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Veröffentlicht am 19.02.2021

Grandioser feministischer Roman

Kim Jiyoung, geboren 1982
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Kim Jiyoung ist 33 Jahre alt, mit ihrem Mann Chong Daehyon verheiratet und Mutter der kleinen Ziwon. Seit deren Geburt im letzten Jahr hat sie aufgehört zu arbeiten und widmet sich „nur“ noch Kind und ...

Kim Jiyoung ist 33 Jahre alt, mit ihrem Mann Chong Daehyon verheiratet und Mutter der kleinen Ziwon. Seit deren Geburt im letzten Jahr hat sie aufgehört zu arbeiten und widmet sich „nur“ noch Kind und Haushalt, während ihr Mann oft bis Mitternacht und auch am Wochenende arbeitet. Doch dann nimmt das Leben der drei eine Wendung: Nach und nach fallen Chong Daehyon immer mehr beunruhigende Veränderungen an seiner Frau auf, bis sie beginnt, in der Stimme anderer Menschen zu sprechen – egal, ob diese noch leben oder bereits verstorben sind.

Ausgehend von diesem Punkt erzählt Cho Nam-joo die Lebensgeschichte der Protagonistin und da es sich bei „Kim Jiyoung“ um einen der häufigsten koreanischen Frauennamen handelt, ist es quasi die Geschichte jeder Frau dieser Generation in Korea. (Und im Prinzip auch der Autorin, wie sie selbst sagt.) Der Stil ist dabei für einen Roman ungewohnt, sehr sachlich und faktenlastig. Immer wieder sind in den Text statistische Angaben eingearbeitet, die die Situation der Frauen in Korea beleuchten. Was sich oft ein wenig sperrig lesen lässt, macht Sinn, wenn man am Ende erfährt, wer hier eigentlich über Jiyoungs Leben berichtet.

Was der Roman offen legt, macht wütend und ohnmächtig zugleich und das erst recht, wenn man feststellt, dass viele Erfahrungen auch Frauen in westlichen Kulturen nicht fremd sein dürften. Es ist von der systematischen Bevorzugung von Männern die Rede, die bereits im Kindesalter beginnt. Jiyoung und ihre ältere Schwester müssen fast alles im Haushalt erledigen, während der Bruder verhätschelt wird. Auch beim Kinderkriegen selbst ist stets der familiäre Druck vorhanden, einen Sohn zu gebären – was nach einer Reihe Töchter schon mal zu verzweifelten Abtreibungen führt.

Auch beruflich bleibt die Protagonistin stets hinter ihren Kollegen zurück, obwohl sie härter arbeitet und bessere Leistungen erzielt. Als sie schließlich ihre Tochter zur Welt bringt, ist die Karriere beendet, denn welche Alternative gäbe es in einer Gesellschaft, welche die Väter auf jegliche Art bevorzugt und die Mütter stets kritisiert? Egal, was Jiyoung auch tut, alles scheint falsch zu sein. Möchte sie trotz Schwangerschaft noch arbeiten, wird sie auf dem Weg dorthin beschimpft. Sitzt sie mit ihrem Baby im Kinderwagen auf einer Bank im Park, ist sie ein antriebsloser „Schma-mama-rotzer“. All dies hat sie an den Punkt gebracht, an dem sie zu Beginn des Romans ist.

Fazit: Ein grandioser feministischer Roman, dessen Sachlichkeit zugleich fasziniert und frustriert

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Veröffentlicht am 16.02.2021

Ein leiser Roman über die Kraft der Musik

Der Klang der Wälder
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Der Tag, an dem der junge Tomura durch Zufall der Arbeit eines Klavierstimmers lauscht, soll sein Leben für immer verändern. Der Klang der Töne löst etwas in ihm aus und so schlägt er ebenfalls den Pfad ...

Der Tag, an dem der junge Tomura durch Zufall der Arbeit eines Klavierstimmers lauscht, soll sein Leben für immer verändern. Der Klang der Töne löst etwas in ihm aus und so schlägt er ebenfalls den Pfad des Klavierstimmers ein, obwohl er selbst kein Instrument spielt und sich mit Musik auch nicht besonders gut auskennt. Rückschläge und Erlebnisse mit unzufriedenen Kunden lassen ihn dabei immer wieder an sich zweifeln, die Angst vor dem Scheitern ist groß. Doch dann lernt er die beiden Schwestern Kazune und Yuni kennen und beginnt zu begreifen, dass technische Perfektion nicht alles ist, was einen guten Stimmer ausmacht.

