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Veröffentlicht am 29.02.2020

Mitreißende Adaption griechischer Mythologie

Das Lied des Achill
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Nach einem tragischen Unfall wird der junge Prinz Patroklos ins Exil nach Phthia geschickt, wo er mit dem gleichaltrigen Achill aufwächst. Auch wenn die beiden sehr unterschiedlich sind, werden sie doch ...

Nach einem tragischen Unfall wird der junge Prinz Patroklos ins Exil nach Phthia geschickt, wo er mit dem gleichaltrigen Achill aufwächst. Auch wenn die beiden sehr unterschiedlich sind, werden sie doch schnell zu besten Kameraden. Aus Freundschaft entsteht schließlich Liebe - eine Liebe, die immer wieder auf die Probe gestellt wird. Vor anderen müssen sie sich verstellen, Achills Mutter, der Nymphe Thetis, ist die Beziehung ein Dorn im Auge und ein altes Versprechen Patroklos' droht einem von ihnen den Tod zu bringen.

Schon "Ich bin Circe" von derselben Autorin konnte mich restlos begeistern und nicht anders ist es mit "Das Lied des Achill". Die Handlung wird aus Patroklos' Sicht erzählt und umfasst sein gesamtes Leben, von der Kindheit bis ins Erwachsenenalter. Im Fokus steht natürlich die Beziehung zu Achill. Während der schneller, stärker und ein besserer Kämpfer als alle anderen ist - was ihm den Namen "Aristos Achaion", der "Beste der Griechen" einbringt - ist Patroklos aus weicherem Holz geschnitzt. Er ist sehr empfindsam, hat ein starkes Bedürfnis nach Gerechtigkeit und findet erst durch die Erziehung durch den Zentauren Cheiron zu sich selbst.

Da er kein Kämpfer ist, bleibt Patroklos nur die Möglichkeit, seiner großen Liebe Achill stets bedingungslos zu folgen - auch in die Trojanischen Kriege, wo er in dessen Streitwagen sein Leben riskiert. Nach und nach zieht er sich dann jedoch aus dem Kampfgeschehen zurück und wendet sich der Heilkunst zu. Achill hingegen steigt sein Ruhm immer mehr zu Kopf, so dass er schnell Feinde um sich schart. Wie wird Patroklos sich entscheiden, wenn er zwischen dem, was gut und richtig ist und seinem Geliebten wählen muss?

Mit "Das Lied des Achill" ist Madeline Miller erneut eine mitreißende Adaption griechischer Mythologie gelungen. Natürlich sind gewisse Teile der Handlung mit Vorkenntnissen in diesem Gebiet vorhersehbar. Da jedoch mehr wert auf die Entwicklung der beiden Helden und ihre Beziehung zueinander gelegt wird, tut dies dem Lesevergnügen keinen Abbruch. Bleibt nur zu hoffen, dass Madeline Miller sich in Zukunft noch weiteren antiken Helden literarisch widmen wird.

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Veröffentlicht am 27.02.2020

Eines meiner Jahreshighlights 2019

Der Gesang der Flusskrebse
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Oktober 1969. Im Marschland entdecken zwei Jungen die Leiche von Chase Andrews, einem der beliebtesten Söhne der Stadt, ehemals Starquarterback und Frauenheld. Schnell fällt der Verdacht auf diejenige, ...

Oktober 1969. Im Marschland entdecken zwei Jungen die Leiche von Chase Andrews, einem der beliebtesten Söhne der Stadt, ehemals Starquarterback und Frauenheld. Schnell fällt der Verdacht auf diejenige, auf die schon immer herabgeschaut und die schon immer verspottet wurde: das Marschmädchen.

August 1952. An einem heißen Morgen verlässt Kyas Mutter mit einem großen Koffer in der Hand ihre Kinder und den prügelnden Ehemann. Während die sechsjährige Catherine, genannt Kya, fest an ihre Rückkehr glaubt, verlassen die älteren Geschwister nach und nach die ärmliche Hütte in den Marschen. Kya bleibt allein mit dem Alkoholikervater zurück. An guten Tagen gehen sie gemeinsam angeln und er bringt ihr alles über die Marschen bei, was er weiß. An schlechten Tagen muss Kya vor den brutalen Überraschungsattacken ihres Vaters fliehen und verkriecht sich tief in den Marschen.

