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Veröffentlicht am 08.12.2016

Kranke Seelen – Reihenauftakt der isländischen Bestsellerautorin

DNA
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Ein junger Amateurfunker empfängt kryptische Zahlenreihen. Bei näherer Betrachtung stellt er fest dass es sich um Personal-ID’s handelt. Er ist sehr vereinsamt nach dem Tod seiner Mutter und beschließt ...

Ein junger Amateurfunker empfängt kryptische Zahlenreihen. Bei näherer Betrachtung stellt er fest dass es sich um Personal-ID’s handelt. Er ist sehr vereinsamt nach dem Tod seiner Mutter und beschließt herauszufinden, was es damit auf sich hat und begibt sich damit in höchste Gefahr.

Zeitgleich geschieht ein bestialischer Mord an einer Mutter in Reykjavik, dessen siebenjährige Tochter, unter dem Bett der Mutter, den Angriff überlebt. Kommissar Huldar steht vor einem Rätsel, denn die Angaben des Mädchens sind undurchsichtig. Ganz vorsichtig versucht die Psychologin Freyja eine Verbindung zu dem Mädchen herzustellen, um ihre Zeugenaussage zu vervollständigen. Eine schwierige Situation und on top erkennt sie Kommissar Huldar wieder, mit dem sie vor kurzem ein Date hatte, bei dem er falsche Angaben über sich gemacht hatte.

Die Ermittlungen laufen nur sehr schleppend voran, bis ein weiterer erbarmungsloser Mord geschieht, der ebenso brutal an einer weiteren Frau verübt wurde. Die Ermittler finden keinerlei Berührungspunkte zwischen den getöteten Frauen und so stehen sie vor einem scheinbar unlösbaren Fall.

Die Autorin:

Yrsa Sigurdardóttir, geboren 1963, ist eine vielfach ausgezeichnete Bestsellerautorin, deren Spannungsromane in über 30 Ländern erscheinen. Sie zählt zu den "besten Kriminalautoren der Welt" (Times Literary Supplement). Sigurdardóttir lebt mit ihrem Mann und zwei Kindern in Reykjavík. Sie debütierte 2005 mit "Das letzte Ritual", einer Folge von Kriminalromanen um die Rechtsanwältin Dóra Gudmundsdóttir. DNA ist Start einer neuen Serie um die Psychologin Freyja und Kommissar Huldar von der Kripo Reykjavik. (Quelle: btb Verlag)

Reflektionen:

Yrsa Sigurdardóttir hätte ich die irren Mordmethoden, die in diesem Thriller Anwendung finden, ehrlich gesagt gar nicht zugetraut. Mir sind ihre Thriller und Kriminalromane eher als recht ruhige und unblutige Lektüren im Gedächtnis geblieben. DNA ist willkommen anders.

Der Schreibstil Yrsa Sigurdardóttirs ist sehr harmonisch. Ihre Sprache ist klar und ohne Schnörkel. Sehr flüssig gleitet man in die Geschichte hinein, die den Leser durch einen spannenden Prolog von Anfang an die Seiten fesselt, aber nicht übermäßig treibt. Brisante oder dramatische Action liegen Yrsa Sigurdardóttir fern, aber sie schafft es trotzdem mühelos einen weiten Spannungsbogen aufzubauen, der immer wieder mit Höhepunkten aufwartet.

Yrsa Sigurdardóttir setzt erfolgreich auf fein ausgearbeitete Charaktere, die niemals fehlerfrei sind und so authentisch rüber kommen. Über sie zu lesen ist ein Genuss, denn Geschehnisse beeinflussen ihre Leben, ihre Emotionen und ihre Handlungsweisen. Im Laufe der Handlung verflechten sich die Perspektiven der Figuren miteinander, ob Ermittler, Opfer, Täter oder Zeugen und die Handlung gedeiht mit ihnen.

Zunächst gibt es keinerlei Verbindungen zwischen den Opfern zweier bestialischer Verbrechen. Einzelne Puzzleteile stehen für diverse Mordmotive zwar zur Verfügung, doch eine Verbindung derer ist scheinbar unmöglich. Die verzweifelte Tätersuche der Ermittler stützt sich daher zunächst auf die Zeugenaussage eines siebenjährigen Mädchens, das den Angriff auf seine Mutter unter deren Bett überlebte.

