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Veröffentlicht am 21.03.2017

Berührende Familiengeschichte über einen Witwer, der für das Glück seiner Kinder sorgen soll

Ein geschenkter Anfang
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Joseph und Lou sind als Frührentner von Paris zurück auf die Île de Groix gezogen. Doch nach einer kurzen, unbeschwerten Zeit kam Lou mit nur sechsundfünfzig Jahren ins Pflegeheim und verstarb bald danach. ...

Joseph und Lou sind als Frührentner von Paris zurück auf die Île de Groix gezogen. Doch nach einer kurzen, unbeschwerten Zeit kam Lou mit nur sechsundfünfzig Jahren ins Pflegeheim und verstarb bald danach. Zurück bleibt ein einsamer, zweifelnder Jo, der sich um seine beiden Kinder nie sonderlich gekümmert hat. Das will Lou in ihrem Testament ändern. Sie trägt ihm auf, dafür zu sorgen, dass sie glücklich sind. Erst dann dürfe er ihren letzten Brief lesen. Jo weiß nicht so recht, wie er das angehen soll, denn vor allem sein Sohn beginnt nach Lous Tod, den Kontakt aufs Nötigste zu reduzieren. Mittels Google Alerts und hilfsbereiten Freunden beginnt er, erst einmal mehr über das Leben seiner Kinder in Erfahrung zu bringen…

Das Cover des Buches zeigt eine Küste mit Leuchtturm in Hintergrund, an der ein Mann mit einem Mädchen spielt. Die Kulisse passt gut zur Île de Groix sein, auf der ein Großteil der Geschichte spielt. Die abgebildeten Menschen könnten Jo mit seiner Enkelin Pomme sein, wobei letztere mit ihren zehn Jahren eigentlich schon zu alt für das gezeigte Kind ist.

Das Buch startet bedrückend mit der Beerdigung von Lou. Sowohl Jo als auch Pomme sprechen währenddessen in Gedanken zu ihr und teilen mit ihr, was ihnen durch den Kopf geht. Um den Leser gleichzeitig abzuholen, erzählen sie Lou Dinge, die sie eigentlich wissen sollte. Dadurch wirkte die Sprache auf mich etwas holprig. Das gibt sich aber bald und ich fand immer besser in die Geschichte hinein.

Die Autorin hat Charaktere erschaffen, ich die ich mich schnell einfühlen konnte. Jo fühlt sich von Lou allein gelassen; er kann mit ihrem Auftrag wenig anfangen und hat auch wenig Antrieb, allein weiterzumachen. Aufheiterungsversuche seiner Freunde und seiner Enkelin Pomme sind nicht sonderlich erfolgreich. Jo zieht sich zunehmend zurück und es kommt zu berührenden Szenen, in denen er in Erinnerungen schwelgt und Entscheidungen trifft, in denen eine Depression aus ihm spricht. Der Entschluss, mehr über das Leben seiner beiden Kinder herauszufinden, gibt ihm schließlich eine neue Aufgabe.

Zu Erzählabschnitten aus Jos Sicht gesellen sich recht früh Abschnitte aus Pommes Perspektive und später auch aus derer seiner Kinder und einiger wichtiger Nebencharaktere. Pomme habe ich schnell ins Herz geschlossen. Sie hängt sehr an ihrem Großvater und wünscht sich eine bessere Beziehung zu ihrem Vater, dessen Besuche immer seltener werden. Sie ist lebensfroh und geht Dinge beherzt an. Darin unterscheidet sie sich von ihrer Halbschwester Charlotte, deren altkluge Sprache für mich nicht zu einer Neunjährigen passte und die aus dem Stehgreif eine psychologische Selbstanalyse zum Besten gibt. Auch Jos Kinder Sarah und Cyrian lernt man besser kennen. Beide sind in ihren Jobs äußerst erfolgreich. Doch erstere trifft keinen Mann mehr als zweimal, seit ihr Verlobter sie aufgrund ihrer Erkrankung verlassen hat und letzterer führt eine erkaltete Ehe mit der Mutter seiner zweiten Tochter, die er regelmäßig betrügt.

