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Veröffentlicht am 21.03.2023

Warum in die Ferne sehnen, wenn das gute ist so nah?

Mikroabenteuer
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Ich habe in der Zeitschrift Flow von 08/2019 von dem Begriff der Mikroabenteuer gelesen und mich im Buchhandel direkt nach den dort genannten Buchnennungen umgeschaut. Neben „Mikroabenteuer“ hat der Autor ...

Ich habe in der Zeitschrift Flow von 08/2019 von dem Begriff der Mikroabenteuer gelesen und mich im Buchhandel direkt nach den dort genannten Buchnennungen umgeschaut. Neben „Mikroabenteuer“ hat der Autor auch noch „Raus und machen“ veröffentlicht, das ich mir wohl auch ansehen werde.

Christo Foerster war lange Motivationstrainer, bevor er für sich herausgefunden hat, dass noch lange nicht Schluss ist und es immr noch etwas aus sich herauszuholen gibt. Und das mit einem Nahweh, das der ständigen Sehnsucht in die Welt zu entschwinden Konkurrenz macht! In Mikroabenteuer geht es in der Hauptsache darum, Abenteuer vor der Haustür zu erleben, Foerster regt aber auch dazu an seine eigene Komfortzone zu verlassen und einfach zu „machen“ statt immer nur zu planen und die Vorhaben dann doch nicht umzusetzen. Denn eines ist sicher: Wer die Abenteuervorschläge umsetzt und beispielsweise einmal nachts im Wald übernachtet, der wird Lösungen finden, wenn sich Probleme ergeben. Mikroabenteuer wie Foerster sie vorstellt haben also den Effekt einer lösungsorientierten Persönlichkeitsentwicklung.

Besonders haben mir die Passagen gefallen, in denen der Autor von seinen eigenen Grenzerfahrungen spricht, z.B. dass er schon auf kalten Bergen geschlafen hat, spontan in einer Nacht von Hamburg nach Berlin geradelt ist, um einen lange nicht mehr getroffenen Freund zum Frühstück zu besuchen. Auch mochte ich die Vorschläge für Ausrüstungen, gerade weil ich merke, dass mich die Ausrede „Sowas besitze ich nicht“ tatsächlich davon abhält einmal woanders als in meinem eigenen (oder jemand anderes) Bett zu übernachten. Mich mit einer Hängematte im Wald aufzuhalten ist tatsächlich ein lange gehegter geheimer Traum von mir (gut, so geheim ist er spätestens jetzt nicht mehr...).
Schön ist auch, dass der Autor immer wieder anregt die Natur und die Menschen, die einem begegnen, respektvoll zu behandeln. Das sollte eigentlich selbstverständlich sein, ich finde es jedoch positiv genug es auch hier nochmal hervorzuheben.

Die Stadtvorschläge für Mikroabenteuer sind eine interessante Anregung, auch wenn die eigene Stadt nicht dabei ist. Der Vorteil ist aber: Die Vorschläge der großen Städte lassen sich viel einfacher auf kleinere Städte, bei denen die Natur direkt vor der Tür liegt, umsetzen als es andersherum wäre.
Besonders toll ist, dass es eigentlich gar nicht viel braucht, um zu so einem Abenteuer aufzubrechen, was Christo Foerster auch immer wieder betont. Manche Vorhaben wie seine Flußausflüge (speziell die mit selbstgebautem Floß) brauchen etwas vorausschauendes Denken, aber grundlegend reichen im Normalfall ein Schlafsack, eine Isomatte und eine Taschenlampe. Darum motiviert der Autor dazu sich zu überwinden und es einfach mal zu probieren. Durch die kurze Materialliste ist es eigentlich so einfach, und noch ist es ja sommerlich genug, um mit einem kleinen Abenteuer zu beginnen.

Veröffentlicht am 21.03.2023

Aus Liebe zum Wort

Das verborgene Wort
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Ulla Hahn – Poetin und Romanautorin. Mit ihrem verborgenen Wort hat sie eine Geschichte geschaffen, die Traurigkeit und Hoffnung ist.
Hildegard Palm ist das Kind einfacher Arbeiter im katholisch geprägten ...

Ulla Hahn – Poetin und Romanautorin. Mit ihrem verborgenen Wort hat sie eine Geschichte geschaffen, die Traurigkeit und Hoffnung ist.
Hildegard Palm ist das Kind einfacher Arbeiter im katholisch geprägten rheinischen Nachkriegsdeutschland. Einfache Menschen, einfache Sprache. Heldejaad lernt von Kleinauf den kölner Dialekt zu sprechen, ist jedoch verzaubert von ihren ersten Stunden im Fach Deutsch als sie eingeschult wird. Wörter üben eine Faszination auf das Mädchen aus, die ihre in ihrer Einfachheit teils engstirnig gestrickten Eltern nicht nachvollziehen können. Dem proletarischen Vater, vor dem Hildegard oft erzittert, holt er doch das Stöckchen hinter der Uhr hervor, um es als Erziehungsmittel jener Zeit auf ihren Ungehorsam anzuwenden, sind das Besserwissertum und die Schlauheit seiner Tochter eine Widernatürlichkeit, die er ihr auszutreiben sucht. Ihr Wissensdurst entfernt sie von ihren Eltern, und die Entscheidung, die diese für Hildegard nach dem Schulabschluss treffen, zerstört das Mädchen mit dem großen Potential fast... Der Auftakt der Trilogie, die sich nachträglich auf eine Tetralogie erweitert hat, hat mich sofort eine Verehrerin von Ulla Hahns Wortkunst werden lassen. Das verborgene Wort erwies sich als so viel mehr als ein geschlagenes Kind und ist gewiss nicht nur Lesestoff für die Generation der 50er Jahre.

