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Nilchen

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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 20.10.2022

Manege auf!

Das neue Zuhause
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Wer ein unaufgeregtes Vorlesebuch sucht, dass für Vorschüler:innen geeignet ist, wird bei den Petrellis fündig. Die Zirkusfamilie erbt eine Villa und zieht vom engen Zirkuswohnwagen in eine biedere Nachbarschaft. ...

Wer ein unaufgeregtes Vorlesebuch sucht, dass für Vorschüler:innen geeignet ist, wird bei den Petrellis fündig. Die Zirkusfamilie erbt eine Villa und zieht vom engen Zirkuswohnwagen in eine biedere Nachbarschaft. Aber Familie Petrelli wäre keine Zirkusfamilie, wenn sie nicht vieles mit Humor nehmen könnten und vor allem immer gut improvisieren könnte und vor allem: alle so nehmen wie sie sind. Da liegt die große Stärke in diesem doch recht unaufgeregten Kinderbuch. Im Grunde geht es um das Fremde, dass einem Nahe kommt und man diesem eher mit Neugier als mit Abstoß begegnen sollte.
Im Mittelpunkt stehen dabei Jonas, der die Nachmittage bei seinem Großvater verbringt und deren neue Nachbarn, die Petrellis. Eignet sich besonders gut für Vorschüler:innen, denn es klingt so manches Mal an, dass Jonas bald in die Schule kommt genauso wie Elisa Petrelli.
Nett zum Vorlesen und reichlich bunt und schön bebildert von Christian & Fabian Jeremies. Ich war ja in der Tat schockverliebt in die tollen Illustrationen und wirklich super wie zahlreich und passend sie sind. Der Text ist gut strukturiert und hat auch eine gewisse Vokabularbreite was ich bei Vorschul-Vorlesebüchern immer sehr gut finde. Hier hat Maren von Klitzing sehr gute Arbeit geleistet!
Es ist ein Auftaktband und wird im kommenden Jahr (2023) mit der Einschulung von Jonas und Elisa weitergeführt!

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Veröffentlicht am 12.10.2022

Idylle oder Alptraum?

Die Tote im Sturm - August Strindberg ermittelt
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Endlich mal wieder CrimeTime! So gerne wie ich anspruchsvolle Literatur lese, so gerne darf es dazwischen auch mal ein Krimi sein, aber bitte nicht zu platt. Daher fiel die Wahl dies Mal auf Kristina Ohlsson ...

Endlich mal wieder CrimeTime! So gerne wie ich anspruchsvolle Literatur lese, so gerne darf es dazwischen auch mal ein Krimi sein, aber bitte nicht zu platt. Daher fiel die Wahl dies Mal auf Kristina Ohlsson mit „Die Tote im Sturm“, das Buch war ein Bestseller in Schweden und lockte auch mit dem Klappentext. Ich kannte bisher keinen ihrer Krimis.
Es ist nicht nur ein Schwedenkrimi, es ist nahezu eine Liebeserklärung an den kleinen ruhigen Ort namens Hovenäset an der Schwedischen Westküste. Denn die Autorin schafft es eine großartige Atmosphäre zu kreieren mit ihren Beschreibungen, die hervorragend zum Fall passen. Es ist aber ganz und gar nicht langatmig und aus meiner Sicht eine Stärke des Textes. In diesen Ort zieht es den unglücklichen Geschäftsmann August Strindberg, er kauft die Räume eines Bestattungsunternehmens und möchte daraus ein Second Hand Laden machen. Tja, und dann nach einer stürmigen Nacht ist die Lehrerin Agnes Eriksson verschwunden und seine Immobilie scheint irgendwas damit zu tun zu haben. August beginnt seine eigenen Ermittlungen und unterstützt die Kriminalkommissarin Maria Martinsson.
Dies ist ein Auftaktband einer neuen Krimiserie rund um August Strindberg. Neben den Beschreibungen des Ortes machen die Personen hier viel aus. Der Fall ist zwar auch spannend, aber es gibt aus meiner Sicht hier nicht den MEGA kniffligen Fall zu lösen. Die beschriebenen Personen üben auch ihren Reiz aus und werden alle als unperfekte sympathisch Charaktere gebaut. Da möchte man nicht nur den nächsten Fall mit August Strindberg lösen sondern auch mehr über diesen Ort und seine Bewohner erfahren.

