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Veröffentlicht am 08.04.2018

Auf der Suche nach der legendären Gibson Moderne

Vintage
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Der fünfundzwanzigjährige Thomas Dupré ist begeisterter Gitarrist, der sich als Schreiber für kleine Musikzeitschriften etwas Geld verdient. Zusätzlich hilft er gerade in seinem Pariser Lieblingsladen ...

Der fünfundzwanzigjährige Thomas Dupré ist begeisterter Gitarrist, der sich als Schreiber für kleine Musikzeitschriften etwas Geld verdient. Zusätzlich hilft er gerade in seinem Pariser Lieblingsladen „Prestige Guitars“ aus. Der Besitzer überlässt ihm einen besonderen Auftrag: Er soll die wertvollste Gitarre des Ladens bei dessen Käufer in Schottland abliefern. Bei diesem handelt es sich um einen Lord, der mit Thomas einen Deal macht: Wenn er ihm hilft, einen Beweis zu finden, dass die legendäre Gitarre „Gibson Moderne“ tatsächlich gebaut worden ist, erhält er eine Million Dollar. Thomas stürzt sich begeistert hinein in eine abenteuerliche Suche, die zunehmend gefährlicher wird…

Das Cover des Buches zeigt einen Gitarrenkopf, der die Suche nach der legendären „Gibson Moderne“ symbolisiert. Zu Beginn lernt man den Protagonisten Thomas kennen, in dessen Leben sich alles um Musik dreht und der mit fünfundzwanzig Jahren schon so einiges über Vintage-Gitarren weiß. Dementsprechend aufregend ist für ihn das Kennenlernen des schottischen Käufers der teuersten Gitarre des Ladens. Dieser ist ein leidenschaftlicher Sammler und Thomas bei seinem Besuch im siebten Himmel. Ich konnte gut nachvollziehen, warum das Angebot, nach der legendären Gitarre zu suchen, für ihn so verlockend klingt, dass er zusagt.

Auch wenn ich mich mit Gitarren und der Rockmusik der 50er, 60er und 70er nur oberflächlich auskenne, konnte mich Thomas Begeisterung anstecken und ich war neugierig, was seine Suche ergeben wird. Zunächst beginnt er mit intensiver Internetrecherche. Doch bald gibt es eine erste heiße Spur, und sein Sponsor schickt Thomas los, um vor Ort zu recherchieren. Engagiert macht er sich auf den Weg und trifft im weiteren Verlauf auf so manche spezielle Charaktere, die eins verbindet: Die Liebe zur Musik. Die einen agieren höchst professionell, die anderen machen von Beginn einen sehr zwielichtigen Eindruck.

Von Beginn an war klar, dass es keine einfache Aufgabe ist, einen Nachweis für die Existenz der „Gibson Moderne“ zu finden. Viele Gerüchte sind im Umlauf, dazu komplette Fälschungen, aber auch Modelle mit späterem Baujahr, die eben nicht zu jener ersten Auflage gehören, bei der nicht klar ist, ob sie nur auf dem Papier existiert oder gebaut wurde. Beim Lesen lernte ich so einiges über Gitarren und speziell die legendäre Moderne, was zu einem großen Teil auf Fakten beruht. Das meiste verstand ich als Laie, nur manchmal driften Thomas und seine Gesprächspartner in eine Fachsimpelei ab, die mir zu speziell wurde.

Für Thomas ist die Suche zunächst ein tolles Abenteuer, doch bald zeigt sich, dass das Ganze nicht ungefährlich ist. Eine echte Moderne wäre sehr wertvoll, sodass schließlich auch Emotionen wie Gier, Neid und große Enttäuschung eine große Rolle spielen. Hat er die Motive seiner Gesprächspartner richtig eingeschätzt? Wenn jemand für die Moderne über Leichen geht – wie weit ist Thomas dann selbst bereit zu gehen? Er gerät in gefährliche Situationen, welche mich gespannt weiterlesen ließen. Dabei wird die grundlegende Frage aufgeworfen, wie weit Leidenschaft und Begeisterung gehen und wo sie ihre Grenzen haben sollten. Nach einer längeren ruhigen Phase, in der viel recherchiert und schrittweise aufgedeckt wird, hielt der Schluss noch mal rasante Entwicklungen und Überraschungen bereit, was mit sehr gut gefallen hat.