Mit dem Beginn von Jos Nachforschungen zum Leben seiner Kinder dringt man immer tiefer in das Beziehungsgeflecht der Familie vor. Man versteht zunehmend, was die einzelnen Charaktere antreibt und warum sie in bestimmten Verhaltensmustern gefangen sind. Der bedrückende Ton der Geschichte wird gelegentlich durch amüsante Szenen aufgelockert, zum Beispiel wenn Jo sich Google Alerts zur Beobachtung seiner Kinder einrichtet oder Freunde als Schauspieler instruiert, die Charakterstärke der Frauen in Cyrians Leben zu prüfen. Unauffällig und punktuell mischt sich Jo in Sarahs und Cyrians Leben ein, um sie in die richtige Richtung zu schubsen – mit unterschiedlichem Ergebnis. Schließlich kommt es zu einem dramatischen Ereignis, das alle stark ins Nachdenken bringt und schließlich zu einem versöhnlichen Ende, das ich sehr passend fand.

„Ein geschenkter Anfang“ erzählt von der Familie der verstorbenen Lou, die von ihrem Mann verlangt, für das Glück der gemeinsamen Kinder zu sorgen. Der Fokus verschiebt sich langsam von ihm und seiner Trauer hin zur Frage, was im Leben seiner Kinder denn fehlt. Mit der Zeit fand ich immer besser in die Story hinein, begegnete Charakteren, in die ich mich hineinfühlen konnte und erlebte Momente, die mich berührten. Diese nachdenkliche und doch nach vorn schauende Familiengeschichte vor der Kulisse der traumhaften Île de Groix empfehle ich gern weiter.

Veröffentlicht am 21.03.2017

Eine Liste und eine Reise, die Yara und Noel verändern wird

Wir fliegen, wenn wir fallen
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Yara und Noel haben es beide nicht leicht. Seit Yaras Eltern vor wenigen Monaten gestorben sind, lebt sie bei ihrer Tante Em. Und Noels alleinerziehende Mutter ist schon vor langer Zeit verschwunden. Auch ...

Yara und Noel haben es beide nicht leicht. Seit Yaras Eltern vor wenigen Monaten gestorben sind, lebt sie bei ihrer Tante Em. Und Noels alleinerziehende Mutter ist schon vor langer Zeit verschwunden. Auch wenn die beiden sich nicht leiden können, verbindet sie doch eine Person: Phil, Noels Großvater, dem Yara im Pflegeheim jeden Tag vorliest. Doch dann stirbt Phil und hinterlässt den beiden eine Liste mit zehn Dingen, die sie in seinem Namen tun sollen. Dinge, die eine Reise um die halbe Welt nötig machen. Yara und Noel raufen sich zusammen und nehmen die Liste in Angriff. Dabei merken sie bald, dass sie ihre Meinung über den jeweils anderen noch einmal überdenken sollen.

„Wir fliegen, wenn wir fallen“ fällt mit seinem pinken Pusteblumen-Cover gleich ins Auge. In Kombination mit dem Titel erwartete ich eine traurige, zugleich aber auch schöne und berührende Geschichte. Die Kapitel sind abwechselnd aus der Sicht von Yara und Noel geschrieben, die beide von familiären Schicksalsschlägen geprägt wurden. Yaras Eltern sind erst kürzlich verstorben, das kann sie noch immer gar nicht so richtig wahrhaben und verarbeiten. Noel ist hingegen schon lange allein, er hat in der Zeit eine harte Schale aufgebaut und gibt den Rebell, der niemandem vertraut.

Nach einem kurzen Kennenlernen der Protagonisten geschieht auch schon das Ereignis, das den weiteren Verlauf des Buches bestimmt: Phil stirbt, und sowohl Yara als auch Noel verlieren eine der wichtigsten Personen in ihren Leben. Es kommt zu sehr berührenden Szenen, die zeigen, wie wichtig er für die beiden war. Doch schnell schaut das Buch auch wieder nach vorn und gibt den Protagonisten mit Phils Liste eine neue Aufgabe, die es zu bewältigen gilt. Eher widerwillig raufen die beiden sich zusammen und beschließen, die Aufgabe gemeinsam in Angriff zu nehmen. Auch wenn keiner der beiden so richtig begeistert ist stecken sie doch bald mitten in den Reisevorbereitungen.

Ich fand es sehr schön, wie die beiden sich Schritt für Schritt ins Abenteuer wagen. Zuerst erfüllen sie Punkte der Liste, für die sie in Deutschland bleiben können. Das ganze läuft nicht so reibungslos wie gewünscht. Zum einen sind die beiden noch nicht hundertprozentig bei der Sache, zum anderen zeigt es, dass auch gut klingende Vorhaben in der Realität einen Haken haben können.