An dieser Stelle müssen Psychologin Freya und die Polizei mit Kommissar Huldar eng zusammen arbeiten. Dieses Zusammenspiel findet nicht jederzeit ohne Konflikte statt, die nicht nur beruflichen sondern auch persönlichen Naturen entspringen. Diese Konflikte hat Yrsa Sigurdardóttir interessant und authentisch erzählt. Besonders gelungen, sehr emotional und dem Alter einer Siebenjährigen gerecht werdend beschreibt die Autorin die Schwierigkeiten der Ermittler und der Psychologin ein vertrauensvolles Verhältnis zu dem Mädchen herzustellen. Sie ist die einzige Zeugin und nur sie kann neue Erkenntnisse bei den Ermittlungen bringen.

Parallel widmen sich Perspektiven dem Amateurfunker, der kryptische Zahlencodes auf eigene Faust entschlüsseln will. Auch seine Recherchen sind mühevoll und lange Zeit erfolglos. Als Leser hat man keinerlei Ahnungen, wie diese Kapitel mit den Verbrechen verknüpft sein könnten. Yrsa Sigurdardóttir treibt damit die Neugierde des Lesers auf die Spitze.

Der Showdown ist kein explosiver Knall, sondern eine Entwicklung in einem gemäßigten Tempo und nach meinem persönlichen Geschmack hätte diesem Thriller etwas mehr Geschwindigkeit gut getan. Die nachvollziehbare Auflösung der Verbrechen überraschte angenehm und abstrus zugleich. Die Figur des Täters streift von Anfang an durch die Buchseiten. Skurrile Gedankengänge des Täters boten das Motiv für die abscheulichen Verbrechen und nur einmal ganz kurz hatte ich während des Lesens diese Figur als Täter im Visier.

Ich freue mich definitiv auf einen neuen Fall dieser Krimiserie.

Fazit und Bewertung:

DNA ist ein empfehlenswerter Thriller für all diejenigen, die eher eine ruhigere Geschichte lesen möchten. Fein ausgearbeitete Charaktere, interessante Leben der Figuren und Perspektiven die im Laufe der Handlung miteinander verknüpft werden, bieten ein spannendes Leseerlebnis ohne viel Blutvergießen, wenn auch die Mordmethoden es in sich haben.

Veröffentlicht am 05.12.2016

Der Weg ins Licht – Hoch spannender Kriminalroman

Die Entscheidung
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Simon wird kurz vor Weihnachten von seinen Kindern versetzt, die ihn im Ferienhaus seines Vaters besuchen wollten. On top erhält er den Laufpass seiner Freundin und bleibt einsam zurück. Als er am Strand ...

Simon wird kurz vor Weihnachten von seinen Kindern versetzt, die ihn im Ferienhaus seines Vaters besuchen wollten. On top erhält er den Laufpass seiner Freundin und bleibt einsam zurück. Als er am Strand einen Streit mitbekommt, mischt sich der sonst so zurückhaltende Simon ein und bietet der verwahrlosten und verängstigten Nathalie Hilfe, Unterkunft und Essen an. Eine Entscheidung, die Simon bald bitter bereut, denn Nathalie scheint in ein mörderisches Spiel verstrickt zu sein, das auch ihn bald in höchste Gefahr bringt.

Spuren führen zu skrupellosen Verbrechern nach Bulgarien, die ein junges Mädchen, das auf der Suche nach einem besseren Leben war, in ihre Fänge genommen haben. Selina gelingt zwar die Flucht, doch sie löst damit eine Reihe von Verkettungen aus, die Simon bis in Südfrankreich zu spüren bekommt.