In „Vintage“ sucht Thomas Dupré im Auftrag eines schottischen Lords nach einem Beweis, dass im Jahr 1957 die legendäre Gitarre „Gibson Moderne“ tatsächlich gebaut wurde. Seine Suche lässt ihn Bekanntschaft mit höchst unterschiedlichen Musikliebhabern machen. Trotz gelegentlicher Fachsimpelei konnte ich Thomas‘ Faszination nachvollziehen und begleitete ihn neugierig auf seiner Reise, auf der es mitunter auch gefährlich wurde. Für Fans der Musik-Epoche ist der Roman ein Muss, aber auch wer grundsätzlich Lust auf eine unterhaltsame Suche hat, wird hier fündig.

Veröffentlicht am 08.04.2018

Eine bewegende Flucht aus der Sklaverei

Underground Railroad
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Zu Beginn des 19. Jahrhunderts ist die Sklaverei in den Südstaaten Amerikas ein fest etabliert. Cora wurde als Sklavin geboren und schuftet auf einer Baumwollplantage in Georgia. Ihre Mutter ist die einzige ...

Zu Beginn des 19. Jahrhunderts ist die Sklaverei in den Südstaaten Amerikas ein fest etabliert. Cora wurde als Sklavin geboren und schuftet auf einer Baumwollplantage in Georgia. Ihre Mutter ist die einzige geflüchtete Sklavin der Plantage, die nie gefunden und vor den Augen der anderen zu Tode gefoltert wurde. Cora fühlt sich von ihr im Stich gelassen und ist unter den anderen Sklaven als zu meidender Sonderling bekannt. Bis sie eines Tages von Caesar angesprochen wird: Er habe Verbindungen zur Underground Railroad, einem Netzwerk, das Sklaven bei der Flucht unterstützt. Gemeinsam mit ihr will er die Flucht wagen. Nach einigem Zögern sagt Cora zu und erlebt eine Odyssee, die geprägt ist von vorsichtiger Hoffnung und schweren Rückschlägen.

Das Cover des Buches zeigt ein düsteres, allein stehendes Haus unter einem Sternenhimmel. Etwa so habe ich mir die Stationen der Unterground Railroad vorgestellt, zu denen die Sklaven in der Dunkelheit von ihren Helfern gebracht werden und wo eine versteckte Falltür hinunterführt zu Schienen, auf denen Züge die Geflüchteten gen Freiheit transportieren. Denn der Begriff Underground Railroad wird in diesem Roman wörtlich genommen: Aus dem historisch belegten Netzwerk von Unterstützern, die Sklaven versteckten und sie über geheime Fluchtrouten in Sicherheit brachten wird in diesem Roman ein unterirdisches, in seiner Ausdehnung enormes Schienennetz für die Flucht.

Die Protagonistin Cora lernt man als Sklavin mit starkem Willen kennen, die das Risiko einer Flucht abwägt. Ihre Großmutter wurde in Afrika geraubt und starb als Sklavin, doch ihre Mutter ist vor Jahren geflüchtet und wurde nie gefunden. Andere Beispiele führen Cora jedoch vor Augen, welches schlimme Schicksal all jenen blüht, die gefunden werden. Ist es trotzdem einen Versuch wert?

Während Cora überlegt, lernt man ihren Alltag auf der Plantage kennen. Die kräftezehrende Arbeit, die Intrigen unter den Sklaven, die Grausamkeit und Willkür des Plantagesbesitzers und entsetzliche Strafen, die jeden einmal treffen. Auch wenn mir die historischen Fakten bekannt waren, hat es mich betroffen gemacht, die Szenen durch Coras Augen zu erleben. Dass Cora flüchten wird verrät schon der Titel, doch nach diesen Einblicken konnte ich umso besser verstehen, weshalb ihr die Entscheidung so schwer fällt und warum sie sich schließlich wie so viele vor ihr trotzdem dafür entscheidet.

