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Veröffentlicht am 05.03.2021

Liebesgeschichte zweier Außenseiter

Die Katzen von Shinjuku
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Yama ist Mitte zwanzig und arbeitet als Fernsehautor. Bisher hat er in diesem Beruf nicht besonders viel erreicht und wird daher von seinem Chef schikaniert. Eines Abends findet er durch Zufall seinen ...

Yama ist Mitte zwanzig und arbeitet als Fernsehautor. Bisher hat er in diesem Beruf nicht besonders viel erreicht und wird daher von seinem Chef schikaniert. Eines Abends findet er durch Zufall seinen Weg in eine Bar namens Karinka in Shinjuku – einem der belebtesten Viertel Tokios. Dort begegnet er einer Reihe seltsamer Gäste sowie der schweigsamen Kellnerin Yume. Nach und nach wird Yama zum Stammgast und erfährt nicht nur mehr über die streunenden Katzen, die stets am Fenster der Bar auftauchen, sondern auch über Yume. Die beiden nähern sich einander an, bis mehrere Ereignisse drohen, die zarten Bande der beiden wieder zu durchtrennen.

Durian Sukegawa gehört eindeutig zu meinen liebsten japanischen Autoren. Sein Roman „Kirschblüten und rote Bohnen“ hat mich sehr berührt und auch in „Die Katzen von Shinjuku“ beweist er, dass er ein Händchen für Charaktere hat. Yama und Yume sind beide Außenseiter und haben es schwer, sich in der Gesellschaft einzufinden. Körperliche Einschränkungen erschweren bei beiden die Lage noch zusätzlich. Während Yama hauptsächlich unter seinem erfolglosen Berufsleben leidet, scheinen Yumes Probleme sich auf etwas Persönliches in ihrer Vergangenheit zu beziehen. Vereint werden die beiden schließlich durch ihre Sorge für die streunenden Katzen des Viertels und ihre Liebe zur Poesie.

Der Autor erzählt unaufgeregt, aber eindringlich die Liebesgeschichte seiner Protagonisten aus dem Blickwinkel vom Yama. Dabei gewährt er auch einen Einblick in japanische Lebenswirklichkeiten wie den immerwährenden Druck im Arbeitsalltag oder die Situation alleinstehender Frauen. Große Teile des Romans gefielen mir dabei grundsätzlich sehr gut, bis die Handlung zu einem späteren Zeitpunkt eine bestimmte Wendung nahm. Mir ist klar, was Durian Sukegawa mit diesem Bruch bewirken wollte und das ist ihm sicherlich auch gelungen. Dennoch kann ich nicht verhindern, dass ich mir einen anderen Fokus gewünscht hätte und auch leicht frustriert über den weiteren Verlauf der Handlung war.

Fazit: Wieder ein schöner Roman aus Sukegawas Feder, aber nicht sein Bester

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Veröffentlicht am 28.02.2021

Düsterer Abschluss der Trilogie

Abhängigkeit
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Tove ist inzwischen eine junge Frau und endlich mit dem Verleger Viggo verheiratet. Doch schon kurz nach der Hochzeit beginnt die Unzufriedenheit. Es folgen weitere Ehen, Schwangerschaften, Geburten, aber ...

Tove ist inzwischen eine junge Frau und endlich mit dem Verleger Viggo verheiratet. Doch schon kurz nach der Hochzeit beginnt die Unzufriedenheit. Es folgen weitere Ehen, Schwangerschaften, Geburten, aber auch Abtreibungen. In ihrer dritten Ehe, mit Carl Ryberg, wird Tove schließlich von Betäubungsmitteln abhängig und ihr Leben steuert nach und nach auf eine Katastrophe zu.

Im dritten und finalen Band ihrer Trilogie erzählt Tove Ditlevsen sehr intensiv von ihrem Leben als (Ehe-)Frau, Mutter und Schriftstellerin. Den meisten Raum nimmt dabei wohl die Titel gebende Abhängigkeit ein, die jedoch auch sehr eng mit dem Thema Liebe verknüpft ist. Das besagt im Prinzip schon der Originaltitel „Gift“, was im Dänischen sowohl „Gift“ als auch „Ehe“ bedeuten kann. Toves Sucht und Carls ständiger Nachschub an Drogen scheinen zunächst die Beziehung der beiden zu intensivieren; sie werden unverzichtbar füreinander – darunter leidet jedoch gleichzeitig Toves Verhältnis zu ihrer kleinen Tochter und auch das Schreiben fällt ihr immer schwerer. Als Carls Sorge auf einmal zur psychotischen Obsession wird, begreift Tove, dass sich etwas ändern muss.