Die Autorin:

Charlotte Link, geboren in Frankfurt/Main, ist die erfolgreichste deutsche Autorin der Gegenwart. Ihre Kriminalromane sind internationale Bestseller, auch Im Tal des Fuchses und zuletzt Die Betrogene eroberten wieder auf Anhieb die SPIEGEL-Bestsellerliste. Allein in Deutschland wurden bislang über 26 Millionen Bücher von Charlotte Link verkauft; ihre Romane sind in zahlreiche Sprachen übersetzt. Charlotte Link lebt mit ihrer Familie in der Nähe von Frankfurt/Main. (Quelle: Blanvalet Verlag)

Reflektionen:

Charlotte Link hat mich schon einige Male mit ihren Büchern begeistert, doch dieses Mal hat sie mir ein hoch spannendes Highlight beschert. Die Geschichte ist komplex, das liebe ich ja, und all die Konzentration die man beim Lesen in diesen Kriminalroman investiert kristallisiert sich zu einem besonderen Leseerlebnis. Wer hier nicht mit Konzentration liest, der wird nicht in die Geschichte finden und sie somit auch nicht mögen.

Charlotte Link erzählt durchaus eine bekannte Geschichte, doch die Komplexität die sie mit den zahlreichen Perspektiven schafft entwickelt ein gigantisches Gerüst aus Verstrickungen, die nur ganz langsam am Ende der Geschichte ineinanderfließen und dann auch noch angenehm auflösend überraschen.

Die vielen Perspektiven bestehen aus Handlungssträngen verschiedener Figuren. Augenscheinlich kann man diese am Anfang nicht miteinander verbinden und so treiben sie mit einem hohen Tempo die Lesegeschwindigkeit an. Als Leser merkt man gleich, dass man hier nicht salopp lesen sollte, denn man spürt bereits ein Netz aus Verwirbelungen von Abgründen, Situationen, Geschehnissen und Figuren, die die 580 Seiten mit Hochspannung bereichern.

Die sehr intensiv und gut ausgearbeiteten Figuren zeichnen mir ein sehr deutliches Bild. Ich kann Figuren einschätzen, lerne ihre Leben kennen und nehme an ihren Emotionen teil, die in diesem Roman eine sehr große Rolle spielen. Überwiegend herrscht hier Angst, Verzweiflung und Panik vor. Aber auch Selbstzweifel, die die Hauptfigur Simon zutiefst leiden lässt und die Nathalie in die Magersucht trieb.

Die Thematik der Handlung ist aktueller denn je. Sie erzählt von Mädchen, die von einem Menschenhändlerring gefangen genommen und ausgebeutet werden. Verzweifelte Eltern die um ihre Existenz kämpfen müssen und die Entscheidungen treffen, die sie niemals mehr zurücknehmen können und die ihr Leben absolut und für immer zerstören. Schauplatz hierfür ist der Ostblock, dessen Kriminalität Charlotte Link immer wieder maßvoll und situationsabhängig in seiner ganzen Grausamkeit top recherchiert darstellt. Die Verbrechen in diesem Zusammenhang sind so menschenunwürdig und brutal und man weiß, dass sie erschreckend autark sind. Die ganze Geschichte strotzt vor trauriger Authentizität.

Fazit und Bewertung:

Wer gern komplexe Kriminalromane liest, die mit zahlreichen Perspektiven aufwarten, dem ist mit diesem Buch ein hoch spannender Lesegenuss garantiert. Absolute Leseempfehlung.

Veröffentlicht am 05.12.2016

Fremdgänger aufgepasst – Kurzweiliger Kriminalroman mit Tempo

Schere 9
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Kommissar Baldur ermittelt in einem verstörenden Fall: Innerhalb kürzester Zeit werden mehrere Männer tot aufgefunden, nachdem sie brutal gefoltert wurden. Alle Opfer waren ihren Frauen untreu – wie Kommissar ...

Kommissar Baldur ermittelt in einem verstörenden Fall: Innerhalb kürzester Zeit werden mehrere Männer tot aufgefunden, nachdem sie brutal gefoltert wurden. Alle Opfer waren ihren Frauen untreu – wie Kommissar Baldur selbst. Möchte hier jemand Rache nehmen? Baldur steht vor einem düsteren Rätsel. Und es fällt ihm immer schwerer, Wahn und Wirklichkeit auseinanderzuhalten. (Emons Verlag)

Die Autorin:

Isabella Archan wurde 1965 in Graz geboren. Nach Abitur und Schauspieldiplom folgten Theaterengagements in Österreich, der Schweiz und in Deutschland. Seit 2002 lebt sie in Köln, wo sie eine zweite Karriere als Autorin begann. Neben dem Schreiben ist Isabella Archan immer wieder in Rollen in TV und Film zu sehen, unter anderem im Kölner »Tatort«, in der »Lindenstraße« und in »Diese Kaminskis«, und mit ihrem eigenen Programm zu ihren Krimis auf der Bühne. (Quelle: Emons Verlag)

Reflektionen:

Mit Kommissar Heinz Baldur ist Isabella Archan eine Figur gelungen, die den Leser an die Seiten presst. Er ermittelt nicht nur, sondern gerät selbst in Lebensgefahr, als ihn seine Verlobte Rita für sein notorisches Fremdgehen bestrafen und vergiften will.

Versetzt nach Frankfurt hat er gleich einen Mord aufzuklären. Das männliche Opfer wurde in einem Hotel mit einer Schere getötet. Es erfolgen weitere bestialische Morde und das sympathische Ermittlerteam muss von einem Serientäter ausgehen, der verheiratete, fremdgehende Männer brutal foltert und tötet. Letztendlich fällt auch Baldur ins Visier des Täters und ein Wettlauf mit der Zeit beginnt.

Isabella Archans Schreibstil ist fluffig leicht, wie gewohnt. Eine klare Sprache und ein sehr direkter Ausdruck, der sich nicht verstecken muss, schenkt dem Leser einen schnellen Einstig in die spannende Geschichte, die mit fein gezeichneten Figuren angereichert ein hohes Lesetempo vorgibt. Hier erkennt man deutlich die literarische Weiterentwicklung der Autorin, die scheinbar mühelos die rasante Story vorantreibt und die sich bei ihren Figuren nicht dem Klischee hingibt, persönlich am Boden zerstörte Ermittler zu präsentieren.

Interessant gelungen ist Isabella Archan die Bildung des neuen Ermittlerteams. Langsam aber stetig entwickelt es sich zwischen Baldur, Kommissar Thomas Habermann und der Praktikantin Arslan. Zwischendurch gibt es spritzig privates von den Figuren zu lesen, doch es überlagert niemals diesen Kriminalroman der einiges an Thriller Elementen zu bieten hat.

Psychologisch und taktisch wertvoll sind Kapitel die aus Sicht des Täters erzählen. Dadurch wird das Vorankommen in der Geschichte noch um ein Mehr beschleunigt und die Spannungskurve nach oben geschraubt.

Geschickte Wendungen und am Ende gut aufgelöste Verstrickungen haben einen äußerst kurzweiligen Kriminalroman geschaffen, der mit viel Spannung ein angenehmes Lesevergnügen beschert. Dennoch, irgendetwas hat mir gefehlt, um mich so richtig mit Haut und Haaren zu packen.

Fazit und Bewertung:

Schere 9 ist ein kurzweiliger Kriminalroman mit angenehm hohem Tempo. Spannend bis zur letzten Seite empfehle ich ihn sehr gern.

Veröffentlicht am 03.12.2016

Ein Alltagsdossier aus Sicht eines an Alzheimer Erkrankten

Hirngespinste
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Bosten, USA:

Maarten Klein ist einundsiebzig Jahre alt und pensioniert. Er lebt mit seiner geliebten Frau Vera, und dem gemeinsamen Hund Robert, in einer Kleinstadt in der Nähe von Bosten. Das Haus ist ...

Bosten, USA:

Maarten Klein ist einundsiebzig Jahre alt und pensioniert. Er lebt mit seiner geliebten Frau Vera, und dem gemeinsamen Hund Robert, in einer Kleinstadt in der Nähe von Bosten. Das Haus ist leer und still geworden, seit die Kinder sind ausgezogen sind.

Plötzlich spürt Maarten Veränderungen an sich selbst, die ihn fürchten lassen. Er ist oft müde, niedergeschlagen, manchmal durcheinander und auch vergesslich. Nun ja, denkt er sich, er hat das Alter erreicht in dem der Körper manch ein Zipperlein zum Vorschein bringen darf.

