der Stadt in ein Haus in den Vier- und Marschlanden gezogen, einem ländlichen Gebiet im Südosten von Hamburg. Während ihr Mann Philipp viel arbeitet und in seiner Freizeit begeistert am Haus werkelt, hat Britta noch immer nicht das Gefühl, angekommen zu sein. Eines Tages stößt sie auf die Geschichte von Albeke Bleken, die im 16. Jahrhundert einen Hof in der Gegend besaß und schließlich als Hexe verbrannt wurde. Während ihre Neugier wächst, mehr über Albekes Schicksal zu erfahren, breiten sich ihre Zweifel aus, ob sie selbst sich für den richtigen Lebensweg entschieden hat.

Der Roman beginnt mit einer Szene, in welcher ein Scheiterhaufen errichtet wird, während die Menschen auf den Feldern versuchen, nicht dorthin zu blicken. Doch als sie sehen, wer dort verbrannt werden soll, breitet sich bei ihnen Entsetzen aus. Was es mit dieser Szene auf sich hat erfährt man schon kurze Zeit später, als Britta auf einem Straßenschild in ihrer neuen Nachbarschaft den Namen Albeke Bleken entdeckt und Google sie über ihr tragisches Schicksal aufklärt. Im folgenden Kapitel lernte ich Albeke selbst als erfolgreiche Hofbesitzerin kennen, ihre von wahren Ereignissen inspirierte Geschichte wird fortan abwechselnd zu der von Britta erzählt.

Britta wird seit ihrem Umzug in das Eigenheim, das in der Nachbarschaft den Spitznamen "Eispalast" bekommen hat, zunehmend von Zweifeln geplagt. Ihr Mann Philipp hat sich ohne Rücksprache mit ihr für das Haus entschieden, obwohl sie lieber etwas gemütliches Älteres gekauft hätte. Auch beruflich hat sie zurückgesteckt: Sie hat ihre Karriere als Wissenschaftlerin zugunsten von Kindern und Haushalt aufgegeben und sich für einen Teilzeitjob entschieden, den sie aus dem HomeOffice erledigen kann. Als sie sich mit Motivation in die Recherchen über Albeke Bleken stürzt, wird auch das von ihrem Mann nur belächelt.

Die Kapitel aus der Sicht von Albeke zu lesen war keine leichte Kost, da ihr Schicksal von Beginn an klar ist. Ihren Weg von der Hofbesitzerin bis zur verurteilten Hexe zu begleiten zeigt auf intensive Art und Weise, welche Widerstände Frauen erleben konnten, wenn sie sich nicht verhalten haben, wie es von ihnen erwartet wird: Wenn sie zu ehrgeizig und erfolgreich, zu wütend oder schlichtweg im Weg der Pläne eines Mannes waren. Auch wenn die Zeiten fast 500 Jahre später andere sind, so ist es doch möglich, zwischen Albekes und Brittas Erfahrungen gewisse Parallelen herzustellen.

"Marschlande" ist ein ergreifender Roman auf zwei Zeitebenen, der sich damit beschäftigt, welche Konsequenzen es haben kann, wenn man als Frau Ziele verfolgt, die nicht zum Plan einer oder mehrerer Männer passen. Er ließ mich über die Erfahrungen nachdenken, die Frauen im Laufe der Zeit gemacht haben und immer noch machen. Es ist eine Geschichte, die lange nachhallt und der ich noch viele Leserinnen und Leser wünsche.

Veröffentlicht am 27.08.2023

Eintauchen in ein pulsierendes New York

Cleopatra und Frankenstein
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Cleo und Frank lernen sich am Silvesterabend in einem Fahrstuhl kennen. Beide sind gerade dabei, die Party vor Mitternacht zu verlassen. Eigentlich sollte Frank nur Eiswürfel holen, doch die beiden reden ...

Cleo und Frank lernen sich am Silvesterabend in einem Fahrstuhl kennen. Beide sind gerade dabei, die Party vor Mitternacht zu verlassen. Eigentlich sollte Frank nur Eiswürfel holen, doch die beiden reden so lange, dass das neue Jahr längst angebrochen ist und er sie nach Hause bringt. Sechs Monate später findet die Hochzeit des ungleichen Paares statt. Sie ist Britin, Mitte 20, eine Künstlerin - er Amerikaner, Mitte 40, Besitzer einer Werbeagentur. Doch es warten einige Herausforderungen: Frank arbeitet ununterbrochen und trinkt zu viel Alkohol, Cleo sucht nach ihrem Platz im Leben und einer erfüllenden Aufgabe. Wird es den beiden gelingen, sich dem gemeinsam zu stellen?

Der Roman beginn mit dem Kennenlernen der beiden Hauptcharaktere am Silvesterabend. Aus diesem ersten Gespräch geht der Titel des Buches hervor, die Namen Cleopatra und Frankenstein geben die beiden sich als Neckerei. Auch wenn sie aus ganz verschiedenen Welten stammen, ist die gegenseitige Faszination von Beginn an spürbar. Ich hatte allerdings nicht damit gerechnet, dass das Buch nach dieser ersten Szene gleich sechs Monate in die Zukunft und zur Hochzeit der beiden springt.