Mit der Flucht kommt zur Dramatik eine Spannungskomponente hinzu. Wird das Vorhaben erfolgreich sein? Die Erlebnisse während der Flucht zeigten mir noch deutlicher, welches Schicksal den Geflüchteten bei Gefangennahme droht und ebenso denen, die geholfen haben. Immer wieder schöpft Cora vorsichtig Hoffnung, dass sich alles zum Besseren wendet. Dafür sorgen auch viele ganz verschiedene Menschen, die helfen wollen – ein großer Appell an Zivilcourage, die auch unter den widrigsten Bedingungen zum Glück nie gänzlich erstickt werden kann.

Doch der Rassismus und damit verbundene feindselige Übergriffe treiben Cora von einem Ort zum anderen. Ich hatte großen Respekt vor ihrer Stärke, die sie bei all dem zeigt. Ihre Erlebnisse führten mir eindringlich vor Augen, wie Menschen durch Propaganda und Rassendenken zu grausamen Taten getrieben werden, die sie in der vollen Überzeugung ausführen, im Recht zu sein. Kurze Kapitel geben Einblicke in die Gedanken von Menschen, denen Cora auf ihrem Weg begegnet, und ließen mich ihre Motivation besser verstehen, auch wenn sie oft verwerflich ist. Dem Autor gelingt es, dass bei all der Grausamkeit die Hoffnung bis zum recht offenen Ende nie ganz verloren geht, was für mich eine gelungene Botschaft ist.

In „Underground Railroad“ wagt die Sklavin Cora die lebensgefährliche Flucht gen Norden. Ihre Erlebnisse auf der Plantage und auf der Suche nach Freiheit machten mich betroffen. Eindringlich berichtet der Roman von gelebtem Rassismus in seiner schlimmsten Form und Menschen mit Zivilcourage, die heimlich Widerstand leisten und Hoffnung geben. Das Buch lässt den Leser durch die Augen einer Sklavin aufs Geschehen blicken und hat mich ins Nachdenken gebracht nicht nur über die Sklaverei in Amerika, sondern über Rassismus im Allgemeinen. Ich kann die Lektüre klar weiterempfehlen.

Veröffentlicht am 08.04.2018

Eine abenteuerliche Expedition ins unerforschte Alaska

Das Leuchten am Rand der Welt
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Im Jahr 1885 bricht Lieutenant Colonel Allen Forrester zu einer abenteuerlichen Mission auf. Gemeinsam mit zwei weiteren Militärs und vor Ort angeworbener Einheimischer soll er entlang des Wolverine Rivers ...

Im Jahr 1885 bricht Lieutenant Colonel Allen Forrester zu einer abenteuerlichen Mission auf. Gemeinsam mit zwei weiteren Militärs und vor Ort angeworbener Einheimischer soll er entlang des Wolverine Rivers ins Landesinnere Alaskas vorstoßen, um es zu kartieren und eine Einschätzung zu den einheimischen Völkern abzugeben. Auf der beschwerlichen Reise muss die Expedition mit Hunger, Wetterumschwüngen und Zwischenfällen mythischer Art zurechtkommen. Unterdessen wartet Allens Frau Sophie in der Garnison Vancoucer auf seine Rückkehr. Sie ist schwanger und ihr wurde strikte Ruhe verordnet, sodass sie ihn entgegen des ursprünglichen Plans nicht mal ein Stück begleiten darf. Eine bittere Nachricht sorgt dafür, dass sie sich zurückzieht und ihre Begeisterung für die Naturfotografie entdeckt.

Nachdem mich vor inzwischen schon vier Jahren „Das Schneemädchen“ begeistern konnte, habe ich mich sehr über die Nachricht gefreut, dass die Autorin ein zweites Buch geschrieben hat, das den Leser mit in ein historisches Alaska nimmt. Das Buch beginnt mit einem Brief, der Josh, einen Museumskurator in Alpine, Alaska erreicht. In diesem erklärt Walter Forrester, dass er ihm die Aufzeichnungen seines Vorfahren Allen rund um dessen Alaska-Expedition und auch die von dessen Frau überlässt in der Hoffnung, er könne dafür Verwendung finden. Gemeinsam mit Josh taucht man in die historischen Dokumente ein, die einen sogleich in die Vergangenheit und Kälte schicken.

Der größte Teil des Buches ist in Tagebuchform verfasst. Abwechselnd erfährt man, wie es Allen in Alaska und Sophie in Vancouver ergeht. Die Einträge umfassen mal nur wenige Sätze, mal einige Seiten, und nur wenige Tage werden ausgelassen. Die Beschreibung der Erlebnisse in der Retrospektive wird damit auf das Wichtigste beschränkt, womit die monatelange Expeditionsreise einen für ein Buch überschaubaren Rahmen erhält.

