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Veröffentlicht am 12.09.2022

Über drei Schwestern

Triskele
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Mercedes, Mira und Matea sind Schwestern. Im Moment haben sie jedoch den Bezug zueinander verloren oder vielleicht gab es den auch nie richtig? Mercedes und Mira trennen 16 Jahre Altersunterschied, genauso ...

Mercedes, Mira und Matea sind Schwestern. Im Moment haben sie jedoch den Bezug zueinander verloren oder vielleicht gab es den auch nie richtig? Mercedes und Mira trennen 16 Jahre Altersunterschied, genauso wie Mira und Matea – miteinander aufgewachsen sind alle drei also nicht wirklich. Dann jedoch begeht Simone, die Mutter der drei, Selbstmord und die Schwestern müssen nicht nur den Nachlass regeln, sondern auch wieder aufeinander zugehen.

„Triskele“ ist nach „Kintsugi“ Miku Sophie Kühmels zweiter Roman. Erzählt wird im Wechsel von allen drei Schwestern in der Ich- und Gegenwartsform. Wer genau gerade spricht, muss immer aus dem Kontext abgeleitet werden, aber nach kurzer Zeit erkennt man die Schwestern auch an ihrem Ton. Mercedes, die Älteste, ist eher still und analytisch, Mira in der Mitte sehr quirlig und laut, Matea, die Jüngste, eine Mischung aus beiden. Der Titel „Triskele“ bezieht sich natürlich auf die drei Schwestern, aber auch auf ein Schmuckstück, das Mira als Teenager in einem Frankreichurlaub gekauft und ihrer Mutter geschenkt hatte.

Der Roman hat sicherlich Trauer und den Umgang mit einem Suizid zum Thema. Über Mutter Simone finden wir nur in Anekdoten und Erinnerungen ihrer Töchter etwas heraus und scheinbar litt sie an Depressionen. Im Verlauf der Handlung fragt man sich unweigerlich, warum diese Frau eigentlich Kinder bekommen hat und warum in diesem großen Abstand – vermutlich wusste sie das aber selbst nicht. Miras Anhänger, zum Beispiel, trug sie nie. Über die Väter der drei Schwestern erfahren wir nichts, sie selbst haben alle drei nicht kennengelernt. Überhaupt spielen Männer nur eine sehr untergeordnete Rolle im Roman.

Das eigentliche Highlight sind die feinen Verbindungen zwischen den Schwestern, die nach und nach wieder an Stärke gewinnen. Am Anfang wissen sie kaum etwas voneinander. Mercedes verheimlicht Probleme im Job, Mira ihr Liebesleben und Mati findet online Zuflucht - bis sie am Ende durch die gemeinsame Auseinandersetzung mit ihrer Mutter und der Vergangenheit wieder zu einem Dreiklang werden.

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Veröffentlicht am 07.09.2022

Würdiger Trilogie-Abschluss

Falling for Eve Brown (Brown Sisters 3)
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Eve Brown hat schon die unterschiedlichsten Jobs ausprobiert, aber bei keinem ist sie lange geblieben. Als sie nach einem Vorfall während ihrer neusten Tätigkeit als Hochzeitsplanerin wieder einmal alles ...

Eve Brown hat schon die unterschiedlichsten Jobs ausprobiert, aber bei keinem ist sie lange geblieben. Als sie nach einem Vorfall während ihrer neusten Tätigkeit als Hochzeitsplanerin wieder einmal alles hinwirft, haben ihre Eltern genug: Eve soll endlich ausziehen und zumindest ein Jahr lang einer Arbeit treu bleiben. Gleichzeitig kämpft Jacob Wayne um den Erhalts seines Traums, eines kleinen Bed & Breakfast. Seine Köchin hat gekündigt und ein wichtiges Festival steht bevor – allein kann Jacob das alles nicht bewältigen. Durch Zufall platzt Eve in seine Bewerbungsgespräche für neues Küchenpersonal und bringt sein Leben und das „Castell Cottage“ ordentlich durcheinander.

„Falling for Eve Brown“ ist der finale Band der Trilogie der Autorin Talia Hibbert über die drei Brown-Schwestern. Er wird aus der Sicht der jüngsten – Eve – erzählt, aber auch Jacob kommt immer wieder zu Wort. Von Beginn an liefern sich die beiden einen verbalen Schlagabtausch und es ist deutlich zu spüren, wie gut es beiden tut, dass endlich jemand klar mit ihnen kommuniziert. Was Eve an Begeisterungsfähigkeit und Charme besitzt, ergänzt Jacob durch seinen analytischen Blick und seine Effizienz; die beiden sind bald ein perfektes Team – wenn da nur nicht eine große Entscheidung bevorstünde, die Eve zu treffen hat.