Dieser Roman ist sicherlich der düsterste, aber auch ehrlichste Roman der Trilogie. Das mag aufgrund des Themas absolut verständlich sein, dennoch fehlte mir die lustige, sarkastische, etwas naive Erzählstimme der jungen Tove. Stattdessen finden wir eine Protagonistin vor, die ihr Kind (bzw. später mehrere Kinder) vernachlässigt, um sich dem Rausch und vielleicht hin und wieder dem Schreiben hinzugeben. Natürlich ist auch hier wieder die Gesellschaft eine wichtige Komponente in dieser Entwicklung, die Frauen nicht zugesteht, selbstbestimmt zu handeln und zu leben. Dennoch blieb mir Tove in diesem Band ungemein fremd und für manches konnte und wollte ich einfach kein Verständnis aufbringen.

Die Art und Weise, zu erzählen, die Sprache, die Unmittelbarkeit – das alles ist weiterhin fabelhaft, keine Frage. Der Bezug zur Protagonistin ist mir jedoch leider verloren gegangen.

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Veröffentlicht am 25.02.2021

"Ocean's Eleven" im Weltall

Aurora erwacht
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Es ist das Jahr 2380 und der größte Tag im Leben des Musterschülers Tyler Jones steht an. Als bester Alpha der Aurora-Akademie hat er das Recht, sich am nächsten Morgen sein eigenes Team zusammenzustellen. ...

Es ist das Jahr 2380 und der größte Tag im Leben des Musterschülers Tyler Jones steht an. Als bester Alpha der Aurora-Akademie hat er das Recht, sich am nächsten Morgen sein eigenes Team zusammenzustellen. Doch weil er aus Nervosität nicht schlafen kann, bricht er zu einem kurzen Flug in die so genannte Raumfalte auf. Dort stolpert er über ein bisher unentdecktes Raumschiff mit nur einer Überlebenden an Bord: Aurora Jie-Lin O‘Malley. Er rettet ihr das Leben, verpasst aber die wichtige Zeremonie und ist somit für die nahe Zukunft an ein Team aus Außenseitern gebunden. Auch Aurora scheint ein Geheimnis zu umgeben und so nimmt das Schicksal seinen Lauf.

Die „Nevernight“-Reihe von Jay Kristoff habe ich geliebt. Diese, gemeinsam mit Amie Kaufman verfasste Trilogie, geht thematisch in eine ganz andere Richtung. Dennoch ist der typische Ton des Autors auch hier wiederzuerkennen: sarkastische Kommentare, Charaktere, die mit inneren Dämonen zu kämpfen haben, viele Schimpfwörter und eine ordentliche Portion Leserfrustration sind die untrüglichen Kennzeichen. Gemeinsam mit der Co-Autorin ergibt das eine wunderbare Symbiose und spannende Unterhaltung bis zur letzten Seite.

Das Highlight ist aber sicherlich das Team aus Außenseitern, welche die Handlung vorantreiben. Tyler, der Golden Boy und Anführer, Scarlett, seine Zwillingsschwester, die Diplomatin, Pilotin Cat, eine Draufgängerin und ungemein direkt, Techniknerd Finian, der mit seinen lockeren Sprüchen seine körperliche Behinderung überspielt, Wissenschaftlerin Zila, extrem still, aber dennoch wehrhaft, Kämpfer Kal, der sein ganzes Volk gegen sich aufgebracht hat und schließlich Aurora, die ihren Platz in dieser neuen Welt noch finden muss. Sie alle sind mir in diesem ersten Band ans Herz gewachsen.

Die eigentliche Haupthandlung ist nicht unbedingt neu; es sind einige recht bekannte Bausteine vorhanden. Ein Team aus Außenseitern, unkontrollierbare Kräfte, Konflikte zwischen Loyalität und dem Drang danach, „das Richtige“ zu tun, gemischt mit ein wenig „Ocean‘s Eleven“ im Weltall – das macht einfach Spaß!

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Veröffentlicht am 23.02.2021

Eindrucksvoll

Im Park der prächtigen Schwestern
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Hass und Verachtung haben Camila fort von ihrem Dorf und ihrer Familie geführt. Die Eltern haben keinerlei Verständnis für den zarten Sohn, der sich vor ihren Augen in eine Tochter verwandelt und so sucht ...

