Platzhalter für Profilbild

Pantoffeltier

Lesejury Profi
offline

Pantoffeltier ist Mitglied der Lesejury

Melde dich in der Lesejury an, um dich mit Pantoffeltier über deine Lieblingsbücher auszutauschen.

Anmelden

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 24.08.2022

Gut als Diskussionsanstoß

Der Geruch von Wut
0

Nach einem Autounfall liegt Alex Leben in Trümmern. Sein Vater starb, die Mutter kämpft mit den psychischen und physischen Folgen. Alex macht sich auf, den Fahrer zu suchen, der den Unfall verursacht hat, ...

Nach einem Autounfall liegt Alex Leben in Trümmern. Sein Vater starb, die Mutter kämpft mit den psychischen und physischen Folgen. Alex macht sich auf, den Fahrer zu suchen, der den Unfall verursacht hat, eine person of color. Dabei wird er schnell von einer rechtsradikalen Gruppe angeworben und verstrickt sich immer tiefer.

Das Thema ist sehr spannend und wichtig und ich denke der Autor bildet auch die Lebenswelt von Jugendlichen gut ab. Die Schriftart ist recht groß, die Kapitel sind kurz, man fliegt also nur so durch die Seiten.
Die spirituelle Komponente, also dass Alex immer wieder mit seinem toten Vater spricht, hat mir nicht ganz so gut gefallen, aber das ist Geschmackssache. So richtig emotional mitnehmen konnte mich die Geschichte nicht, man merkt immer stark den moralischen Zeigefinder. Vor allem gefehlt hat mir aber der Tiefgang. Natürlich sehen wir alles aus der Sicht von Alex, aber die Nebenfiguren sind wirklich extrem blass. Unangenehmen Aspekten stellt sich der Autor nicht. Ist der Rassismus der Jungs auf einmal weg und das waren alles nur eskalierte dumme Sprüche? Hat man denn eine Methode gegen die Black Boys vorzugehen? Wem nützt denn Rassismus? ...
Auch schade fand ich, dass gerade am Ende alle people of color makellos gut, hilfsbereit, weise und sanftmütig sind. Das ist nicht so, es gibt bei allen Menschen egal welcher Hautfarbe auch Idioten, aber das ist trotzdem kein Grund für Hass und Hetze. Rassismus wird hier für mich einfach viel zu einfach dargestellt und ganz viel offen gelassen. Andererseits bietet das Buch auch Diskussionsansätze, das ist wiederum nicht schlecht.
Wie so ein Buch auf Jugendliche wirkt, kann ich schwer beurteilen. Als Denkanstoß ist es sicherlich nicht schlecht, aber es gibt sicherlich auch bessere Bücher zum Thema.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 22.08.2022

Beziehungen

Hotel Seattle
0

Bekanntermaßen bin ich keine große Freundin von Kurzgeschichten. Anscheinend arbeitet der C.H.Beck-Verlag gerade heimlich daran, das zu ändern. Schon zum zweiten Mal in diesem Jahr nehme ich mir doch einen ...

Bekanntermaßen bin ich keine große Freundin von Kurzgeschichten. Anscheinend arbeitet der C.H.Beck-Verlag gerade heimlich daran, das zu ändern. Schon zum zweiten Mal in diesem Jahr nehme ich mir doch einen Kurzgeschichtenband vor und bin auch wieder ganz angetan von ihm.

Es handelt sich um eine Sammlung von zehn Erzählungen. Es geht um Erschütterungen im Alltag, den Umgang mit Verlust, Liebe und Begehren. Es geht um kostbare, zärtliche, aber auch brutale und zerstörerische Beziehungen. Mir hat sehr gefallen, wie unterschiedlich die Erzählungen sind. Man denkt anfangs, die Geschichten hätten alle eine bestimmte Machart, eine bestimmte Atmosphäre, aber dann wird man doch immer wieder überrascht.