Schließlich geht es für die beiden ins Ausland zu interessanten Orten, auf die ich mich schon beim ersten Lesen der Liste gefreut habe. Die Autorin hat sich tolle Zielorte überlegt, ein Mix aus klassisch und besonders. Auch hier gelingt den beiden nicht alles auf Anhieb, wodurch die Geschichte authentisch bleibt. Die beiden kämpfen unterdessen weiterhin gegen ihre Dämonen der Vergangenheit. Doch durch die Aufgaben lernen sie zunehmend, Dinge selbst in die Hand zu nehmen und nach vorn zu schauen.

Die beiden wachsen nicht nur an den Herausforderungen, sondern auch das Verhältnis zueinander entwickelt sich weiter. Aus anfänglicher Skepsis wird Akzeptanz und bald noch mehr. Hier findet die Autorin genau die richtigen Worte, unkitschig und mit süßen und rauen Momenten. Die beiden scheinen wie füreinander gemacht zu sein und ich habe mich sehr gerne durch die Szenen gelesen, in denen die beiden zunehmend Vertrauen zueinander aufbauen und von ihren Gefühlen überwältigt werden. Doch es ist nicht alles heile Welt, die beiden durchleben emotional und in Bezug auf ihre Aufgaben doch Hochs und Tiefs, so dass die zügig erzählte Geschichte interessant blieb bis hin zu einem wunderschönen Ende.

„Wir fliegen, wenn wir fallen“ erzählt die Geschichte von Yael und Noah, die beide einen familiären Schicksalsschlag verarbeiten müssen. Als sie dann auch noch ihre gemeinsame Bezugsperson Phil verlieren, schickt der sie mithilfe seines Testaments um die halbe Welt. Ich habe die beiden sehr gerne begleitet, interessante Orte entdeckt und erlebt, wie sie an ihren Aufgaben wachsen und sich das Verhältnis zueinander wandelt. Eine wirklich schöne und authentische Geschichte, die berührt und gleichzeitig Lust auf Abenteuer macht!

Veröffentlicht am 21.03.2017

In welch grausigem Spiel sind die sechs Jugendlichen gelandet?

Wonderland
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Liz befindet sich gemeinsam mit ihren Freundinnen Nelly und Amelie auf Weltreise. In Thailand lernen sie Jacob kennen, der sie und zwei weitere Bekannte in ein atemberaubendes Haus mitnimmt. Riesige Zimmer, ...

Liz befindet sich gemeinsam mit ihren Freundinnen Nelly und Amelie auf Weltreise. In Thailand lernen sie Jacob kennen, der sie und zwei weitere Bekannte in ein atemberaubendes Haus mitnimmt. Riesige Zimmer, gleich zwei Pools, ein Privatstand – ein wahres Wonderland. Doch als die sechs erwachen, scheinen ihre Albträume wahr geworden zu sein. Sie sind auf einem Gelände gefangen, stehen unter ständiger Überwachung und erhalten die Anweisung, alle zwei Tage ein Opfer zu benennen. Ein grausiger Befehl, dem sich keiner der sechs fügen will. Doch was passiert, wenn sie sich weigern? Und was weiß eigentlich Jacob, der die anderen ins Haus gelockt hat?

Auf der Suche nach einer temporeichen, spannenden Lektüre griff ich zu „Wonderland“. Auf dem Buchsücken wird dem Leser eine „Hölle auf Erden“ angekündigt, und ich war neugierig, wie diese aussieht. Das Buch startet eigentlich ganz harmlos. Liz und ihre Freundinnen haben in Thailand so manche Bekanntschaft gemacht, und einer von ihnen hat sie ins Haus seines offensichtlich steinreichen Onkels mitgenommen. Doch je mehr Luxus Liz entdeckt, desto unwohler fühlt sie sich. Ein Gefühl, das berechtigt war – das zeigt der nächste Morgen.

Schnell kommt die Story zur Sache und die sechs Jugendlichen finden sich in Gefangenschaft wieder. Ein Spiel mit grausamen Regeln hat begonnen. Allein bei der Vorstellung, dass eine verzerrte Stimme die gruseligen Anweisungen gibt, bekam ich Gänsehaut. Liz und ihre Freunde sind ihren Peinigern ausgeliefert, denn diese drohen schnell, ihre Anweisungen mit äußerster Gewalt durchzusetzen. Schock und Entsetzen dominieren die erste Buchhälfte. Es ist eine wahre Abwärtsspirale, denn die „Spieler“ haben quasi keine Handlungsspielräume und müssen entsetzt mit ansehen, welche schlimmen Konsequenzen ihr Tun und Nicht-Tun hat. Mich hat die Handlung gegruselt und zugleich an die Seiten gefesselt. Haben Liz und ihre Freunde noch eine Chance? Was steckt überhaupt hinter all dem?

