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Nilchen

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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 01.02.2022

Ein Serienmörder und eine naive Protagonistin

Der Herzgräber
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Vor vielen Jahren gab es diesen Serienkiller namens Michael Reave. Er brachte junge Frauen um, entnahm das Herz und pflanze an dessen Stelle Blumen. Nun sitzt dieser Mann zum Glück im Hochsicherheitstrakt ...

Vor vielen Jahren gab es diesen Serienkiller namens Michael Reave. Er brachte junge Frauen um, entnahm das Herz und pflanze an dessen Stelle Blumen. Nun sitzt dieser Mann zum Glück im Hochsicherheitstrakt eins Gefängnisses. Leider beginnen ähnliche Morde erneut, obwohl Michael Reave es ja offensichtlicher weise nicht sein kann.
Heather, die Protagonisten, schaut sich den Nachlass ihrer Mutter an, die Suizid begangen hat. Heather stößt auf Briefe dieses Serienkillers. Sie ist schockiert und geht dem Geheimnis nach. Was hat er mit ihrer Mutter zu tun? Wer verübt die neuen Taten?
Klar, wie sollte es anders sein, Heather begibt sich in Gefahr und merkt es zum Teil nicht. Mich stören diese sehr klischeehaft gebauten zarten Frauencharaktere, die einerseits tapfer sind und andererseits nicht weiterdenken und leider sehr dümmlich wirken.
Positiv war für mich die Unblutigkeit des Thrillers von Jens Williams. Wird doch oft en detail die Abschlachtung und die zerfledderten Leichen beschrieben, danke, ich brauch es nicht. Das fand ich hier gut gemacht.
Der Thriller ist eine Art Vergangenheitsaufarbeitung und birgt auch dort den Schlüssel zur Lösung, allerdings waren aus meiner Sicht nicht alle Enden abgeschlossen.
Fazit: Mich hat „Der Herzgräber“ nicht überzeugen können, weil mich vor allem die Protagonistin nicht überzeugen konnte.

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Veröffentlicht am 01.02.2022

Vergangenes holt uns immer wieder ein

Wir sind schließlich wer
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Wer das vorangegangene Buch der Moderatorin Anne Gesthuysen „Wir sind doch Schwester“ (2014) mochte, wird auch hier wieder begeistert sein. Denn „Wir sind schließlich wer“ ist auch wieder ein Familienroman ...

Wer das vorangegangene Buch der Moderatorin Anne Gesthuysen „Wir sind doch Schwester“ (2014) mochte, wird auch hier wieder begeistert sein. Denn „Wir sind schließlich wer“ ist auch wieder ein Familienroman und beleuchtet interfamiläre Dynamiken wie mit Problemen umgegangen wird.
Auch hier begegnen wir wieder zwei Schwestern, die unterschiedlicher nicht sein könnten. Einerseits ist da Anna von Betteray und ihre Schwester Maria von Moitzfeld. Anna ist auf dem Weg Pastorin zu werden und tritt ihre erste Stelle am Niederrhein an, wo sonst bei Anna Gesthuysen, ist es doch auch ihre Heimat. Und dann ist da Maria, genau das Gegenteil ihrer Schwester, reich geheiratet und in einer Abhängigkeit zu ihrem Ehemann. Nicht zu vergessen die Mutter Mechthild der beiden, die eine klare Position einnimmt und Teil des Problems der Beiden ist. Der Titel spielt auf die Herkunft an, denn „Wir sind schließlich wer“ ist auf die adelige Vergangenheit der „von Betterays“ ausgerichtet.
Nicht nur muss sich Anna nun mit der neuen Gemeinde und ihrem Hang zum Trasch auseinandersetzen, vor allem muss sie eine Stütze für ihre Schwester sein, die damit kämpft, dass ihr Mann wegen Steuerhinterziehung verhaftet wurde und Marias 11jähriger Sohn verschwindet, weil er das Mobbing in der Schule nicht mehr aushält.
Im Fokus stehen die unterschiedlichen Schwestern, Maria immer wie gewünscht und dem Stand entsprechend und Anna wild und mit eigenem Kopf. Komplex wird hier auseinandergenommen was die Bürde einer Familiengeschichte mit sich bringt, aber auch zugleich das Familie eine Stütze sein kann. Es ist in keinster Weise trotz aller Tragik kein schwerer Roman, an mancher Stelle sogar zu viele komödiantische Elemente. Der Roman lebt definitiv von überzeichneten Charakteren um die Abgrenzungen zu vereinfachen.
Spannend gemacht, denn es werden immer wieder Rückblenden in die Vergangenheit eingestreut, die uns heutige Verhaltensweisen und Motive der Beiden liefern.
Fazit: Familie ist Familie und bleibt Familie. Deine Vergangenheit ist geprägt durch sie und nun ist es an uns eine stabile und positive Umwelt zu kreieren um ein positives Miteinander zu fördern mit Rücksicht auf die Vergangenheit.

