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Veröffentlicht am 08.04.2018

Ein verspäteter Brief mit Folgen

Die Melodie meines Lebens
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Alain Massoulier erhält eines Tages einen Brief, der ganze dreiunddreißig Jahre zu spät bei ihm eintrifft. In diesem lädt eine Plattenfirma seine alte Band zu einem Termin ein. Das wäre ihre große Chance ...

Alain Massoulier erhält eines Tages einen Brief, der ganze dreiunddreißig Jahre zu spät bei ihm eintrifft. In diesem lädt eine Plattenfirma seine alte Band zu einem Termin ein. Das wäre ihre große Chance gewesen! Stattdessen haben sie sich nach einiger Zeit aufgelöst und aus den Augen verloren. Alain beschließt, die anderen zu suchen und ihnen von dem Brief zu erzählen. Vielleicht haben sie ja im Gegensatz zu ihm noch eine Aufnahme ihres besten Songs? Die mehr als drei Jahrzehnte haben die ehemaligen Bandmitglieder was ihre Berufe und Ambitionen betrifft in höchst unterschiedliche Richtungen getrieben.


Die ersten drei Bücher von Antoine Laurain habe ich mit Begeisterung gelesen, und so war ich neugierig auf „Die Melodie meines Lebens“. Das Buch beginnt mit Alain, der seine Postfiliale aufsucht, um eine Erklärung dafür zu fordern, dass ein für ihn so wichtiger Brief mehr als drei Jahrzehnte zu spät zugestellt wird. Er erntet dafür aber nicht viel mehr als ein Schulterzucken und den Verweis auf den Fund bei Renovierungsarbeiten. Gleich danach erfährt man, dass in dem Brief Alains alte Band von einer Plattenfirma eingeladen wird. Genau das, wovon die Band damals träumte! Schnell hat Alain den Entschluss gefasst, Kontakt zu den anderen Bandmitgliedern aufzunehmen.


Alain und seine Suche ist der Ausgangpunkt der Geschichte, und doch dreht die Geschichte sich nicht nur um ihn. Vielmehr erhält man viele Einblicke, was das Leben seit der gemeinsamen Zeit aus den einzelnen Bandmitgliedern gemacht hat. Das erinnerte mich ein wenig an „Der Hut des Präsidenten“ mit dem Unterschied, dass nicht nacheinander auf die verschiedenen Charaktere geschaut wird, sondern die Erzählung mal hierhin, mal dorthin springt. Dadurch fiel es mir am Anfang schwer, eine Orientierung zu erhalten. Zum Glück gibt es im dritten Kapitel eine Auflistung der Band, die dabei half, die Handelnden auseinander zu halten.


Mit seinen Charakteren bedient sich der Autor gesellschaftlich in den verschiedensten Ecken. Neben dem Arzt gibt es einen Künstler, einen Auswanderer, einen rechtspopulistischen Politiker, einen Antiquitätenhändler und auch einen Unternehmer mit Präsidentschaftsambitionen. Meist wird aus der dritten Person erzählt, für einzelne Kapitel wechselt die Geschichte aber auch in die Ich-Perspektive und ließ den Leser noch tiefer in die Gedanken und Geheimnisse einzelner blicken. Es ist eine Momentaufnahme der aktuellen Situation der Charaktere, wobei die Begegnung mit Alain vergleichsweise wenig auslöst, ganz im Gegensatz zu anderen Zwischenfällen, von denen berichtet wird.


Das Buch ist wie ein Puzzle, wobei nicht alles eng miteinander verbunden wird, sondern nur über die alte Band lose zusammenhängt. Deutlich stärker als in seinen bisherigen Romanen übt der Autor hier eine charmant verpackte, deutliche Gesellschaftskritik in Bezug auf ganz verschiedene Themen. Am Ende wird die Geschichte mit einigen Ereignissen auf die Spitze getrieben, was für mich nicht hätte sein müssen. Schließlich erhält die Angelegenheit des verspäteten Briefes einen gelungenen Abschluss und auch die Musik spielt noch einmal eine Rolle, was ich schön fand.


