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Veröffentlicht am 27.01.2022

Netter zweiter Band

Aurora entflammt
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Gerade erst hat das Squad 312 eines seiner Mitglieder verloren, doch die nächste Mission steht bereits an. Die Zerstörung des Ra‘haam - ein Wesen, das sich Millionen andere Organismen einverleibt hat - ...

Gerade erst hat das Squad 312 eines seiner Mitglieder verloren, doch die nächste Mission steht bereits an. Die Zerstörung des Ra‘haam - ein Wesen, das sich Millionen andere Organismen einverleibt hat - ist noch immer das oberste Ziel und Aurora muss lernen, ihre gewaltigen Fähigkeiten gezielt einzusetzen. Neben der Global Intelligence Agency sind jedoch auch die Ungebrochenen unter der Führung von Kals Schwester Saedii hinter dem Squad her. Auf der Suche nach Hinweisen finden die sechs eine geheime Botschaft ihrer Ausbilder und für jeden ein seltsames Objekt. Wer hat sie ihnen hinterlassen? Nur eines der vielen Rätsel, das unser Team von Außenseitern lösen muss.

„Aurora entflammt“ ist der zweite Band der Reihe um das Squad 312 und schließt in seiner Handlung direkt an den ersten an. Für diejenigen, die sich nicht mehr so recht an die Geschehnisse erinnern können, steht gleich zu Beginn eine Zusammenfassung der bisherigen Ereignisse und ein Register der Hauptcharaktere. Erzählt wird erneut aus der Perspektive aller Figuren im Wechsel, was uns erlaubt, sie alle noch näher kennen zu lernen, zu verstehen, wie sie denken und fühlen und es uns möglich macht, an mehreren Orten gleichzeitig zu sein.

Ich gebe zu, Science Fiction interessiert mich kein Bisschen, aber Kaufman und Kristoff schaffen es, mich trotzdem bei Laune zu halten. Die Handlung ist gewohnt rasant und wirft das Squad in eine Vielzahl schwieriger, aber auch lustiger Situationen. Es ist deutlich zu spüren, dass sie näher zusammengewachsen sind und sich beinahe als Familie empfinden. Vor allem Finian und Zila treten dabei endlich aus dem Schatten der anderen heraus und erhalten noch mehr Tiefe und Hintergrundgeschichte.

Neben all dem Positiven einige kleine Kritikpunkte: „Aurora entflammt“ leidet ein wenig am Band 2-Syndrom, indem es im Prinzip eine lange Überleitung zum Finale darstellt. Wer nur schlecht auf Fortsetzungen warten kann, sollte hier lieber verzichten, denn der Cliffhanger am Ende ist fies. Darüber hinaus waren mir einige Handlungsstränge zu ausführlich und bestimmte sprachliche Wendungen wiederholten sich zu oft.

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Veröffentlicht am 22.01.2022

Erstes Jahreshighlight 2022

Dschinns
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Hüseyin steht kurz vor dem Renteneintritt und hat sich endlich den Traum von einer Wohnung in Istanbul erfüllt. Hier will er mit seiner Ehefrau die arbeitsfreie Zeit genießen und Besuch von seinen Kindern ...

Hüseyin steht kurz vor dem Renteneintritt und hat sich endlich den Traum von einer Wohnung in Istanbul erfüllt. Hier will er mit seiner Ehefrau die arbeitsfreie Zeit genießen und Besuch von seinen Kindern aus Deutschland bekommen. Doch dann kommt es anders: Hüseyin stirbt kurz nach der Ankunft in der neuen Wohnung, seine Familie steht unter Schock. In der Trauer um Vater und Ehemann kommen immer mehr Verletzungen, Distanziertheit und Geheimnisse ans Licht.

In „Dschinns“ erzählt Fatma Aydemir die Geschichte einer Familie in all ihren Facetten. Eingerahmt wird die Handlung von den Kapiteln der Eltern. Zuerst Hüseyin, der Vater und zum Schluss Emine, die Mutter. In beiden Fällen ist auch die Perspektive eine andere, denn es wird in der Du-Form erzählt, wie in einem Gespräch. Allein mit der Auflösung, wer hier eigentlich spricht, ist Aydemir ein echter Kunstgriff gelungen. Dazwischen eingebettet finden wir die Blickwinkel der vier Geschwister Ümit, Peri, Sevda und Hakan in personaler Erzählform, mal in der Gegenwart, mal in der Vergangenheit.

Die vier Geschwister sind in ihrem Wesen recht unterschiedlich. Ümit, der jüngste, eher zart und empfindsam, Peri eine Feministin mit starkem Willen, Sevda eine alleinerziehende Mutter, immer im Konflikt mit ihrer eigenen und Hakan, der schon als Kind Ärger gemacht hat und sich nicht ganz legal durchs Leben schlägt. Gemeinsam haben sie aber ihren Kampf mit der eigenen Identität, die Abgrenzung von ihren Eltern und ganz im Allgemeinen den Wunsch, ihren Platz in der Welt zu finden. Emine sticht dabei heraus, ist aber auch der große Reibungspunkt der Familie – umso bedeutsamer ist ihre Perspektive am Ende.