Insgesamt umfasst der Roman einen Zeitraum von etwa zwei Jahren und wirft Schlaglichter auf einzelne Phasen in der Beziehung der beiden. Außerdem wechselt die Perspektive nach jedem Kapitel, sodass ich auch mehr über Cleos besten Freund Quentin, Franks Schwester Zoe, seine Mitarbeiterin Eleanor sowie über Santiago erfuhr, auf dessen Party das erste Kennenlernen stattfand. Sie alle erleben Umbrüche in ihrem Leben und treffen wegweisende Entscheidungen, bei denen ich hautnah dabei war.

Ich hatte zu Beginn mit einem Roman gerechnet, der sich gänzlich auf die tielgebenden Figuren fokussiert und war daher zunächst irritiert, dass diese immer wieder zu Nebencharakteren degradiert werden. Nach den ersten paar Kapiteln fand ich aber zunehmend Gefallen am Stil der Autorin und ließ mich auf die Erlebnisse der ganz unterschiedlichen Personen ein. Tatsächlich fiel es bis zum Schluss schwer, einen richtigen Zugang zu Frank und Cleo zu finden. Die Kapitel rund um Zoe sowie Santiago haben mir noch besser gefallen als das dramatische Auf und Ab in der Ehe der beiden. Dem Lesesog dieses Romans konnte ich in Summe aber nach den ersten Anlaufschwierigkeiten nicht mehr widerstehen. Gern empfehle ich das Buch an alle Leser:innen weiter, die Lust haben, in ein pulsierendes New York und die Geschichten ganz unterschiedlicher Charaktere in dieser Stadt abzutauchen.

Veröffentlicht am 20.08.2023

Was steckt hinter den zwei Todesfällen im Forscherkreis?

Tod im Museum
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Der Hase Skarabäus Lampe ist in Überstadt als Meisterdetektiv weiterhin eine Bereicherung für die vor allem aus Hunden bestehende Polizei. Als ihn die Nachricht vom plötzlichen Tod seines Vaters erreicht, ...

Der Hase Skarabäus Lampe ist in Überstadt als Meisterdetektiv weiterhin eine Bereicherung für die vor allem aus Hunden bestehende Polizei. Als ihn die Nachricht vom plötzlichen Tod seines Vaters erreicht, trifft ihn das jedoch schwer. Zwar war das Verhältnis des rennomierten Archäologen zu seinem Sohn nicht besonders eng oder herzlich, doch damit hat niemand gerechnet. Zunächst sieht alles nach einer natürlichen Todesursache aus. Doch dann gibt es auf der Trauerfeier im Museum einen weiteren Toten. Daraufhin setzt Lampe die illustre Gästeschar im Gebäude fest, bis der Mörder gefunden ist...

"Tod im Museum" ist der zweite Fall für Skarabäus Lampe. In diesem liegen die Ereignisse des ersten Bandes schon eine Weile zurück. Der Straßenkater Teddy ist inzwischen zu Lampes festem Assistenten geworden. Mit Sorge verfolgt Lampe die Aufstände in Überstadt, denn die dringend benötigten Investitionen in die Sanierung des Arbeiterviertels werden immer wieder depriorisiert, sodass sich Krankheiten dort wie Lauffeuer ausbreiten. Dass das Museum der Stadt nicht nur eine aufwändige Sanierung der Fassade vornehmen will, sondern auch eine aufwändige Trauerfeier für ihren erfolgreichen Archäologen Archibald Lampe plant, heizt die Stimmung weiter auf.

Schnell war ich mitten in der Geschichte und lernte auf der Trauerfeier eine ganze Schar neuer Charaktere kennen, die mit dem Museum und Lampes Vater in Verbindung stehen. Da ist zum Beispiel die Museumsdirektorin Ephigynie Mahlzeit (ein Flamingo), der Kunsthändler Harpo Liechtenstein (ein Gürtelbär) oder der Wolf Graf Kritor von Lugosch, ein Förderer des Museums mit besonderem Interesse an Hälsen. Auch einige alte Bekannte wie Lampes Haushälterin Helene und Inspektor Sutton mischen wieder mit.

Das Zusammentreffen so vieler unterschiedlicher Charaktere sorgt für zahlreiche skurrile Situationen. Die drängendste Frage ist natürlich die, ob und wem von ihnen zwei Morde zuzutrauen sind. Doch auch weitere Geheimnisse kommen während der Ermittlungen ans Licht. Da sich der Großteil der Geschichte im Museum abspielt kommt die Geschichte nach der abenteuerlichen Zirkuswelt und lebensgefährlichen Situationen etwas ruhiger daher. Das tat meiner Lesefreude keinen Abbruch. Meike Stoverock erneut einen unterhaltsamen Krimi mit einer Besetzung der besonderen Art geschrieben, in dem auch wieder so einiges an Gesellschaftskritik steckt. Ich gebe gern eine Leseempfehlung!