Hass und Verachtung haben Camila fort von ihrem Dorf und ihrer Familie geführt. Die Eltern haben keinerlei Verständnis für den zarten Sohn, der sich vor ihren Augen in eine Tochter verwandelt und so sucht sie mit 18 Jahren ein neues Leben in Córdoba. Während sie tagsüber studiert, verdient sie nachts im berüchtigten Sarmiento-Park ihren Lebensunterhalt als Prostituierte.

Dort ist sie zum ersten Mal Teil einer Gemeinschaft, mit der sie Probleme, Ängste, Wünsche und Träume teilen kann. Über allen schwebt als Mutterfigur die Tía Encarna, eine schwierige, aber herzensgute Frau, die bald darauf einen ausgesetzten Säugling bei sich aufnimmt. Der Junge wächst geliebt und mit einem ganzen Schwarm von Tanten auf, doch die Blicke der Nachbarn verheißen nichts Gutes für die Zukunft.

Wow, was für ein Buch! Der Schreibstil der Autorin ist mal poetisch, beinahe märchenhaft, mal eindringlich und hart und spiegelt damit Camilas Leben in allen Facetten wider: die Ersatzfamilie, die sie mit der Tía Encarna und den Schwestern gefunden hat, die wenigen Momente ausgelassener Freude, aber auch die Sehnsucht nach wahrer Liebe und die Schmerzen, die ein solches Leben mit sich bringt.

Diese Geschichte ist vieles. Autobiografie und Fiktion, faktische Nacherzählung und magischer Realismus, Coming of Age-Roman und Manifest für trans Rechte – vor allem aber die Kritik an einer Gesellschaft, die nachts im Schutze der Dunkelheit dort ihr Vergnügen sucht, wo sie tagsüber nur Ablehnung (im besten Fall) oder Gewalt (bis hin zu grausamen Morden) übrig hat. Unbedingt lesen!

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Veröffentlicht am 21.02.2021

Gelungener zweiter Band

Jugend
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Am 15. Februar ist mit „Jugend“ der zweite Band der Trilogie der dänischen Schriftstellerin Tove Ditlevsen auf Deutsch erschienen. Dieser knüpft direkt an die Handlung des ersten an und beginnt daher mit ...

Am 15. Februar ist mit „Jugend“ der zweite Band der Trilogie der dänischen Schriftstellerin Tove Ditlevsen auf Deutsch erschienen. Dieser knüpft direkt an die Handlung des ersten an und beginnt daher mit Toves erstem Arbeitstag. Es ist nicht zu viel verraten, wenn ich sage, dass dieser katastrophal verlaufen wird und die Stelle nur eine von vielen beruflichen Stationen auf Toves Weg sein wird. Und eigentlich will sie ja auch nur eines werden: Dichterin.

Obwohl der Schreibstil der Autorin natürlich grundsätzlich derselbe geblieben ist, ist aus diesem Band deutlich mehr Schalk zwischen den Zeilen zu lesen. Das erscheint auch insofern konsequent, da unsere Protagonistin nun das Teenageralter erreicht hat und neben ersten Joberfahrungen auch welche mit Männern sammelt. Ihre Herangehensweise ist dabei eher eine praktische, als eine romantische – eine erfrischende Perspektive, die immer wieder zum Schmunzeln verleitet.

So amüsant der Roman an vielen Stellen ist, so düster ist er an anderen. Politisch gesehen ist der Nationalsozialismus und die Machtergreifung Hitlers ein Thema. Durch die Begegnung mit ihrer fanatischen Vermieterin muss das junge Mädchen erkennen, dass politisches Desinteresse bzw. Naivität nicht bedeutet, dass diese keine Auswirkung auf das eigene Leben hat. Und auch im Privaten muss Tove immer wieder feststellen, dass ihre Rolle als Frau auf einige wenige Bereiche begrenzt ist. Gerade diese Erfahrung bringt sie schließlich auf die Idee, den wesentlich älteren Verleger Viggo Frederik Møller davon zu überzeugen, sie zu heiraten. Ob er zustimmen wird?

Auch Band zwei liest sich wieder so unterhaltsam und mitreißend wie schon der erste, wenn auch der Ton oft ernsthafter wird. Stellenweise ist es sehr anrührend, die junge Tove durch ihre Gefühlswelt zu begleiten. Immer wieder verschwinden Menschen, die ihr eigentlich helfen sollten, aus ihrem Leben – was irgendwann unweigerlich zu Verlustängsten, aber auch einer gewissen Resignation führt. Ich bin gespannt, was wir mit unserer Protagonistin im dritten Band erleben werden. Der Titel „Abhängigkeit“ verheißt zumindest nichts Gutes.

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