Talia Hibberts Romance Novel zeichnen sich durch ihre Diversität und gleichberechtigte Paare aus; das schätze ich so an ihnen. In diesem widmet sie sich dem Thema Autismus. Jacob lebt schon seit seiner Kindheit mit dieser Diagnose. Weil seine Eltern mit ihm nicht mehr umgehen konnten und wollten, wuchs er bei seiner Tante auf. Kommunikation und das Verhalten anderer zu deuten, fällt ihm schwer. Mit Eve hingegen ist alles einfach, denn sie trägt ihr Herz auf der Zunge.

Um ehrlich zu sein, ist Eve mit ihren lila farbenen Haaren und ihren Sprüche-T-Shirts mein Liebling unter den drei Brown-Schwestern. Sie ist absolut chaotisch (sie überfährt Jacob aus Versehen mit dem Auto!), aber unglaublich warmherzig und voller Kreativität – bisher hat ihr nur niemand zugehört, was sie im Leben wirklich will. Ein würdiger Trilogie-Abschluss.

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Veröffentlicht am 05.09.2022

Nicht so ergreifend wie "Weiches Begräbnis"

Wütendes Feuer
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Yingzhi ist eine zielstrebige junge Frau. Nach dem Ende ihrer Schulzeit entscheidet sie sich gegen ein Studium und fängt als Sängerin in einer Band an. Schnell merkt sie, dass die Männer nicht nur an ihrem ...

Yingzhi ist eine zielstrebige junge Frau. Nach dem Ende ihrer Schulzeit entscheidet sie sich gegen ein Studium und fängt als Sängerin in einer Band an. Schnell merkt sie, dass die Männer nicht nur an ihrem Gesang, sondern auch ihrem Körper interessiert sind und macht sich dies finanziell zunutze. Doch dann wird sie von einem ihrer Verehrer schwanger und heiratet. Damit landet Yingzhi nicht nur bei lieblosen Schwiegereltern, sondern auch in einer Abhängigkeit von einem Ehemann, der Geld lieber verspielt, als es zu verdienen. Die Wut in ihr wächst...

In ihrem zweiten ins Deutsche übersetzten Roman „Wütendes Feuer“ erzählt Fang Fang die Lebensgeschichte ihrer Protagonistin, mit dem Fokus auf deren Ehe und Mutterschaft, in der Vergangenheits- und Sie-Form. Yinghzhi sitzt zu Beginn der Handlung im Gefängnis und blickt auf die Momente zurück, die sie zu diesem Schicksal geführt haben. Vor ihrer bevorstehenden Hinrichtung will sie noch ihr Gewissen erleichtern und vertraut sich ihrer Zellengenossin an; dieses einführende Kapitel ist auch das einzige im Präsens verfasste. Aufgrund dieser Erzählsituation ist die Sprache des Romans eher einfach gehalten und widmet sich ausführlich den Gefühlen und Gedanken Yinghzhis.

Dem Nachwort zufolge ist die Handlung in den frühen 90er Jahren in der Provinz Hubei in Mittelchina angesiedelt. Für diese Zeit zeigt die Protagonistin eine ausgesprochen feministische Einstellung. Sie wünscht sich Gleichberechtigung, Eigenständigkeit, finanzielle Unabhängigkeit, versteht auf der anderen Seite aber auch nur zu gut, dass dies – vor allem in ihrer ländlichen Gegend – nicht zu realisieren ist. Sämtliche Versuche, sich aus diesem Leben zu befreien, schlagen fehl; die Gesellschaft ist noch nicht so weit, Yinghzhi in diesem Vorhaben zu unterstützen. So steuern die Ereignisse unaufhaltsam auf eine Katastrophe zu.

Der Ausgang der Geschichte ist von Beginn an klar und dennoch konnte sie für mich bei Weitem nicht dieselbe Dringlichkeit entfalten, wie Fang Fangs Roman „Weiches Begräbnis“, der zu meinen absoluten Highlights im vergangenen Jahr gehörte. Yinghzhi blieb mir bis zum Ende fremd.

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Veröffentlicht am 01.09.2022

Women's Prize 2022

Die leise Last der Dinge
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Benny ist zwölf Jahre alt, als sein Vater, ein Jazzmusiker mit Drogenproblem, von einem Hühnerlaster überfahren wird. Nun ist er allein mit seiner Mutter Annabelle, die zwar versucht, die Familie über ...

Benny ist zwölf Jahre alt, als sein Vater, ein Jazzmusiker mit Drogenproblem, von einem Hühnerlaster überfahren wird. Nun ist er allein mit seiner Mutter Annabelle, die zwar versucht, die Familie über Wasser zu halten, aber immer mehr im Chaos versinkt. Eines Tages beginnt Benny, Stimmen zu hören, die immer lauter werden und sich irgendwann nicht mehr ausblenden lassen. Es sind die Gegenstände um ihn herum, die zu ihm sprechen, doch weil ihm das natürlich niemand glaubt, landet er in der Psychiatrie. Dort lernt er ein Mädchen kennen, das Aleph und sie und ihre Clique verändern Bennys Leben.