Gekonnt verwebt Delia Owens in "Der Gesang der Flusskrebse" zwei Handlungsebenen miteinander: zum einen Kyas Kindheit und Erwachsenwerden seit dem Fortgang der Mutter, zum anderen den Erzählstrang, der mit dem Leichenfund beginnt und den ganzen Kriminalfall bis zum Gerichtsurteil verfolgt. Am Ende werden beide Stränge sich treffen und für den Leser ein stimmiges, wenn auch verstörendes Bild abgeben. Die Sprache der Autorin ist dabei zart und poetisch, vor allem dann, wenn sie Kyas geliebtes Marschland beschreibt. Vor den Augen des Lesers wird dieser Rückzugsort des jungen Mädchens lebendig. Immer wieder sind auch Gedichte in den Text eingebettet.

Überhaupt ist dieses Buch eine Geschichte der leisen Töne - abgesehen von dem Tod vom Chase Andrews sind es nur viele kleine Dinge, die die Handlung vorantreiben. Schon von Kindesbeinen an wird Kya mit der Abneigung der Menschen von Barkley Cove konfrontiert. Obwohl die Eltern aus durchaus angesehenen Familien stammen, landen sie mit ihren Kindern im Marschland und sind von nun an nur noch "das Sumpfpack". Mütter ziehen ihre Kinder von Kya fort, wenn sie ihr auf der Straße begegnen und so bricht sie auch nach einem einzigen Tag die Schule ab, weil sie die Hänseleien der anderen Kinder nicht ertragen kann.

Einzige Vertraute in diesem einsamen Leben sind der schwarze Ladenbesitzer Jumpin' und seine Frau Mabel, die allein aufgrund ihrer Hautfarbe in der Kleinstadt schon zu den Außenseitern gehören. Sie ermöglichen der kleinen Kya das Überleben, indem sie ihr Lebensmittel, Kleidung und Benzin für ihr geliebtes Boot eintauschen. Und dann ist da noch Tate, ein Freund von Kyas Bruder Jodie. Er besucht sie immer wieder in den Marschen, schenkt ihr die schönsten Federn, die er finden kann und bringt ihr außerdem das Lesen bei. Doch dann entscheidet er sich, aufs College zu gehen und Kya bleibt ein weiteres Mal allein zurück - eine Situation, die Chase Andresw für sich zu nutzen weiß.

Die Kriminalhandlung in "Der Gesang der Flusskrebse" spielt nur eine untergeordnete Rolle. In seinem Kern ist der Roman ein Buch über die Macht der Vorurteile und der Ausgrenzung. Was der Mensch nicht kennt, was er nicht versteht, das fürchtet er und so wird Kya schon lange vor dem Leichenfund in den Augen ihrer Mitmenschen zur Täterin. Was geschieht mit einem Kind, das in solcher Einsamkeit aufwächst? Und was wird aus einem Menschen, dem immer nur grundlos mit Ablehnung begegnet wird? Das sind Fragen, die Delia Owens in ihrer grandiosen Geschichte zu ergründen sucht. Denn Kya Clark ist nicht dumm oder schmutzig, nicht zurückgeblieben oder gefährlich - sie ist einfach nur ein wenig anders als die anderen. Ein Mädchen, das immer nur von allen verlassen wurde. Ob sie darüber hinaus auch noch zu einer Mörderin geworden ist, das muss der Lauf der Geschichte zeigen.

Fazit: "Der Gesang der Flusskrebse" ist definitiv kein einfaches, kein bequemes Buch, aber das muss Literatur ja auch gar nicht sein, oder?

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Veröffentlicht am 02.02.2020

Spannendes Kinderbuch mit wichtiger Botschaft

Das Wolkenschiff – Aufbruch nach Südpolaris (Das Wolkenschiff 1)
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Die Zwillinge Arthur und Marie leben mit der strengen Haushälterin Miss Wilder in Lontown. Ihr Vater ist zu einer Expedition nach Südpolaris aufgebrochen, um als erster den Pol zu erreichen und in die ...