In „Die Melodie meines Lebens“ sorgt ein Brief dafür, dass Alain nach den ehemaligen Mitgliedern seiner Band sucht, die sich schon vor über drei Jahrzehnten aufgelöst hat. Der Leser lernt ganz verschiedene Charaktere kennen, wobei die Geschichte näher an aktuellen politischen und gesellschaftlichen Themen ist als die bisherigen Werke des Autors. Ich fand die verschiedenen Einblicke interessant, hätte mir aber noch mehr roten Faden und weniger überspitzte Ereignisse gewünscht. Eine kurzweilige Geschichte Fans des Autors und alle, die Interesse an einem unterhaltsamen und zugleich kritischen Blick auf Frankreich haben.

Veröffentlicht am 08.04.2018

Ein Zauberer blickt auf das 20. Jahrhundert zurück

Das Glück des Zauberers
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Pahroc hat die 100 Jahre bereits überschritten, als für ihn ein großer Wunsch in Erfüllung geht: Seine vier Monate alte Enkelin Mathilda zeigt als erste seiner Nachkommen die Begabung fürs Zaubern, indem ...

Pahroc hat die 100 Jahre bereits überschritten, als für ihn ein großer Wunsch in Erfüllung geht: Seine vier Monate alte Enkelin Mathilda zeigt als erste seiner Nachkommen die Begabung fürs Zaubern, indem sie ihm mit der „langen Hand“ die Brille von der Nase fegt. Er beginnt, Briefe an sie zu schreiben, die ihr als Packen übergeben werden sollen, wenn sie erwachsen ist. Darin erteilt er ihr Ratschläge rund ums Zaubern und erzählt dabei seine eigene Lebensgeschichte. In zwölf Briefen blickt der Leser durch Pahrocs Augen auf das 20. Jahrhundert zurück, in welchem ihm die Zauberei in so mancher verzwickter Lage half und ihn heimlich Großes hat tun lassen.

Das Buch beginnt mit einem Begleitbrief von Rejlander, die sich als Pahrocs Nachlassverwalterin vorstellt und an zwei Freunde schreibt, denen sie das Zustandekommen seiner Briefsammlung und seine Pläne für die Übergabe an Mathilda irgendwann nach ihrem achtzehnten Geburtstag erklärt. Nach dieser Einstimmung war ich neugierig, selbst einen Blick auf die Briefe werfen zu dürfen und tauchte ein in die Aufzeichnungen des Zauberers.

Mir hat die Idee, dass ein Großvater Briefe mit Ratschlägen an seine Enkelin schreibt, sehr gefallen. Besonders interessant wird es durch den Aspekt des Zauberns. Erst mit fortschreitendem Alter kann man bestimmte Zauber überhaupt erlernen, weshalb Pahroc diese nach der Erlernbarkeit ordnet und erzählt, welche Erfahrungen er selbst damit gemacht hat. Pahroc blickt auf diverse Ereignisse des 20. Jahrhunderts zurück, sowohl solche, welche die ganze Bevölkerung miterlebt hat als auch einzelne Sternstunden, bei denen er als Zauberer ganz nah dran war und sie sogar manchmal entscheidend beeinflusst hat.

Mit Pahroc hat er einen klugen Erzähler geschaffen, der oft mit einem zwinkernden Auge von seinen Erlebnissen berichtet, aber auch ernste Töne anschlägt und Warnungen ausspricht. Der historische Rückblick wird durch den Aspekt des Zauberns bereichert, denn dieser schafft zum einen durch Zauber wie das Fliegen und Geld zaubern große Freiheiten im Hinblick auf den Verlauf der Geschichte und sorgt zum anderen durch die fantastisch-fabulierende Perspektive für Unterhaltung. Da erteilt Pahroc zum Beispiel Ratschläge zum richtigen Umgang mit Krokodilen, denn er verwandelt sich ja selbst gern in eins. Oft schwingen in seinen Berichten aber auch eine Gesellschaftskritik sowie philosophische Gedanken mit, die ins Nachdenken bringen.

In seinen Briefen schildert Pahroc mehr oder weniger chronologisch sein Leben, mal greift er auch vor oder blickt noch einmal zurück auf ein bislang ausgelassenes Erlebnis. Auch das aktuelle Tagesgeschehen von 2012 bis Mai 2017 wird aufgegriffen, denn in diesem Zeitraum hat er die Briefe verfasst. Durch den plaudernden Tonfall lässt sich das Buch zügig lesen. Immer wieder stellte ich mir vor, wie es wohl für Mathilda sein wird, diese Briefe in der Hand zu halten. Diese Frage wird im Buch nicht explizit beantwortet, was ich gut fand, denn so blieb offen, ob ihre Gefühle und Gedanken die gleichen waren wie meine. Was dem Leser jedoch nicht vorgehalten wird, ist, was in der Zukunft passiert, nachdem Mathilda die Briefe gelesen hat. Hier halt das Nachwort einen gelungenen Kniff bereit, der mich überraschen konnte und einen nachdenklich-hoffnungsvollen Abschluss bildet.