„Dschinns“ ist nicht nur ein sprachliches und erzählerisches Meisterwerk, es spricht auch eine Menge wichtige Themen an: die Auswanderung der Familie nach Deutschland und wie ihnen dort begegnet wird, die kurdische Herkunft, die sie verleugnen (müssen), die Traumata, die jedes einzelne Familienmitglied mit sich herumschleppt. Ich wünschte, ich könnte sie alle noch ein Stück auf ihrem Weg begleiten, so sehr sind sie mir ans Herz gewachsen. Definitiv mein erstes Highlight des Jahres!

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Veröffentlicht am 20.01.2022

Gutes Konzept, schwache Umsetzung

Ende in Sicht
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Hella ist 69 und hatte unter ihrem Künstlernamen mit „Ende in Sicht“ vor vielen Jahren einen großen Hit. Inzwischen ist sie jedoch in Vergessenheit geraten und vereinsamt. Als sie sich in die Schweiz aufmacht, ...

Hella ist 69 und hatte unter ihrem Künstlernamen mit „Ende in Sicht“ vor vielen Jahren einen großen Hit. Inzwischen ist sie jedoch in Vergessenheit geraten und vereinsamt. Als sie sich in die Schweiz aufmacht, um dort Sterbehilfe in Anspruch zu nehmen, landet die 15-jährige Juli vor ihr auf der Straße. Die will nämlich ebenfalls ihrem Leben ein Ende setzen und hat sich von der Autobahnbrücke gestürzt. Hella nimmt das Mädchen mit, um sie in ein Krankenhaus zu bringen und es entwickelt sich ein wahnwitziger Roadtrip.

„Ende in Sicht“ ist bereits der zweite Roman aus der Feder der Journalistin und Moderatorin Ronja von Rönne. Erzählt wird sowohl aus der Perspektive von Hella, als auch der von Juli – jeweils in der dritten Person und der Vergangenheitsform. Der Schreibstil ist von kurzen und prägnanten Sätzen geprägt, welche die Handlung gehetzt vorantreiben. Die beiden Protagonistinnen wirken auf den ersten Blick sehr unterschiedlich: Hella, älter und eine ehemalige Berühmtheit. Juli, eine Schülerin wie viele andere auch. Doch als sich die beiden endlich einander öffnen, werden Gemeinsamkeiten sichtbar – beide sind auf ihre Art sehr einsam, haben eine „abwesende“ Mutter und das Leben satt.

Die Prämisse des Romans klang für mich sehr spannend und hat mich sofort angesprochen, doch leider konnte die Umsetzung nicht ganz mithalten. Es fällt schwer, einen Bezug zu den Figuren aufzubauen. Hella hat einige Charakterzüge und Handlungsweisen an sich, die sie nicht unbedingt sympathisch machen, Julis Leid hingegen bleibt bis zum Ende nur schwer greifbar. Ronja von Rönne beschreibt zwar die Depression ihrer Protagonistin, emotional erreicht mich das Ganze jedoch nicht.

Hinzu kommt, dass einige Teile der Handlung nicht ganz glaubwürdig sind. Wer würde ein junges Mädchen, das offensichtlich gerade von einer Brücke gesprungen ist, einfach so wieder aus der Notaufnahme marschieren lassen? Und auch Hellas Kontaktaufnahme mit der Sterbehilfeorganisation wirkt nicht besonders realistisch. Spontan fallen mir einige Romane ein, die das, was die Autorin vorhatte, so viel besser machen, schade!

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Veröffentlicht am 17.01.2022

Grandioses Debüt

Milch Blut Hitze
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Zwei befreundete Teenager werden zu Blutsschwestern und teilen dieselben Träume und Sehnsüchte, doch bald darauf geschieht eine Tragödie. Ein Mann muss tatenlos dabei zusehen, wie seine Frau an einer Krebserkrankung ...

Zwei befreundete Teenager werden zu Blutsschwestern und teilen dieselben Träume und Sehnsüchte, doch bald darauf geschieht eine Tragödie. Ein Mann muss tatenlos dabei zusehen, wie seine Frau an einer Krebserkrankung stirbt; sie hat sich gegen die rettende Chemotherapie entschieden. In einem Dinnerclub lässt sich die reiche Elite mit immer neuen Delikatessen verwöhnen. Doch welches Tabu bleibt noch übrig, wenn alles Luxuriöse und Rare bereits ausgeschöpft ist?