Mit der Zeit verlieren die Charaktere den Glauben an sich selbst und enthüllen bei der Frage, wen man opfern könnte, dunkle Seiten ihrer Persönlichkeit. Doch unter all der Verzweiflung steckt auch noch etwas Hoffnung. Ich fand es interessant, wie Liz stückweise hinter Jacobs Maske blickt und sich zwischen den beiden ein besonderes Verhältnis entwickelt. Lange wirkt es so, als seien die Charaktere nur Spielbälle, die sich bei allem zu fügen haben, gleichzeitig wird nichts erklärt, sodass das Buch sich für mich etwas zog. Schließlich kam es, für mich einen Tick zu spät, zur lang ersehnten Wende.

Die zweite Buchhälfte hat mich dann voll überzeugen können. Endlich werden Erklärungen geliefert, welche das Geschehen in einem neuen, grausigen Licht erscheinen ließen. Gleichzeitig gibt es überraschende Entwicklungen, die mich hoffen ließen, dass vielleicht doch alles anders kommt als erwartet. Die Entscheidungen der Charaktere fand ich nachvollziehbar und das emotionale und gedankliche Chaos, das sie durchleben, wurde mir verständlich gemacht. Weitere Überraschungen werden dem Leser geboten und die Spannung stieg immer weiter an bis hin zu gleich mehreren atemraubenden Showdowns und einem absolut gelungenen Ende.

„Wonderland“ ist ein gruseliger Thriller rund um sechs Jugendliche, die in Thailand in Gefangenschaft geraten und Teil eines makabren „Spiels“ werden, in dem sie nach und nach einen aus ihrer Mitte als Opfer auswählen sollen. Immer wieder kommt es zu blutigen Szenen, die den Ernst der Lage klar machten und den Charakteren psychisch und physisch alles abverlangten. Nach einer langen Phase ohne Erklärungen und Optionen bietet die zweite Buchhälfte noch mehr Tempo, Überraschungen und Hintergründe. Ich wurde zunehmend mitgerissen und empfehle diese beklemmende, hochspannende Geschichte gerne an Thriller-Fans weiter!

Veröffentlicht am 21.03.2017

Drei Freunde, ein Referendar und Spiele, die an ihre Grenzen stoßen

Mehr Schwarz als Lila
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Alex ist siebzehn und hat seit sechs Tagen das Haus nicht mehr verlassen, denn Paul ist verschwunden und Ratte redet nicht mehr mit ihr. Dabei gab es eine Zeit, in der die drei unzertrennlich waren. Doch ...

Alex ist siebzehn und hat seit sechs Tagen das Haus nicht mehr verlassen, denn Paul ist verschwunden und Ratte redet nicht mehr mit ihr. Dabei gab es eine Zeit, in der die drei unzertrennlich waren. Doch plötzlich ist nichts mehr vor vorher. Ein neuer Referendar kommt an die Schule, zu dem sich Alex hingezogen fühlt. Und auch Ratte verliebt sich und hat plötzlich weniger Zeit für sie. Alex handelt zunehmend intuitiv und ohne nachzudenken und hält an den Spielen fest, die sie, Ratte und Paul doch schon immer gespielt haben. Doch irgendwann stößt jedes Spiel an seine Grenzen…

Cover und Titel des Buches scheinen farblich auf den ersten Blick nicht zusammenzupassen, ihre Bedeutung wird beim Lesen aber schnell klar. Das Cover des Buches zeigt ein rot-grünes Gefieder und spielt auf Alex‘ Papagei an, den ihr Vater ihr vor neun Jahren kurz nach dem Tod ihrer Mutter geschenkt hat. Der Titel bezieht sich auf ihre Vorliebe, ausschließlich schwarz zu tragen und damit verbundene Diskussionen mit ihrer besten Freundin Ratte, ob ihre Hose nun eher dunkellila oder schwarz ist. Doch bevor man das und noch viel mehr über die Protagonistin erfährt, lernt man sie zu Beginn des Buches in einem Moment kennen, in denen sie sich emotional im freien Fall befindet. Um zu erklären, wie es so weit kommen konnte, springt die Ich-Erzählerin einige Monate in die Vergangenheit.