In „Das Glück des Zauberers“ erzählt der Zauberer Pahroc mittels Briefen der erwachsenen Version seiner aktuell vier Monate alten Enkelin seine Lebensgeschichte und gibt Ratschläge zum Zaubern. Dieser Rückblick auf das 20. Jahrhundert, bei welchem der Schwerpunkt auf den 1920er bis 1950er Jahren liegt, wurde durch den Aspekt des Zauberns absolut bereichert. Das Buch ist eine Mischung aus Historik, Fabulierkunst, Humor, Gesellschaftskritik und Philosophie, die mir sehr gut gefallen hat. Solltet ihr eine Gelegenheit erhalten, wie ich einen Blick auf Pahrocs Briefe an Mathilda zu werfen, dann ergreift sie unbedingt!

Veröffentlicht am 08.04.2018

Wer manipuliert hier wen?

Beware That Girl
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Kate kommt als neue Stipendiatin an die Waverly School, eine Privatschule an der Upper East Side in New York, welche die besten Chancen auf die Zusage eines Colleges erster Wahl bietet. Ihr großes Ziel ...

Kate kommt als neue Stipendiatin an die Waverly School, eine Privatschule an der Upper East Side in New York, welche die besten Chancen auf die Zusage eines Colleges erster Wahl bietet. Ihr großes Ziel ist Yale. Als Meisterin in der Manipulation anderer tut sie alles, um dieses zu erreichen. Olivia, die das letzte Jahr nach einer mysteriösen Auszeit wiederholt, scheint zu diesem Zweck die perfekte neue Freundin zu sein. Im Nu sind die beiden unzertrennlich. Doch Kate ist nicht die einzige Meisterin ihrer Kunst. Etwas Gefährliches ist im Gange, das ihr zum Verhängnis werden könnte.

Das Cover zeigt eine Silhouette der Upper East Side, darüber die hart blickenden Augen eines Mädchens. Das könnte Kate sein, ihr Ziel fest im Blick. In einem kurzen Prolog blickt der Leser auf Kate und Olivia. Eine liegt im Koma, die andere harrt seit achtundvierzig Stunden an ihrem Bett aus. Wer der beiden wer ist, erfährt man erst einmal nicht. Meine Neugier im Hinblick auf diese Frage und wie es überhaupt zu dieser Situation kommen konnte, war geweckt.

Die Geschichte springt danach ein halbes Jahr in die Vergangenheit und man lernt Kate kennen, die neu an der Waverly School ist. Sie lässt den Leser an ihren Gedanken teilhaben und man erfährt schnell, dass sie einen konkreten Plan hat, wie sie die Menschen in ihrer Umgebung von sich überzeugt, um erfolgreich zu sein und als großes Ziel einen Platz in Yale zu erhalten. Der wichtigste Schritt auf dem Weg dorthin ist die für diesen Zweck perfekte beste Freundin. Ihre Wahl fällt auf Olivia – ihr Vater ist sehr reich und immer unterwegs, die Mutter tot, sie scheint leicht beeinflussbar und mit psychischen Problemen belastet. Gibt es da einen Zusammenhang mit ihrer Auszeit? Kate weiß auch das Schulpersonal zu bezirzen und schmiedet parallel einen Plan, um an die Schülerakten zu kommen und mehr zu erfahren. Immer wieder wird Kate außerdem von alten Erinnerungen heimgesucht. Sie scheint selbst ein großes Geheimnis in Bezug auf ihre Vergangenheit zu hüten. Wie auch in Bezug auf viele andere Fragen lädt das zum fleißigen spekulieren ein, was dahinter stecken könnte.

Die Kapitel aus Kates Sicht wechseln sich mit denen aus der Sicht Olivias ab. Hier erfährt man als Leser, dass ihr Kate als neue beste Freundin sehr gelegen kommt. Es ist daher wenig verwunderlich, dass die beiden bald wirklich unzertrennlich sind. Sie liebt es, Kate an der Welt der Reichen teilhaben zu lassen. Immer wieder gibt es auch Andeutungen, was im letzten Jahr vorgefallen ist, doch Olivia ist in Richtung des Lesers weniger offen als Kate. Es bleibt bei viel oberflächlichem Geplauder a la Gossip Girl, wo man einen Blick in das glamourös-gelangweilte Schul- und Partyleben der Teenager von New Yorks High Society erhält.