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Veröffentlicht am 31.01.2022

Wie würde man selbst entscheiden?

Was wir verschweigen
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Bester Kriminalroman Finnlands im Jahr 2020. Wenn das mal die Erwartungshaltung an „Was wir verschweigen“ (im Finnischen ‚Verivelka‘) ansteigen lässt!
Es gibt einen neunen kommissarischen Chef in Pori: ...

Bester Kriminalroman Finnlands im Jahr 2020. Wenn das mal die Erwartungshaltung an „Was wir verschweigen“ (im Finnischen ‚Verivelka‘) ansteigen lässt!
Es gibt einen neunen kommissarischen Chef in Pori: Jari Paloviita und mit der Übernahme des Amtes gibt es auch gleich einen Mord. Jari beauftragt das Ermittlerduo Linda und Hendrik den Fall zu untersuchen. Ein Abend, zu viel Alkohol, der Fall ist recht schnell klar und auch wir als Leser:innen wissen wer den Mord begann. Was Jari erst im Protokoll liest und ihn erstarren lässt sind die Namen von Täter und Opfer. Beide sind im äußerst gut bekannt und seine Vergangenheit holt ihn ein. Hier liegt nicht die Leiche im Mittelpunkt sondern eine tiefe Freundschaft und ihre versprochenen Verpflichtungen. Eine Auseinandersetzung zwischen dem Recht und der Moral.
Das der Autor Arttu Tuominen am Ort des Geschehens wohnt, verwundert kaum, ist die Umgebung so deutlich beschrieben als wäre man mit vor Ort und auch ein Teil des Geschehens.
Dieses Buch ist der Auftakt der DELTA Serie. Im finnischen liegen bereits (inklusive diesem) vier Krimis von Arttu Tuominen vor. Wir können also auf mindestens drei weitere hoffen.
Ich lese selbst sehr gerne unblutige Krimis und gute Literatur weswegen mich dieses Buch überzeugt hat, allerdings kann ich auch verstehen, dass klassische Krimi-leser für die der Mord im Vordergrund steht, hier nicht auf ihre Kosten kommen.

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Veröffentlicht am 31.01.2022

Zwei Monologe sind kein Gespräch!

Sokrates in Sneakern
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Dieses Buch trifft genau den Nerv der Zeit aus meiner Sicht, denn viele begeben sich gar nicht mehr in den offenen Austausch mit anderen. Die eigene Meinung wird als unumstößliche Wahrheit vor sich hergetragen. ...

Dieses Buch trifft genau den Nerv der Zeit aus meiner Sicht, denn viele begeben sich gar nicht mehr in den offenen Austausch mit anderen. Die eigene Meinung wird als unumstößliche Wahrheit vor sich hergetragen. Das führt zu verhärteten Fronten, ein verständnisloses Miteinander und weniger Empathie.
Hier in „Sokrates in Sneakern“ von der Niederländerin Elke Wiss bekommen wir auf sehr kurzweilige Art mit auf den Weg was einen guten Dialog ausmacht: Im Kern die Kompetenz die richtigen Fragen zu stellen! Oder besser die Art richtige Fragen zu stellen. Das gepaart mit der Haltung Sokrates zu Mut, Neugierde, Staunen, Urteilen und einigen weiteren Themenblöcken macht die Sache recht einfach konsumierbar ohne schwer zu werden. Daher passt auch der Titel so super.
Aufgelockert wird der Text mit Übungen, die unregelmäßig immer wieder auftauchen. Es lohnt sich hier wirklich aktiv zu werden. Wie die Aufforderung „Trainieren Sie ihre emphatische Nullstellung“, mal nur Fragen stellen, ohne empathische Zwischenbemerkungen. Diese Übungen schärfen die eigene Kommunikationsweise und hilft sich bewusst zu machen wie wir selbst Gespräche führen.
Der Wissensanteil des Buches wird anhand von anschauliche Dialog-Beispiele und Kommunikationen erläutert, aber natürlich auch durch reine Wissensvermittlung.
Diese drei Komponenten (Wissen, Beispiele, Übungen) machten es mir leicht dieses Buch zu lesen und ich werde es in greifbarer Nähe lassen um das eine oder andere noch mal zu vertiefen. Regt es doch enorm an, an sich selbst zu feilen.
In der Bibliografie wird auf viele holländische Texte referiert, aber das ist aus meiner Sicht zu vernachlässigen, da das Buch eine runde Sache ist!