Aber als die Kälte und die Dunkelheit des vorherrschenden Winters ihn depressiv stimmen und er sich nichts sehnlicher wünscht als dass der Frühling endlich einkehrt, ist er zutiefst bedrückt und verunsichert. Plötzlich hat er Schwierigkeiten seine Gedanken zu ordnen, seine Erinnerungen verblassen, Personen scheinen ineinander zu verschwimmen und wenn er alleine ist, geht einfach alles schief.

Maarten hat nur noch eines im Kopf, bloß nicht mit seinem Durcheinander im Kopf auffallen. So tun als ob. Bloß nichts Vera sagen. Bloß keine Selbstgespräche führen. Immer warten bis die Umstände irgendwie weiterhelfen.

Und so versucht Maarten seinen Alltag zu meistern, bis ein kleiner Spaziergang mit dem Hund zum ungewollten Tagesausflug wird, er die verschlossene Tür zu einer imaginären, dienstlichen Konferenz mit dem Hammer öffnet, auf den Schulbus der längst ausgezogenen Kinder wartet, ein Fenster einschlägt, damit der Hund im winterlichen Garten nicht erfriert und er mitten in der Nacht alle weckt und Klavier spielt.

Maarten spürt dass sich etwas Gravierendes in seinem Körper zusammen braut und er schildert aus seiner Innensicht, wie ihn die Krankheit Alzheimer langsam zermürbt und für alles Lebenswerte unfähig macht.

Der Autor:

Bernlef (eigentlich Hendrik Jan Marsman, 1937–2012) ist vor allem als Lyriker und Verfasser zahlreicher Prosawerke hervorgetreten, der 1984 erschienene Roman Hersenschimmen machte ihn weit über die Niederlande hinaus bekannt. Der deutschen Übersetzung ist ein Nachwort des Autors zum Erfolg des Buches aus dem Jahr 2007 beigegeben. (Quelle: Reclam Verlag)

Reflektionen:

Hirngespinste ist ein sehr eindringlicher Roman, der durch die authentische Figur des Rentners Maarten Klein, die krankheitsbedingten Veränderungen eines an Alzheimer Erkrankten, aus dessen Innensicht tabulos schildert.

Dieses Buch ist ein Geschenk.

Es erlaubt einen tiefen Blick in die völlig irritierte Welt eines an Alzheimer Erkrankten Menschen, der spürt wie sich sein Geist und sein Körper unaufhaltsam verändern. Diese Innensicht, die uns Gesunden bisher weitestgehend verschlossen geblieben ist, wird durch diesen Roman zu einer unheimlichen Ahnung, die wiederum sehr bereichernd ist.

Fast jeder von uns ist schon einmal mit Menschen in Berührung gekommen, die an einer Demenz oder an einer alzheimerischen Krankheit leiden, oder man ist familiär sogar betroffen. Und natürlich wissen wir nicht, wie es tatsächlich in diesen erkrankten Menschen aussieht, was sie fühlen und empfinden und wie sie tatsächlich leiden. Ist die Krankheit erst ausgebrochen, erscheinen die Betroffen oft teilnahmslos, doch bis dahin haben sie schon eine Odyssee aus Ohnmacht, Angst und Verwirrung hinter sich.

Dieses Buch hilft.

Es hilft zu verstehen, was für ein Chaos in dem traurigen Seelenleben eines Erkrankten herrscht. Wie hilflos er sich fühlt, wie verzagt und am Boden zerstört, bis die Krankheit ihn schließlich ganz gefangen nimmt und für immer fesselt.

Ich bin unglaublich dankbar dieses Buch gelesen zu haben, da es mir manch einen einfühlsamen Aha-Moment geschenkt hat. Dieser Roman berührt, aber er erlaubt durchaus auch ein Schmunzeln, denn dem niederländischen Autor liegt es fern, ausschließlich eine melancholische Seite aufzuzeigen.
Berlef erzählt die Geschichte Maarten Kleins in einer Art Alltagsdossier. Dadurch verleiht er dem Roman die Authentizität, die die Erkrankung Alzheimer für jeden Leser zugänglich macht.

Die Figur Maarten Klein ist aus der Ich-Perspektive dargestellt, bis sie mit Fortschreiten der Erkrankung nach und nach in der dritten Person zu denken und zu sprechen beginnt. Und dann ist da Vera, seine geliebte, vertraute Frau, die plötzlich in einem Sog der Entfremdung fast gänzlich verschwindet.