Immer wieder wird dem Leser etwas psychologische Spannung geboten im Hinblick auf die Frage, wer eigentlich was im Schilde führt. Bald scheint es so, als wäre eine andere Person noch besser in der Manipulation anderer als Kate. Oder wird sie nur zunehmend paranoid? Die Geschichte dreht sich immer stärker um dieses Thema und dabei wird die Gefahr zunehmend greifbar. Ich fand es dabei allerdings nicht nachvollziehbar, wie leichtgläubig einige Personen agieren und die Entwicklungen in der Folge nicht sonderlich glaubwürdig.

Schließlich kommt es zu einem sehr abrupten Umschwung und es wird ein komplizierter Plan ausgeheckt. Das Handeln der Personen war für mich erneut wenig nachvollziehbar. Für den Showdown schlägt die psychologische Spannung dann gänzlich in Action um, was ich schade fand. Erst auf den letzten Seiten wird dann noch mal eine kleine Überraschung im Hinblick auf die wahren Absichten der Beteiligten geboten, was für mich ein guter Abschluss war.

In „Beware that Girl“ kommt Kate als Stipendiatin an eine vornehme Privatschule der Upper East Side, wo sie durch geschickte Manipulation anderer ihr großes Ziel Yale erreichen will. Bald fragt man sich als Leser, wer hier eigentlich Einfluss auf wen ausübt. Doch viele Personen verhielten sich zu arglos, weshalb der Verlauf der Geschichte für mich zunehmend an Glaubwürdigkeit verlor. Dennoch fand ich das psychologische Spiel interessant und die Atmosphäre erinnerte mich an Gossip Girl, weshalb sich Fans der Serie das Buch genauer anschauen sollten.

Veröffentlicht am 08.04.2018

Gelungenes Prequel mit einer guten Mischung aus Bekanntem und Neuem

Die Spur der Bücher
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Im viktorianischen London ist Mercy eine talentierte Diebin, die für ihre Kunden seltene Bücher beschafft. Der Bibliomantik hat sie abgeschworen, seit es einige Jahre zuvor zu einem fatalen Vorfall kam, ...

Im viktorianischen London ist Mercy eine talentierte Diebin, die für ihre Kunden seltene Bücher beschafft. Der Bibliomantik hat sie abgeschworen, seit es einige Jahre zuvor zu einem fatalen Vorfall kam, für den sie sich die Schuld gibt. Doch nun steht ein alter Bekannter vor ihrer Tür und bittet sie, Nachforschungen zu einem mysteriösen Todesfall anzustellen. Ein Buchhändler und Nachbar ihres verstorbenen Ziehvaters wurde tot in seinem Laden aufgefunden – er ist verbrannt, während kein Buch zu schaden kam. Widerwillig folgt Mercy den wenigen Spuren. Bald muss sie feststellen, dass der Vorfall Teil einer weitaus größeren Angelegenheit voller Intrigen und Geheimnisse ist, bei der einige der einflussreichsten Menschen der Londoner Buchwelt ihre Finger im Spiel haben.

Nachdem die „Seiten der Welt“-Trilogie von Kai Meyer mich begeistern konnte, habe ich mich sehr über die Nachricht gefreut, dass der Autor noch mehr über die Welt der Bibliomantik zu erzählen hat. Die neue Geschichte spielt im viktorianischen London und damit zeitlich vor den bislang erschienenen Büchern. Die Aufmachung ist erneut ein echter Hingucker: Das Cover passt in seiner Aufmachung super zur Trilogie und zeigt mit der Buchhändlerstraße einen wichtigen Handlungsort. Dort ist unter anderem das „Liber Mundi“ zu erkennen, der Buchladen des verstorbenen Ziehvaters der Protagonistin Mercy.

Das Buch startet spannend und temporeich mit einem Einbruchsversuch, den Mercy gemeinsam mit einigen Freunden unternimmt. Dabei geht sie jedoch Madame Xu, der gefürchtetsten und einflussreichsten Person von ganz Chinatown, in die Falle. Es folgen nervenaufreibende Dialoge und eine temporeiche, bibliomantische Jagd. Dieser fulminante Auftakt machte Lust darauf, mehr über Mercy und ihre Geschichte zu erfahren.