Die Zwillinge Arthur und Marie leben mit der strengen Haushälterin Miss Wilder in Lontown. Ihr Vater ist zu einer Expedition nach Südpolaris aufgebrochen, um als erster den Pol zu erreichen und in die Geschichte einzugehen. Eines Tages kehrt ein gegnerisches Team mit einer furchtbaren Nachricht zurück: Ernest Brightstorm soll beim großen Rennen betrogen haben und ist seitdem im Eis verschollen. Ohne ihren Vater verlieren die Zwillinge alles; ihr Zuhause, ihren gesamten Besitz und das allerletzte Mitglied ihrer Familie - ihre Mutter ist bei der Geburt der beiden verstorben. Doch dann erfahren sie von einem erneuten Rennen zum Pol und der Chance, auf dem Luftschiff der Entdeckerin Harriet Culpfeffer anzuheuern. So könnten Arthur und Marie herausfinden, was mit ihrem Vater geschehen ist und vielleicht sogar seinen großen Entdeckertraum wahrmachen.

"Das Wolkenschiff" ist eine zauberhafte Abenteuergeschichte für Kinder ab etwa 10 Jahren. Die Zwillinge sind charakterlich sehr verschieden. Während Marie stets die Situation im Blick behält und bedacht handelt, ist Arthur ein impulsiver Hitzkopf. Er hatte es im Leben bisher nicht immer einfach, da ihm ein Arm fehlt, den Technikgenie Marie durch eine mechanische Konstruktion ersetzt hat. Zum Glück wird der Junge jedoch im Verlauf der Handlung die Erfahrung machen, dass es keine Rolle spielt, woher man kommt oder wie man aussieht, so lange man das Herz auf dem rechten Fleck hat. Eine wertvolle Botschaft!

Die Handlung ist spannend und bietet dank der Luftschiffe und anderer technischer Errungenschaften echte Steampunk-Atmosphäre. In Harriet Culpfeffer haben die Kinder eine Mentorin, die sie und ihre Pläne ernst nimmt, in Eudora Vane hingegen eine Antagonistin, die für Geldgier und Unehrlichkeit steht. Gewürzt wird die Geschichte noch mit einigen fantastischen Elementen wie zum Beispiel den so genannten Weisewesen; Tieren mit hoher Intelligenz und besonderen Fähigkeiten. Einziger Kritikpunkt ist vielleicht, dass Arthur und Marie oft nicht wie 12-Jährige sprechen und handeln, aber dieser Motor ist wohl notwendig, um die Handlung voranzutreiben.

Fazit: eine spannende Entdeckergeschichte mit wichtiger Botschaft

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Veröffentlicht am 04.01.2020

Tipps fernab von Fitzek und Co

Nervenkitzel
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In einem handlichen kleinen Büchlein stellt Miriam Semrau uns 99 Krimis vor, die sie für besonders hält. Das Genre Krimi ist dabei etwas weiter zu fassen, denn es finden sich auch Werke darunter, die das ...

In einem handlichen kleinen Büchlein stellt Miriam Semrau uns 99 Krimis vor, die sie für besonders hält. Das Genre Krimi ist dabei etwas weiter zu fassen, denn es finden sich auch Werke darunter, die das Wort "Thriller" oder einfach nur "Roman" auf dem Cover tragen. Zur Einordnung hat sie sich ein eigenes Schema ausgedacht: 1 bis 3 Wolken geben an, wie düster der Roman ist, 1 bis 3 Blitze zeigen die Brutalität und 1 bis 3 Sonnen den Humorgehalt des Buches an. Dabei arbeitet die Autorin sich aufsteigend nach Düsterheit vor, geht dann in den True Crime-Bereich über, in welchem Düsterheit und Brutalität überwiegen und sortiert dann absteigend nach Blitzen bis am Ende der Humor die Krimi-Handlung dominiert. Illustriert ist das Buch sehr ansprechend von Franziska Misselwitz. Die Buchcover sind gemalt, nicht fotografiert und die Seiten mit passenden kleinen Zeichnungen verziert - das lädt zum immer wieder Durchblättern ein.

Jedes Buch wird mit Autor und Titel erfasst, mit einer kleinen Landkarte räumlich eingeordnet und anschließend kurz beschrieben. Dabei erzählt Miriam Semrau nicht nur, worum es in dem jeweiligen Titel geht, sondern auch, was für sie das Besondere ist, warum sie gerade dieses Werk ausgewählt hat. In jeder Zeile ist zu spüren, dass diese Frau für Krimis und besonders für ihre eigenen Lesetipps brennt. Und diese sind wirklich vielfältig: Klassiker wie Agatha Christie oder Edgar Allan Poe sind ebenso darunter wie Politthriller, Historisches oder Humoriges. Es sind männliche und weibliche Autoren vertreten und Handlungsorte auf jedem Kontinent der Erde. In einigen kleinen Exkursen, genannt "Mimis Bonustracks", gibt die Autorin uns noch weitere Einblicke: Wie schafft sie es, so viel zu lesen? Sind Genre-Einteilungen in Spannungsromanen eigentlich sinnvoll? Welche Begegnungen und Momente mit Schriftstellern sind ihr am meisten im Gedächtnis geblieben? Und welches sind eigentlich ihre Lieblingsbuchhandlungen? Diese und weitere Fragen werden sympathisch und authentisch behandelt, denn nicht für alles hat die Autorin auch eine Antwort parat.