Zitat:

Durch Türen. Wie viele? Und all die Richtungen, es ist zum Schwindeligwerden.
„Auf nach Norden!“ Meine Stimme klingt entschlossen, immerhin, aber viel schwächer. (Abnutzung?)

Veras Hand. (Das ist dich ihre Hand?) Den Blick nicht abwenden jetzt, folgen jetzt, bis ein großes flaches Stück Holz in Sicht kommt, eine glatte, glänzende Fläche, von der man zweifach geknickt, in sitzende Haltung hingepflanzt wird. Halte dich am Holz fest, an der dicken Holzkante. Sonst steigst du auf oder du kenterst.

Es liegt jetzt auch an Wörtern. Leichte Sätze kommen zuerst, schießen wie Korken nach oben, gewollt und ungewollt; die besseren Sätze sind zu lang und zu schwer, sie bleiben irgendwo unter meiner Zunge, dümpeln.

Das Essen. Kann selber essen, hörst du, bin kein kleines Baby mehr. Viel … viel essen. Keine Zeit für Besteck, das verschwindet, unter mir in die Tiefe gescheppert. Muss schnell mit der Hand reingestopft werden. (Ehe sie alles wieder wegnehmen, mich abputzen, mir mit einem rauhen Lappen die Wangen abwischen.)

Licht wird hohl. Ein Mensch ist auch voller Löcher. Ein Mensch müsse geschlossener sein. Aud die Dauer kann man nichts mehr drinbehalten.

Schönes glattes Holz zum Drüberreiben. Bewegung, die Leerlauf verhindert. Lieber nicht so oft zur Seite schauen! Den Blick geradeaus.

Gerufe, dass es wieder schneit. Den Rücken zukehren. Niemals mehr Verwirrung eingestehen.

Soll wieder woanders hin. (Frage:“ Ob man allein gehen kann“) Hätte gekonnt, aber nun doch zu gefährlich.

Schweres Hängen an einem Mohair-Arm. Losgelassen. Falle. Taumele in einen harten Stuhl. Holz an beiden Seiten. Holzlatten rings um meinen Körper. Halte mich an Dingen fest, gegen die wirbelnden Flocken da draußen, die ich nun doch sehen muss. Ein dickes Schneepaket auf Veras blauem Datsun. (Das war soeben wieder einmal ein guter, schwerer, altmodischer Wortsinn.)

Bernlefs ist mit Hirngespinste ein meisterliches Werk gelungen und es ist unglaublich schade, dass es in Deutschland bisher nicht die Publicity erhalten hat, die es längst verdient.

Fazit:

Hirngespinste empfehle ich jedem Leser, der gern eine Ahnung bekommen möchte, was die Erkrankung Alzheimer, oder auch Demenz, in einem erkrankten Menschen mit der Zeit auslöst. Hirngespinste wird berühren, aufrütteln und traurig machen, aber es ist ein Geschenk und eine Bereicherung des Verstehens.

Veröffentlicht am 01.12.2016

Unendlicher Schmerz - 6. Teil der Will Trent - Reihe

Blutige Fesseln
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Special Agent Will Trent betritt ein Lagerhaus und entdeckt die Leiche des Ex-Cops Dale Harding. Eine große Menge Blut und Spuren deuten auf ein weiteres Opfer, das jedoch vom Tatort verschwunden ist. ...

Special Agent Will Trent betritt ein Lagerhaus und entdeckt die Leiche des Ex-Cops Dale Harding. Eine große Menge Blut und Spuren deuten auf ein weiteres Opfer, das jedoch vom Tatort verschwunden ist. An einer Wand befindet sich eine in Blut geschriebene Botschaft:

„Hilf mir“!

Als die Detectives des Georgia Bureau of Investigation GBI einen Revolver finden, der auf Wills Noch-Ehefrau Angie zugelassen ist, beginnt die Angelegenheit komplex zu werden, denn gegen den betuchten Eigentümer des Lagerhauses ermittelt Will Trent wegen Vergewaltigung schon seit einigen Monaten erfolglos.

Will Trents persönlichster Fall entwickelt sich zu einem Wettlauf um Leben und Tod.