Veröffentlicht am 21.03.2023

Oh ja, bitte mehr davon!

Das Lied des Quarktiers
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Jennifer Strange leitet in Abwesenheit des großen Zambini wie schon im ersten Band die Zauberagentur Kazam, die den Auftrag erhält einen Ring aufzuspüren, der nicht gefunden werden will. Die Zauberer im ...

Jennifer Strange leitet in Abwesenheit des großen Zambini wie schon im ersten Band die Zauberagentur Kazam, die den Auftrag erhält einen Ring aufzuspüren, der nicht gefunden werden will. Die Zauberer im Einsatz merken, dass der Ring verflucht ist, und trotz eines imposanten Honorars entscheidet Jennifer sich dazu den Ring nicht auszuhändigen und das immense Geld auszuschlagen. Wieder im HQ in den Zambini-Towers arbeitet Lady Mawgon, ein unangenehmer aber sehr fähiger Zauberer, an der Freischaltung einer Energiequelle. Leider scheitert sie und ein ihr zu Hilfe eilender Zauberkollege, woraufhin die beiden zu einer Granitsäule erstarren. Das ist gar nicht gut, denn später in der Arbeitswoche sollen die Zauberer in einer Hoch-und-Tiefbau-Aktion eine eingestürzte und seit langem unbrauchbare Brücke wieder instand setzen. Dieses Vorhaben wurde vom König der Ununited Kingdoms als Wettstreit zwischen den zwei Zaubereiagenturen Kazam und iMagic angeordnet. Dass zwei Zauberer nun ausfallen, setzt die Magier unter Jennifer Strange in eine nachteilige Position. Dem Leiter der Zauberer von iMagic ist das jedoch nicht genug und mit viel Boshaftigkeit und Tücke erreicht er, dass Kazam mehr und mehr Magier entzogen werden, um den Wettstreit noch zu gewinnen. Die Agentur steht auf dem Spiel. Es taucht jedoch unerwartete Hilfe auf...

Die Handlung baut sich allmählich auf, um sich zu steigern und in einem spannenden Finale zu entscheiden. Es ist eine Wonne sich durch die erdachten Situationen von Jasper Fforde zu lesen. Auch im zweiten Band wird man mit ordentlich fforde'schem Humor – skurril, ulkig und äußerst ungezogen - versorgt, ich konnte das Buch gar nicht mehr aus den Händen legen. Jetzt wird es Zeit für den dritten Band!

Veröffentlicht am 21.03.2023

Spannend bis zum Schluss!

Nullzeit
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Sven ist ein Aussteiger. Deutschland hat er vor über einem Jahrzehnt den Rücken gekehrt, weil er dieses verlogene Wettschwimmen mit Haien nicht mehr ertragen wollte. Antje, für die er eine dauerhafte Jugendliebe ...

Sven ist ein Aussteiger. Deutschland hat er vor über einem Jahrzehnt den Rücken gekehrt, weil er dieses verlogene Wettschwimmen mit Haien nicht mehr ertragen wollte. Antje, für die er eine dauerhafte Jugendliebe ist, wanderte gleich mit aus. Die beiden betreiben eine Tauchschule, und ihre nächsten Gäste sind Jola und Theo, ein hassliebendes, schwer einschätzbares Ehepaar. Jola, die in Deutschland in einer Telenovela als Schauspielerin mitspielt, versucht mit einem Tauchlehrgang eine Filmrolle über das Leben einer berühmten Taucherin zu ergattern, die sie verehrt. Theo, Schriftsteller eines einzigen bisher veröffentlichten Romans, lässt sich von Jola aushalten. Und da sind die beiden nun, haben Sven exklusiv für einen festgelegten Zeitraum für ein dringend benötigtes Honorar gebucht, und machen ihm fast von Tag 1 an nur Ärger. Sven, der eigentlich ein zurückgezogenes Leben führt und seit seiner Abkehr aus Deutschland nach dem Credo lebt sich in niemandes Angelegenheiten einzumischen, sondern schön aus allem rauszuhalten, wird durch die Aktionen zwischen Theo und Jola immer tiefer in deren skurriles Beziehungsleben gezogen. Es ergibt sich eine eigenwillige Dreiecksbeziehung.