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Veröffentlicht am 10.10.2022

Eine Verwebung von politischem und privaten Entwicklungen

Lektionen
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Ian McEwan hat so einige hochgelobte Romane hervorgebracht, die gar verfilmt worden sind wie ‚Abbitte‘. Genauso hat er auch schon zwiespältige Romane geschrieben wie ‚Nussschale‘. Es gibt Schwankungen, ...

Ian McEwan hat so einige hochgelobte Romane hervorgebracht, die gar verfilmt worden sind wie ‚Abbitte‘. Genauso hat er auch schon zwiespältige Romane geschrieben wie ‚Nussschale‘. Es gibt Schwankungen, aber was er gerne macht und da kommt mir gleich der etwas ältere Roman ‚Saturday‘ in den Sinn ist das Private mit dem Politischen zu verbinden. Und genau das tut er hier auch. Auch wenn es vordergründig um den Protagonisten Roland Baines geht und dessen gesamtes Leben. Roland Baines, geboren 1948, genau wie Ian McEwan. Überhaupt webt der Autor scheinbar an der ein und anderen Stelle sein eigenes Leben ein, wie sollte es auch ausbleiben, wenn der Blick sich zurückwendet.
Baines ist ein durchschnittlicher Typ, anhand dessen Leben und seinen intimen Erfahrungen auch das großen Weltgeschehen der letzten Jahrzehnte aufgerollt wird und immer wieder die Frage wie weit dringt das Politische in den eigenen Lebensraum ein und verändert uns und den Lauf unseres Lebens.
Bei Baines sind es aus meiner Sicht drei starke Momente die hier zum Tragen kommen: Tschernobyl 1986, da setzt auch der Roman ein. Dann eine Rückblende in seine Jugend ins Jahr 1962 mit der Kubakrise und wieder etwas später auf dem Strahl der Geschichte die Wiedervereinigung. Hier muss man natürlich die starke britische Brille des Autors bedenken. Er kennt sich aus, aber es ist eben ein Blick von außen.
Auf den 700 Seiten kommen natürlich auch noch andere Menschen zum Tragen und vor allem seine deutsche Ex-Frau Alissa, die ihn zum Einsetzen des Romans 1986 verlässt um zu schreiben und ihn mit dem 7 Monate alten Baby zurücklässt. Auch hier wieder ein „klassisches“ McEwan-Motiv in dem er eine moralische Frage in den Raum wirft: Darf man die Familie hinter sich lassen um sein eigenes Glück zu suchen, weil es woanders liegt? Das ist bei weitem nicht die einzige moralische Frage, die hier erörtert wird. Auch sollte man eine Triggerwarnung beachten, denn hier geht es auch zentral um einen nicht-verarbeiteten Missbrauch.
Der große britische Literat, der auch oft als Literaturnobelpreisanwärter gilt, hat mit ‚Lektionen‘ aus meiner Sicht einen guten, aber nicht seinen besten Roman vorgelegt.

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Veröffentlicht am 06.10.2022

Weiblichkeit in der Gegenwart Südkoreas

Miss Kim weiß Bescheid
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Oft ist die Leserschaft enttäuscht, wenn nach einem Knallerroman ein neues Buch folgt und die Erwartungen nicht erfüllt werden. Hier bei, Cho Nam-Joo, ist es überraschend anders herum. Ich war begeistert ...