Natsu Miyashita ist mit „Der Klang der Wälder“ ein leiser, zarter Roman über die Kraft der Musik gelungen. Dass die Autorin selbst das Klavier liebt, ist aus jeder Zeile zu lesen. Von Beginn an verbindet Tomura mit den Tönen die Geräusche des Waldes seiner Heimat. Immer wieder wird er auf diese Emotionen zurückkommen, die ihm letztendlich helfen, sein Handwerk noch besser auszufüllen. Und auch Tomuras Kollegen, die unterschiedlicher nicht sein könnten, fördern jeder auf seine Weise, seine Begabung – sei es durch liebevolle Ermutigung oder harsche Kritik.

Eine Wende nimmt das Leben unseres Protagonisten jedoch vor allem durch seine Begegnung mit den beiden Schwestern, wobei es vor allem Kazunes Klavierspiel ist, das sein Innerstes anrührt. Von nun an möchte Tomura daher sein Können nutzen, um ihren musikalischen Weg zu unterstützen, doch es warten auch einige Hindernisse auf ihn.

Ich bin froh, dass die Autorin aus der Geschichte keinen Liebesroman gemacht hat – vor allem, da Kazune und Yuni noch Schülerinnen sind. Tomuras Interesse gilt rein dem künstlerischen Potenzial der beiden, was jedoch auch dazu führt, dass die Handlung stellenweise vor sich hinplätschert. Die metaphorisch-bildreiche Sprache, die niedergeschriebene Liebe zur Musik und der sympathische Protagonist tragen den Roman zwar, das „gewisse Etwas“ fehlt bis zum Ende leider. Hier hätte ich mir einfach mehr Tiefe gewünscht.

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Veröffentlicht am 14.02.2021

Mehr als eine Liebesgeschichte

Lotte Lenya und das Lied des Lebens
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Wer einmal gehört hat, wie Lotte Lenya die „Seeräuber Jenny“ oder „Surabaya Johnny“ singt, wird das für immer mit ihrer einzigartigen Stimme verbinden und nie mehr einer anderen Version lauschen wollen. ...

Wer einmal gehört hat, wie Lotte Lenya die „Seeräuber Jenny“ oder „Surabaya Johnny“ singt, wird das für immer mit ihrer einzigartigen Stimme verbinden und nie mehr einer anderen Version lauschen wollen. In ihrem Roman „Lotte Lenya und das Lied des Lebens“ erzählt die Autorin Eva Neiss die Geschichte dieser ungewöhnlichen Frau. Eingerahmt wird die Handlung von einem Prolog und Epilog, der im Jahr 1955 spielt und in welchem Lotte Lenya Bertolt Brecht noch einmal in Berlin besucht. Dazwischen wird im Präsens und personaler Erzählweise die Vergangenheit geschildert – beginnend in den 20er Jahren und mit einem Ereignis, das Lottes Leben für immer verändern sollte: die Begegnung mit dem Komponisten Kurt Weill.

Es ist unglaublich spannend zu lesen, wie die als Karoline Wilhelmine Charlotte Blamauer geborene junge Frau ihrem gewalttätigen Vater entflieht und sich als Schauspielerin Lotte Lenja (später dann auch Lenya geschrieben) neu erfindet. An Weills Seite gelingt ihr der künstlerische Durchbruch und sie lernt das Kollektiv rund um den Dramatiker Bertolt Brecht kennen. Vor allem das Kapitel zum Premierenabend der „Dreigroschenoper“ liest sich so herrlich lebendig, dass man sich wünscht, man hätte damals live dabei sein können.

„Lotte Lenya und das Lied des Lebens“ fokussiert sich zwar stark auf Lottes Zeit mit Kurt Weill und deren wechselhafter Beziehung, ist aber deutlich mehr als ein schnulziger Liebesroman. Man merkt sofort, wie viel Recherchearbeit hinter der Handlung steckt und wie viel Begeisterung für Lotte Lenya selbst. Der Roman wird definitiv von seiner starken Protagonistin getragen und ist ein gelungenes Zeitporträt. Lotte präsentiert sich einerseits als mutige Frau mit modernen Ansichten, auf der anderen Seite aber auch als verletzliches Mädchen, das sich wünscht, von allen geliebt zu werden.

Ich habe das Buch in einer Leserunde mit der Autorin gelesen und so noch mehr über den Entstehungsprozess und die Hintergründe der Handlung erfahren dürfen. Wenn es etwas zu kritisieren gäbe, dann die Tatsache, dass ich gerne noch viel mehr über Lottes Leben und Werk gelesen hätte.

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Veröffentlicht am 12.02.2021

Besser als Band eins

The Brooklyn Years - Was niemand erfährt
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Patrick O‘Doul, Mannschaftskapitän der Brooklyn Bruisers, geht auf dem Eis keinem Kampf aus dem Weg. Im Privaten meidet er jedoch enge Kontakte – keiner seiner Teamkameraden durfte bisher seine Wohnung ...