Hier lernt der Leser Alex, Ratte und Lena als verschworenes Dreiergespann kennen. Sie verbringen ihre Zeit meistens gemeinsam. Wenn ihnen langweilig ist, dann spielen sie Spiele wie „Stell dir vor“, in denen sie sich gegenseitig zu übertreffen versuchen. Doch dann wird alles anders, denn ein neuer Referendar unterrichtet die Klasse und lädt die drei bald ein, mit ihm eine Ausstellung zu besuchen. Er, den Alex im Buch nur als „Du“ anspricht, trifft sich fortan häufiger mit den dreien. Alex fühlt sich immer stärker zu ihm hingezogen, handelt ohne nachzudenken und muss sich mit den unerwarteten Konsequenzen auseinandersetzen.

Ich erlebte Alex als authentische Protagonistin, die sich mitten im Erwachsenwerden befindet und sich von ihren Gefühlen leiten lässt. In literarischer Sprache beschreibt sie, was in ihr vorgeht. Dabei macht sie großzügig Gebraucht von Stilmitteln, denn schließlich sind sie die Verbindung zu ihm, der sie in Deutsch unterrichtet. Oft verfällt sie auch ins Stakkato oder erinnert sich an Songtexte, die ihre Gedanken wiederspiegeln. Nach einer Eingewöhnungsphase konnte ich mich gut auf diese ungewöhnliche Sprache einlassen und sie wurde für mich zunehmend zur Stimme von Alex.

Mit Alex‘ Worten vor Augen konnte ich gut nachvollziehen, wie es so weit kommen konnte, dass sie sich privat mit einem Referendar trifft und Gefühle für ihn entwickelt. Dieses brisante Thema verarbeitet die Autorin behutsam und unaufgeregt, sodass der Fokus darauf lag, welchen Einfluss Alex‘ Gefühle und auch die von Ratte und Paul auf ihre Freundschaft haben. Ich muss aber sagen, dass die drei auf mich eher wie Schüler von vor zehn, zwanzig Jahren als wie von heute wirkten. Ihr Verhalten empfand ich oft eher als typisch für die Jugend der 90er / 2000er als der heutigen Zeit. Durch wenige Verweise wie die Jagd auf Pokemon wurde die Handlung aber im Hier und Jetzt fixiert, wodurch für mich ein etwas unstimmiger Eindruck entstand.

Die Handlung spitzt sich schließlich zu. Das Chaos in Alex‘ Innerem treibt sie zu immer impulsiveren Handlungen, die Grenzen testen und schließlich überschreiben. Ein mittels Foto festgehaltener Moment ist es schließlich, der Alex emotionales Kartenhaus in sich zusammenstürzen lässt. Hier findet man sich schließlich in der zu Beginn des Buches geschilderten Situation wieder und die Geschichte wird zu einem Abschluss geführt, der mich berühren konnte und dessen Botschaft ich als sehr stimmig und passend erlebte.

„Mehr schwarz als lila“ erzählt die Geschichte von Alex, ihren beiden besten Freunden und einer Menge Gefühlen, die alles durcheinander bringen. Die ungewöhnliche, mit Stilmitteln beladene Sprache wurde für mich bald zu Alex Stimme, die von Freundschaft, Liebe und dem Erwachsenwerden erzählt. Eine ruhige und zugleich starke, authentische Geschichte, die ich sehr gern weiterempfehle.

Veröffentlicht am 21.03.2017

Nichts rein, nichts raus - vier Männer, vier Frauen und zwei Jahre unter Glas

Die Terranauten
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Dawn, Ramsay und Linda teilen den gleichen Wunsch: Sie wollen Terranauten werden und sich für zwei Jahre in der „Ecosphere 2“ einschließen lassen. In dieser riesigen, von einer Glaskuppel abgeschirmten ...

Dawn, Ramsay und Linda teilen den gleichen Wunsch: Sie wollen Terranauten werden und sich für zwei Jahre in der „Ecosphere 2“ einschließen lassen. In dieser riesigen, von einer Glaskuppel abgeschirmten Anlage soll sich ein neues, geschlossenes Ökosystem stabilisieren. Während der ersten Mission wurde die Luftschleuse aber schon nach wenigen Wochen und dann immer wieder kurz geöffnet. Für die Mission-2-Crew ist deshalb klar: Nicht rein, nichts raus – zwei Jahre lang bis zum Austausch der Crew. Vier Männer und vier Frauen lassen sich einschließen. Unter ständiger Beobachtung durch die Organisatoren und die Öffentlichkeit muss die Crew ökologische, aber auch technische, menschliche und emotionale Herausforderungen bewältigen.