Sven ist der Ich-Erzähler der Geschichte. Seine Episoden werden von Tagebucheinträgen Jolas abgelöst. Scheinen sie sich zunächst noch zu ergänzen, weiß der Leser mit Fortschreiten der Geschichte nicht mehr, wem der erzählenden Personen er Glauben schenken soll. Bis zuletzt spann sich in meinen Gedanken die Skepsis beiden gegenüber, gleichzeitig wollte ich beiden glauben.

Ich glaube, ich habe das Buch auch innerhalb von zwei Tagen fertig gelesen, was für mich ziemlich schnell ist. Sehr interessant fand ich die Ruhe der Tauchgänge, die einen Teil von Svens Episoden ausmachen. Es wirkte, als ob man all die Ruhe gesammelt hat, die man in einem spannungsgeladenen Finale auch benötigt. Ich fand die Geschichte wirklich sehr, sehr gut und werde mich neugierig in weitere Lektüren von Juli Zeh vertiefen in der nächsten Zeit!

Veröffentlicht am 21.03.2023

Tick tack, alle zusammen...

Generation Weltuntergang
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Noch so ein Schinken zum Klimaschutz, denkste vielleicht geätzt daher. Fehlanzeige! Stefan Bonner ist mitnichten Klimaforscher, sondern einfach ein studierter Germanist, der im Verlagswesen arbeitet. Anne ...

Noch so ein Schinken zum Klimaschutz, denkste vielleicht geätzt daher. Fehlanzeige! Stefan Bonner ist mitnichten Klimaforscher, sondern einfach ein studierter Germanist, der im Verlagswesen arbeitet. Anne weiß ebenfalls, die hat aber noch Anglistik studiert und darf sich damit rechtschaffend über die Briten lustig machen. Macht sie aber nicht, stattdessen hatte Weiss zusammen mit Bonner vor in alter Tradition nach Büchern wie „Wir Kassettenkinder“, „Generation Doof“ und „Heilige Scheiße“ wieder ein Sachbuch mit viel Humor zu machen. Witzig ist zwar „Generation Weltuntergang“ auch geschrieben, aber das Thema – erkennen die beiden an – ist ernst genug es eigentlich nicht lustig zu finden.

Jedes Unterkapitel beginnt mit einer Denkblase passenden Inhalts von Klimaforschern, Kabarettisten, Politikern oder Weltverbesserern wie Gandhi. Es stimmt immer recht passend, bisweilen aber auch humorfoll in den jeweiligen Abschnitt ein.

Anhand aktueller Wettererscheinungen, ausgelöst durch die Erderwärmung, die in den letzten Jahren auch Deutschland ereilt haben (Hochwasser, Dürren, Überschwemmungen und andere Extreme), rufen die Autoren dem Leser ins Gedächnis, dass der Klimawandel nicht als Gespenst ungreifbar herumgeistert, sondern längst angekommen ist. Weiss und Bonner klären nicht nur auf, was das für uns und unser unmittelbare Umwelt bedeutet, sondern was die Wetterextreme global auslösen, und dass wir aufgrund weltweiter nicht mehr bewohnbarer Lebensräume künftig nicht nur mit Kriegs- oder gar Wirtschaftsflüchtlingen rechnen müssen, sondern Klimaflüchtlinge ein neues ernstzunehmendes Phänomen der kommenden Jahre sein werden.

Die Autoren haben viel recherchiert und zeigen auf, dass es nicht fünf vor zwölf ist, sondern zwei Minuten vor zwölf, und wir als gesammelte Menschheit eigentlich nur noch eine verschwindende Chance haben das Ruder des Point of No Return herumzureißen, weil wir seit den ernstwerdenden Prognosen zum Klimawandel vor einigen Jahrzehnten zu viel wertvolle Zeit verstreichen lassen und zu viel CO2 in die Luft geblasen haben. Die ersten Zusammenhänge zwischen dem CO2-Ausstoß und der Erderwärmung wurden nämlich schon 1938 anhand von ermittelt; 1957 durch den Chemiker Charles David Keeling in einem der bedeutensten Experimente der Menschheit verifiziert.
Es gibt sogar Beispielrechnungen über die tägliche allgemeine Co2-Bilanz, die wir täglich so produzieren, denn mal ehrlich: Wer von uns hat denn ein auch nur annähernd exaktes Bild davon wie hoch unser Anteil an der Erderwärmung ist. Gut, die Verantwortung jedes einzelnen wird dieses Buch sicher nicht ansprechen, aber man bekommt eine ungefähre Idee davon wie groß der eigene Fußabdruck ist.
Bonner und Weiss zeigen auch mögliche Wege aus dem Dilemma auf; einerseits das, was jeder einzelne tun kann, andererseits das, was Aufgabe der Politik sein muss wie diverse Reglementierungen zum Wohle aller auf Kosten aller, damit uns der Planet, auf dem wir leben noch lange erhalten bleibt – denn bis dato haben wir keinen Ersatzplaneten, auf den wir ziehen können, wenn wir unseren komplett ruiniert haben.