Die Autorin:

Die internationale Nummer-1-Bestsellerautorin Karin Slaughter ist eine der weltweit populärsten und gefeiertsten Schriftstellerinnen. Ihre Bücher wurden in 33 Sprachen übersetzt und haben sich insgesamt über 30 Millionen Mal verkauft. Ihr Gesamtwerk beinhaltet die Grant County und Will Trent-Reihen, außerdem Cop Town- Stadt der Angst, das für den renommierten Edgar-Krimipreis nominiert wurde, sowie den psychologischen Thriller Pretty Girls. Karin Slaughter stammt aus Georgia und lebt zurzeit in Atlanta. (Quelle: HarperCollins Germany)

Reflektionen:

Nach drei Jahren schenkt Karin Slaughter ihren Fans der Will Trent-Reihe einen rasanten Pageturner und erneut überzeugt sie ihre Leser mit einem knallharten Thriller, der dieses Mal intensiver auf der psychologischen Ebene agiert.

Hoch spannend wie eh und je, von der ersten bis zur letzten Zeile, treibt Karin Slaughter den Leser in hohem Tempo durch die Seiten einer Geschichte, die für Special Agent Will Trent zu seinem persönlichsten Fall eskaliert. Das Besondere daran, man lernt die Figur des smarten und introvertierten Will Trent mit seiner unaufgeregten Art immer näher kennen. Sein vergangenes Schicksal, dass weit in seine Kindheit zurück reicht berührt zutiefst, während die Autorin tiefe Einblicke in Wills verschlossene Seele zulässt, die den Blick des Lesers jedoch angenehm klärt. Gut das die Kindheit Will Trents nicht im Vordergrund steht, sondern nur situationsabhängig immer wieder aufblitzt.

Derer Fall entwickelt sich auch zu einer dramatischen Zerreißprobe für Will und Sarahs Lintons Beziehung, die immer noch auf sehr zarten Beinen steht. Sarah ist bei diesem Fall ebenso persönlich involviert und auch beruflich ist sie als Gerichtsmedizinerin ganz nah am Geschehen der grausamen Verbrechen.

Blutige Fesseln kommt mit etwas weniger fließendem Blut aus, denn Karin Slaughter füttert ihren flüssigen Stil und ihre angenehm klare Sprache meisterhaft mit einer brutalen Fantasie aus verachtenswerten Verbrechen, die durch authentische Züge die Spannungskurve mühelos auf ein hohes Niveau zulaufen lässt. Gewalttaten werden reich an Details geschildert, aber es verbleibt stets genug Raum, die Fantasie und die Emotionen des Lesers herauszufordern oder gar zu provozieren.

Diesen äußerst fesselnden Thriller könnte man als „stand alone“ lesen, da Karin Slaughter immer wieder maßvolle Rückblicke gewährt. Doch auch in diesem Will Trent - Thriller tanzen die allseits bekannten Figuren ein Netz aus Verstrickungen, die sich diverse Male bis in die Vergangenheiten der Protagonistenleben verästeln. Ich empfehle daher diese Reihe von Anfang an zu lesen und garantiere absoluten Hochspannungsgenuss.

Die selten schimmernden, niemals fehlerfreien Figuren verleihen dem Thriller ein hohes Maß an Authentizität und überzeugen restlos. Sie führen den Leser in eine Welt verabscheuenswerter Kriminalität, die es auszuhalten gilt. Die Handlung wird aus Sicht der sehr fein gezeichneten Charaktere in mehreren, ungewohnt langen Kapiteln und Perspektiven erzählt, die dem Leser so jedoch eine angenehme Tiefe der dichten Story offenbart.

Der Showdown ist grandios verpackt und löst die geschickten Wendungen der Geschichte restlos auf. Man klappt das Buch zufrieden zu und hofft, dass es nicht so lange dauert, bis Special Agent Will Trennt erneut in einem scheinbar unlösbaren Fall ermittelt.

Fazit und Bewertung:

Blutige Fesseln ist erneut ein spannungsgeladener Thriller, der den Leser an die Seiten fesselt. Er überzeugt durch seine feingezeichneten, authentischen Figuren, die niemals schillernd und fehlerfrei agieren. Absolute Leseempfehlung.