Ein sehr intensives, aufwühlendes und beeindruckendes Buch!
Wir sehen uns am Meer„Wir sehen uns am Meer“ von Dorit Rabinyan – ein Roman, der mich zutiefst berührt und vollkommen überrascht hat. Erwartet hatte ich eine tiefgründigere Liebesgeschichte, doch wurde ich schnell eines Besseren ...
„Wir sehen uns am Meer“ von Dorit Rabinyan – ein Roman, der mich zutiefst berührt und vollkommen überrascht hat. Erwartet hatte ich eine tiefgründigere Liebesgeschichte, doch wurde ich schnell eines Besseren belehrt. Dieses leise und unglaublich atmosphärische Buch durchlebt vordergründig die leidenschaftliche Beziehung zwischen der Jüdin Liat und dem Araber Chilmi, die nach den Anschlägen im Jahr 2002 unverhofft in New York aufeinandertreffen und in eine Affäre stolpern. Hintergründig aber beleuchtet der Roman vielmehr den Nahost-Konflikt zwischen Israelis und Palästinensern, mit allen (jeweiligen) Vorurteilen, Denkbarrieren und Kulturbefangenheiten. Ein großes Thema: die Religionen. In etwa: Juden als Opfer, Araber als Täter – Israelis als „Gute“, Palästinenser als „Böse“. Hier exemplarisch auf sehr sensible und doch eindringliche Weise betrachtet. Äußerlich verpackt als Beziehungsgeschichte, thematisiert das Buch neben der zarten Bande zwischen den beiden Hauptfiguren und Liats Heimlichkeiten immer wieder sehr detailliert und unverblümt die Sichtweisen und Befangenheiten beider Kulturen und Völker. Es geht um Stolz, um Trauer und dem Gefühl von Verlust und Ungerechtigkeit. Können Liat und Chilmi diese Hürden tatsächlich überwinden, oder bleiben sie am Ende in ihren Welten gefangen? Dorit Rabinyan hat mich mit ihrem sehr eingängigen, emotionalen und streckenweise schwermütigen bis trotzigen Schreibstil absolut überzeugt! Für mich war dieses Buch ein Plädoyer für die neutrale Herangehensweise, ein Überblicken aller Komponenten. Die hier dargestellten inneren Konflikte der Hauptprotagonisten spiegeln dies sehr stark wider. Liat, die sich der Warnungen ihrer Familie ("wegen der Araber“) nicht entledigen kann. Die Vorbehalte gegenüber den Moslems, die die Juden seit jeher „schlecht behandeln“. Chilmi, der ebenso durch seine palästinensiche Geschichte, durch seine Sehnsüchte und dem immerzu vorhandenen Empfinden der Unterdrückung durch die Israelis geprägt bleibt. Zwei Menschen, die nicht ohne ihre persönlichen Diskrepanzen sein können und doch nicht voneinander lassen wollen. Gefühle, Emotionen und Vorbehalte.. Trotzig, wütend und manches mal schwach die Protagonisten. Ein unglaublich dichter Roman. Toll konzipiert und in vielerlei Hinsicht nachdenklich stimmend. Alles in allem ein sehr intensives, aufwühlendes und beeindruckendes Buch, das in keinem Regal fehlen sollte! Absolute Leseempfehlung: 5 Sterne!