Patrick O‘Doul, Mannschaftskapitän der Brooklyn Bruisers, geht auf dem Eis keinem Kampf aus dem Weg. Im Privaten meidet er jedoch enge Kontakte – keiner seiner Teamkameraden durfte bisher seine Wohnung betreten und niemand soll ihn berühren, wenn es sich irgendwie vermeiden lässt. Das sind nicht unbedingt die besten Voraussetzungen für die Physiotherapeutin Ari Bettini, die seine verletzte Hüfte behandeln soll. Doch nach und nach gewinnt sie sein Vertrauen, bis ihre Vergangenheit droht, die beiden einzuholen.

„Was niemand erfährt“ ist bereits der zweite Band der Autorin Sarina Bowen rund um das Eishockeyteam der Brooklyn Bruisers. Die Handlung setzt kurz nach den Geschehnissen von Band eins ein und wird, wie üblich, wechselnd aus der Perspektive beider Hauptcharaktere erzählt. Natürlich ist das Grundschema der Geschichte kein neues, aber der flüssige Schreibstil der Autorin und die sympathischen Figuren führen dazu, dass man unweigerlich süchtig nach der Reihe wird.

Im ersten Band „Was von uns bleibt“ war ich noch unsicher, was ich von dem verschlossenen Patrick O‘Doul halten soll. Inzwischen mag ich ihn und Ari sogar deutlich lieber, als Leo und Georgia – ihnen fehlte, meines Erachtens, die Tiefe und charakterliche Entwicklung. Patrick hingegen ist ein komplexer Protagonist und es ist interessant und wichtig, die Geschichte einer traumatisierten Figur auch einmal aus einer männlichen Perspektive zu lesen. Auch ein Vertreter eines harten Männersportes wie er darf Ängste und Schwächen zeigen!

Ari als Protagonistin blieb mir hingegen etwas fremd. Auch sie befindet sich zu Beginn des Romans privat in einer schwierigen Situation und muss um ihren Job und ihre eigene Sicherheit bangen. Dennoch fand ich es sehr schade, dass ausgerechnet dann, als Patrick sich ihr endlich öffnen kann, Ari ihn immer wieder von sich stößt, dann aber doch wieder schwach wird. Hier hätte ich mir etwas mehr Rücksicht auf seine Gefühle gewünscht.

Fazit: Guter zweiter Band einer Reihe, die absolut von ihren Figuren lebt

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Veröffentlicht am 03.02.2021

Spannender Reiheneinstieg

Mein Schulgeist Hanako 1
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Sieben Legenden ranken sich um die Schule der Zehntklässlerin Nene Yashiro; die bekannteste ist aber wohl diejenige von „Hanako vom Mädchenklo“. Denn angeblich erfüllt der Geist in der Mädchentoilette ...

Sieben Legenden ranken sich um die Schule der Zehntklässlerin Nene Yashiro; die bekannteste ist aber wohl diejenige von „Hanako vom Mädchenklo“. Denn angeblich erfüllt der Geist in der Mädchentoilette im dritten Stock jedem einen Wunsch, der ihn herbeiruft – doch das hat immer auch einen kostbaren Preis…

Mit „Mein Schulgeist Hanako“ ist bei Manga Cult eine Reihe gestartet, die in Japan bereits 14 Bände umfasst und deren Ende bisher auch nicht in Sicht ist. Den Zeichenstil fand ich sofort sehr ansprechend und klar und vor allem im letzten Drittel des Mangas bringt er auch die gruseligen Elemente gut und realistisch zur Geltung.

Nene ist eine liebenswürdige, aber auch recht naive Protagonistin. Im Mädchenklo muss sie erst einmal feststellen, dass Hanako ein männlicher Geist ist und zu allem Überfluss auch nicht weiß, wie er ihr so genau helfen soll. Nach und nach stellt sich dann heraus, dass der erst so suspekt wirkende Hanako eigentlich auf der richtigen Fährte ist. Denn im Grund ihres Herzens weiß Nene gar nicht so genau, was sie sich eigentlich wünschen soll. So geht bei der tatsächlichen Wunscherfüllung natürlich auch so einiges schief. Im weiteren Verlauf kommt dann noch der Nachwuchsgeisterjäger Kou Minamoto hinzu, der zusätzlichen Schwung in die Handlung bringt.

Dieser erste Band ist eine gute Einführung in die Reihe, in welchem die wichtigsten Charaktere und einige der sieben Legenden rund um die Akademie vorgestellt werden. Über Nenes Wünsche, Hanakos wahres Gesicht und Kous Absichten wird erst in den kommenden Bänden mehr zu lesen sein. Der Schluss kommt dann auch recht plötzlich und an einer besonders spannenden Stelle – das frustet auf der einen Seite natürlich, macht aber auch Lust, hier so schnell wie möglich weiter zu lesen. Die Bände eins bis vier sind inzwischen zum Glück schon erschienen.

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