Im Anschluss macht die Geschichte einen Sprung von mehreren Jahren und man begegnet einer deutlich veränderten Mercy. Der Bibliomantik hat sie nach jenem fatalen Tag abgeschworen und auch viele alte Kontakte abgebrochen. Aus dem Mädchen, das sich für unbesiegbar hielt, ist eine junge Frau geworden, die vorsichtig und mit Berechnung agiert. Ihre Schuldgefühle bestimmen noch immer ihr Handeln. Ein mysteriöser Todesfall in der Buchhändlergasse sorgt dafür, dass ein alter Bekannter nun auf sie zukommt. Was er zu erzählen hat ist eine Überraschung von Mercy und es bewegt sie dazu, zum ersten Mal seit Jahren einen Fuß in ihr altes Leben zu setzen.

Auch wenn Mercy selbst keine Bibliomantik mehr wirkt, ist die Geschichte doch ein Zurückkommen in jene magische Welt, die mich schon zuvor fasziniert hat. Ich begegnete bereits bekannten Elementen der Bibliomantik wie dem Spalten von Seitenherzen und den lebenden Origamis. Gleichzeitig gibt es neue Dinge zu entdecken. Kreativ fand ich, dass auch mit Penny Dreadfuls, also billigen Romanheften, eine schwache Form der Bibliomantik gewirkt werden kann. Außerdem gibt es neue bibliomantische Artefakte wie den Veterator, grob gesagt ein geschwätziges Lexikon mit Füßen, und einiges mehr. Dem Autor gelingt es sehr gut, neue interessante Elemente in die Welt einzubinden und gleichzeitig die ins Herz geschlossenen Grundlagen nicht aus den Augen zu verlieren. Auch eine lose Verbindung zur Seiten der Welt-Trilogie kann man als Fan entdecken, während man als Neueinsteiger kein Vorwissen benötigt und auch nicht gespoilert wird.

Die Protagonistin Mercy habe ich schnell ins Herz geschlossen. Ihre Vorgeschichte konnte mich berühren und sehr gern begleitete ich sie bei ihrem Versuch, die Wahrheit ans Licht zu bringen. Dabei wurde mir eine gute Mischung aus temporeichen Szenen vor mal imposanten, mal düsteren Kulissen zum einen und Gesprächen mit möglicherweise Beteiligten zum anderen geboten, die stückweise neue Erkenntnisse brachten. Das Finale ist spektakulär und bietet gleich mehrere Überraschungen verschiedenster Art, die das Buch gelungen abschließen. Einige Dinge sind aber noch offen geblieben, weshalb ich nun vorfreudig auf „Der Pakt der Bücher“ warte, was im Herbst 2018 erscheint.

In „Die Spur der Bücher“ stellt Mercy Nachforschungen zu einem mysteriösem Todesfall an, bei dem eindeutig Bibliomantik am Werk war. Fans der Seiten der Welt-Trilogie wie ich können mit diesem Buch in die bibliomantische Welt zurückkehren und erleben eine eigenständige, absolut gelungene Geschichte mit einer guten Mischung aus Bekanntem und Neuem. Auch Neueinsteiger ohne bibliomantisches Vorwissen können und sollten hier zugreifen. Ein Muss für jeden, der Phantastik mag und Bücher liebt!

Veröffentlicht am 08.04.2018

Atmosphärisch dicht erzählte Geschichte über die Trockenlegung des Oderbruchs

Die Gleichung des Lebens
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Im Jahr 1747 erhält das Mathematikgenie Leonard Euler von König Friedrich dem Zweiten einen ungewöhnlichen Auftrag. Friedrich will das Oderbruch, ein Sumpfgebiet östlich von Berlin, trockenlegen, um dort ...

Im Jahr 1747 erhält das Mathematikgenie Leonard Euler von König Friedrich dem Zweiten einen ungewöhnlichen Auftrag. Friedrich will das Oderbruch, ein Sumpfgebiet östlich von Berlin, trockenlegen, um dort Flüchtlinge anzusiedeln und Kartoffeln anbauen zu lassen. Euler soll Realisierbarkeit, Dauer und Kosten berechnen – aber nicht in der Akademie, sondern vor Ort. Die Dimension der Aufgabe lasse sich dort erst richtig begreifen. So recht überzeugt ist Euler nicht, doch auf Befehl des Königs macht er sich auf den Weg. Die Arbeiten am neuen Kanal sind schon in vollem Gange und werden vom mysteriösen Tod des leitenden Ingenieurs überschattet. Ob Euler dieses Rätsel nicht lösen könne…? Gleichzeitig betrachten die Bewohner des Gebietes, die von der Fischerei leben, die Entwicklungen mit Sorge. Werden sie die Pläne unterstützen oder Widerstand leisten?