Das sind nur drei von insgesamt elf Erzählungen aus Dantiel W. Monizs grandiosem Debüt „Milch Blut Hitze“. In einer klaren Sprache, die nichts verschleiert, beschreibt sie Menschen aus den unteren Gesellschaftsschichten im „Sunshine State“ Florida in den verschiedensten Lebenslagen. Egal ob Männer oder Frauen, Jungen oder Mädchen, Erwachsene, Jugendliche oder Kinder – sie alle sind auf ihre Art Außenseiter und extremen Bedingungen ausgesetzt. Das Leben meint es nicht gut mit ihnen, aber Hilfe ist nirgendwo in Sicht.

Die in den Geschichten behandelten Themen sind so vielfältig wie die Figuren selbst. Es geht um Beziehungen in Familien und zwischen Liebenden, um unerfüllten Kinderwunsch, aber auch darum, wie groß der Druck auf junge Frauen ist, unbedingt Mutter werden zu müssen. Die Autorin erzählt von Rassismus und Misogynie, von Suizidgedanken, sexuellem Missbrauch, tödlicher Krankheit, Verlust und Trauer. Ihre Geschichten sind daher vielleicht mit einer gewissen Vorsicht zu lesen und keine unschuldige Wohlfühllektüre. Im Gegenteil: sie fordern uns heraus.

Oft enden die Erzählungen mit einer gekonnten Pointe oder einem großen Knall, manchmal blendet Moniz aber auch – mal abrupt, mal sanft – aus und überlässt ihren Leser*innen die Entscheidung, wie es mit ihren Charakteren weitergehen soll. Allen Geschichten ist jedoch gemeinsam, dass sie von unglaublicher Kraft und sozialkritischer Bedeutung sind; so müssen moderne Kurzgeschichten sein. Mein persönlicher Liebling ist „Die Herzen unsere Feinde“ - was für eine fulminante, wenn auch recht boshafte Pointe, fabelhaft! Von dieser Autorin möchte ich definitiv noch so viel mehr lesen.

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Veröffentlicht am 16.01.2022

Gelungene Gesellschaftskritik

Inmitten der Nacht
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Amanda und Clay haben mit ihren Kindern Rose und Archie ein abgelegenes Ferienhaus in Log Island gemietet, um dort einen ruhigen Urlaub zu verbringen. Doch auf einmal stehen Ruth und G.H. vor der Tür, ...

Amanda und Clay haben mit ihren Kindern Rose und Archie ein abgelegenes Ferienhaus in Log Island gemietet, um dort einen ruhigen Urlaub zu verbringen. Doch auf einmal stehen Ruth und G.H. vor der Tür, die Hausbesitzer. Sie bitten um Unterschlupf und berichten Unglaubliches: In New York gab es einen Blackout, das Leben an der ganzen Ostküste ist lahmgelegt und aus Angst flohen die beiden in ihr Feriendomizil. Was ist in New York geschehen? Und können Amanda und Clay dem fremden Ehepaar wirklich vertrauen?

Die Handlung von „Inmitten der Nacht“ wird von einem allwissenden Erzähler geschildert, der immer wieder zwischen den einzelnen Charakteren hin- und herspringt und somit einen Einblick in die Psyche und Gedankenwelt jedes einzelnen von ihnen bietet. Das ist besonders interessant, weil so deutlich wird, mit welchen Vorurteilen sich die Erwachsenen gegenübertreten, während sich die beiden Teenager Rose und Archie nur wenig am nächtlichen Auftauchen ihrer Vermieter zu stören scheinen.

Das Aufeinandertreffen der Familie mit dem Ehepaar ist umso brisanter, da die beiden Schwarz sind. Vor allem Amanda hat sofort Vorbehalte, fühlt sich bedroht und findet es noch dazu überhaupt nicht plausibel, dass „solche Leute“ genug Geld besitzen sollen, sich ein luxuriöses Ferienhaus zu leisten. Es reinigen? Ja, das macht in ihren Augen mehr Sinn. Umgekehrt hat jedoch auch Ruth jede Menge Vorbehalten gegen die reichen Weißen, ihren Lebensstil und ihre Erziehung. Definitiv ein interessanter Blick auf und Kommentar über die US-amerikanische Gesellschaft. Der Roman fand sich übrigens auf Barack Obamas Liste der besten Bücher 2021 wieder – was umso amüsanter ist, wenn man die Seitenbemerkungen zu seiner Präsidentschaft im Text kennt.

„Inmitten der Nacht“ lies sich von Beginn an schwer einschätzen. Es begann wie ein Psychothriller, dann kamen immer mehr dystopische Elemente dazu (Stromausfall, keine Verbindung zur Außenwelt, Explosionen) bis alles schließlich beinahe in magischen Realismus überging (riesige Gruppen von Rehen und Flamingos im Garten, ausfallende Zähne). Das Ende bleibt dabei leider völlig offen.

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