Für „Die leise Last der Dinge“ wurde Ruth Ozeki mit dem Women‘s Prize for Fiction ausgezeichnet und zumindest vom Aufbau des Romans gesehen, kann ich das gut nachvollziehen. Die Handlung wird auf besondere Weise erzählt, nämlich von einem der Dinge, das zu Benny spricht. Er selbst mischt sich auch immer wieder ein und wendet sich direkt an die Leser/-innen, um das Erzählte zu kommentieren. In kurzen, eindringlichen Sätzen wird so geschildert, wie sich das Leben von Mutter und Sohn ohne den Vater ändert.

Das zentrale Thema des Buches ist sicherlich seelische Gesundheit. Mutter Annabelle kann den Tod ihres Mannes Kenji nicht verwinden und spürt noch immer seine Präsenz im Haus. In ihrer Trauer hortet sie jede Menge Dinge, so dass im Haus kaum noch Platz ist und der Vermieter mit Räumung droht. Benny hingegen kann all diese Gegenstände hören – kein Wunder, dass er das schließlich nicht mehr aushält und „verrückt“ wird. Doch was bedeutet das eigentlich, verrückt zu sein? Sind wir nicht alle irgendwie verrückt? Das findet zumindest das Aleph.

Leider gelang es mir nicht, eine Verbindung zu den Figuren aufzubauen. Benny mag ein typischer Teenager sein, aber das machte ihn mir nicht unbedingt sympathischer. Mutter Annabelle ist furchtbar lethargisch und das auch noch dann, wenn sie droht, ihren Sohn zu verlieren. Zudem ist der Roman oft etwas langwierig und die Botschaft am Ende fragwürdig. Nicht mein Favorit für den Women‘s Prize, aber dennoch ein gut geschriebenes Buch mit wichtigem Grundthema.

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Veröffentlicht am 31.08.2022

Unverklärter Blick auf Mutterschaft

MTTR
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Ein Schwangerschaftstest auf der Bürotoilette verändert Teresas Leben, aber will sie wirklich Mutter sein? Erinnerungen an eine lieblose Kindheit und ein angespanntes Verhältnis zu den eigenen Eltern machen ...

Ein Schwangerschaftstest auf der Bürotoilette verändert Teresas Leben, aber will sie wirklich Mutter sein? Erinnerungen an eine lieblose Kindheit und ein angespanntes Verhältnis zu den eigenen Eltern machen die Entscheidung nicht einfacher. Doch als man sie in der Abtreibungsklinik zum Eingriff drängt, erwacht ihr Kampfgeist. Teresa wagt den Schritt in ein neues Leben als Mutter – wird sie ihrem Kind das geben können, was ihr selbst verwehrt blieb?

Julia Friese erzählt in „MTTR“ die Geschichte ihrer Protagonistin Teresa in der Ich-Perspektive und der Gegenwartsform. Zu Beginn ist der Stil ungewohnt kühl, wie ein Bericht, mit knappen, stakkatoartigen Sätzen und ungekennzeichneter mündlicher Rede. Teresa schildert wie in einem einzigen langen Gedankenstrom alles, was ihr widerfährt und was sie epmfindet. Dabei entspricht sie so gar nicht dem Klischee der freudigen werdenden Mutter, die schon vor der Geburt die Antworten auf alle Fragen hat.

Teresa ist eine ungemein „echte“ Figur. Die Beziehung zu ihrem Partner Erk hat Unsicherheiten, aber beide wollen gute, gleichberechtigte Eltern sein. Über ihnen schwebt das jeweilige Elternpaar, in den Nachkriegsjahren erzogen und sozialisiert. Vor allem Teresas Eltern behandeln ihre Tochter sehr abwertend und machen erst gar nicht den Versuch, deren Bedürfnisse zu befriedigen. Als Kind, das selbst mit Eltern dieser Generation aufgewachsen ist, sind mir viele der von ihnen verwendeten Sätze nicht unbekannt.

„MTTR“ steht als Abkürzung eigentlich für „Mean Time To Recover“, also die Zeit, welche ein System nach der Reparatur zur Wiederherstellung benötigt. (Sinnigerweise ist hier aber auch das Wort „Mutter“ ohne Vokale versteckt.) Wie ein defektes System, so fühlt sich Teresa – eine Frau, die an sich und ihren Qualitäten als Mutter zweifelt. Einige Schilderungen, zum Beispiel über die Tage im Krankenhaus, vor und nach der Entbindung, sind schwer zu ertragen, aber umso wichtiger. Es gibt schon genug Romane, die Schwangerschaften als einfache, romantische Angelegenheit verklären und damit Frauen unnötig unter Druck setzen. Ein bedeutsames und längst überfälliges Buch!

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