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Pantoffeltier

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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 28.02.2023

Weiterleben

Macht
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Liv funktioniert im Alltag, aber seit sie vergewaltigt wurde, kreisen ihre Gedanken um das Ereignis und das Vermeiden ähnlicher Situationen.
Zunächst einmal finde ich es gut, dass man nichts über den Täter ...

Liv funktioniert im Alltag, aber seit sie vergewaltigt wurde, kreisen ihre Gedanken um das Ereignis und das Vermeiden ähnlicher Situationen.
Zunächst einmal finde ich es gut, dass man nichts über den Täter erfährt und der Fokus ganz auf Liv liegt. Sehr eindringlich wird dargestellt, wie Livs Gedanken kreisen und sie es nicht schafft das Ereignis hinter sich zu lassen.
Es passiert viel im Innen, aber kaum etwas im Außen. Der im Klappentext angedeutete Konflikt findet gar nicht statt. Stattdessen ist Liv im Gedankenkarussell gefangen und macht zwar eine Reise, aber keine merkbaren Fortschritte. Da wundert es mich, dass man Anfang gesagt wird, sie käme gut im Alltag klar und ihr Umfeld ahne nichts. Wenn sie so viele von außen unlogisch wirkende Strategien entwickelt und so im Gedankenkarussell festhängt, würde ich annehmen, dass empathische Menschen, die sie gut kennen irgendwann im Verlauf der Jahre etwas merken, auch wenn sie selbst denkt, dass sie funktioniert.
Hier wäre es schön gewesen, Sichtweisen aus dem Umfeld zu erfahren. Es wird nie genau erzählt was wirklich passiert ist. Das ist einerseits gut, weil man so nicht bewerten kann, „wie schlimm es wirklich war“ und ganz auf Livs Einschätzung angewiesen ist, aber man bleibt auch von der Hauptperson distanziert. Man erfährt nicht was für eine Person Liv vorher war und was ihr weiterhilft (außer Vermeidungsstrategien).
Das macht es leider ein bisschen schwächer, als es hätte sein können. Es ist eine eindrucksvolle Zustandsbeschreibung eines traumatisierten Menschen, bietet aber weder eine Außenperspektive noch eine erklärende Handlung oder wenigstens irgendeine Auflösung am Ende.
Insofern tue ich mir trotz des wichtigen Themas und des interessanten Ansatzes schwer mit diesem Buch.

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Veröffentlicht am 08.01.2023

Eher Nacherzählung als Neuinterpretation

Elektra, die hell Leuchtende
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Im Moment scheinen ja feministische Neuinterpretationen griechischer Sagen hip zu sein. Dieses Buch surft auf dieser Erfolgswelle mit. Das Cover erinnert an „Ich bin Circe“, aber es erreicht für mich nicht ...

Im Moment scheinen ja feministische Neuinterpretationen griechischer Sagen hip zu sein. Dieses Buch surft auf dieser Erfolgswelle mit. Das Cover erinnert an „Ich bin Circe“, aber es erreicht für mich nicht deren Qualität.
Im Fokus stehen Klytämnestra, Frau von Agamemnon und Schwester von Helena ihre Tochter Elektra und die trojanische Priesterin Kassandra.
Die Geschichte wird immer abwechselnd aus der Perspektive dieser Frauen erzählt. Gerade am Anfang ist die titelgebende Elektra tatsächlich eher eine blasse Figur und allgemein bleibt man als Leserin eher auf Distanz. Ich fand es interessant, mehr über die griechische Mythologie zu erfahren, aber ich hatte immer Madeline Miller als Vergleich im Hinterkopf und deren Ansatz geht noch einmal tiefer, als dieses Buch.
Miller schafft es zu erklären, inwiefern Götter „anders ticken“ und Helden am Heldentum scheitern. Saint erzählt die Geschichte aus weiblicher Sicht und säht Zweifel an den Erzählungen der Männer ohne allzu sehr in die Tiefe zu gehen. Das ist allerdings für mich nicht immer nachvollziehbar, wann und warum derhomerschen Version gefolgt wird und wann nicht. Apollon erscheint tatsächlich und bedrängt Kassandra, aber an Paris Erzählung des Erscheinens der drei Göttingen und der Rettung der Iphigenie wird gezweifelt. Das ist schade, denn es eröffnet nicht viel neuen Platz zum Nachdenken. Hätte ich nicht andere, tiefgehendere Bücher in dem Bereich gelesen, wäre ich vermutlich zufriedener gewesen, so war ich etwas enttäuscht.
Als Nacherzählung aus weiblicher Sicht nicht schlecht, aber leider nicht so gut wie es sein könnte.

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Veröffentlicht am 03.09.2022

Die interessanten Themen ergeben leider kein stimmiges Ganzes

Freundin bleibst du immer
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Funmi, Enitan und Zainab lernen sich in den 1980er Jahren an der Universität kennen. Trotz anfänglicher Schwierigkeiten entwickelt sich eine Freundschaft.
Als 30 Jahre später lädt Funmi die Freundinnen ...

Funmi, Enitan und Zainab lernen sich in den 1980er Jahren an der Universität kennen. Trotz anfänglicher Schwierigkeiten entwickelt sich eine Freundschaft.
Als 30 Jahre später lädt Funmi die Freundinnen anlässlich der Hochzeit ihrer Tochter Destiny ein.