Bei einigen der Erzählungen wird man direkt ins Geschehen geworfen, kann die vielen auftretenden Figuren kaum zuordnen. Da gefielen mir die etwas ruhiger ablaufenden Geschichten besser. Manche Geschichten blieben mir auf jeden Fall noch eine länger im Kopf, manche Figuren werden mich noch eine Weile begleiten. Und das ist, auch wenn es mir nicht mit allen Erzählungen in dieser Sammlung so ergeht, ein großes Lob an die Autorin.

Insofern eine Leseempfehlung von mir, auch wenn ich mich schon wieder auf den nächsten Roman von Lily King freue.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 31.07.2022

Die Frauen der "Familie"

Die Familie
0

Die gleichaltrigen Freundinnen Sofia und Antonia wachsen gemeinsam auf. Ihre Väter sind aus Sizilien in die USA emigriert und arbeiten für die Mafia. Während Sofias Vater pragmatisch und ehrgeizig ist, ...

Die gleichaltrigen Freundinnen Sofia und Antonia wachsen gemeinsam auf. Ihre Väter sind aus Sizilien in die USA emigriert und arbeiten für die Mafia. Während Sofias Vater pragmatisch und ehrgeizig ist, kommen Antonias Vater immer mehr Bedenken und er träumt von einem Ausstieg. Doch aus der Mafia steigt man nicht so einfach aus. Das müssen auch Sofia und Antonia erfahren.

Der Anfang ist wirklich spannend und man fiebert mit den Personen mit. Doch dann zieht es sich sehr im Mittelteil. Man erfährt kaum etwas über die Aktivitäten der "Familie". Es geht um Antonia und Sofia, ihre Freundschaft, ihre Träume, ihren Alltag. Die beiden heiraten und bekommen Kinder, kommen unterschiedlich gut damit zurecht. Das ist an sich nicht schlecht über so etwas zu schreiben, aber es könnte auch in jedem anderen Milieu spielen. Man erfährt kaum, was die Mafia eigentlich (aus-)macht. Die Frauen wissen von nichts und warten nur bang darauf, dass die Männer von ihren Aufträgen zurückkommen. Das ist leider nicht sonderlich spannend zu lesen und dafür viel zu detailliert und repetetiv.

Saul fand ich dann wiederum einen spannenden Charakter. Er wird als Jude in die katholisch geprägte italienische Mafiafamilie aufgenommen und schlägt sich wieder sehr mit Gewissensbissen herum. Im letzten Drittel wird es dann auch endlich wieder spannend. Das Ende war mir dann wieder etwas zu abrupt. Eigentlich fangen die Probleme dann ja potenziell erst an, aber da wird abgeblendet.

Ein Buch mit spannender Idee, das leider zu wenig aus seiner Prämisse macht und einiges an Kürzung hätte vertragen können.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 24.07.2022

Die Datscha

Das Leben vor uns
0

Anja und Milka wachsen im Moskau der 80er Jahre auf. In der Datscha der Eltern verbringen sie ganze Sommer. Ihr Alltag wird von Mangel und politischer Unsicherheit bestimmt. Anja ist fasziniert von der ...

Anja und Milka wachsen im Moskau der 80er Jahre auf. In der Datscha der Eltern verbringen sie ganze Sommer. Ihr Alltag wird von Mangel und politischer Unsicherheit bestimmt. Anja ist fasziniert von der lebenshungrigen, abenteuerlustigen Milka, die laut und vulgär ist und sich nichts sagen lassen will und doch eine seltsame Ernsthaftigkeit hat. Sie sind unzertrennlich, bis sich eine Tragödie ereignet. Fast 20 Jahre später kehrt die inzwischen in den USA lebende Anja zurück, da die Datscha ihrer Eltern von einem Invenstor gekauft werden soll.