Das Cover fällt durch den Menschen im Raumanzug, der inmitten von Grün steht, ins Auge. Was hat jemand mit solch einem Anzug in einer so lebendigen Umgebung zu suchen? Für mich ist es eine gelungene Anspielung auf das Selbstverständnis der Terranauten, die sich zwar nicht im Raumanzug, aber im roten Overall in die „Ecosphere 2“ einschließen lassen, um als Pioniere in der Erforschung eines geschlossenen Ökosystems zu agieren. Ein Traum, der für zwei der drei Erzählenden bald Wirklichkeit wird.

Das Buch beginnt etwa einen Monat vor dem Einschluss. Man lernt die drei Protagonisten Dawn, Ramsay und Linda kennen kurz bevor sie erfahren, ob sie Teil der Crew sind. Dawn und Linda wissen, dass sie für die gleiche Funktion in Frage kommen und nur eine von ihnen bei dieser zweiten Mission dabei sein wird. So ist die Enttäuschung bei einer von ihnen natürlich groß, sie wird weiterhin nur von außen mitarbeiten. Man erhält deshalb ganz unterschiedliche Eindrücke von den laufenden Vorbereitungen, während der man sich mit den dreien als Leser vertraut machen kann.

Bald ist es so weit und es kommt zum Einschluss der acht Terranauten, die außer Licht, Strom und Informationen zwei Jahre lang nichts von außen erhalten werden. Ich fand es höchst faszinierend, zu beobachten, wie jeder auf seine Art mit der Situation umgeht und sich arrangiert. Die anfängliche Aufregung lässt bald nach, und die Crew muss sich mit Hunger, Kakerlaken, zwischenmenschlichen Spannungen, der ständigen Überwachung, technischen Problemen noch mehr auseinandersetzen. Der Fokus bleibt auf den beiden eingeschlossenen Erzählenden. Man lernt sie immer besser kennen, begleitet sie durch wenige Höhen und viele Tiefen und erlebt mit, wie die Erlebnisse sie als Menschen nachhaltig prägen.

Auch außerhalb der Glaskuppel geht das Leben weiter. Hier begleitet man die zurückgestellte Terranautin, die mit der Aussicht darauf, zwei Jahre später Teil der Mission-3-Crew zu werden, weitermacht. Neid beherrscht ihre Gedanken, wodurch es auch mal anstrengend wurde, ihre Kapitel zu lesen, doch ich konnte ihre Gefühle nachvollziehen. Durch sie wird zudem noch deutlicher, wie groß das Ausmaß der Überwachung und Manipulation ist, mit dem die Organisatoren die Terranauten steuern wollen. Doch ihnen bleiben letztendlich nur Worte, wenn sie die Schleuse nicht öffnen wollen. Und nach einem großen Knall will vor allem ein Terranaut um jeden Preis ihren Kopf durchsetzen.

Das Geschehen „drinnen“ wie „draußen“ konnte mich fesseln. Vor allem die Dynamiken und Entwicklungen auf der zwischenmenschlichen Ebene fand ich sehr interessant. Immer tiefer dringt der Leser ins Innenleben der Protagonisten vor, sodass ich über ihr Handeln zwar den Kopf schütteln musste, doch gleichzeitig verstand, was sie zu teils drastischen Entscheidungen antreibt. Voller Neugier erwartete ich den Moment, in dem die Luftschleuse geöffnet wird. Doch damit ist es nicht vorbei, sondern es wartet die nächste Überraschung, und so wird die Spannung weiter gehalten bis zu einem recht offenen Ende, das hier absolut angebracht ist.

„Die Terranauten“ erzählt lose basierend auf einer wahren Geschichte von vier Männern und vier Frauen, die sich für zwei Jahre unter einer Glaskuppel einsperren lassen wollen, um die Stabilisierung eines geschlossenen Ökosystems zu erforschen. Die Einblicke ins Innere der Beteiligten und die zwischenmenschlichen Dynamiken fand ich höchst faszinierend. Immer neue Zwischenfälle und zu treffende Entscheidungen hielten trotz des eher ruhigen Tempos die Spannung aufrecht. Ein herausragender Roman, der mich durchweg begeistern konnte!