Oft ist die Leserschaft enttäuscht, wenn nach einem Knallerroman ein neues Buch folgt und die Erwartungen nicht erfüllt werden. Hier bei, Cho Nam-Joo, ist es überraschend anders herum. Ich war begeistert von ihrem Debüt ‚Kim Jiyoung’ geboren 1982’und finde die Kurzgeschichtensammlung ist qualitativ besser. Klar, ein Roman ist schlecht mit einer Kurzgeschichtensammlung vergleichbar, aber die Geschichten sind einfach gut auf den Punkt!
In ‚Miss Kim weiss Bescheid‘ sind 8 Kurzgeschichten versammelt, die allesamt weibliche Protagonistinnen haben, unterschiedlichen Alters von jung bis alt, in den verschiedensten Situationen, seinen es Teenager, Mütter oder gar Großmütter. Alle spielen in der Gegenwart Südkoreas und beleuchten den Alltag der Mädchen & Frauen dieser sehr traditionellen Gesellschaft. Ein Einblick der unverstellt ist und offenlegt wie sich Weiblichkeit in Südkorea anfühlt.
Diese Geschichten sind sehr individuell und erzählen jeweils ein Einzelschicksal, aber sie stehen stellvertretend für den Aufschrei der Feministinnen in Südkorea. Es geht um den Blick der einzelnen Frauen auf die Situationen und der gesellschaftliche Umgang mit ihnen. Es bedrückend einen wie sturr hier in anachronistischen Verhaltensweisen verharrt wird, nur der eigenen Dominanz willen. Hier werden Themen wir Cybermobbing durchdekliniert, Carearbeit, unterdrückte Frauen, mentale Gewalt, Frauen die sich nicht Verwirklichen können und am Ende bleibt die große Frage nach dem Lebensglück und wie sie zu erzielen ist.
Es hört sich alles schwerer an als es geschrieben ist. Der Ton ist fast leise, sehr asiatisch und mitdenken hilft. Eine tolle Art der Erzählkunst mit der uns Cho Nam-Joo beglückt! Natürlich großartig aus dem Koreanischen übersetzt von Inwon Park. Das macht das Lesevergnügen auf Deutsch noch besser!

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Veröffentlicht am 05.10.2022

Wo ist die Menschlichkeit geblieben?

Unsre verschwundenen Herzen
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Endlich gibt es wieder ein neues Buch der Autorin Celeste Ng. Sie schrieb ‚Was ich euch nicht erzählte‘ und ‚Kleine Feuer überall‘ (sogar als Mini-Serie verfilmt). Nun folgt ‚Unsre verschwundenen Herzen‘ ...

Endlich gibt es wieder ein neues Buch der Autorin Celeste Ng. Sie schrieb ‚Was ich euch nicht erzählte‘ und ‚Kleine Feuer überall‘ (sogar als Mini-Serie verfilmt). Nun folgt ‚Unsre verschwundenen Herzen‘ (O-Ton: Our missing hearts) und auch hier trifft die Autorin wieder einen Nerv der Zeit.
Im Mittelpunkt steht der 12jährige Noah – genannt Bird. Er lebt mit seinem Vater Ethan, ein Etymologe, der nun Bibliothekar in Harvard ist. Seine Mutter Margaret ist seit 3 Jahren verschwunden. Vater und Sohn sprechen kaum über sie und meiden mit anderen über sie zu sprechen. Schuld ist der in diesem dystopischen Zukunftsszenarion geschaffene PACT, ein amerikanisches Patriotsgesetzt, dass sich den Werten und Traditionen des amerikanischen Volkes verschrieben hat und vor allem asiatisch-stämmige Amerikaner diskriminiert. Somit trifft es: Margaret und Bird. Und dann in diesem tristen Leben flattert Bird ein Brief seiner Mutter ins Haus und er macht sich auf die Suche nach ihr.
Ein so packender Roman habe ich lange nicht gelesen! Sehr überzeugend stellt Celeste Ng hier eine nahe Zukunft auf die Beine, bei der sich mir die Nackenhaare hochstellen, denke ich an die Aktualität und der nahezu unweigerlichen Logik von Teilen dieses Buches. Besonders hervorragend ist es der Autorin gelungen hier große Themen der Gesellschaft, wie Rassismus, Unterdrückung, Meinungsfreiheit, Humanität und Zäsur zu paaren mit der Aufarbeitung einer Mutter-Sohn-Beziehung, die stark unter äußeren Einflüssen leidet. Auch der Bruch im Erzählen von Bird hin zu Margaret im Laufe der Geschichte macht das erzählte spannend mit dem veränderten Blickwinkel. Ohnehin ist Ngs Sprache klar und wenig gefühlsduselig, aber doch auch poetisch.
Ein weiteres Lob gebührt der Übersetzerin Brigitte Jakobeit, die das ganze wunderbar aus dem Englischen ins Deutsche brachte.
Fazit: Ein fesselnder Roman, der auf jeden Fall ein Lese-Highlight dieses Jahres 2022 ist!

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