Allen hat vor seiner Aufgabe einen gesunden Respekt und ist gleichzeitig ambitioniert, die Expedition erfolgreich abzuschließen. Dem zu erkundenden Gebiet eilen grausame Geschichten von im Schlaf von Einheimischen ermordeten Russen voraus. Wie gefährlich sind die Indianer wirklich? Das Wetter und ein Mangel an Nahrung zehren an den Kräften der Gruppe. Neugierig, wie gut Allen vorankommen wird, las ich mich durch seine Einträge. Auch wenn zu jedem Tag nur kurz etwas erzählt wird, erhält man einen guten Einblick, wie er und seine Begleiter sich fühlen. Meist ist nicht vorhersehbar, was der nächste Tag bringen wird, sodass im einen Moment Hoffnung und im anderen wieder Verzweiflung überwiegen können.

Interessant fand ich die mythischen Erlebnisse, die Allen auf seiner Reise macht. Zum einen trifft er immer wieder auf einen alten Indianer. Dieser kann scheinbar mühelos große Distanzen überwinden und ist ihnen mal gewogen ist, mal sorgt er für Rückschläge. Auch den Einheimischen ist dieses Wesen bekannt, warum es so handelt vermag niemand zu sagen. Zum anderen hört und sieht Allen Wunderliches: Eine Geliebte, die Nebel bringt, ein Baum der einen Säugling gebärt… sind das Wahnvorstellungen ausgelöst durch Hunger und Erschöpfung oder ist die Magie des Landes am Werk?

Auf seiner Reise muss Allen nicht kämpfen. Wer blutige Action a la „The Revenant“ erwartet ist bei diesem Buch falsch. Stattdessen lernt er die raue Natur kennen, macht interessante Begegnungen und findet schöne Augenblicke, wo man sie wenigsten erwartet. Einige andere Dokumente, zum Beispiel Zeitungsartikel, Briefe und poetische Textschnipsel eines Begleiters ergänzen den gewonnenen Eindruck. Sophies Tagebucheinträge zeugen hingegen von der Qual des Wartens auf Allens Heimkehr. Ihre Sicht war mir teils etwas zu langatmig, es ereignet sich nicht allzu viel. Doch als sie sich mit wachsender Begeisterung der Fotografie zuwendet fand ich ihre Einträge zunehmend besser. Bis zum Schluss bildet die Korrespondenz zwischen Josh und Walt in der Gegenwart einen gelungenen Rahmen für die eigene Reflektion des Gelesenen.

„Das Leuchten am Rand der Welt“ erzählt mit atmosphärischer Dichte von einer Expedition in bislang unerforschtes Territorium in Alaska. Während Allen eine Reise voller Entbehrungen und Rückschlägen, aber auch hoffnungsvollen Momenten erlebt, wartet seine Frau Sophie auf seine Rückkehr und entdeckt in dieser Zeit die Fotografie für sich. Wer Abenteuer mag und dabei auf Kämpfe verzichten kann, dem kann ich dieses Buch klar empfehlen!

Veröffentlicht am 06.08.2017

Eine Geschichte über Familie, Liebe, Faszination und gutes Essen

Monsieur Picasso und der Sommer der französischen Köstlichkeiten
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Im Frühjahr 1936 erhält Ondine, die im französischen Juan-les-Pins im Café ihrer Eltern arbeitet, einen ungewöhnlichen Auftrag. Ein Neuankömmling wünscht, dass ihm das Mittagessen regelmäßig in seine Villa ...