Auf das Buch war ich vor allem deswegen gespannt, weil ich mehr über Nigeria erfahren wollte. Das hat ein wenig geklappt, war jedoch nicht so tiefgehend wie erhofft. Es wird immer wieder die Sichtweise gewechselt zwischen den drei Freundinnen. Der Anfang spielt in der Gegenwart, der Mittelteil behandelt die Entstehung der Freundschaft und am Ende kommt die Autorin in die Gegenwart zurück.
Leider schafft sie es nicht, die an sich interessanten Themen zu einem Ganzen zu verbinden. Sehr dramatische Ereignisse werden ausgeblendet oder schnell abgehandelt. Man weiß auch schon ganz am Anfang, welche Problematik am Ende wohl auftaucht.
Das fand ich sehr schade, denn an sich war viel Interessantes vorhanden. Nur hat sich die Autorin nicht so richtig getraut die Geschichte ganz groß aufzuziehen.
Kann man lesen, aber ein absolutes Muss ist es nicht.

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Veröffentlicht am 24.08.2022

Gut als Diskussionsanstoß

Der Geruch von Wut
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Nach einem Autounfall liegt Alex Leben in Trümmern. Sein Vater starb, die Mutter kämpft mit den psychischen und physischen Folgen. Alex macht sich auf, den Fahrer zu suchen, der den Unfall verursacht hat, ...

Nach einem Autounfall liegt Alex Leben in Trümmern. Sein Vater starb, die Mutter kämpft mit den psychischen und physischen Folgen. Alex macht sich auf, den Fahrer zu suchen, der den Unfall verursacht hat, eine person of color. Dabei wird er schnell von einer rechtsradikalen Gruppe angeworben und verstrickt sich immer tiefer.

Das Thema ist sehr spannend und wichtig und ich denke der Autor bildet auch die Lebenswelt von Jugendlichen gut ab. Die Schriftart ist recht groß, die Kapitel sind kurz, man fliegt also nur so durch die Seiten.
Die spirituelle Komponente, also dass Alex immer wieder mit seinem toten Vater spricht, hat mir nicht ganz so gut gefallen, aber das ist Geschmackssache. So richtig emotional mitnehmen konnte mich die Geschichte nicht, man merkt immer stark den moralischen Zeigefinder. Vor allem gefehlt hat mir aber der Tiefgang. Natürlich sehen wir alles aus der Sicht von Alex, aber die Nebenfiguren sind wirklich extrem blass. Unangenehmen Aspekten stellt sich der Autor nicht. Ist der Rassismus der Jungs auf einmal weg und das waren alles nur eskalierte dumme Sprüche? Hat man denn eine Methode gegen die Black Boys vorzugehen? Wem nützt denn Rassismus? ...
Auch schade fand ich, dass gerade am Ende alle people of color makellos gut, hilfsbereit, weise und sanftmütig sind. Das ist nicht so, es gibt bei allen Menschen egal welcher Hautfarbe auch Idioten, aber das ist trotzdem kein Grund für Hass und Hetze. Rassismus wird hier für mich einfach viel zu einfach dargestellt und ganz viel offen gelassen. Andererseits bietet das Buch auch Diskussionsansätze, das ist wiederum nicht schlecht.
Wie so ein Buch auf Jugendliche wirkt, kann ich schwer beurteilen. Als Denkanstoß ist es sicherlich nicht schlecht, aber es gibt sicherlich auch bessere Bücher zum Thema.

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Veröffentlicht am 31.07.2022

Die Frauen der "Familie"

Die Familie
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Die gleichaltrigen Freundinnen Sofia und Antonia wachsen gemeinsam auf. Ihre Väter sind aus Sizilien in die USA emigriert und arbeiten für die Mafia. Während Sofias Vater pragmatisch und ehrgeizig ist, ...

Die gleichaltrigen Freundinnen Sofia und Antonia wachsen gemeinsam auf. Ihre Väter sind aus Sizilien in die USA emigriert und arbeiten für die Mafia. Während Sofias Vater pragmatisch und ehrgeizig ist, kommen Antonias Vater immer mehr Bedenken und er träumt von einem Ausstieg. Doch aus der Mafia steigt man nicht so einfach aus. Das müssen auch Sofia und Antonia erfahren.

Der Anfang ist wirklich spannend und man fiebert mit den Personen mit. Doch dann zieht es sich sehr im Mittelteil. Man erfährt kaum etwas über die Aktivitäten der "Familie". Es geht um Antonia und Sofia, ihre Freundschaft, ihre Träume, ihren Alltag. Die beiden heiraten und bekommen Kinder, kommen unterschiedlich gut damit zurecht. Das ist an sich nicht schlecht über so etwas zu schreiben, aber es könnte auch in jedem anderen Milieu spielen. Man erfährt kaum, was die Mafia eigentlich (aus-)macht. Die Frauen wissen von nichts und warten nur bang darauf, dass die Männer von ihren Aufträgen zurückkommen. Das ist leider nicht sonderlich spannend zu lesen und dafür viel zu detailliert und repetetiv.

Saul fand ich dann wiederum einen spannenden Charakter. Er wird als Jude in die katholisch geprägte italienische Mafiafamilie aufgenommen und schlägt sich wieder sehr mit Gewissensbissen herum. Im letzten Drittel wird es dann auch endlich wieder spannend. Das Ende war mir dann wieder etwas zu abrupt. Eigentlich fangen die Probleme dann ja potenziell erst an, aber da wird abgeblendet.

Ein Buch mit spannender Idee, das leider zu wenig aus seiner Prämisse macht und einiges an Kürzung hätte vertragen können.

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