Das ganz in grün gehaltene Cover des Buches zeigt die Sumpflandschaft des Oderbruchs und gibt einen Vorgeschmack auf den Schauplatz der Geschichte. Gleich zu Beginn wird ein Toter gefunden: Der Aufseher des Fischmarkts von Wrietzen findet den französischen Ingenieur für den neues Kanal tot im Wasser treibend. Als Todesursache wird ein Stich ins Herz festgestellt mit einer Waffe, wie sie nur die beiden Einflussreichsten Familien der Brücher besitzen. Beide weisen von sich, etwas mit der Sache zu tun zu haben. Doch die Zukunft des Bruchs führt bei ihnen trotzdem zu hitzigen Diskussionen.

Nach einem ersten Einblick, was im Bruch vor sich geht, springt die Geschichte nach Berlin und man trifft auf den Mathematiker Leonard Euler. Er lebt für die Wissenschaft und hat es bislang aus seiner Sicht erfolgreich vermieden, nach Sanssouci zu reisen. Doch nun muss er seine Forschung für einen Tag pausieren und dem Ruf des Königs folgen. Euler machte für mich den Eindruck eines leicht chaotischen Genies. Er geht an Neues kritisch heran und wird davon angetrieben, Dinge herausfinden zu wollen. Wenn die Sprache auf den König kommt ist er etwas mürrisch, doch im Grunde genommen ist er aufrichtig und wissensdurstig, weshalb ich ihn mochte.

König Friedrich lernt man bei Eulers Besuch als Visionär kennen. Er hat große Pläne und will, dass sie realisiert werden. Aufgeben ist für ihn keine Option. In seinem Plan rund um die Trockenlegung des Oderbruchs, die Ansiedlung von Flüchtlingen und der Nutzung des Bodens für den Anbau der frisch aus Amerika importierten Kartoffel ist Euler ein wichtiges Rad im Getriebe, weshalb er zur Recherche vor Ort ausgesandt wird.

Bald trifft auch Euler im Oderbruch ein und beginnt, sich umzuschauen. Gleichzeitig versucht er, unauffällig mehr über den Tod des Ingenieurs in Erfahrung zu bringen. Dem Autor ist es insbesondere bei allen Szenen im Oderbruch außerordentlich gut gelungen, die Atmosphäre einzufangen. Die schwüle Luft, das Surren der Mücken, das Schmatzen der Kutschenräder auf dem nassen Boden… die Szenerie wurde vor meinem inneren Auge lebendig. Ebenso wurden die Vor- und Nachteile der Trockenlegung gut dargestellt: Der Aufwand der Arbeiten am Kanal, die Verunsicherung der Fischer und die Hoffnung der neuen Siedler.

Als Leser erhält man einen umfassenden Eindruck der Situation. Die Handlung hätte aber noch straffer und schwungvoller erzählt sein dürfen. Viele einzelne Szenen lassen ein umfassendes Gesamtbild entstehen, doch die Ermittlungen zum Mordfall, der meine Neugier gleich zu Beginn weckte, geraten immer wieder in den Hintergrund und auch die Brücher brauchen lange, bis sie eine Entscheidung treffen und nach ihr handeln. Zum Ende hin erlebte ich schließlich einige Überraschungen und es wurde richtig spannend – ein gelungener Abschluss der Geschichte.

In „Die Gleichung des Lebens“ wird Leonard Euler vom König ins Oderbruch geschickt, um Berechnungen anzustellen. Bald ermittelt er darüber hinaus in einem Mordfall und setzt sich mit dem Für und Wider einer Trockenlegung auseinander. Die Handlung hätte noch straffer sein können, während mir die Charaktere und die Darstellung der verzwickten Situation sehr gut gefallen haben. Eine atmosphärisch dicht erzählte Geschichte, die das Oderbruch vor meinem inneren Auge lebendig werden ließ. Historisch interessierten Lesern kann ich das Buch klar empfehlen!