Im Frühjahr 1936 erhält Ondine, die im französischen Juan-les-Pins im Café ihrer Eltern arbeitet, einen ungewöhnlichen Auftrag. Ein Neuankömmling wünscht, dass ihm das Mittagessen regelmäßig in seine Villa geliefert wird. Im Ort gibt er sich als Monsieur Ruiz aus, doch Ondines Mutter kennt die Wahrheit: Es handelt sich um Picasso, der seine Anwesenheit geheim halten will! Ondine soll nur die stille Lieferantin sein, doch bald kommt sie mit dem Maler ins Gespräch und ist fasziniert von ihm…

An Heiligabend 2013 erfährt Ondines 30-jährige Enkelin Céline von ihrer Mutter, dass Ondine einst für Picasso gekocht hat. Als Beweis erhält Céline das Notizheft, in dem Ondine aufgeschrieben hat, was sie an welchem Tag für ihn zubereitet hat. Außerdem erfährt sie, dass Ondine behauptet hat, Picasso hätte ihr ein Bild geschenkt. Céline ist fest entschlossen, das Bild zu finden, würde dessen Erlös doch so viele Probleme lösen…

Auf der Suche nach einer sommerlichen Geschichte wurde mir dieses Buch empfohlen. Es beginnt mysteriös mit einem Anruf, der Céline im Jahr 2016 auf eine edle Yacht führt, auf die sie nicht recht zu passen scheint, um jemanden zu treffen. Wer das ist und warum, das erfährt der Leser erst mal nicht. Stattdessen springt die Geschichte ins Jahr 1936 und man lernt Ondine kennen, die erfährt, dass sie ab sofort fast täglich Mittagessen an Picasso liefern soll.

Ondine tut sich schwer damit, ihren Platz im Leben zu finden. Ihr geliebter Luc hat als Matrose angeheuert, um genug Geld zu verdienen und sie heiraten zu können. Doch sie hat viel zu lange nichts mehr von ihm gehört – ob er tot ist? Trotzdem ist sie nicht bereit, sich auf jemand anderen einzulassen, weshalb sie unter dem Dach ihrer Eltern lebt und arbeitet. Die Ausflüge zu Picasso sind eine willkommene Abwechslung für sie. Als sie schließlich mit ihm ins Gespräch kommt, ist sie von ihm und seinen ungewöhnlichen, provokanten Bildern fasziniert. Es wurde verständlich gemacht, warum sie immer wieder die Nähe zu Picasso sucht, obwohl sie um seine Frauengeschichten weiß. Bei der Beschreibung Picassos orientiert sich die Autorin an den historischen Quellen und zeichnet ein authentisches Bild des charakterlich nicht einfachen Malers. Schließlich muss sich Ondine entscheiden, wie weit sie als seine neue Quelle der Inspiration gehen will.

Die Autorin erzählt die Geschichte rund um Ondine kurzweilig. Mit der Zeit macht sie immer mehr Zeitsprünge, die entscheidende Momente nach den Ereignissen 1936 einfangen und die Brücke bis in die Gegenwart schlagen. Ihre ganze Geschichte wird geprägt vom Willen, über das eigene Schicksal zu entscheiden und sich nicht nur den Plänen anderer zu fügen. Dabei muss sie einige Überraschungen verarbeiten und auch Rückschläge hinnehmen. Ihr Weg ist kein einfacher, doch ich habe diese entschlossene Frau gerne auf ihm begleitet.

In der Gegenwart ist Céline vom Gedanken besessen, das Geheimnis von Ondine zu lüften und das Bild von Picasso zu finden, das sie angeblich besessen hat. Ihrer Mutter geht es nicht gut und gerne möchte sie diese mit dem Erlös aus den Klauen ihrer Halbgeschwister befreien. Doch so nobel ihre Absicht auch ist, bei der Suche geht sie ziemlich dreist vor und ich war nicht mit jedem ihrer Schritte einverstanden. Ihre Suche führt sie nach Frankreich, wo sie ganz in der Nähe des Cafés ihrer Großmutter einen Kochkurs belegt. Gut gefallen hat mir, dass sie dabei Zeit mit ihrer unterhaltsamen Tante verbringen kann und außerdem den Sternekoch Gil kennen lernt, unter dessen harter Schale sich ein weicher Kern verbirgt, der aber immer wieder zu geheimnisvollen „Terminen“ verschwindet. Auch wenn für mich recht klar war, worauf Célines Geschichte hinauslaufen wird, fand ich das Ende gelungen.