Topseller wie Sebastian Fitzek oder Donna Leon sind in diesem Buch nicht zu finden, denn die kennt sowieso schon jeder. Es sind Romane, die mehr Aufmerksamkeit verdienen oder die der Autorin besonders am Herzen liegen, die sie uns hier empfiehlt. Und die Lektüre führt unweigerlich dazu, dass nach und nach immer mehr Titel auf die Wunschliste wandern. Dabei kann nach Grad der Düsterheit, der Brutalität oder des Humors ausgewählt werden oder nach präferiertem Handlungsort. Nach der Lektüre habe ich zum Beispiel endlich zu Keigo Higashinos "Verdächtige Geliebte" gegriffen und kann daher sagen, dass Miriam Semrau mir nicht zu viel versprochen hat. Vielleicht wird sie uns in Zukunft noch einmal 99 Titel auswählen? Ideen genug hätte sie laut eigener Aussage dafür.

Veröffentlicht am 05.12.2019

Ganz mein Humor

Die Ewigkeit in einem Glas
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London, 1863. Bridie Devine hat eine neue Mission. Für ihren Auftraggeber soll sie dessen entführte Tochter wiederfinden, doch irgendetwas scheint seltsam an diesem Kind zu sein. Zu allem Überfluss stolpert ...

London, 1863. Bridie Devine hat eine neue Mission. Für ihren Auftraggeber soll sie dessen entführte Tochter wiederfinden, doch irgendetwas scheint seltsam an diesem Kind zu sein. Zu allem Überfluss stolpert Bridie bei Recherchen auf dem Friedhof noch über den Geist des Boxers Ruby. Der beschließt aus Mangel an Beschäftigung - denn was soll man als Toter schon groß mit sich anfangen? - unserer Protagonistin zu folgen, um ihr bei den Ermittlungen zur Seite zu stehen. Dabei ist er im Übrigen nur mit einer langen Unterhose und einem Hut bekleidet und behauptet steif und fest, Bridie und er würden sich bereits kennen. Doch warum hat die ihn dann völlig vergessen?

Wie schon die Kurzbeschreibung des Inhalts verrät: dieses Buch ist herrlich skurril. Das beginnt schon bei den Figuren. Da wäre beispielsweise Bridie mit der wohl hässlichsten Witwenhaube überhaupt oder Cora, ihr zwei Meter großes Hausmädchen. Nicht zu vergessen: ein Pfarrer, der aus Verachtung für seine menschliche Gemeinde beschlossen hat, seine Kirche von nun an mit tierischen Bewohnern zu füllen. (Wer will es ihm verübeln?)

Der Schreibstil unterstreicht das Sonderbare der Handlung gekonnt, der Ton ist humorvoll-ironisch, aber dennoch liebevoll. Erzählt wird im Präsens und der sie-Form; hauptsächlich aus zwei verschiedenen Perspektiven: der von Bridie selbst und derjenigen des Kindermädchens Mrs Bibby. Doch auch in die Köpfe der anderen Figuren kann der personale Erzähler blicken und beleuchtet so das Geschehen aus verschiedenen Blickwinkeln. Dabei erfährt der Leser nicht nur etwas über Bridies aktuellen Fall, sondern es sind auch zahlreiche Rückblenden in die Vergangenheit der beiden Frauen eingebaut.

So spinnt Jess Kidd gekonnt zahlreiche Handlungsfäden, die sie am Ende zu einem runden Ganzen verwebt. Genretechnisch lässt sich das alles nur schwer in eine Schublade zwängen: historischer Krimi mit fantastischen Elementen - das wäre mein Versuch. Aber letztendlich spielt das ja auch keine Rolle, denn "Die Ewigkeit in einem Glas" ist einfach grandios!

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