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Veröffentlicht am 29.01.2022

Wenn die Eltern einen verkaufen…

Das verlorene Paradies
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Als im vergangene Jahr 2021 der Nobelpreisträger Abdulrazak Gurnah verkündet wurde, war hierzulande erst einmal keine große Resonanz, da ja, oh Schreck!, der Roman „out of print“ war. Es gab zwar 1998 ...

Als im vergangene Jahr 2021 der Nobelpreisträger Abdulrazak Gurnah verkündet wurde, war hierzulande erst einmal keine große Resonanz, da ja, oh Schreck!, der Roman „out of print“ war. Es gab zwar 1998 eine deutsche Übersetzung von Inge Leipold, aber das Buch war vergriffen und keine neue Auflage in Planung, obwohl der Roman auch schon mal auf der Shortlist des Booker Preises (90er Jahre) stand. Zum Glück gibt es nun eine neu gesichtete Version des Romans um ein sehr hilfreiches Glossar am Ende erweitert.
‚Das verlorene Paradies‘ spielt zum Ende des 19. Jahrhunderts auf Sansibar und zieht sich im Laufe der Geschichte bis hinunter nach Mosambik. Hier auf Sansibar, wo auch der Autor 1948 geboren wurde, beginnt die Geschichte. Dem Paradies?
Im Mittelpunkt steht der Junge Yusuf, der aus der Armut heraus von seinem Vater an den fliegenden Händler Aziz verkauft wird. Die Familie, die ein 4-Bett Hotel betreibt kann seine Schulden nicht mehr begleichen und gibt den Jungen fort. Dem 12jährigen wird das erst nach geraumer Zeit deutlich. Er wird zum Diener, zur Aushilfe und befreundet sich mit Kalil, einem anderen Junge.
Der Roman strotz nur so von rassistischer Übergriffigkeit, ist allseits überzeichnet und deckt auf, dass es egal ist wer, wenn nieder macht, es ist immer ein Angriff. Hier im Roman wird das anhand der historischen Situation schön demonstriert durch die Gemengelage an kolonialen Eroberern (vor allem im Roman die Deutschen), sowie indische Händler und die arabischen Sultane aus dem Oman, die zuvor die Vorherrschaft innen hatten.
Der Roman lebt von dieser multikulturellen, multiperspektivischen Verschachtelung. Gelungen ist aus meiner Sicht, dass hier zwar eine Geschichte erzählt wird, aber zugleich auch ein historischer Blick auf die Gemengelage an Kindersklaverei, an Kolonialismus, an Rassismus. Sehr gelungen und das noch mit Figuren, die trotz der ständigen Ausbeutung und Unterdrückung den Lebensmut und den humorvollen Sarkasmus nicht verlieren.
Die Deutung über den Roman und die Parallelen zur Bibel hätte ich ohne einen Hinweis nicht erkannt. Hier wird wohl die Geschichte Genesis parallel stark erzählt, obwohl der Roman durch die arabische Vorherrschaft Suren des Korans vorherrschen. Mit diesem Wissen im Hinterkopf liest es sich noch einmal etwas anders und der Titel rückt stärker in den Fokus: Paradies!
Fazit: Egalitäre Sehnsüchte und Wünsche, darin sind wir Erdenbürger uns zu jeder Zeit gleich – eine zeitlose Feststellung.

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