In „Monsieur Picasso und der Sommer der französischen Köstlichkeiten“ begleitet der Leser Ondine, die im Frühjahr 1936 Picasso bekocht und zu einer neuen Inspirationsquelle für ihn wird. In der Gegenwart versucht ihre Enkelin, herauszufinden, ob Ondine wirklich ein Bild Picassos erhielt und falls ja, wo sie es versteckte. Ich bin mit den Charakteren gerne durch Höhen und Tiefen gegangen, obwohl ich insbesondere mit Célines Verhalten nicht immer einverstanden war. Gerne empfehle ich diese Geschichte über Familie, Liebe, Faszination und gutes Essen weiter.

Veröffentlicht am 06.08.2017

Einen berühmten Maler verschlägt es ins toskanische Städtchen Cetona...

Der Sommer in deinen Augen
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In der Toskana im beschaulichen Städtchen Cetona hat sich bei Familie Ferretti ungewöhnlicher Besuch angekündigt. Der berühmte Maler Tyron Lane will einige Zeit in der freistehenden Wohnung des Hauses ...

In der Toskana im beschaulichen Städtchen Cetona hat sich bei Familie Ferretti ungewöhnlicher Besuch angekündigt. Der berühmte Maler Tyron Lane will einige Zeit in der freistehenden Wohnung des Hauses leben und die Landschaft für eine Kundin aus New York auf Leinwände bannen. Doch Stolz und Aufregung der Familie schlagen bald in Enttäuschung um, denn der Maler wünscht keinen engeren Kontakt. Durch einen Zufall soll einige Zeit später Sofia, Tochter der Familie und Lehrerin, Tyron das Umland zeigen. Was während des Tages passiert, hätte wohl keiner der beiden gedacht. Doch wie kann es nun weitergehen?

Der Titel und Klappentext des Buches deuten wie auch die gedeckten Farben des Covers auf eine sommerlich-melancholische Liebesgeschichte hin. Das Buch beginnt mit Tyrons Ankunft in Cetona. Er will möglichst geheim halten, dass er überhaupt da ist, doch die Familie Ferretti hat es zu seiner Missbilligung schon im ganzen Städtchen erzählt. Kein guter Start für das Zusammenleben unter einem Dach. Der Maler geht gleich weiter auf Distanz und macht deutlich klar, dass er keinen Anschluss sucht.

Vor allem Sofia, die Tochter der Ferrettis, ärgert sich über Tyrons schroffes Verhalten, was ich gut nachvollziehen konnte. Kapitel aus seiner Perspektive zeigen gleichzeitig, dass ihn etwas aus der Vergangenheit zu quälen scheint. Warum hörte er vor einigen Jahren auf, Portraits zu malen und begann damit, so regelmäßig von einem Land ins nächste zu reisen, dass er „The Homeless Painter“ genannt wird? Und wer ist die Frau, die auf jedem seiner Bilder als Signatur in die Landschaft blickt? Sobald die Sprache auf eins dieser Themen kam wurde er noch verschlossener, sodass meine Neugier geweckt war, welche scheinbar tragische Geschichte dahinter steckt.

Die Geschichte lässt sich zügig lesen. Schon bald kommt es durch einen Zufall dazu, dass Sofia und Tyron einen Tag zusammen verbringen. Danach ist alles anders. Die beiden fühlen sich zueinander hingezogen, doch Sofia wurde schon einmal enttäuscht, und Tyron will sich weiterhin nicht öffnen. Dennoch verbringen die beiden immer wieder schöne, heimliche Momente miteinander, die kostbar und zugleich zerbrechlich sind. Man hat stets das Gefühl, dass das vorsichtige Vertrauen der beiden zueinander jederzeit verloren gehen kann.

Freude und Leid liegen in dieser Geschichte eng beieinander. Schließlich kommt es zu überraschenden Entwicklungen, einem schockierenden Ereignis und einer traurigen Enthüllung. Doch was heißt all das für Sofia und Tyron? Als Leserin schwebte ich zwischen Hoffen und Bangen. Den Abschluss passte für mich gut zum Geschehenen.

„Der Sommer in deinen Augen“ bietet eine zarte und zerbrechliche Liebesgeschichte zwischen dem berühmten Maler Tyron Lange, der von einem Land ins nächste zieht und keinen Wert auf neue Bekanntschaften legt, und Sofia, die sich über sein Verhalten ärgert, bis sie einen Tag mit ihm verbringt. Melancholisch und doch hoffnungsvoll ist dies eine gelungene Geschichte für Zwischendurch, die den Leser in die schöne Toskana entführt.