Kristina Gorcheva-Newberry wuchs selbst in Moskau auf und emigrierte wie die Hauptperson in die USA. Man merkt dem Text an, dass sie aus eigenen Erfahrungen oder vielleicht Erzählungen von Bekannten schöpfen kann. Man hat als Leser*in das Gefühl einen sehr ehrlichen, ungeschönten Blick auf das Aufwachsen der Jugendlichen zu bekommen. Es tauchen nur wenige Personen auf, die jedoch umso sorgfältiger betrachtet werden. Die Jugendlichen sind fasziniert von westlicher Musik und Kultur, sehnen sich nach Paris, Rom, New York, wohl wissend, dass ihr Leben ganz anders ablaufen wird. Gewalt, Missbrauch und Ungerechtigkeit werden stoisch ertragen und als selbstverständlicher Teil des Alltages in Russland hingenommen. Trotz Wissens um die Fehler der Politik stehen die meisten hinter der politischen Führung, wurschteln sich mehr oder weniger legal durch oder wählen die Emigration. Gleichzeitig beschreibt die Autorin sehr schön die Freundschaft der Jugendlichen, alltägliches Glück und berührende Erlebnisse. Referenzpunkt ist immer wieder Tschechows "Kirschgarten", zu dem es sehr viele Paralellen, nicht nur in der Auswahl der Namen der Charaktere, gibt. Während bei Tschechow aus der Leibeigenschaft befreite Neureiche das Gut der verarmten Adligen aufkaufen um Datschen zu errichten, sind es nun die Schergen zwielichtiger Oligarchen, die die Datschen einebnen und Hotels bauen möchten.


Ein fesselndes, bittersüßes Buch, das trotz schwerer Themen leicht lesbar daherkommt. Die Autorin wirft einen kritischen Blick auf die russische Gesellschaft, macht es ihrer Hauptperson dabei aber nicht zu leicht. Sie lässt erkennen, wie komplex die Zusammenhänge sind und wie sehr die Menschen, und dadurch auch die Gesellschaft, von den vergangenen Ereignissen, ob nun persönlich oder "gesellschaftlich-historisch" beeinflusst sind. Auch wenn man sich so gar nicht für Russland/die UdSSR interessiert empfehlenswert. Eine schöne, grausame, beunruhigende Geschichte über Freundschaft, Familie und Heimat.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 14.07.2022

Etwas oberflächlich, aber gut zu lesen

Die Hennakünstlerin
0

Lakshmi ist vor ihrem gewalttätigen Ehemann geflohen, hat sich in 13 Jahren als Hennakünstlerin und Expertin für "weibliche Leiden" einen Namen gemacht und träumt davon ihre Eltern zu sich holen zu können. ...

Lakshmi ist vor ihrem gewalttätigen Ehemann geflohen, hat sich in 13 Jahren als Hennakünstlerin und Expertin für "weibliche Leiden" einen Namen gemacht und träumt davon ihre Eltern zu sich holen zu können. Doch dann taucht ein 13-jähriges Mädchen auf, das sich als ihre Schwester vorstellt und Lakshmis Leben wird auf den Kopf gestellt.

Gerade der Anfang hat mir gut gefallen. Lakshmis Alltag und die besondere Beziehung zu ihren Kundinnen werden schön herausgearbeitet und es ist interessant einiges über die indische Gesellschaft der 1950er zu erfahren. Leider werden im Verlauf der Handlung so einige typische Klischees aus romantischen und historischen Romanen bedient, die den guten Eindruck trüben. Schwerwiegende Probleme werden angeschnitten, aber nur oberflächlich abgehandelt. Lakshmi verhält sich im rechten Moment bemerkenswert naiv, obwohl sie am Anfang eigentlich recht geschickt agierte, große dramatische Einschnitte lösen sich auf einmal auf und teilweise war es mir gerade am Ende ein bisschen zu viel Wohlgefallen und Zuckerguss.
Trotzdem ein Buch, dass ich ganz gern zur Entspannung gelesen habe.
3 1/2 Sterne würde ich gern vergeben.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere